Hier sind die Videos vom 24. Pleisweiler Gespräch mit Werner Rügemer
Am vergangenen Samstag kamen über 300 Menschen zum Vortrag von Werner Rügemer. Der Vortrag zum Thema „ Europa im Visier der Supermacht USA“ und die Diskussion waren spannend und sachlich wie immer. Den Vortrag Rügemers und zuvor die Begrüßung und Einführung von Albrecht Müller und die Diskussion finden Sie im Folgenden, die schriftliche Kurzfassung der Begrüßung und Einführung im Anhang. Albrecht Müller
Rügemers Vortrag gipfelte in der begründeten Empfehlung für eine kooperative Weltordnung. Ich zitiere wörtlich aus seinem Manuskript:
„Die heute von der Supermacht USA angestrebte Neue Weltordnung gebiert ständig neue tatsächliche und fiktive Feinde, Kriege und kriegsähnliche Konflikte. Diese Weltordnung gebiert im gleichen Zuge unendliche Armut und Machtlosigkeit für viele und unendlichen Reichtum und Macht für wenige. Diese Weltordnung untergräbt Moral, Menschenrechte und Demokratie.
Die notwendige Alternative dazu ist eine Neue Weltordnung der gleichberechtigten Kooperation zwischen Staaten, Unternehmen und Individuen. Das wesentliche Kriterium dafür ist gegenwärtig die Kooperation ohne militärische Begleitung und Drohung.“
Eine Illusion? Wenn eine Illusion, dann eine für viele Menschen tödliche. Das wollen wir nicht. Auch deshalb das politische Engagement so vieler Menschen.
Video: 24. Pleisweiler Gespräch – Vortrag von Dr. Werner Rügemer
Alternativ auf YouTube anschauen ..
Video: 24. Pleisweiler Gespräch – Diskussion mit Dr. Werner Rügemer
Alternativ auf YouTube anschauen ..
Anhang:
Albrecht Müller:
Einführung zum 24. Pleisweiler Gespräch am 2. Mai 2015
mit Dr. Werner Rügemer zum Thema:
Europa im Visier der Supermacht USA
(ungekürzte Fassung)
Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Freunde der Pleisweiler Gespräche und der NachDenkSeiten, lieber Werner Rügemer, lieber Ortsbürgermeister Roland Gruschinski und willkommen den Medienmächtigen,
überall im Land sinkt das politische Interesse. Die Pleisweiler Gespräche zeigen, dass diese Beobachtung nicht ganz stimmt. Sie, verehrtes Publikum, opfern ein Mai-Wochenende für ein politisches Gespräch und einige von Ihnen kommen von weit her – beispielsweise von Hamburg und von München, von Düsseldorf und von Augsburg, von Nürnberg, von Heidelberg und vom Oberrhein.
Dieses große Interesse hat mit unserem Gast, mit Werner Rügemer, zu tun, und dann vermutlich auch mit dem Vertrauen, das die NachDenkSeiten als kritischer Begleiter des politischen Geschehens genießen. Mein Mitherausgeber Dr. Wolfgang Lieb kann heute nicht hier sein, lässt Sie aber herzlich grüßen. Von Seiten der NachDenkSeiten mit dabei sind Lars Bauer, unser Webmaster, und Jens Berger, unser effizienter Redakteur.
Werner Rügemer wird heute, dem Auftrag des Pleisweiler Gesprächs entsprechend, Anstöße zum Nachdenken geben. Er hat in Philosophie promoviert. Er ist Publizist und schreibt nicht nur, er recherchiert gut und eindringlich. In seinen Büchern hat er u.a. die Ergebnisse seiner Recherchen über die Ratingagenturen, über „Heuschrecken im öffentlichen Raum“, wie er die uns plagenden und aussaugenden Akteure der sogenannten Public Private Partnerschaft (PPP) nennt, publiziert.
Werner Rügemer hat schon früh politische Korruption aufgedeckt, als andere diesen Vorwurf noch als Hirngespinste von Verschwörungstheoretikern abgetan haben. Werner Rügemer hat zum Beispiel den Kölner Müllskandal beschrieben und belegt.
Das ihm für heute gestellte Thema ist brisant. Europa – und Werner Rügemer meint damit Europa einschließlich Russlands – ist im Visier der Supermacht USA, so seine These. Wir sind gespannt.
Ich möchte zur Entschärfung und zur Befriedung jener, die „Antiamerikanismus“ rufen könnten, vorweg klarstellen, dass sowohl unser Gast als auch ich und wahrscheinlich die meisten unter Ihnen mehrere Seiten der USA und der dort lebenden Menschen kennen: wir kennen großartige, intelligente, kreative US-Amerikaner. Und wir kennen Machenschaften, die uns Angst machen, weil sie oft tödlich sind.
