Hinweise des Tages
(KR/AM/WL)
- Versteckte Risiken als Ursache der Kreditkrise
Die Unsicherheiten über die Verteilung von Verlusten aus Engagements am US-Hypothekenmarkt sowie deren Höhe unterscheiden die derzeitige Kreditkrise von früheren Finanzkrisen. Dies ist eine der Hauptaussagen im neuen Quartalsbericht der Basler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Der Ausverkauf an den Kreditmärkten im Juni und Juli habe einige Ähnlichkeiten gehabt mit der letzten grossen Finanzkrise im Jahr 2002, schreiben die Ökonomen der Bank, die als «Bank der Zentralbanken der Welt» gilt. In der derzeitigen Krise sei der Anstieg der Risikoaufschläge im Hochzins-Segment aber grösser und schneller gewesen als 2002. Diese Entwicklung habe für völlig veränderte Rahmenbedingungen am Kreditmarkt gesorgt und etwa die Finanzierung von Private-Equity-Übernahmen unter Druck gebracht. Gemäss der BIZ könnte dies unter anderem daran gelegen haben, dass in der heutigen Zeit Kreditfinanzierung und die Verwendung von strukturierten Finanzprodukten üblicher seien als noch vor fünf Jahren.
Quelle: NZZ - Ackermann in Finanzkrise verstrickt
Die Deutsche Bank vermittelte in großem Stil Risiko-Kredite an die angeschlagene IKB. Das größte Geldinstitut verdiente 20 bis 30 Millionen Dollar – und alarmierte dann die Aufsicht.
Quelle: Berliner Zeitung - Bahnprivatisierung: »Dann wird es ein klares Nein geben«
Bahnprivatisierungsgegner in der SPD wollen Schadensbegrenzung. Gespräch mit Hermann Scheer.
Quelle: Junge WeltAnmerkung AM:
- Hermann Scheer stellt fest, im SPD Vorstand seien „alle der Meinung, dass man eigentlich die Kapitalprivatisierung nicht machen sollte“. Wenn dem so ist, dann ist es etwas seltsam, dass diese eindeutige Vorstandsmehrheit den federführenden Verkehrsminister und Sozialdemokraten Tiefensee gewähren lässt.
- Scheer hakt die zweite Möglichkeit der Finanzierung der künftigen Investitionen für die Bahn – Geld aus dem Kapitalmarkt aufzunehmen – ab. Warum, das verstehe ich nicht. Das könnte eine Anleihe sein. Die Zinsbelastung ist dabei doch auch nicht höher als die Dividenden, die man bei einer Privatisierung bezahlen muss. Selbst die Dividende für die Volksaktie einschließlich der Kosten eines solchen Prozederes dürfte nicht viel preiswerter sein. Also: So zwingend ist die Idee der Volksaktie als Alternative zur Privatisierung nicht. Es gibt andere Alternativen zu einer günstigen Finanzierung der Bahn.
- IG Metall: Auf Reformkurs
An der Spitze der IG Metall sollen künftig zwei Funktionäre stehen, die beide als Modernisierer gelten – und die für mehr Demokratie in der größten Gewerkschaft Europas plädieren. Der Vorstand nominierte den derzeitigen Vize Berthold Huber als Vorsitzenden. Er löst den Traditionalisten Jürgen Peters ab, der – wie vor vier Jahren nach einem beispiellosen Führungsstreit vereinbart – nicht mehr antritt. Auch das Alter des 63-jährigen Peters sprach gegen eine Kandidatur.
Quelle: FRAnmerkung AM/WL: Dieser Aufmacher der Frankfurter Rundschau von Eva Roth und der Leitartikel von Markus Sievers vom 4.9. sind eigentlich nicht besonders lesenswert. Die dort vertretenen Meinungen konnte man auch im Spiegel oder anderswo genau so lesen. Mit Erleichterung wird der Abgang des „Traditionalisten“ und „Nein“-Sagers Jürgen Peters gefeiert: Der Wunsch auf ein Einschwenken der IGM auf den herrschenden Reformkurs ist Vater der dort geäußerten Gedanken.
