Die Justiz ist schwarz
Norbert Blüms Buch „Einspruch! Wider die Willkür an deutschen Gerichten“ und sein Artikel in den NachDenkSeiten vom 5. Mai 2015 sind ein wichtiger Beitrag zu einer Justiz-Kritik, die es kaum noch gibt. Blüm hat mit seinem Buch ein wirklich heißes Eisen angepackt. Das ist ihm zu danken, denn er hat recht: „Die fatale Selbstgewissheit“ in der Justiz „gefährdet das Vertrauen in die Rechtspflege“.
Die Justiz ist schwarz, und vor dem Gesetz sind absolut nicht alle gleich, wie oft behauptet wird, besonders gern von Juristen. Und um mit Kritik etwas zu bewirken, muss man manchmal aggressiv sein und polemisieren. Die Justiz hat viel Macht; die sie ausüben, sind überwiegend konservativ und vielfach sogar rückständig. Das zeigt sich auch in dem boshaften und überheblichen Verriss des Buches von Blüm durch den Bundesrichter Dr. Thomas Fischer in der Zeit vom 1. November 2014, worauf ich leider erst jetzt aufmerksam geworden bin (skandalös, dass Norbert Blüm eine Erwiderung verwehrt wurde).
Der Richter trägt eine Robe und sitzt auf einem Podest, der Angeklagte oder Rechtssuchende ist gezwungen, zu ihm aufzublicken. Schon das allein sagt alles. Es geht weniger um die Lösung von Problemen, um sachliche Aufklärung, um Schutz der Allgemeinheit vor Übergriffen, um Interessenabwägung und Hilfe in schwierigen Lebenssituationen; es geht um Spitzfindigkeiten, raffinierte Winkelzüge, ums Aburteilen und Abstrafen. In der Strafjustiz sind wir in Jahrhunderten – abgesehen von wenigen Ausnahmen – nicht viel weiter als vom Kerker zum Knast gekommen. Und die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass selbst der Blutrichter des Volksgerichtshofs oder der KZ-Wärter als treuer Diener seines Staates gelten konnte und deshalb nicht zur Rechenschaft gezogen wurde.
Justizkritik ist vonnöten. Solange bei uns Bürgerrechte ohne Not eingeschränkt werden, an den Gerichten Parteilichkeit, grobe Ungerechtigkeiten, Kleinlichkeit und groteske Unverhältnismäßigkeit vorkommen, heißt es wachsam sein. Nicht verschwiegen werden sollte allerdings, dass es in der Justiz hier und da auch Fortschritt gibt, Juristen, die sich bemühen, alte Zöpfe abzuschneiden und eine vernünftige, humane Rechtsprechung zu praktizieren. Das streitet Norbert Blüm aber nicht ab. Zu hoffen ist, dass er eine Debatte angestoßen hat.
Dr. jur. Wolfgang Bittner, Göttingen