Ich will eine kleine Geschichte erzählen, die schon fast 42 Jahre zurückliegt und die zwei Seiten der USA wie im Brennglas beleuchtet: ich war im Oktober 1973 zu Besuch in der Universität Berkley – bei einem amerikanischen Professor mit Namen Cohen. Er war Stadtökonom. Ich wollte mit ihm über Bodenrecht und Bodenspekulation in unseren Städten sprechen. Er aber wollte mit mir, damals Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt, nur darüber sprechen, was die Bundesregierung und Deutschland tun könnten, um chilenische Flüchtlinge aufzunehmen, die nach dem Putsch des Generals und Diktators Pinochet auf der Flucht vor diesen Gewalttäter und seinen mordenden Banden waren.
Da war also zum einen der Professor in Berkeley, ein engagierter Mensch, der sich zusammen mit vielen anderen US-Bürgern um politische Flüchtlinge kümmerte, und dann der Mitverursacher des Flüchtlingselends, die amerikanische Regierung und ihre Geheimdienste, die den Sturz und den Tod des gewählten Präsidenten Salvator Allende und Tausender Chilenen betrieben hatten.
Chile war damals im Griff der Supermacht USA. Wenn eine Regierung den USA nicht passt, wenn die politische Richtung nicht stimmt, dann dringen sie auf Regime Change, wie es so schön heißt. Dass das dann ein Schlag ins Gesicht jedes Grundverständnisses von Demokratie ist, fällt den Verteidigern dieser Art von Politik gar nicht mehr auf. Die Forderung nach Menschenrechten und Demokratie ist der Schleier, unter dem die Verletzung der Demokratie und der Menschenrechte versteckt wird.
Trotzdem: es gibt die anderen US-Amerikaner. Auch die Pleisweiler Gespräche kamen schon in den Genuss der anderen, der guten Seite der USA: Professor Norman Birnbaum war zum zweiten Mal vor zwei Jahren zu Gast, auch der stellvertretende Sicherheitsberater Carters war schon hier in Pleisweiler.
Ich wollte dies zum Hintergrund vorweg schicken – verbunden mit der Bitte, dass wir diese Differenzierung in der späteren Diskussion durchhalten. Und um auch vorweg klarzumachen, dass wir uns das Etikett „Antiamerikanismus“ nicht verpassen lassen. Wer sich Sorgen macht um die Machenschaften der Supermacht USA, ist ein Demokrat und wacher Zeitgenosse. Nichts mehr und nichts weniger.
Und noch eine Vorbemerkung zur Vermeidung von Missverständnissen: Deutschland ist nicht besser. Die politische Charakterlosigkeit der handelnden Personen hat nicht die gleichen großen Folgen wie im Falle der USA. Wir drangsalieren das kleine Griechenland zum Beispiel, nehmen den Griechen im übertragenen Sinne die Luft zum Atmen, übrigens gestützt auf die gleiche neoliberale Ideologie, die schon damals in Chile Pate stand. Naomi Klein hat das in ihrem Buch Schock-Strategie eindringlich beschrieben.
Deutschland ist ein enger Partner der Supermacht USA. Wir machen Kriege mit. Unsere Geheimdienste verhalten sich als Dienstleister. Die Region, in der wir uns heute treffen, die Pfalz, spielt offenbar eine besonders große Rolle bei der Kooperation zu militärischen Interventionen: die pfälzische Stadt Landstuhl beherbergt das größte Militärhospital außerhalb der USA. Daneben liegt – ca. 60 km von hier – Kaiserslautern und Ramstein. Das sind Drehkreuze des militärischen Nachschubs. Ramstein spielt offensichtlich beim Drohnenkrieg eine wichtige Rolle. Aus einem anderen Teil Deutschlands, aus Bayern, rollte im März gepanzertes Kriegsgerät bis zur russischen Grenze und wieder zurück. Die Bundeskanzlerin wird abgehört. Die Bundesregierung macht trotzdem mit beim Verschleiern der wahren Machtverhältnisse.
Aufklärung ist nötig. Werner Rügemer leistet mit seiner Arbeit einen wichtigen Beitrag. Danke dafür und danke fürs Kommen.
Werner Rügemer wird übrigens unser gewohntes Denken stören. Auch unsere übliche Sicht des Geschehens in den letzten 100 Jahren kommt ins Wanken, wenn wir ihm aufmerksam zuhören. Darum möchte ich Sie bitten. Nicht nur die Ohren, sondern auch Geist und Herz offen zu halten, scheint mir wichtig zu sein, wenn sein Vortrag und unsere Diskussion ein Gewinn für Sie sein soll.