Gibt es ein öffentliches Interesse an der Bereitstellung eines internationalen Casinos?

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Am 10.8.2007 erschien im Zeit Weblog ein kritischer Beitrag des Experten für internationale Finanzmärkte und Währungsfragen Dieter Wermuth. Bei der Lektüre dieses aufschlussreichen Beitrags mit dem Titel „Liquiditätskrise!!!“ ergaben sich ein paar, hoffentlich weiterführende Fragen. Dieter Wermuth (DW) hat sie dankenswerterweise schnell beantwortet. Albrecht Müller.

AM: Sie gelten als Experte für internationale Finanzmärkte und Währungsfragen (falls nötig bitte ergänzen oder korrigieren). Am 10.8.2007 erschien im Zeit Weblog ein kritischer Beitrag von Ihnen mit dem Titel „Liquiditätskrise!!!“. Es bleiben ein paar Fragen. Ich beginne mit einer, die ein Leser der NachDenkSeiten stellte: Wie passt eigentlich die Unterstützung der Banken mit Hunderten von Milliarden wegen der Immobilienkrise zu den Theorien der „Neoliberalen“?

DW: Man sieht einmal mehr, dass die Märkte, wenn sie sich selbst überlassen werden, nicht immer von sich aus stabile Gleichgewichte erreichen. Angebot und Nachfrage können bei sehr unterschiedlichen Preisniveaus zum Ausgleich gebracht werden, ohne dass sich sagen ließe, das eine ist das richtige und die anderen sind die falschen. Vor allem bei Wechselkursen, Rohstoffen und an den Aktienmärkten lässt sich das beobachten. Der neoliberale Ansatz liefert keine nützlichen Erklärungen für Finanzkrisen. So etwas wie Euphorie, Angst, Herdentrieb, also den homo irrationalis gibt es nicht. Selbst realwirtschaftliche Phänomene können fast nie plausibel erklärt werden. Deutschland konnte jahrelang aufgrund von Strukturproblemen, zu vielen unvollkommenen Märkten, nicht wachsen, erklärten uns die Neoliberalen. Im Grunde sei unsere Volkswirtschaft ein hoffnungsloser Fall. Auf einmal aber geht es los mit der Expansion, ohne dass die Märkte effizienter geworden wären, einfach weil die Weltwirtschaft brummt, der Wechselkurs nicht überbewertet ist und die EZB für eine Weile die Realzinsen nahe null hält. Wäre es nach den Neoliberralen gegangen, hätten wir uns mit 10% Arbeitslosigkeit abfinden müssen – dem Niveau, das aufgrund unserer schrecklichen Strukturen das natürliche sei. In der Praxis produzieren die Neoliberalen nichts als krausen Unsinn. Die Märkte jedenfalls couldn’t care less.

AM: Warum intervenieren die EZB und andere Zentralbanken – mit insgesamt über 150 Milliarden?

DW: So viel wird wohl nötig gewesen sein angesichts der Liquiditätsklemme der Banken. Die Anleger hatten aus Angst vor Wertverlusten deutlich mehr Fondsanteile verkauft als normal, also Bargeld verlangt. Das Bankensystem insgesamt konnte im Geldmarkt nicht genügend Liquidität mobilisieren, um den Anforderungen der Kunden gerecht zu werden. Manchmal kommt es zu solchen Krisen – sie haben ihren Grund darin, dass die Aktiva des Bankensystems nicht sofort in Geld verwandelt werden können (durch Verkauf an die Sparer). Es sind allerdings genügend Aktiva da, nur nicht in der erforderlichen liquiden Form. Es dauert angesichts des „bank runs“ ein paar Tage, bis die Banken die Anpassung ihrer Bilanzen geschafft haben – daher wenden sie sich an die Notenbank, die ihnen mit einem Überbrückungskredit aus der Klemme hilft. Dafür gibt es ja diese sogenannten Schnelltender. Wegen vorübergehender Probleme mit kurzfristigen Verbindlichkeiten sollen Banken nicht Konkurs anmelden müssen. Volkswirtschaftlich sind die Kosten von Bankenzusammenbrüchen oft sehr groß und sollten daher vermieden werden, wenn die betreffenden Banken grundsätzlich gesund sind. Die Notenbank (und damit der Steuerzahler) verdient im Übrigen an diesen Krediten – sie werden ja verzinst. Eine andere Frage ist, warum denn die Anleger auf einmal Kasse sehen wollen.

