Chaoten am Werk
Die Regierung in Griechenland muss weg. Diese zutiefst undemokratische Haltung verbreiten nicht nur Journalisten in ihren als Berichte verkleideten Hetz-Kommentaren, es ist auch das Ziel der Bundesregierung und der übrigen Gläubiger. Die weisen das zwar weit und zum Teil auch empört von sich, doch ist die Sachlage längst klar. Die Bundesregierung hat jeglichen Verhandlungen bis zum Sonntag eine Absage erteilt (Die Ruhe haben wir ja) und der Präsident des EU-Parlaments Martin Schulz (SPD) stellte heute im Morgenmagazin noch einmal klar: Von André Tautenhahn
„Wir werden danach dem griechischen Volk helfen, ganz sicher nicht der Regierung.“
Viele Kollegen wie auch Politiker stören sich unter anderem daran, dass die Regierung Tsipras von einem Tag auf den nächsten ihre Meinung ändere. Mal lehne sie die Forderungen der Gläubiger ab und rufe ein Referendum aus, dann wieder signalisiere sie Zustimmung zu den Bedingungen. Es muss also ein chaotischer Haufen sein, der in Athen das Sagen hat und die Menschen ins Unglück stürze. So einfach ist das natürlich nicht.
Kompromissbereitschaft fehlt bei den Gläubigern
Das Verhalten von Tsipras hat nämlich einen Beweis erbracht. Die Gläubiger sind unter keinen Umständen bereit, auch nur irgend einen Kompromiss mit der derzeitigen griechischen Regierung zu vereinbaren. Das Manöver von Tsipras am Mittwoch, die Kürzungsbedingungen der Gläubiger im wesentlichen zu akzeptieren, hat das gezeigt.
Es hat auch gezeigt, dass die Behauptung der Geldgeber, sie hätten eine Umstrukturierung der Schulden sowie ein dickes Investitionsprogramm angeboten, nicht ernst gemeint war. Denn sonst hätten sie am Mittwoch den Handschlag gesucht. Die Gläubiger haben sogar öffentlich gelogen, als sie behaupteten, ein solches Angebot hätte es gegeben. Der SPD Chef Sigmar Gabriel wiederholte die dreiste Unwahrheit in der Sondersitzung des Bundestages am Mittwoch.
Ein anderes SPD-Mitglied, der Chef des Instituts für Makroökonomie (IMK), Gustav A. Horn, stellt nun klar, der Chef der Sozialdemokraten hat sich mindestens an einer Legendenbildung beteiligt. Auf Facebook schreibt Horn:
Unsere Überprüfung der uns vorliegenden Dokumente zu den Verhandlungen zwischen und den Institutionen sowie der Eurogruppe haben folgendes Bild ergeben.
- Es gab den offiziellen Vorschlag das zweite Hilfsprogramm bis November zu verlängern.
- Der Wert wird mit rund 15 Mrd. beziffert, was falsch ist, da es sich um teilweise problematische Umschichtungen handelt, bei dem Geld, das eigentlich für die Bankenrekapitalisierung vorgesehen war, zum Abtrag der Schulden beim IMF benutzt werden sollte.
- Es hat nie ein offizielles Angebot über ein 35 Mrd. Investitionsprogramm gegeben. Man hat Griechenland informell nur eine erleichterte Nutzung bestehender Programme zugesagt. Die Erleichterung besteht in einem geringeren Kofinanzierungsbeitrag, den Griechenland aber auch nicht leisten kann.
- Es gab nie ein offizielles Angebot einer Umstrukturierung der Schulden. Es gab informelle Bemühungszusagen, sich um solche Gespräche in Zukunft zu bemühen.
Fazit: Hier werden Legenden gestrickt. Aber wenn diese Angebote tatsächlich ernst gemeint waren, kann man sie am Montag ja wiederholen.