Der Hinweis ist nur interessant im Kontext der Entwicklung der Frankfurter Rundschau. Es gibt einige Leser der NachDenkSeiten, die uns für zu kritisch gegenüber der „neuen“ FR halten. Gerade sie sollten diese Texte lesen. Sie sind voller Stereotypen: „traditionell orientierte Linke“ versus „Modernisierer“, „Traditionalistenflügel“ und „monolithischer Block“ versus „offenere, modernere IG Metall“ und „Erneuerung“. Und sie sind voller ebenso gängiger wie falscher Behauptungen.
Es ist schlicht eine Legende, wenn Sievers schreibt, Peters steuerte die IG Metall auf „Linkskurs“. Die Politik der vergangenen Vier-Jahres-Periode war beileibe keine alleinige Peters-Politik, sondern wurde weitgehend von der gesamten IG Metall und ihren Gliederungen getragen. Der als Vize nominierte Detlef Wetzel hatte schon bisher einen großen Einfluss.
Beide Texte erwecken beim Leser den Eindruck, als würde die IG Metall endlich von dem Ballast Peters befreit, der für alles Böse und Schlechte verantwortlich erklärt wird. Warum hat sich eigentlich die Mitgliederentwicklung unter Peters weitgehend stabilisiert? (Über einen Rückgang von nur noch 0,4 Prozent könnten sich CDU und SPD doch nur glücklich schätzen.) In der IG Metall haben die Bezirke schon immer ein großes Gewicht gehabt und unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Von einem „monolithischem Block“ zu reden, liegt abseits der Realität. Dass Huber einen anderen Stil als Peters hat, das ist bei jedem Personalwechsel in der Führung so. Dass der Personalvorschlag von einer großen Mehrheit des Vorstands getragen wurde, beweist eigentlich nur, dass dort niemand an einer Auseinandersetzung zwischen „Modernisierern“ und „Traditionalisten“ interessiert war. Wichtiger als die Personalvorschläge sind jedoch die Beschlüsse des kommenden Gewerkschaftstages.
In ihrem Arbeitnehmerbegehren hat die IG Metall Alternativen zur herrschenden „Reform“-Politik skizziert und mit konkreten Forderungen untermauert. Bei diesem (nach Ansicht von Befürwortern und Kritikern) linkskeynesianischen Programm formulieren die Metaller den Anspruch auf eine aktive Wirtschafts-, Finanz-, Steuer-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik, die den herrschenden angebotsorientierten Theoremen und der ihnen entsprechenden Praxis der Regierungsparteien ziemlich deutlich entgegensteht.
Kurz: Man hätte sich von der FR mehr als nur das Repetieren der gängigen Vorurteile über Peters und seinen angeblichen Traditionalismus gewünscht, wie sie in jeder x-beliebigen Zeitung, die an einer Anpassung der IG Metall an den Reformkurs interessiert ist, nachzulesen war. - Politisches Verfallsdatum: Warum ein Fragebogen der Hamburger ARGE an der Haltbarkeit von Lebensmitteln scheiterte
Die Aufregung war groß: Von einem “Gipfel der Unverschämtheit” sprach ein Vertreter einer Hamburger Erwerbsloseninitiative, der sozialpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion in der Hansestadt übte “scharfe Kritik” und Petra Pau, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion der Linkspartei im Bundestag, sah gar Hartz IV-Betroffene als “Versuchskarnickel” missbraucht.
Anlass für die harschen Worte waren 2.500 Fragebögen, die das Hamburger Arbeitsamt (die “Hamburger Behörde für Arbeit und Wirtschaft”) seit Mai dieses Jahres an Hartz-IV-Bezieher verschickt hatte. Kosten der Befragungsaktion, die von der “Gesellschaft für Innovationsforschung und Beratung” in Berlin durchgeführt wird: rund 800.000 Euro. Doch nicht diese Summe erregte die Gemüter, sondern die beiden Frageblöcke 21 und 22. Dort wird nach – auf den ersten Augenschein – seltsamen Dingen gefragt wie: “Dinge wie Tarot, Kristalle oder Madalas helfen mir oft dabei, in schwierigen Lebenssituationen die richtige Entscheidung zu treffen”. Oder: “Ich esse gerne exotische Gerichte (z.B. aus Indien, Japan oder Mexiko)”. Gefragt wird auch nach der Einstellung zur DDR: “Wenn ich mir es genau überlege, war das Leben in der DDR gar nicht so schlecht”; und zu Gewalt: “Ich schaue mir gerne Filme an, in denen viel Gewalt vorkommt.” Völlig absurd scheint es bei Statements wie: “Mir ist es wichtig, dass Lebensmittel lange haltbar sind” zu werden.