AM: Interveniert wird wohl aus Sorge darüber, die Krise der Finanzmärkte könnte auf die reale Ökonomie übergreifen, also die Investitionen, den Konsum und dann auch die Konjunktur bremsen. Diese Sorge will ich nicht als abwegig bezeichnen. Aber in diesem Zusammenhang wird dann bei uns auch ein Interesse daran formuliert, die Aktienkurse nicht allzu sehr einbrechen zu lassen. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ludwig Stiegler meinte gegenüber der Frankfurter Rundschau, es sei „eine alte Lebenserfahrung, dass die Investitionskurve in Deutschland immer der DAX-Kurve gefolgt ist“. Was halten Sie von diesem Argument? Ist es überhaupt sachlich richtig?

DW: Eigentlich könnte man eine mittelgroße Bank wie die IKB auch mal in Konkurs gehen lassen, nämlich dann, wenn die Verbindlichkeiten die Aktiva um mehr als das Eigenkapital übersteigen. Die IKB hatte sich wohl mit amerikanischen Asset Backed Securities vollgeladen, die angesichts der Immobilienkrise doch nicht so solide waren wie gedacht. Sie hatten dramatisch an Wert verloren. Der Vorstand hatte sich einfach in großem Stil verzockt und der Aufsichtsrat hatte nichts gemerkt oder nichts merken wollen. Es zeigt sich, ziemlich überraschend, dass die IKB eine schlecht geführte Bank ist. Warum sollte sie gerettet werden? Die Eigentümer (die Aktionäre) sind sich des Konkursrisikos ja durchaus bewusst – es ist ein konstituierendes Element des Aktienmarktes und ein Grund dafür, dass Aktionäre im Durchschnitt besser fahren als die Besitzer von Staatsanleihen.

Bankpleiten gefährden allerdings das Vertrauen in das Geldwesen und werden daher aus Stabilitätsgründen tunlichst vermieden. Eine kollabierende Bank aufzufangen, also durch andere zu übernehmen, ist allemal billiger als die Sparer so zu schockieren, dass sie ihre Einlagen abziehen und damit die Kreditketten zerstören, die eingespielten Beziehungen zwischen Sparern und Investoren – was unabsehbare Schocks und damit eine Rezession auslösen könnte.

Man kann auch nicht so apodiktisch sagen, dass die Geldpolitik nie die Aktienkurse stabilisieren sollte. Es kommt darauf an. Die wichtigste Aufgabe der Geldpolitik ist ja nicht, das Preisniveau zu stabilisieren, sondern für ein funktionierendes Geldwesen zu sorgen. Und wenn die Aktienindices so stark einbrechen, dass breite Bevölkerungskreise de facto überschuldet sind, so dass auf Teufel komm raus gespart werden muss und dadurch Nachfrage und Konjunktur so sehr zurückgehen, dass sich daraus eine Depression oder eine lang anhaltende Deflation entwickeln könnten, ist die Notenbank sehr wohl gefordert. Das sind aber die absoluten Ausnahmen. Im Allgemeinen sollten die Notenbanken die Finger von den Aktienmärkten lassen, auch wenn es der Konjunktur helfen mag, wenn die Kosten für Eigenkapital real niedrig sind, die Aktienkurse also hoch. Es ist schon eine ziemlich schwierige Aufgabe, die Inflationserwartungen und die aktuelle Inflation bei dem Niveau zu stabilisieren, das angestrebt wird (etwas unter 2% im europäischen Fall). Wenn das gelingt, dürften die Realzinsen relativ niedrig bleiben, was wiederum (wenn auch nicht alleine) den Aktienkursen und der Investitionstätigkeit hilft.

AM: Das heißt doch auf Deutsch: Öffentliches Geld soll jetzt auch noch die Kursgewinne der Aktienspekulanten sichern?

