Hinweise des Tages

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  1. Ex-Außenminister Fischer meldet sich zurück
    Am Donnerstag stellt Fischer seine Version der rot-grünen Kabinettsjahre vor. Mit einem Blick zurück wird er es aber nicht bewenden lassen: Nach zwei Jahren Abstinenz will Fischer wieder in der Politik mitmischen.
    Quelle: SZ

    Ergänzung und Kommentar von Volker Bahl: Fischer ist wieder zurück in Berlin und hat eine Beratungsfirma gegründet – Joschka Fischer Consulting, wohl in der Ansicht, dass mit dem Instrument des Berater(un)wesens in der Politik mehr Einfluss ausgeübt werden kann als das ein “normaler” Politiker könnte. Seine Consulting hat sich einer neuen europäischen Denkfabrik angeschlossen, die Furore – sprich Politik – machen will – dem European Council on Foreign Relations, frei nach dem großen amerikanischen Vorbild. Fischer ist nicht nur Gründungsmitglied, sondern auch Vorstand dieses neuen “Councils”.
    Inhaltlich unterstrichen wird dieser Anspruch durch sein neues Buch ( 444 S. ), das Fischers Version über die rot-grüne Regierungspolitik enthält (es wird am Donnerstag vorgestellt – der Spiegel hat sich Vorabdrucksrechte gesichert).
    Dabei wird z.B. ein Dissens in dieser Koalition deutlich, denn anders als “sein” Kanzler geht er auf deutliche Distanz zu Russland und seiner Politik.
    Etwas tiefer schürft ein anderes Buch, das auch heute in der SZ besprochen wird (“Literatur” S.18): “Der Präventiv-Krieg” – Geschichtliche Entwicklung und gegenwärtige Bedeutung – von dem Würzburger Rechtwissenschaftler Martin Kunde, der den Bogen von Thukydides über den ersten neuzeitlichen Völkerrechtler Hogo Grotius bis zum gegenwärtigen Völkerrecht der UNO u.ä. aufzeigt. Der Irak-Krieg ist das Lackmus-Papier für die Tauglichkeit dieses Völkerrechts.
    Ob Joschka Fischer das interessiert?

    Anmerkung AM: Joschka Fischers Consulting-Firma ist mit hoher Wahrscheinlichkeit vor allem dazu da, den US-amerikanischen Einfluss in Europa weiter zu stabilisieren. Von der von Clinton gegenüber Schröder und Fischer im Oktober 1998 noch vor der Wahl zum Bundeskanzler und Ernennung zum Vizekanzler und Außenminister „angeordneten“ Beteiligung Deutschlands unter Rot-Grün am Kosovo-Krieg bis heute zieht sich wie ein roter Faden durch Fischers politisches Leben die Nibelungentreue zur Linie der US-Regierung. Das (eher durch die Koalition erzwungene) Nein zur direkten Beteiligung am Irakkrieg diente vor allem der Glaubwürdigkeit. Ähnlich dürfte es jetzt mit der Betonung der Rolle Europas liegen. So schlau, die Camouflage richtig zu betreiben, ist Fischer allemal. Es fällt zum Beispiel schon am Bericht der Süddeutschen Zeitung auf, dass die Brücke zu Russland schon gar nicht mehr geschlagen werden soll, sondern ein neues Feindbild geschaffen wird, auch wieder einmal beispielhaft am Kosovo demonstriert. Sachlich ist das eines der ungeeignetsten Objekte, um neue Gräben zu Russland zu schaufeln.
    Diese Anmerkung ist bitte nicht als Rechtfertigung der besonderen Freundschaft von Schröder zu Putin und Putins Verhalten zu verstehen.

