BILD macht Reklame für Bahnprivatisierung. Wie schon für die Privatisierung der Rente im Dienste der Allianz AG.

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Heute wirbt in BILD Hugo Müller-Vogg in seiner üblich niveaulosen Art für den Börsengang der Bahn. Den Gegnern hängt er die Etiketten „Bedenkenträger“ und „Neinsager“ an. Und er tut so, als bräuchte die Bahn AG die „Hilfe der Börse“, „um mehr Geld in Gleise, Züge und Bahnhöfe“ zu investieren. Er verdreht damit die Fakten und lässt wichtige Informationen weg. Albrecht Müller.

Wie ist die Faktenlage und was steckt hinter der Agitation von BILD:

  1. Der Börsengang der Bahn AG wird bisher vor allem damit begründet, die Bahn müsse mit den finanziellen Mitteln ausgestattet werden, um ein Global Player zu werden, um also in der Logistik weltweit eine führende Rolle zu spielen. Liegt das in unserem Interesse? Dazu hat sich Alexander Gauland im heutigen Tagesspiegel treffend geäußert. Alexander Gauland ist ein konservativer Journalist. Offenbar kann man sich auf manche dieser Konservativen noch verlassen, wenn es wie im vorliegenden Fall allzu korrupt zugeht.

    Hier der Hinweis auf den Artikel im Tagesspiegel:

    Mit der Bahncard nach Ontario
    Die Bahn zu privatisieren, ist falsch

    Es gibt Dinge, die werden auch durch ihre dauernde Wiederholung nicht richtiger. So geht es den Kunden und Benutzern mit der Bahnprivatisierung. Immer wenn man nach Sinn und Nutzen fragt, erhält man die Antwort vom weltweiten Logistikkonzern, der wachsen und sich an der Börse Kapital besorgen muss, um mithalten zu können im weltweiten Wettbewerb. Warum eigentlich?
    Quelle: Tagesspiegel

    Zu ergänzen wäre noch:

    • Die Bahn AG kann ihre notwendigen Investitionen auch durch Kredite, durch Anleihen und anderes finanzieren. Außerdem investiert ohnehin der Bund in die Infrastruktur der Bahn. Und diese Investitionen zahlen wir nun bei Leibe lieber an ein öffentliches Unternehmen als an ein Unternehmen, das international tätigen Unternehmen, Gruppen und Privatpersonen gehört.
    • Die Internationalisierung um jeden Preis ist im übrigen ein modischer Trend, auf den Bahnchef Mehdorn in einer Zeit aufsteigt, in der andere schon gemerkt haben, welche Fallstricke und Nachteile diese Masche haben kann. DaimlerChrysler zum Beispiel hat massiv gelitten unter dem Versuch, durch Aneignung von Chrysler und Beteiligung an Mitsubishi Global Player zu werden. Gerade wird unter hohen Kosten der stolze Global Player DaimlerChrysler in die Daimler AG zurückverwandelt. Und von Mitsubishi musste sich Daimler ebenfalls mit einem Verlust von über 1,5 Milliarden € verabschieden.
  2. Müller-Vogg beruft sich bei seiner Propaganda für den Börsengang der Bahn auf die Privatisierung der Post und behauptet, dieses Unternehmen sei vor der Privatisierung verstaubt gewesen, und wenn es nicht privatisiert worden wäre, dann würde heute der Brief zwei Euro kosten und es gebe noch kein Handy. Das ist ausgemachter Stuss. Denn erstens war die Post auch in staatlichen Händen kein verstaubtes Unternehmen. Zweitens hat die Privatisierung vielen Menschen weite Wege zur nächsten Post beschert. Die Privatisierung wird nur deshalb als Gewinn betrachtet, weil die damit entstehenden Wegekosten von Millionen einzelner Menschen in die Berechnung der Gesamtkosten nicht eingeht. Das ist ein genereller Fehler der Berechnungen zu den Vor- und Nachteilen der Privatisierung. – Genauso wenig werden die Kosten berechnet, die bei den Arbeitnehmern und der Allgemeinheit anfallen, wenn sie mit Minijobs und niedrigen Löhnen abgespeist werden und wir alle durch Aufstockung über Hartz IV und durch andere Zahlungen wie über die Krankenkassen als Beitrags- und als Steuerzahler den Ausgleich bezahlen müssen.

    Drittens wird für den Dümmsten inzwischen sichtbar, dass die Privatisierung der Telekom, und damit eines Teils der früheren Post, beileibe keine Erfolgsstory ist. Zum einen hat eine große Zahl von ahnungslosen Börsen-Gläubigen der Werbepropaganda von Manfred Krug bitter bezahlt, indem sie Aktien zu einem überhöhten Kurs gekauft und ihr bisschen Vermögen dezimiert haben. Zum anderen verliert die Telekom ständig Kunden, und der Service des privaten Unternehmens ist schlechter als der
    Service der staatlichen Telekom im Rahmen der Post.