DW: Wenn die Notenbank nach einem Crash à la 1929, Japan 1989/90, USA 2000/2001 stabilisierend eingreift, sind ja die Kursgewinne der Aktienspekulanten schon weg – dann geht es darum, Schaden von der Volkswirtschaft insgesamt abzuwenden, den negativen Vermögenseffekt zu begrenzen. Wenn die Leute sich angesichts von Kursverlusten von 90% (oder so) auf einmal total verarmt vorkommen und das Geldausgeben einstellen, bekämen wir eine Spirale nach unten. Wie wir in den dreißiger Jahren gesehen haben, kann weitverbreitetes Elend in einer einst wohlhabenden Gesellschaft zu übertriebenem Nationalismus und Faschismus führen, gefährdet also potentiell das demokratische System. Während es vollkommen falsch und auch ungerecht ist, „die Kursgewinne der Aktienspekulanten (mit öffentlichem Geld zu) sichern“, kann durchaus öffentliches Geld nach einem Crash eingesetzt werden, wenn das Risiko besteht, dass er ausser Kontrolle gerät. Das darf man (aus Gründen des moral hazard) aber nie vorher verkünden.

AM: Bekommt die EZB die Milliarden wieder zurück, mit denen sie intervenierte?

DW: Das ist sehr wahrscheinlich – und, wie oben gesagt – mit Zinsen. Es handelt sich ja um Kredite, und die Kreditnehmer sind grundsätzlich gesunde Banken. Das hat bis zum Beweis des Gegenteils zu gelten, sonst funktionierten die Geldmarktoperationen der Notenbanken nicht.

AM: Bekommt die öffentliche KfW die über 8 Milliarden zurück, die sie zur Vermeidung der Insolvenz der IKB bereitgestellt hat, einer Bank die immerhin überwiegend privaten Eigentümern und nur zu 38% der KfW und damit Bund und Ländern gehört?

DW: Schwer zu sagen. Vermutlich muss eine Menge abgeschrieben werden, da es sich nicht um eine Liquiditätsklemme sondern um Verluste aus Portfolioinvestitionen handelt (wenn ich recht informiert bin). Letztlich subventioniert der Steuerzahler die übrigen Eigentümer, falls die KfW für einen höheren Teil der Verluste aufkommt und damit Feuerwehr spielt, als der 38%-Anteil an der IKB rechtfertigen würde. Das wäre unerfreulich und ordnungspolitisch nicht zu rechtfertigen.

AM: Die Krise hatte im konkreten Fall ihren Ursprung in den USA und dem dortigen Hypothekenmarkt. Joseph Stiglitz schildert in einem Beitrag für FTD.de, dass und wie Alan Greenspan amerikanische Eigenheiminteressenten zu noch höherer Risikobereitschaft ermuntert hat. Man kann mit Recht von einer amerikanischen Krise sprechen. Und dennoch hat die Europäische Zentralbank mit 94,8 Milliarden € und dann noch einmal mit 61,05 Milliarden € den Löwenanteil an Liquiditätszufuhr geleistet. Warum das?

DW: In der Tat: Der Ausgangspunkt der Krise war in den USA. Nach dem Kollaps der Aktienmärkte 2000/2001 wurden aus Furcht vor einer Rezession infolge von Vermögensverlusten die Zinsen stark gesenkt, bis auf schließlich 1%, was real deutlich negativ war. Durch die Entschlossenheit der Fed konnte eine größere Rezession vermieden werden, und der größte Teil der Verluste an den Aktienmärkten wurde durch den Anstieg der Immobilienpreise kompensiert. Das Vertrauen der Verbraucher hatte per Saldo kaum gelitten. Im Verlauf der Immobilienhausse kam es allerdings zu einer immer aggressiveren Kreditvergabe, verbunden mit einer Verbriefung der Hypotheken. Sie wurden in Wertpapiere verwandelt, die dann in den Markt verkauft wurden, unter anderem an die IKB, die BNP Paribas, die SachsenLB, den Frankfurt Trust, im Grunde an Gott und die Welt, an jeden, der Geld anzulegen hatte und an einer attraktiven Rendite interessiert war. Dadurch war die US-Immobilienkrise auf einmal auch unsere Krise. Die EZB hatte keine Wahl: Sie musste handeln, und es brachte nichts, zu fragen, wer denn der Teufel im Stück sei.

AM: Sie wundern sich darüber, „wie naiv deutsche (und französische) Banker und Portfoliomanager sein müssen, wie wenig sie die Risiken zu verstehen scheinen, auf die sie sich einlassen“, wenn sie sich bei schlechten Hypothekenkrediten und der Finanzierung von Übernahmen engagieren. Muss man sich darüber wirklich wundern, da die Banker doch die Erfahrung machen, dass die Öffentlichkeit zur Schadensbegrenzung einspringt? Sie werden für ihre Naivität und riskanten Spekulationen nicht bestraft. Im Gegenteil, weil sie mit den riskanten Spekulationen große Gewinne gemacht haben, gelten sie als besonders erfolgreich. Und werden gerettet, wenn etwas schief geht. Halten Sie das für wegweisend?

