Die Alten leben auf Kosten der Jungen?
„Die Jungen zahlen ein, und die Alten sahnen ab“, schreibt BILD. Und: „Wer jünger ist als 45, zahlt drauf.“ … Professoren mit Neben(?)-Erwerb in der Versicherungsbranche, wie B. Raffelhüschen,. assistieren: „Rente – ein Verlustgeschäft für Junge“„Immer weniger Junge müssen die Renten von immer mehr Alten zahlen. Das kann nicht funktionieren.“
Das funktioniert sehr wohl, nämlich wenn auch die 3 Mio. Selbständigen, die Beamten und die Politiker für die Altersversicherung aller einzahlen würden – in eine allgemeine Erwerbstätigenversicherung! Ein Beitrag von Kurt Pittelkau, Arbeitskreis Alterssicherung ver.di-Berlin
Verteilungskämpfe zu Lasten der Jungen? Warum denn bloß? Wenn, dann zu Lasten der bisher verschonten „Betuchten“. Da haben sich die Gewerkschaften wohl noch nicht ausreichend verdeutlicht.
Zu Verteilungskämpfen sagen Gewerkschaften grundsätzlich ja – naturgemäß. Lohn- und Rentenabhängige haben sich doch ständig zu wehren gegen eine üble, aber ganz reale Praxis der Umverteilung von unten nach oben. Nichts anderes waren die Riesen-Steuergeschenke an die großen Unternehmen unter der Schröder-Regierung mit ihren vielen Folgen für die öffentlichen Kassen und einhergehendem Sozialabbau. Flankiert von bedauernden Reden, dass bei der Kassenlage nichts mehr zu verteilen sei, verteilte man Steuervorteile im Wert von weit über hundert Milliarden an die großen Konzerne. Und die große Koalition setzt das fort.
Angesichts der realen Entwicklung der gesetzlichen Renten ist es absurd, dass man den Alten unterstellt, ein Wohlleben auf Kosten der Jungen führen zu wollen. Von 2003 bis 2007 sinkt der Realwert der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung um mindestens 10% (nach Rentenversicherungsbericht 2006). M. Sommer, der DGB-Vorsitzende, warnt vor drohender „Armutsrente für den durchschnittlichen Rentner“.
Nein, natürlich geht es …
- um eine (ausgleichende!) Belastung derer mit der „ganz dicken Marie“,
- um die nicht länger unangemessene Steigerung ihrer Gewinne bei Stagnation der Arbeitseinkommen,
- um „Rückbau“ der Spitzensteuersätze,
- um die Belastung der „starken Schultern“ durch Wegfall bzw. Abbau der Beitragsbemessungsgrenzen und Heranziehung von Kapitaleinkünften,
- um die Besteuerung der Aktienspekulation,
- um das Ende der Verschonung der Vermögenden vor einer Erbschaftssteuer in angemessener Höhe,
- um eine Reichensteuer, die mehr ist als eine Farce.
Ganz klar – Kampf um solche Ziele ist ein Verteilungskampf zu Lasten der Reichen. Sich vor dieser Klarheit zu drücken, verschafft keine taktischen Vorteile.
Minuspunkte der sozialen Bewegung bei diesen Themen haben sich die „Reformer“ als Pluspunkte gutgeschrieben. Ergebnisse sind Stagnation der Lohnentwicklung seit anderthalb Jahrzehnt und Nullrunden bei den gesetzlichen Renten Jahr um Jahr, Kürzungen bei ganz vielen Positionen der Sozialausgaben.
Die Einbeziehung der rund drei Millionen Selbständiger ohne obligatorische Alterssicherung in eine Erwerbstätigenversicherung, wie sie DGB und führende Sozialverbände mit einem detaillierten Konzept fordern, ginge in die richtige Richtung. (Die Einnahmesituation der Rentenkassen – das ist durchgerechnet – würde mittelfristig stabilisiert.)
Und die Aufhebung von Beitragsbemessungsgrenzen in der Rentenversicherung bei Deckelung der Leistungen, wie sie in der Schweiz seit langem praktiziert wird.
Auch die Einbeziehung der Privaten Krankenkassen in ein einheitliches solidarisches Gesundheitswesen, gegen die sich allerdings eben die große Koalition entschieden hat, ist ein Weg.
Doch ist auch mangelnde Konsequenz der Gewerkschaftsführung zu beklagen.
Ich habe erlebt, wie in einer Veranstaltung zur Zukunft der Rente Ursula Engelen-Kefer, damals stellvertretende DGB-Vorsitzende, gefragt wurde, ob angesichts des ungebrochen voranschreitenden wissenschaftlich-technischen Fortschritts, des kontinuierlich steigenden Bruttoinlandsprodukts nicht in dieser Richtung nach zukunftssicheren und (!) gerechten Möglichkeiten zur Sicherung der Rentenkassen gesucht werden sollte. Obwohl im Verlauf der Diskussion sogar an die Frage erinnert, blieb die sonst so mutige Ursula die Antwort schuldig. Warum? Ist das ein Tabu?
Eine solche grundsätzliche Herangehensweise hätte den Vorzug, dass Debatten von den Fürsprechern des großen Geldes nicht so leicht als Ausdruck von Sozialneid abgetan werden können. Mit diesem Schimpfwort wurden die „leidenden deutschen Manager“ sehr wirksam geschützt, bis deren offener zutage tretende Maßlosigkeit neue Sprachregelungen erforderte.
Zu unterstützen ist die Position der „Volkssolidarität“: „Die einseitige Orientierung auf Beitragsstabilität und private Altersvorsorge geht in die falsche Richtung. Auch die Jüngeren brauchen eine Perspektive für eine akzeptable Alterssicherung durch die gesetzliche Rente.“