Wer schützt unser Volk vor „ehrenwerten“ Plünderern? Beispiel Bahnprivatisierung.
Die scheidende Vorsitzende der Verbraucherverbände Edda Müller ist eine besonnene Person. Wenn sie von „Verschleuderung von Volksvermögen“ spricht und meint “Die Pläne von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee sind wirklich unglaublich und in keiner Weise hinnehmbar” – siehe Hinweis Nr. 5 vom 10.7. in der FR, dann brennt es unterm Dach.
Auch in der SPD wächst die Kritik am ausgehandelten Gesetzentwurf [PDF – 20 KB]. Aber es sieht so aus, als würde diese Kritik mit einer schnellen Entscheidung im Kabinett überspielt werden. Eine wenn auch kleine Möglichkeit zur Verhinderung wäre gewesen (und könnte vielleicht noch sein), wenn die Gegner in der SPD-Fraktion eine namentliche Abstimmung verlangen würden. Auf diese, in der Geschäftsordnung der SPD-Bundestagsfraktion vorgesehene Möglichkeit habe ich in einer Tagebuchnotiz schon am 12.3. 2007 hingewiesen. Dann müssten die Abgeordneten wenigstens in ihren Wahlkreisen Rede und Antwort stehen und eine Entscheidung rechtfertigen, bei der viele Milliarden von uns Steuerzahlern bezahltes öffentliches Vermögen zu Gunsten von großen privaten Interessenten geplündert werden. Auch hier ist wie im Falle Riester und im Falle Kohl bei der Kommerzialisierung des Fernsehens zu vermuten, dass die Plünderer erst hinterher den Lohn für die Hilfe zur Plünderung von Volksvermögen an die Entscheider zahlen. Albrecht Müller.
1. Zunächst noch einige ergänzende Äußerungen der Verbraucherschutzvorsitzenden Müller aus dem Bericht der Frankfurter Rundschau:
“In dieser Zeit sollen mehr als 50 Milliarden Euro verlorene Zuschüsse für Erhalt und Ausbau des Netzes an den Konzern fließen.” Die wertvolle und von Steuerzahler finanzierte Infrastruktur werde mit der Teilprivatisierung faktisch verschenkt.
Eine solche Politik sei “völlig unverständlich”. “Mir erschließt sich nicht, warum ein Finanzminister einer solch ungünstigen Regelung für die Steuerzahler zustimmt.”
“Es fällt schwer, Worte für meine Empörung zu finden”, so Müller.
Die Verbraucherschützer befürchten, dass die Teilprivatisierung nach langem Streit in der Regierung und unter den Verkehrsexperten im Bundestag nun in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durchgepeitscht werden soll.
2. Wer schützt uns vor der Plünderung?
Die Bundesregierung nicht. Im Gegenteil, sie betreibt die Privatisierung aktiv voran.
Die Parteien? Vermutlich sind maßgebliche Personen in den Deal eingebunden.
Der Bundespräsident? Er könnte seine Unterschrift verweigern. Das wäre doch mal was. Zu erwarten ist das nicht. Immerhin war er als Finanzstaatssekretär zu Beginn der neunziger Jahre am Verscherbeln der ehemaligen DDR-Banken an die westdeutschen Banken beteiligt. Sie meinen, wir von den NachDenkSeiten urteilen zu hart? Dann lesen Sie bitte im Berliner Tagesspiegel vom 1.7.2005 und unsere Tagebuchnotiz vom 3.7.2005 nach.
Das war ein ähnlicher Vorgang: Öffentliches Vermögen wurde auf private Interessen übertragen. Damit bin ich bei einem der Hintergründe dieser Vorgänge.
3. Zum Hintergrund:
Die hohen Renditen, die heute von einigen Unternehmen vor allem über Finanzmärkte erzielt werden und deren sich zum Beispiel der Chef der Deutschen Bank Ackermann rühmt, sind nicht durch normale Wertschöpfung erreichbar. Wenn 25% Rendite auf den gesamten Kapitalstock unserer Volkswirtschaft gezahlt werden müssten, dann wäre das mehr an Zins- und Dividendenzahlungen als unser gesamtes Bruttoinlandsprodukt im Jahr ausmache, so einer meiner Gesprächspartner, der das ausgerechnet hat. (Nachgerechnet habe ich das noch nicht.)
Jedenfalls sind diese Renditen nur durch spekulative Vermögenstransfers und – besonders apart – durch das Fleddern öffentlichen Vermögens erreichbar. Man kauft als Groß“investor“ einen Anteil oder ein gesamtes öffentliches Unternehmen billig und verscherbelt dieses dann Gewinn bringend, oder man splittet auf und verkauft Teile davon mit hohem Gewinn. Im konkreten Fall der Deutschen Bahn AG ist das etwas komplizierter. Die Konstruktion sieht vor, dass wir Steuerzahler nicht nur mit vorhandenem Vermögen, sondern auch im weiteren Verlauf zahlen dürfen für Investitionen, die dann über komplizierte Verträge und gesetzliche Regelungen den Privaten zugute kommen.
Die hohen Renditen im Casino dieser angeblich modernen Finanzmärkte sind nur dadurch erreichbar, dass ständig neues Material zur Ausbeutung und Plünderung in diesen Markt eingeführt wird. Bildlich gesprochen: die Heuschrecken brauchen immer neues Futter. Sie bedienen sich bei der Beschaffung inzwischen einer Serie von ehemaligen Managern und Politikern – und siehe auch meinen Beitrag in Südkurier – und teilweise eben auch aktiver Politiker, die dann die passenden politischen Entscheidungen treffen und entsprechenden Gesetze verabschieden.
Schlussbemerkung: Die Privatisierung der Bahn AG ist leider wieder ein eklatantes Beispiel dafür, dass der gelegentlich geäußerte Vorwurf, wir seien Verschwörungstheoretiker geradezu lächerlich und ein bloßes Ablenkungsmanöver ist. Schlimmer als die Realität, die hier offen zu Tage kommt, kann sich auch der fantasievollste Verschwörungstheoretiker die Motive und Zusammenhänge, die hinter den Entscheidungen stehen, nicht ausdenken.