Quelle: TelepolisAnmerkung Martin Betzwieser: Der im Artikel zitierte Senator Gunnar Uldall gehört zum Freundes- und Förderkreis der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.
Quelle: insm - Attac Deutschland und Attac Österreich fordern eine Steuerharmonisierung und ein Ende des ruinösen Steuerwettlaufs auf europäischer Ebene
Der Anlass: Die österreichische Regierung will die Erbschaftssteuer Ende Juli 2008 komplett abschaffen. Deutschland hat daher das bestehende Erbschaftssteuerabkommen mit Österreich gekündigt, demzufolge Deutsche ihr Erbe auch in Österreich versteuern können. Zwischen beiden Ländern herrscht bereits seit Jahren ein Steuerstreit. So hatte die Austrian Business Agency (ABA) in Deutschland mit Standortvorteilen wie einer niedrigen Körperschaftssteuer offensiv für die Abwanderung von deutschen Unternehmen geworben. “Deutschland wehrt sich völlig zu Recht gegen die unsolidarische Steueroase Österreich. Einer Europäischen Gemeinschaft ist der nationalistische Steuerwettkampf nicht würdig”, erklärt Christian Felber von Attac Österreich an die Adresse von Wirtschafts- und Finanzministerium. Attac fordert von den beiden Regierungen, sich auf europäischer Ebene endlich für eine gemeinsame Steuerpolitik einzusetzen und Regeln zur Verhinderung von Steuer- und Sozialdumping zu schaffen.
Quelle: Attac - IAB-Untersuchung zum Fachkräftebedarf: Kein flächendeckender Ingenieurmangel
Auch wenn ein Teil der Betriebe Schwierigkeiten bei der Personalsuche hat: Flächendeckend gibt es noch keinen bedrohlichen Ingenieurmangel in Deutschland. Die Zahl geeigneter Bewerbungen ist kaum zurückgegangen, die Dauer der Personalsuche hat sich kaum verlängert und immer noch sind 24.100 Ingenieure/innen arbeitslos.
Gleichwohl deuten sich zunehmend Engpässe an.
Bereits vorhandenes älteres und weibliches Potenzial sollte besser genutzt werden. So suchen mehr als 9.300 Arbeitslose eine Stelle als Maschinenbau- oder Elektroingenieur/ in. Knapp ein Drittel davon ist zwischen 35 und 49 Jahre alt, gut die Hälfte aber 50 Jahre und älter. Ingenieurinnen sind mit 9,7 Prozent mehr als doppelt so häufig arbeitslos wie Ingenieure.
Der mittelfristig zu erwartende Akademikermangel wird sicher auch den Ingenieurbereich treffen. Viele Ältere werden aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Die Studienanfängerzahlen in den Ingenieurwissenschaften sinken seit 2004 wieder und die Studienabbrüche sind überdurchschnittlich häufig.
Der künftige Ingenieurmangel erfordert ein breites Bündel von Maßnahmen, auch eine gezielte Zuwanderung. Nötig ist aber vor allem eine neue Bildungsexpansion – nicht irgendwann, sondern jetzt.
Quelle: IAB Kurzbericht [PDF – 1 MB]Anmerkung WL: „Bildungsexpansion“ und Studiengebühren, wie verträgt sich das? Dass in den Ingenieurstudiengängen Studienabbrüche überdurchschnittlich sind, liegt auch daran, dass die Klausuren in den ersten Semestern sozusagen als „innerer Numerus Clausus“ eingesetzt werden. Durchfallquoten bis über 80 % gelten bei vielen Professoren geradezu als Qualitätsnachweis statt als Anlass für massive Kritik an der Qualität des Lehrangebots. Die Ingenieursfachbereiche müssten die Studierenden vor allem mit ihren mathematischen Vorkenntnissen dort abholen, wo sie stehen. Dafür müssten Brückenkurse oder Propädeutika angeboten werden. Wer auf der Oberstufe nicht den Leistungskurs für Mathematik belegt hatte, hat gegenwärtig erhebliche Schwierigkeiten am Anfang des Ingenieurstudiums. Das Anspruchsniveau der Hochschulen dürfte nicht beim Kenntnisstand von Leistungskursen anknüpfen bzw. es müssten Brückenkurse angeboten werden.