  2. Sozialrichter halten Hartz-Regelung für verfassungswidrig
    Schützenhilfe von der Justiz für eine längere Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I: Ein Berliner Sozialrichter legte dem Bundesverfassungsgericht zwei Musterfälle zur Überprüfung vor. Sind die Hartz-Gesetze grundgesetzwidrig?
    Nach Überzeugung des Berliner Sozialgerichts verstößt die Kürzung des Arbeitslosengelds I jedenfalls dann gegen das Grundgesetz, wenn es um ältere Arbeitslose geht. Die Richter kritisierten vor allem, dass “die drastische Kürzung der Anspruchsdauer” durch eine längere Übergangsfrist hätte abgefedert werden müssen. Sie betonen, dass das Arbeitslosengeld I, im Gegensatz zum Arbeitslosengeld II, eine mit eigenen Beiträgen erworbene Versicherungsleistung ist. Daher sei es “durch das Grundrecht auf Eigentum geschützt”. Kürzungen seien zwar möglich, sie müssten aber “abgefedert” werden.
    Wer 20 Jahre oder mehr Beiträge für die Sozialversicherung geleistet hat, der müsse auch darauf vertrauen können, dass die Ansprüche, die daraus erwachsen, nicht mir nichts dir nichts wegfallen könnten, sagt ein Verfassungsjurist. Auch wenn die Sozialversicherung eine Pflichtversicherung für die Arbeitslosen darstelle, beruhe sie auf einem Vertrag, der nicht einfach in zentralen Bestandteilen verändert werden könne.
    Quelle: Spiegel Online
  3. Bundesarbeitsgericht: Betriebsrat darf bei Ein-Euro-Jobbern mitbestimmen
    Der Fall hat mehrere Instanzen beschäftigt, heute kam die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: Bei der Beschäftigung von Ein-Euro-Jobbern hat der Betriebsrat ein entscheidendes Mitspracherecht. Ein-Euro-Jobber seien zwar keine Arbeitnehmer im eigentlichen Sinne. Sie würden aber in den Betrieb eingegliedert und verrichteten zusammen mit den Arbeitnehmern weisungsgebundene Tätigkeiten. Damit gelte das Mitbestimmungsgesetz.
    Quelle: Spiegel Online

    In der Pressemitteilung es Bundesarbeitsgerichts heißt es:

    Der Betriebsrat hat mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber in seinem Betrieb erwerbsfähige Hilfebedürftige iSv. § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II – sog. Ein-Euro-Jobber – beschäftigen will. Die Beschäftigung dieser Personen ist eine mitbestimmungspflichtige Einstellung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Zwar sind die Ein-Euro-Jobber keine Arbeitnehmer. Sie werden aber in den Betrieb eingegliedert und verrichten zusammen mit den dort beschäftigten Arbeitnehmern zur Verwirklichung des Betriebszwecks weisungsgebundene Tätigkeiten. Dies genügt für das Mitbestimmungsrecht.
    Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts gab daher – wie bereits die Vorinstanzen – dem Antrag des Betriebsrats einer Pflegeeinrichtung statt, der gerichtlich festgestellt wissen wollte, dass ihm bei der Beschäftigung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ein Mitbestimmungsrecht zusteht.

    Quelle: Bundesarbeitsgericht

  4. Experten halten Verlängerung des Arbeitslosengeldes für einen schlimmen Rückschritt
    “Seit den neunziger Jahren war die Bezugsdauer gestiegen und das hat faktisch zu einer dauerhaften Verlängerung der Arbeitslosigkeit geführt”, sagte Friedrich Heinemann, Konjunkturchef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Der Arbeitsmarktexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaft Berlin, Christian Dreger sagte, er sehe “keine Notwendigkeit, die Hartz-Reform in diesem Punkt zurückzunehmen”. Die kürzere Bezugsdauer habe sich bewährt, weil sie Anreize gesetzt habe, Arbeit aufzunehmen.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung: Jetzt haben unsere Experten endlich die Ursache für den Anstieg der Arbeitslosigkeit vor allem in den neunziger Jahren entdeckt. Es war nicht etwa die stagnierende Wirtschaft und die (Arbeits-) Kostensenkungsorgie der Unternehmen, sondern die Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes.
    Pech nur, dass ihre Behauptung mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat: Die Arbeitslosengeldregelung wurde Anfang 1985 erstmals geändert – wer 49 war und arbeitslos wurde bekam 18 Monate Unterstützung. Von Mitte 1987 an bekamen Jobsuchende über 55 die Unterstützung bis zu maximal 32 Monate.
    Und das soll dann erst in den neunziger Jahren zur Verlängerung der Arbeitslosigkeit geführt haben?
    Im Übrigen: Die Verlängerung war keineswegs nur eine Wohltat für die Arbeitslosen, es profitierte vor allem der Bundesfiskus: Weil das aus Mitteln der Beitragszahler finanzierte Arbeitslosengeld länger bezahlt wurde, musste weniger für die steuerfinanzierte Arbeitslosenhilfe aufgebracht werden.
    DIW-Dreger bestätigt – vermutlich ohne es zu wollen – mal wieder die These, dass die ganzen Hartz-Reformen nur das Ziel hatten, ökonomischen Druck („Anreiz“) auszuüben, dass die Menschen Arbeit zu jedem Preis annehmen, d.h. letztlich ein (staatliches) Instrument zur allgemeinen Lohnsenkung waren.

  5. Autoabsatz bricht im IAA-Monat um zehn Prozent ein
    266.000 Personenwagen wurden im September neu auf Deutschlands Straßen registriert, wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) am Dienstag in Frankfurt mitteilte. Damit habe die zahl der Neuzulassungen um 10,5 Prozent unter dem Vergleichsmonat des Vorjahres gelegen. Seit Jahresbeginn schrumpften die Verkäufe damit um acht Prozent auf 2,34 Millionen Fahrzeuge. Für den schwachen Pkw-Absatz führt die Branche mehrere Gründe an, vor allem eine Verunsicherung der Verbraucher. Die weiterhin unklare Ausgestaltung der geplanten CO2-Steuer und die Preissteigerungen für Dinge des täglichen Bedarfs hätten zu der Schwäche beigetragen.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung: Autos kaufen eben keine Autos.

  6. INSM: „Gesamtdeutscher Rekord: 40.000.000 Erwerbstätige.“
    Pünktlich zum Tag der Deutschen Einheit ist die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland auf die Rekordmarke von 40.000.000 gestiegen. Das ist das Ergebnis einer von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) in Auftrag gegebenen Expertise des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn.
    Nach den Berechnungen des Forschungsinstitutes wurde im September die 40.000.000-Grenze bei der Zahl der Erwerbstätigen überschritten. “Die Erwerbstätigenzahl ist auf dem höchsten Stand seit der Wiedervereinigung. Deutschland hat an diesem 3. Oktober deshalb allen Grund zum feiern”, kommentierte der Geschäftsführer der INSM, Max A. Höfer, das Ergebnis. “Die Reformen der vergangenen Jahre, aber auch die Anstrengungen von Unternehmen und Arbeitnehmern haben sich gelohnt und diese Entwicklung ermöglicht”, so Höfer weiter.
    Fazit: Um den derzeit positiven Beschäftigungstrend zu stabilisieren, muss der Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung reduziert werden.“
    Quelle: Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft

    Anmerkung Martin Betzwieser: Wer einen Blick hinter die Kulissen des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) wirft, wird schnell merken, wer hier die Auftragsgutachten diktiert. „Das IZA ist ein privates, unabhängiges Wirtschaftsforschungsinstitut und betreibt nationale wie auch internationale Arbeitsmarktforschung. Als gemeinnützige GmbH wird es durch Wissenschaftssponsoring der Deutsche Post-Stiftung gefördert. Der Vorstandsvorsitzende der Deutsche Post World Net, Dr. Klaus Zumwinkel, ist zugleich Präsident des IZA.“ Und unter den so genannten „Policy Fellows“ finden wir neben diversen Berufspolitikern aller Farben schon beim oberflächlichen Überfliegen der Liste sechs Vertreter der INSM (einschließlich Märchenonkel Günter Ederer).
    Die Präsentation und Kommentierung dieser „Expertise“ kann eigentlich nur noch als plump bezeichnet werden, besonders in Kombination mit dem Tag der Deutschen Einheit.

    Lesen Sie dazu noch einmal:

    Ulrike Herrmann: Wunder der Statistik
    Quelle: taz

  7. Transrapid soll deutlich teurer werden
    Die bisherige Kostenkalkulation für den Münchner Transrapid reicht möglicherweise bei Weitem nicht aus. Statt 1,85 Milliarden könnte der Preis auf 2,8 Milliarden Euro steigen.
    Quelle: Focus

    Anmerkung: Würde der Focus doch die NachDenkSeiten lesen: Darüber haben wir schon im Mai ausführlich berichtet.