    Müller-Vogg verschweigt auch, dass bei der Telekom eine Heuschrecke, nämlich Blackstone, mit einer Minderheitsbeteiligung von 4,5% über weite Strecken das Sagen im Unternehmen erobert hat. Das ist genau das, was Insider erwarten, wenn die Bahn AG zu 49% verkauft wird. Dann würde dieser Schwanz kräftig mit dem Hund wedeln, zumal das mit 4,5% dank der Verbundenheit unserer staatlichen Aufsichtsräte in den privaten Interessen jetzt schon geht.

  3. Der „Manfred Krug“ der Bahnprivatisierung, Hugo Müller-Vogg, unterschlägt wichtige Informationen:
    • Er sagt uns natürlich nicht, dass hier ein Volksvermögen in Höhe von über 100 Milliarden € für magere 5 bis 6 oder maximal 8 Milliarden an der Börse verjubelt wird, das heißt an vermutlich internationale Heuschrecken verkauft wird.
    • Müller-Vogg sagt uns nicht, dass nach dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bund, wollte er später wieder Eigentümer des Netzes der Deutschen Bahn werden, 7,5 Milliarden € an die privatisierte Bahn blechen müsste. Siehe dazu den Anhang unten. In diesem Artikel wird auch angerissen, wie wir beim Thema Börsengang der Bahn belogen und betrogen werden.
    • Müller-Vogg sagt uns nicht, dass die Investmentfirma beziehungsweise die Investment-Firmen, die den Börsengang begleiten, ungefähr 10% an Provisionen, Honorare und so weiter kassieren. Das sind nach heutigem Stand der Kenntnis der erwarteten Einnahmen des Börsengangs 500 bis 600 Millionen €. Für die meisten Menschen eine unvorstellbare Ziffer. Von dieser Provision geht dann ein beachtlicher Teil von möglicherweise wiederum 10% an die Hauptmatadore. Wenn der Börsengang von jenem Unternehmen begleitet wird, das 2004 das entscheidende Gutachten für die Bundesregierung gemacht hat, von Morgan Stanley, dann mischt dabei entscheidend der ehemalige Vorsitzende der Jungen Union in Baden-Württemberg, Dr. Dirk Notheis, mit. Dieser wiederum ist 2005 als besonders eifriger Spendensammler der Union aufgefallen. Zu jener Zeit war der heutige Fraktionsvorsitzende der Union, Volker Kauder, Generalsekretär der CDU. Für diesen hat Notheis damals gearbeitet. Da schließt sich der Kreis zum Engagement der Union für die weitere Privatisierung der Bahn. Vermutlich besteht ein enger Kontakt im Zirkel Notheis, Kauder, Merkel.
    • Müller-Vogg schreibt natürlich nichts über die Lobbyarbeit der Deutschen Bahn und über die PR-Arbeit der Hauptgewinner des Börsengangs.
    • Und er informiert uns nicht über das Interessengeflecht im Bereich von Bahngewerkschaft Transnet, SPD und der Deutschen Bahn AG.

Sowohl die Verflechtung zwischen den großen Interessen an der Bahnprivatisierung mit Unionspolitikern als auch die Verflechtung mit Politikern der SPD und Transnet wären ein lohnendes Feld für Recherchen von Journalisten. Glücklicherweise gibt es eine Reihe von Journalisten, die trotz kräftiger finanzieller Verlockungen ihre Unabhängigkeit bewahrt haben. Bei anderen wirkt die PR-Arbeit des Bahnvorstandes und der Finanzindustrie. Das kann man mit Händen greifen.

Anhang:

7,5 Milliarden Euro für die Schienen
Wenn der Bund das Netz von der privatisierten Bahn zurücknimmt, kann es teuer werden. Das Verkehrsministerium nennt erstmals eine konkrete Zahl.

BERLIN – Die Privatisierung der Deutschen Bahn wird zu einem milliardenschweren Risiko für den Bund. Auf eine kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion teilte die Regierung jetzt mit, nach heutigem Stand müssten an die Bahn 7,5 Milliarden Euro überwiesen werden, wollte der Staat sich wieder alle Rechte am Schienennetz und an der übrigen Infrastruktur sichern. Damit räumt das Verkehrsministerium erstmals konkrete Lasten ein, nachdem es auf eine ähnliche Anfrage der FDP noch hieß, es würden „gegebenenfalls mehrere Milliarden Euro“ fällig.
Quelle: Tagesspiegel