- Merkel auf Kurs des CDU-Wirtschaftsrats: „Der Markt ist sozial“
Es sei nötig, schreibt Merkel, den ursprünglichen Ansatz Erhards freizulegen und Unschärfen zu korrigieren, die sich im Verständnis des Konzepts der sozialen Marktwirtschaft eingeschlichen hätten. So habe Erhard den geordneten Markt bereits selbst als sozial angesehen. Soziale Gerechtigkeit bedeute also nicht Umverteilung sondern eine Politik, die jedem Einzelnen die Möglichkeit zur Entfaltung seiner Person gebe. Zu viel staatliche Umverteilung schädige die soziale Marktwirtschaft, weil Leistungsanreize und Leistungsbereitschaft dadurch schwänden. “Nichts ist unsozialer als der Wohlfahrtsstaat”, ist einer der Sätze Erhards, die Merkel zitiert.
Quelle: Berliner ZeitungAnmerkung WL: Es ist schon bemerkenswert, welche Zitate von Ludwig Ehrhard die angeblich so „sozialdemokratische“ Kanzlerin sich herauspickt. Selbst liberale Ökonomen behaupten allenfalls, dass der Markt effizient sei, aber nicht aus sich heraus sozial. Der Markt ist wertblind, im Wettbewerb setzen sich die Stärkeren durch.
Deswegen gibt es doch gerade eine Umverteilung von unten nach oben, die immer mehr zunimmt. Merkel tut so, als wäre das Gegenteil der Fall, und verschleiert die Wirklichkeit.
Wo bleiben die Leistungsanreize bei den sozial Schwächeren, hier herrscht doch ausschließlich das Fordern. Anreize bedeuten dort, ökonomischen Druck zu machen.
Schweden nennt sich ganz offiziell einen „Wohlfahrtsstaat“, ist Schweden unsozialer als Deutschland oder die angelsächsischen Länder – und vor allem ist es ökonomisch weniger erfolgreich? - Schröders langer Schatten
Das Problem der SPD ist, dass sie in Schröders Schatten steht – noch immer. Eigentlich müsste es der SPD blendend gehen. Die Wähler wollen mehr Staat und weniger Privatisierung, mehr Gleichheit und weniger krasse Unterschiede zwischen Arm und Reich. Die Republik denkt und fühlt sozialdemokratisch – doch die SPD hat nichts davon. Das liegt nicht daran, dass Merkel den SPD-Sound so perfekt imitiert, sondern daran, dass die SPD das Copyright für ihre eigenen Werte abgegeben hat. Es gibt den lauten Wunsch nach Gerechtigkeit, aber die SPD ist taub dafür.
Quelle: taz - US-Vorwahlkampf: Kekse für den Kandidaten
Für ein gutes Ergebnis bei der Vorwahl touren die potentiellen US-Präsidentschaftskandidaten durch Iowa. Doch wo immer sie hinfahren- die Kampagne für Umverteilung ist schon da.
Quelle: TAZ
- Neue Artikel der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik
… u.a. zu den Themen:- Sachsen-Anhalt in der lang anhaltenden Zins-Schulden-Falle (Karl Mai)
- Öffentlich geförderte Beschäftigung in der Bundesrepublik, Hartz-Reformen: Abbau im Umbau – Aktuell: viel Neues, wenig Durchgreifendes (Axel Troost und Karsten Schuldt)
- Neoliberale Reformen im und gegen den Sozialstaat (Überarbeiteter Auszug aus Christoph Butterwegges neuem Buch “Kritik des Neoliberalismus”)
- Deutsche Sozialleistungen in „Spitzenposition“? (Karl Mai)