DW: Ich wiederhole mich: Die EZB rettet nicht nur die Banker, sie rettet auch das System. Es ist auch klar, dass die Banken eine Menge Geld mit ihren Anlagen in Asset Backed Securities verloren haben und noch verlieren werden. Daher sinken ihre Aktienkurse ja auch so stark. Dass die Investmentbanken dennoch, über längere Zeiträume gerechnet, ungeheuer viel Geld verdient habe, liegt vermutlich an mangelndem Wettbewerb (durch hohe Zugangshürden) und intransparente Produkte, die sie geschickt an renditegierige Anleger rund um den Globus verkauft hatten. Sie haben sicher recht mit Ihrem Eindruck, dass die Banken in der Gewissheit, dass sie allein wegen ihrer Größe nicht fallen gelassen werden dürften, umso aggressiver und damit profitabler agieren können als normale Unternehmen. Ich glaube aber nicht, dass staatliche Banken die Lösung wären. Die werden doch ständig vom Steuerzahler rausgehauen, so wie jetzt die IKB über die staatliche KfW, oder wie immer wieder die diversen Landesbanken. Ein Problem scheint mir auch zu sein, dass den meisten Wirtschaftspolitikern die Investmentbanken und die Private Equity und Hedge Funds ein Buch mit sieben Siegeln sind. Was ist eigentlich mit unseren Bankenaufsehern los?

AM: Sind die enormen Gewinne der Deutschen Bank AG oder anderer Institute auch auf ähnliche riskante Operationen zurückzuführen? Wären einige Insolvenzen nicht notwendig, um die absurden Renditevorstellungen zu korrigieren, die um sich gegriffen haben?

DW: Die Gewinne entstehen weniger durch die Anlage in Asset Backed Securities, die jetzt so stark an Wert verlieren, als vielmehr durch die Kreiierung dieser Produkte und ihren Verkauf an Endinvestoren. Daneben gibt es fette Gebühren in den Geschäften mit Unternehmensübernahmen, Börsengängen, Vermögensverwaltung, Geldtransfers, aber auch im (spekulativen) Eigenhandel in Devisen, Bonds, Aktien, Rohstoffen und allen möglichen derivativen Produkten. Aus der Risikoübernahme bei Krediten und aus der sogenannten Fristentransformation verabschieden sich die Banken zunehmend. Aus Banken werden Makler und Spekulanten, um es mal hart und zugespitzt zu sagen. Eine Fehlentwicklung!

AM: Hätte man die IKB zum Beispiel nicht besser in Insolvenz gehen lassen sollen, um ein Exempel zu statuieren? Übrigens auch um sichtbar zu machen, dass ein erstaunlicher Teil der deutschen Finanz-, Wirtschafts- und Politikelite als Aufsichtsräte und Berater dieses Instituts nichts gemerkt oder alles geduldet hat?

siehe dazu:NachDenkSeiten

DW: Es ging um eine Güterabwägung: Bei der IKB wäre es tatsächlich möglich gewesen, sie Konkurs gehen zu lassen, bei der Deutschen oder der WestLB wäre das keine Option. Das System der Einlagensicherung dürfte aus gesamtwirtschaftlicher Sicht das Schlimmste verhindert haben. Ich kenne die Details nicht und kann daher nicht gut beurteilen, warum die Auffanglösung gewählt wurde. Vermutlich wird wieder einmal vieles unter den Teppich gekehrt, was wir eigentlich wissen sollten, damit solche Desaster nicht noch einmal passieren.

AM: Sie weisen auch auf Probleme hin, die im Kontext mit Krediten für Unternehmenskäufe stehen. Können Sie das etwas genauer erläutern?

DW: Hier geht es um Kredite an Private Equity-Firmen, um die sich die Banken geradezu gerissen hatten. Sie wurden nämlich nicht nur syndiziert, also auf mehrere Schultern verteilt, sondern auch als Pakete verschnürt und mit einem wohlwollenden Rating von Standard&Poor’s oder Moody’s versehen im Markt platziert und verschwindet damit aus der eigenen Bilanz. Neben der Kreditvergabe an Hedge Funds war das das Wachstumsgeschäft schlechthin. Am Ende waren die Bonitätsstandards bei diesen Krediten so niedrig (wegen des für die Banken geringen Riskos), dass man von „covenants light“ sprach – es wurden keine echten Sicherheiten mehr verlangt. Das Zeug war ja nur kurz in den Bilanzen der Banken und landete nach kürzester Zeit bei den Endanlegern (wie der IKB). Wie sich jetzt zeigt, sind die Banken nach dem Markteinbruch für diese Art Produkte doch auf einer Menge solcher Kredite sitzengeblieben und stehen nun einigermaßen belämmert da.

Bei den Hypotheken gab es ein ähnliches Phänomen: Wegen der Aussicht, dass man die Risiken umgehend im Markt abladen können würde, waren die Bonitätsanforderungen an die Kreditnehmer immer mehr zurückgeschraubt worden, so dass Leute Häuser erwerben konnten, die sich das eigentlich nicht leisten konnten. Die Quittung kam prompt.

AM: Können Sie Beispiele dafür nennen, welche Übernahmen von deutschen Unternehmen durch Hedgefonds und Private Equity zu den Flops werden könnten, die nur mit spitzen Fingern angefasst werden, wie Sie schreiben?

DW: Dazu kann und will ich mich nicht äußern. Ab und zu hört man Gerüchte, ich habe aber keine Ahnung, was daran sein könnte.

AM: Gibt es nach den jetzigen Erfahrungen noch ein öffentliches Interesse daran, den hier sichtbaren Teil des Kapitalmarktes mit Casinocharakter und undurchsichtigen Produkten und Risiken zu erhalten? Was haben wir, was haben unsere und andere Volksherrschaften davon, dass es diese Art von Kapitalmarkt gibt? Warum beschränken wir den Kapitalmarkt nicht wieder auf seine zentrale Aufgabe, wie Sie sagen, nämlich aus kurzfristigen Einlagen langfristige Kredite zu machen, auf die so genannte Fristentransformation? Gibt es irgend ein öffentlichen Interesse an der Bereitstellung eines internationalen Casinos, wenn am Ende die Öffentlichkeit die Spieler, wenn sie ihre Spielschulden nicht mehr bezahlen können, bezahlen muss, um schädliche Rückwirkungen dieser Spielerei für die Allgemeinheit zu vermeiden?

DW: Leichter gesagt als getan! Es lässt sich gegen den Widerstand Washingtons, Londons, Zürichs, Luxemburgs und aller großen Banken nicht viel machen, vor allem wenn wir den Kapitalverkehr nicht einschränken wollen. Wenn es mehr Wettbewerb, mehr Transparenz, eine bessere Aufsicht zum Schutz der Anleger, die Abschaffung der Steueroasen auf europäischem Territorium gäbe, wäre schon viel gewonnen. Eigentlich müsste das Internet doch auch dazu führen, dass es Alternativen zu den etablierten Banken und Börsen gibt. Die Hedge Funds und die Private Equity Funds repräsentieren bereits Versuche, die oligopolistische Struktur des Marktes für Finanzdienstleistungen aufzubrechen. Börsengänge könnten demnächst über’s Interne laufen – so eine hohe Kunst sind sie nicht , dass die Investmentbanken daran 3 bis 7% des Emissionsertrags verdienen müssen.

AM: Na ja. … Halten Sie es für notwendig, die Kapitalmärkte neu zu regulieren? Welche Regeln wären nötig und hilfreich?

DW: Basel II zeigt gerade, dass gut gemeint gelegentlich das Gegenteil von gekonnt ist. Banken werden gezwungen, weniger Risiken einzugehen – und verwandeln sich in der Folge zu Risikovermittlern, die von den Gebühreneinnahmen leben, wie Immobilienmakler. Eine langfristige Lösung besteht vermutlich in einer Weltwährung und einer zentralen Aufsichtsbehörde – bis dahin sollte im Rahmen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich für mehr Transparenz, Anlegerschutz und Wettbewerb unter Banken und Börsen gesorgt werden. Vielleicht sollten auch alle deutschen Bankvorstände und Aufseher mindestens fünf Jahre in New York oder London gearbeitet haben, damit sie verstehen, was gespielt wird.

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