  8. Bruno Schirra: Was zahlte Siemens der CDU?
    Dass Siemens im Ausland mit Schmiergeldern und schwarzen Konten operiert hat, ist inzwischen bekannt. Schweizer Ermittler behaupten, der Konzern habe auch die Politik im Inland geschmiert – und stützen damit ein brisantes Geständnis aus der Zeit der CDU-Spendenaffäre.
    Ein Schweizer Fahnder: „Siemens hat die CDU bis in die neunziger Jahre aus der Schweiz heraus mit Millionenspenden versorgt. Siemens hatte ein schwarzes Kassensystem in der Schweiz, von dem aus Schmiergelder und Spenden auch nach Deutschland flossen.“
    Quelle: Cicero
  9. Sinn und UnSinn ökonomischer Prognosen
    Mit Wissenschaft hat das Gebaren Sinns und seines Instituts herzlich wenig zu tun.
    Die Leibniz-Gemeinschaft hat das im Mai 2006 etwas dezenter ausgedrückt: Man könne daran zweifeln, heißt es in einer Studie, „ob alle politischen Ratschläge des Ifo-Instituts auf ausreichend rigoroser, empirischer Forschung basieren”.
    Quelle: Menschini

    Siehe dazu: “Konjunktur – Ifo-Chef sieht tiefe Rezession”

  10. Nachrichten als Werbefläche
    Es gibt viele schlechte Sitten im Journalismus. Diese hier greift erst in jüngster Zeit stärker um sich: die als absolut seriös und unabhängig geltenden Nachrichtensendungen werden hemmungslos genutzt zur Reklame in eigener Sache.
    Die Sender haben entdeckt, dass gerade die Nachrichtensendungen schöne Plattformen sind für cross-promotion, Programmhinweise und seriös wirkendes Selbstlob. Das funktioniert gut. Durch die Bank finden sie das unheimlich geschickt. Die Macher kommen sich listig vor. Sie unterliegen keiner Kontrolle außer dem eigenen Gefühl, es nicht zu übertreiben. Dass sie dabei das gute Image der TV-Nachrichten nachhaltig schädigen, ist ihnen zunächst herzlich egal. Kritik wehren sie eifrig ab. Aber es gibt keinen anderen Mechanismus, der zu Korrekturen führen könnte.
    Quelle: Stern
  11. Mindestlohn für Magister
    Deutscher Kulturrat fordert angemessene Bezahlung für Geisteswissenschaftler. Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutsche Kulturrats. „Wir haben vor Kurzem eine Tagung durchgeführt, wo 300 Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler zusammen gesessen haben und mal drei Tage lang über ihre berufliche Situation gesprochen haben, und was wir dort erfahren mussten, da muss man auch die Frage stellen, muss es nicht auch einen Mindestlohn für, ja, Geisteswissenschaftler, also, für Studierte, geben?“
    Quelle: DLF
  12. “Definitionsmacht der Ökonomie”
    Dietrich von der Oelsnitz über negative Auswirkungen für die Geisteswissenschaften Oelsnitz war bisher im Fachbereich Unternehmensführung an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften in Ilmenau tätig und wechselt dieses Semester an die Uni Braunschweig. Sollte sich die „ökonomische Steuerung des ganzen Bildungswesens“ fortsetzen, so wird sich dies nach von der Oelsnitz vor allem negativ auf die Geisteswissenschaften auswirken. Verhindert werden könne dies nur „mit Hilfe des Protestes der Studenten“.
    Oelsnitz : „Gerade die Definitionsmacht der Ökonomie, sprich: der Unternehmen, die als Wissen nur mehr das begreifen, was man kommerziell verwerten kann. Sagen wir das ruhig so hart. Mit den Technik – und Ingenieurswissenschaften kann man viel Geld verdienen … Aber die Geisteswissenschaftler zahlen letztendlich die Zeche, weil man deren Wissen oder den Nutzen schlecht messen kann, und vor allem ist der nicht kurzfristig erkennbar. Aber interkulturelle Kompetenzen, Verständnis für andere Religionsgruppen und andere ethnische Gruppen, alles Wissen um die Vergangenheit um bestimmte Fehler nicht mehr zu wiederholen. Wir haben unsere Wurzeln in einem eher humanistischen Ideal der Aufklärung und das droht aus meiner Sicht natürlich völlig über Bord zu gehen, wenn ich entsprechende Lehrstühle kürze und nur noch die unterstütze, die direkt kommerziell nutzbar sind.“
    Quelle: der standard.at

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