Christine Wicht: Die Europäische Union, von einer Wirtschaftsgemeinschaft zu einer Militärunion
Der EU-Verfassungsvertrag (im folgenden EVV) ist Geschichte. Doch die inhaltliche Substanz des EVV soll erhalten bleiben. Zu diesem Zweck hat der Europäische Rat auf seiner Tagung vom 21. und 22. Juni 2007 in Brüssel beschlossen, dass die Bestimmungen des EVV, soweit sie gegenüber den schon bestehenden Verträgen neu waren, mittels eines so genannten Reformvertrages in diese eingearbeitet werden sollen. Das Verfassungskonzept, das darin bestand, alle bestehenden Verträge aufzuheben und durch einen einheitlichen Text mit der Bezeichnung “Verfassung” zu ersetzen, wurde aufgegeben. Des Weiteren wurde beschlossen, dass die Außen- und Militärpolitik „Gegenstand besonderer Verfahrensweisen“ sein soll. Damit ist davon auszugehen, dass derjenige Teil des aufgegebenen EVV, der sich mit der Außen- und Militärpolitik befasste, nun in die bestehenden Verträge aufgenommen werden soll. Die Kritik an der Ausrichtung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union richtete sich in der Vergangenheit vorwiegend gegen die militärischen Kampfeinsätze und gegen die Verpflichtung zur Aufrüstung. Es zeichnet sich die Entwicklung ab, dass die Europäische Union, die ursprünglich ein wirtschaftlicher Zusammenschluss europäischer Staaten war, darauf abzielt, eine Militärunion zu werden. Im folgenden Text werden anhand der Artikel des aufgegebenen EVV die Inhalte analysiert und die Bedeutung und die Folgen, die sich daraus ergeben, beschrieben:
Die Entwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
1954 war der Vertrag zur Errichtung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft am Widerstand der französischen Nationalversammlung gescheitert. Erst im Jahr 1992 konnte sich mit dem Vertrag von Maastricht eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik etablieren. Viele Punkte aus diesem Vertrag wurden in den EVV übernommen. Der Ministerrat der Westeuropäischen Union (im folgenden WEU) hatte 1992 auf dem Petersberg in Bonn beschlossen, dass Streitkräfte der WEU außer zur Selbstverteidigung, auch für humanitäre Aufgaben und Rettungsaktionen, friedenserhaltende Aufgaben und Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung, einschließlich Maßnahmen zur Herbeiführung des Friedens, eingesetzt werden können. Der Vertrag über die Europäische Union (im folgenden EUV) wurde 1999 durch den Vertrag von Amsterdam geändert, wo die „rüstungspolitische Zusammenarbeit“ aufgenommen wurde. 1999 beschloss der Europäische Rat von Köln den Aufbau militärischer Fähigkeiten, Mittel und Entscheidungsmechanismen für „autonomes Handeln“. Der Europäische Rat von Helsinki verabschiedete 1999 den Aufbau einer „Rapid Reaction Force” (Schnelle Eingreiftruppe), bestehend aus 60.000 Heeressoldaten und 20.000 Luftwaffen- und Marinesoldaten, die innerhalb von 60 Tagen in ein Krisengebiet verlegt werden können und die eine Operation ausführen dürfen, in einem Umfang bis zu 12 Monaten. Mit dem Gipfel von Köln wurde im Juni 1999 die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) als eigenständiges Gebiet etabliert. Darüber hinaus wurden die dafür notwendigen Institutionen, wie ein ständiges Komitee für politische Sicherheitsfragen, einen Militärausschuss und ein Militärstab geschaffen. Die EU übernahm im Jahr 2000 die so genannten Petersberg-Aufgaben vom Militärpakt WEU. Im Vertrag von Nizza vom 26. Februar 2001 enthält folgende Bestimmungen zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheits-Politik (Quelle: Auswärtiges Amt):
Die durch die Entwicklung der ESVP obsolet gewordenen Bezüge auf die WEU sind entfallen, die Verteidigungspolitik ist nunmehr als eigenständige Politik der Union ausgestaltet (Art. 17 EUV), dabei wird auf die enge Verbindung zur NATO hingewiesen.
An die Stelle des Politischen Komitees (PK) ist das ständig in Brüssel tagende Politische und Sicherheitspolitische Komitee (PSK) getreten; der Rat kann dem PSK operative Entscheidungsbefugnisse für die Leitung von Krisenmanagementoperationen übertragen (Art. 25 EUV).
Die sog. „verstärkte Zusammenarbeit” – d.h. eine Kooperation einiger Mitgliedstaaten mit dem Ziel, bestimmte Dossiers voran zu bringen – ist unter bestimmten Bedingungen nunmehr auch in der GASP möglich (Art. 27a EUV). Fragen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen sind hiervon allerdings ausgeschlossen (Art. 27b EUV).
Mit der ESVP wurden die Kompetenzen der WEU peu à peu auf die EU übertragen. Die WEU besteht heute zwar rechtlich als Organisation weiter, spielt aber sicherheitspolitisch keine Rolle mehr. Seit der Ministerrat der EU in Marseille im Jahr 2000 entschieden hat, dass die wichtigsten Funktionen der WEU an die Europäische Union übertragen werden. Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) und der Gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik (GASP) war das Fundament, auf welches sich der Konvent bei der Ausarbeitung des EVV stützte.
Nach Art. I-12 EVV und I-16 EVV gehört „die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen kann”, zu den Zuständigkeiten der Europäischen Union. In Art. I-41 Abs. 2 EVV wird dies noch deutlicher bestimmt: “diese führt zu einer gemeinsamen Verteidigung, sobald der Europäische Rat dies einstimmig beschlossen hat.“ Damit wäre die Europäische Union als Militärunion konstitutionell festgeschrieben.
Artikel I-12 Abs. 4 EVV:
(4) Die Union ist dafür zuständig, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einschließlich der schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik zu erarbeiten und zu verwirklichen.
Artikel I-16 EVV:
(1) Die Zuständigkeit der Union in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik erstreckt sich auf alle Bereiche der Außenpolitik sowie auf sämtliche Fragen im Zusammenhang mit der Sicherheit der Union, einschließlich der schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen kann.
(2) Die Mitgliedstaaten unterstützen die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität und achten das Handeln der Union in diesem Bereich. Sie enthalten sich jeder Handlung, die den Interessen der Union zuwider läuft oder ihrer Wirksamkeit schaden könnte.
Art. I-16 Abs. 2 EVV führt zu einer sicherheitspolitischen Entmündigung der Außenminister der Mitgliedstaaten und engt den Handlungsspielraum der einzelnen Mitgliedstaaten ein. In den folgenden Artikeln I–41 EVV und III-309 ff. EVV wird die Option der EU zum Einsatz militärischer Mittel außerhalb der Selbstverteidigung konkret festgeschrieben:
Art. I-41 Abs. 1 EVV:
(1) Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist integraler Bestandteil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Sie sichert der Union eine auf zivile und militärische Mittel gestützte Fähigkeit zu Operationen. Auf diese kann die Union bei Missionen außerhalb der Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zurückgreifen. Sie erfüllt diese Aufgaben mit Hilfe der Fähigkeiten, die von den Mitgliedstaaten bereitgestellt werden.
Kritisch zu sehen ist, dass in diesem Artikel zivile und militärische Reaktionen nicht voneinander getrennt sind. Die Charta der Vereinten Nationen hingegen unterscheidet zwischen friedlicher Streitbeilegung, friedlichen und militärischen Sanktionsmaßnahmen und definiert die jeweiligen Voraussetzungen für deren Anwendung.
Art. III-309 Abs. 1 EVV:
(1) Die in Artikel I-41 Absatz 1 vorgesehenen Missionen, bei deren Durchführung die Union auf zivile und militärische Mittel zurückgreifen kann, umfassen gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen, humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, Aufgaben der militärischen Beratung und Unterstützung, Aufgaben der Konfliktverhütung und der Erhaltung des Friedens sowie Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen und Operationen zur Stabilisierung der Lage nach Konflikten. Mit allen diesen Missionen kann zur Bekämpfung des Terrorismus beigetragen werden, unter anderem auch durch die Unterstützung für Drittländer bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet.
Die besondere Bedeutung des Art. III–309 Abs. 1 EVV
In Art. III-309 EVV werden “Zweck” und „Inhalt” der in I-41 Abs.1 EVV angeführten Missionen konkretisiert: „die “Missionen” umfassen “Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen und Operationen zur Stabilität der Lage nach Konflikten” sowie “Unterstützung für Drittländer bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet”. Diese Formulierung bezieht sich also auch auf Missionen außerhalb der EU. Welche Bedeutung dieser Artikel erlangen kann, können wir in Afghanistan und im Irak beobachten.
Art. I-41 Abs. 2 EVV:
(2) Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik umfasst die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik der Union. Diese führt zu einer gemeinsamen Verteidigung, sobald der Europäische Rat dies einstimmig beschlossen hat. Er empfiehlt in diesem Fall den Mitgliedstaaten, einen Beschluss in diesem Sinne im Einklang mit ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften zu erlassen. Die Politik der Union nach diesem Artikel berührt nicht den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten; sie achtet die Verpflichtungen bestimmter Mitgliedstaaten, die ihre gemeinsame Verteidigung in der Nordatlantikvertrags-Organisation verwirklicht sehen, aufgrund des Nordatlantikvertrags und ist vereinbar mit der in jenem Rahmen festgelegten gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Mit Art. I-41 Abs. 2 EVV ist die Verteidigungspolitik der Europäischen Union in dem Maß an die NATO gebunden, als eine Bindung eines Teils der Mitgliedstaaten an die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der NATO besteht. Da die meisten EU-Staaten davon betroffen sind, werden sie praktisch gezwungen sich der NATO unterzuordnen.
Art. I-41 Abs. 3 EVV:
(3) Die Mitgliedstaaten stellen der Union für die Umsetzung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zivile und militärische Fähigkeiten als Beitrag zur Verwirklichung der vom Rat festgelegten Ziele zur Verfügung. Die Mitgliedstaaten, die zusammen multinationale Streitkräfte aufstellen, können diese auch für die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik zur Verfügung stellen. Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Es wird eine Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung (Europäische Verteidigungsagentur) eingerichtet, deren Aufgabe es ist, den operativen Bedarf zu ermitteln und Maßnahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern, zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors beizutragen und diese Maßnahmen gegebenenfalls durchzuführen, sich an der Festlegung einer europäischen Politik im Bereich der Fähigkeiten und der Rüstung zu beteiligen sowie den Rat bei der Beurteilung der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten zu unterstützen.
Art. I-41 Abs. 3 EVV verpflichtet die einzelnen Mitgliedstaaten der EU nach Maßgabe der Verteidigungsagentur zur stärkeren Aufrüstung. Die Europäische Union ist künftig ohne NATO und ggf. unabhängig von den USA, eigenständig militärisch handlungsfähig. Zu diesem Artikel gehört III-311 EVV, in welchem die Aufgaben der Agentur genauer beschrieben werden.
Art. I-41 Abs. 4 EVV:
(4) Europäische Beschlüsse zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, einschließlich der Beschlüsse über die Einleitung einer Mission nach diesem Artikel, werden vom Rat einstimmig auf Vorschlag des Außenministers der Union oder auf Initiative eines Mitgliedstaats erlassen. Der Außenminister der Union kann gegebenenfalls gemeinsam mit der Kommission den Rückgriff auf einzelstaatliche Mittel sowie auf Instrumente der Union vorschlagen.
Auf dem Gebiet der GASP und GSVP gilt das Prinzip der Einstimmigkeit. Zwar besteht laut Art. III-300 EVV die Möglichkeit der konstruktiven Enthaltung, es können aber militärische Missionen durchgeführt werden, ohne dass alle Mitgliedstaaten zugestimmt haben oder sich beteiligen. Durch die Ein-Drittel-Regelung können aber die bevölkerungsstarken Staaten die Richtung vorgeben:
Art. III-300 Abs. 1 EVV:
(1) Europäische Beschlüsse nach diesem Kapitel werden vom Rat einstimmig erlassen. Jedes Mitglied des Rates, das sich bei einer Abstimmung der Stimme enthält, kann hierzu eine förmliche Erklärung abgeben. In diesem Fall ist es nicht verpflichtet, den Europäischen Beschluss durchzuführen, akzeptiert jedoch, dass dieser für die Union bindend ist. Im Geiste gegenseitiger Solidarität unterlässt der betreffende Mitgliedstaat alles, was dem auf diesem Beschluss beruhenden Vorgehen der Union zuwiderlaufen oder es behindern könnte, und die anderen Mitgliedstaaten respektieren seinen Standpunkt. Vertreten die Mitglieder des Rates, die bei ihrer Stimmenthaltung eine solche Erklärung abgeben, mindestens ein Drittel der Mitgliedstaaten, die mindestens ein Drittel der Unionsbevölkerung ausmachen, so wird der Beschluss nicht erlassen.
Die Gefahr; die von dieser Regelung ausgeht wird noch deutlicher bei Betrachtung des Art. I-41 Abs. 5 EVV. Damit kann eine Mission mit Unterstützung einiger weniger Staaten erfolgen. Mit Art. III-416 EVV wird eine verstärkte Zusammenarbeit festgelegt: „Eine Verstärkte Zusammenarbeit achtet die Verfassung und das Recht der Union. Sie darf weder den Binnenmarkt noch den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt beeinträchtigen. Sie darf für den Handel zwischen den Mitgliedstaaten weder ein Hindernis noch eine Diskriminierung darstellen noch darf sie zu Verzerrungen des Wettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten führen.“
Art. I-41 Abs. 5 EVV:
(5) Der Rat kann zur Wahrung der Werte der Union und im Dienste ihrer Interessen eine Gruppe von Mitgliedstaaten mit der Durchführung einer Mission im Rahmen der Union beauftragen. Die Durchführung einer solchen Mission fällt unter Artikel III-310.
(6) Die Mitgliedstaaten, die anspruchsvollere Kriterien in Bezug auf die militärischen Fähigkeiten erfüllen und die im Hinblick auf Missionen mit höchsten Anforderungen untereinander weiter gehende Verpflichtungen eingegangen sind, begründen eine Ständige Strukturierte Zusammenarbeit im Rahmen der Union. Diese Zusammenarbeit erfolgt nach Maßgabe von Artikel III-312 EVV. Sie berührt nicht die Bestimmungen des Artikels III-309 EVV.
Die „ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ dient der Europäischen Union als Instrumentarium zur Absicherung der militärischen Integration. Detaillierte Angaben sind in III-312 EVV und III-309 EVV festgehalten. Dem EVV war als 23. Protokoll das “Protokoll über die ständige strukturierte Zusammenarbeit gemäß Art. I-41 Abs. 6 und Art. III-312 der Verfassung” beigefügt. In folgendem Art. 1 des Protokolls sind die Kritierien für eine europäische Militärunion festgehalten:
Art. 1 des Protokolls über die ständige strukturierte Zusammenarbeit:
An der ständigen strukturierten Zusammenarbeit nach Artikel I-41 Absatz 6 der Verfassung kann jeder Mitgliedstaat teilnehmen, der sich ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags über eine Verfassung für Europa verpflichtet,
- seine Verteidigungsfähigkeiten durch Ausbau seiner nationalen Beiträge und gegebenenfalls durch Beteiligung an multinationalen Streitkräften, an den wichtigsten europäischen Ausrüstungsprogrammen und an der Tätigkeit der Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung (Europäische Verteidigungsagentur) intensiver zu entwickeln und
- spätestens 2007 über die Fähigkeit zu verfügen, entweder als nationales Kontingent oder als Teil von multinationalen Truppenverbänden bewaffnete Einheiten bereitzustellen, die auf die in Aussicht genommenen Missionen ausgerichtet sind, taktisch als Gefechtsverband konzipiert sind, über Unterstützung unter anderem für Transport und Logistik verfügen und fähig sind, innerhalb von 5 bis 30 Tagen Missionen nach Artikel III-309 aufzunehmen, um insbesondere Ersuchen der Organisation der Vereinten Nationen nachzukommen, und diese Mission für eine Dauer von zunächst 30 Tagen, die bis auf 120 Tage ausgedehnt werden kann, aufrechtzuerhalten.
In diesem Passus sind die schnellen Eingreiftruppen, auch Battle-Groups genannt, festgehalten, die in diesem Jahr bereits tätig sind. Deutschland und Frankreich stellen den Kern von zwei der vier 2007 in Bereitschaft stehenden Gefechtsverbände. Die Operation ‘Artemis’ in der Republik Kongo wurde von den Battle-Groups durchgeführt. Der Friedensratschlag in Kassel hat den Einsatz folgendermaßen kommentiert: „Es ging nicht darum, eine humanitäre Notlage zu beenden, sondern darum, als EU militärische Handlungsfähigkeit zu beweisen, die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) voranzutreiben und eine Grundlage für zukünftige Einsätze zu schaffen. Dies äußern nicht nur EU-Politiker ganz offen, sondern wird auch bei näherer Betrachtung der Umstände und Aufgaben von Artemis deutlich.“ (Quelle: AG Friedensforschung an der Uni Kassel)
Art. I-41 Abs. 7 EVV:
(7) Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats müssen die anderen Mitgliedstaaten nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung leisten. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt. Die Verpflichtungen und die Zusammenarbeit in diesem Bereich bleiben im Einklang mit den im Rahmen der Nordatlantikvertrags-Organisation eingegangenen Verpflichtungen, die für die ihr angehörenden Staaten weiterhin das Fundament ihrer kollektiven Verteidigung und das Instrument für deren Verwirklichung ist.
In Art. I-41-Abs. 7 EVV wird das Fundament für eine kollektive Verteidigungspolitik für die Europäische Union gelegt. Dass Einsätze der NATO, unter der Ägide der USA, nicht auf die Zustimmung aller EU-Länder stoßen, hat die Haltung der Länder Frankreich und Deutschland zum Irakkrieg zum Vorschein gebracht.
Art. I-41 Abs. 8 EVV:
(8) Das Europäische Parlament wird zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik regelmäßig gehört. Es wird über ihre Entwicklung auf dem Laufenden gehalten.
Das EU-Parlament wird nur darüber informiert, besitzt aber keine Kompetenzen im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Es fehlt der so genannte Parlamentsvorbehalt. Das demokratisch gewählte EU-Parlament besitzt keinerlei Macht, den Beschlüssen des Rats entgegenzuwirken. Es ist lediglich eine Anhörung des EU-Parlaments in Art. 41 Abs. 8 EVV vorgesehen, und das Parlament wird auf dem Laufenden gehalten. In Art. 304 Abs. 1 EVV wird auf die Informationspflicht genauer eingegangen. In Art. 304 Abs. 2 EVV steht geschrieben: “Das Europäische Parlament kann Anfragen oder Empfehlungen an den Rat und den Außenminister der Union richten.” Diesem Informationsrecht ist kaum eine Bedeutung beizumessen, zumal dann, wenn schon Fakten geschaffen worden sind, wenn die Truppen schon unterwegs sind. Das EU-Parlament hat in der Vergangenheit immer wieder betont, dass militärischen Einsätzen ein Mandat der Vereinten Nationen zugrunde liegen muss, am Irakkrieg haben sich 12 Mitgliedstaaten der EU beteiligt.
Quo vadis – Wohin geht die Sicherheitspolitik der Europäischen Union?
Die Europäische Union hat sich Instrumentarien und gesetzliche Regelungen geschaffen, um künftig leichter auf militärische Mittel zur Durchsetzung strategischer Interessen zurückgreifen zu können als dies bisher der Fall war. Ursprünglich sollte die EU auf internationaler Ebene auf dem Gebiet der Konfliktverhütung handlungsfähig sein und zwar in den Fällen, in welchen die NATO als Ganzes nicht beteiligt ist. (Quelle: Telepolis). Ob und in welchem Umfang die Europäische Union langfristig eine Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, unabhängig von der NATO, anstrebt, bleibt abzuwarten. Es wird sich zeigen, ob die USA die ESVP als Konkurrenz zur NATO sehen. Zudem wird es schwierig sein einen Konsens innerhalb der EU unter den einzelnen Staaten zu finden, zumal einige Staaten neutral sind. Frankreich ist seit 1966 nicht mehr in die Militärstrukturen der NATO integriert und lehnt es ab, sich militärisch den USA unterzuordnen. Großbritannien könnte dagegen in einen Konflikt geraten, da es den USA militärisch nahe steht.
Für die Bürger der Europäischen Union wird eine Fortentwicklung der GASP mit weiteren Einschränkungen der Freiheit einher gehen. Zudem wird sich eine demokratische Kontrolle auf Brüsseler Ebene schwierig gestalten, nachdem dem EU-Parlament nur eine Informationspflicht zugestanden wird. Es steht darüber hinaus zu befürchten, dass militärische Aufrüstung über Einsparungen in anderen Politikbereichen, etwa im Sozialbereich oder dem Bildungsbereich, finanziert werden, für die eine derartige Verpflichtung zum Aus- und Weiterbau in den Verträgen nicht vorgesehen ist. Damit wird der Militarisierung ein weitaus höherer Stellenwert eingeräumt als der Sozial- und der Bildungspolitik. Problematisch zu sehen ist, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik keine Entscheidungskompetenzen besitzt.
Die Abgrenzung von Territorien und die gewaltsame Aneignung von Ressourcen ist so alt wie die Welt, wie viele Reiche sind schon daran zugrunde gegangen. Die Geschichte wiederholt sich immer wieder, doch die Staatsvertreter ziehen keine Lehren daraus. Wenn die Vertreter der Regierungen der Europäischen Union wahrhaftig eine Union anstreben, die nicht nur nach innen Frieden garantiert, sondern sich auch einer friedlichen Außenpolitik verpflichtet fühlt, müssen die Ziele eines friedlichen Europas Konfliktvermeidung und aktive Friedensförderung sein, von einem „Europäischen Institut für Friedensforschung“ ist jedoch nicht die Rede. Wie eng ethische Werte in Zusammenhang mit Frieden und Wohlergehen stehen, ist heute in Vergessenheit geraten. Der ehemalige französische Präsident und spätere Präsident des Europäischen Parlaments, Robert Schuman, der zusammen mit Jean Monnet als Gründervater der Europäischen Union gilt, sagte 1948: „Die ethischen Werte des Einzelnen, der Familie und des Staates sind die wahre Quelle und zugleich Garantie des Friedens und des Wohlergehens. Mehr als jedes andere politische System bedürfen die Demokratien einer solchen Leitordnung der Freiheit.“ Die Leitordnung der Europäischen Union sind heute freie Märkte, freier Waren- und Dienstleistungsverkehr, durch diese Ausrichtung und die Sicherung der Ressourcen auf anderen Kontinenten, ist anscheinend eine Sicherheits- und Verteidigungspolitik in der Europäischen Gemeinschaft notwendig geworden.
Quellenangaben:
- Verfassungsbroschüre von Tobias Pflüger und Gregor Schirmer – „Gegen eine militarisierte EU“ [PDF – 392 KB]
- EU-Verfassung inkl. Protokolle [PDF – 1.2 MB]
- Studien zur Militarisierung EUropas 6/2006 – Lühr Henken – „Die Finanzierung der EU-Militarisierung“ [PDF – 1.3 MB]