Kein Interesse an Informationen
Es gibt noch andere Stimmen, die zum gleichen Ergebnis kommen. Nur die Medien interessiert das nicht oder nur am Rande. Sie bezeichnen die griechische Regierung als Chaoten, dabei ist sie es, die um ein Höchstmaß an Transparenz bemüht ist und die Weitergabe von Informationen betreibt, wo andere sich hinter den Institutionen nur verstecken. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis bloggt und twittert sich einen Wolf, um die Haltung seiner Regierung zu erklären.
Doch eine Auseinandersetzung damit findet überhaupt nicht statt. Dafür gibt es Hetze am Fließband, wie das Satiremagazin Extra3 am Mittwoch auf eine erschreckend humorvolle Weise vorgeführt hat. So gilt wohl die Formel: Die griechische Regierung erklärt alles und keiner glaubt ihr, die Bundesregierung erklärt nichts und alle glauben ihr. Denn was tut unsere Regierung eigentlich? Im Bundestag erklärte die Kanzlerin, Europa sei stark und eine Notwendigkeit zum Handeln gebe es im Augenblick nicht. Plötzlich ist Ruhe angesagt, nachdem die letzten Wochen alarmistisch anmutende Phantomuhren um die Wette tickten.
Sigmar Gabriel, den man nur noch als aufgeblasene Sprechpuppe der Kanzlerin betrachten kann, gibt sich einfach hin für die Zerstörung Europas. Er trat am Mittwoch im Parlament ja nicht als Wirtschaftsminister, sondern ausdrücklich als SPD-Parteichef und Sprecher der SPD-Fraktion ans Rednerpult. Dabei forderte er sogar noch mehr Disziplin und noch strengere Regeln für Europa.
„Ich glaube, dass wir diese Krise auch nutzen müssen, um über unsere Fehler in der Vergangenheit zu sprechen, aber auch über das, was in Zukunft kommen wird. Der Weg, den wir nur verantwortungsbewusst und mutig in vielen Fragen, nicht nur bei Griechenland, gehen müssen, wird am Ende nicht weniger Disziplin und nicht weniger gemeinsame Regeln erfordern, sondern mehr, auch was die Finanz- und Wirtschaftspolitik angeht. Wenn wir wollen, dass unser Kontinent seine politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Bedeutung sowie sein einzigartiges Wohlstandsmodell im 21. Jahrhundert behauptet, dann brauchen wir mehr Verbindlichkeit in Europa und in der Euro-Zone und nicht weniger.“
Quelle: Bundestag Protokollauszug [PDF]
Die SPD fällt aus
Sigmar Gabriel verortet sich und seine Partei also dort wo ein Hardliner wie Schäuble schon ist. Gabriel hätte die Rede also auch auf einem Parteitag der CDU halten können. Was ist an ihm dann eigentlich noch SPD, sollte sich die Basis jetzt fragen. Sie sollte sich auch fragen, ob es den führenden Persönlichkeiten ihrer Partei nicht vielleicht genügt, wenn bei Wahlen kaum mehr als 25 Prozent herausspringen. Das Ergebnis reicht ja für Posten, auf denen politische Positionen des Wahlkampfes nach und nach abgeräumt und ins Gegenteil verkehrt werden können.
Würde man das nicht als chaotisch und irre bezeichnen? Nein, denn offensichtlich wird die griechische Regierung als durchgeknallt empfunden, weil sie es wagt, an dem festzuhalten, für das sie ein Mandat des Souveräns erhalten hat. Doch angesichts der seit zehn Jahren andauernden Regentschaft Merkels mag es für viele hierzulande befremdlich erscheinen, dass es noch Regierungen gibt, die so etwas wie ein politisches Programm verfolgen.
Wahrscheinlich hat die Bundesregierung deshalb eine Social Media Offensive mit Facebook Profil und Instagram-Account gestartet, wo vor allem viele schöne Bilder und Filmchen zu finden sind. Bunt und schön ist das, aber wenig informativ. Denn die Informationen der Bundesregierung sehen in Wirklichkeit sehr tragisch aus, wie der bewundernswerte Tilo Jung mit seinem Team von Jung & Naiv Woche für Woche in der Bundespressekonferenz akribisch herausarbeitet.
Der Autor ist Diplom Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist.