Der weit überschätzte Welthandel und die daraus folgende weltweite Verschwendung von Ressourcen statt stärkerer Regionalisierung und Verkehrsvermeidung
In die gängigen Debatten um die Freihandelsabkommen wird von den Befürwortern wie eine feststehende Tatsache einbezogen, dass der Welthandel und seine Ausweitung gut sei und deshalb auch gut sei, was ihn fördert. Oft wird dann damit gearbeitet, eine Ausweitung des Handels führe zu höherem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in den miteinander in stärkeren Austausch tretenden Volkswirtschaften. Dabei wird übersehen, dass schon heute der Austausch zwischen den Ländern subventioniert ist und dass unter Gesichtspunkten einer optimalen Allokation von Ressourcen und damit auch unter Beachtung der sogenannten externen Effekte, der external economies, des Welthandels eher eine stärkere Regionalisierung und damit auch Verkehrsvermeidung ökonomisch sinnvoll wäre. Albrecht Müller.
Damit nicht gleich mit Kanonen geschossen wird: Natürlich weiß ich auch, dass die Produktion von Gütern in größeren Einheiten mit sinkenden Durchschnittskosten verbunden sein kann und deshalb unter dem Gesichtspunkt kostengünstiger Produktion von Gütern und Dienstleistungen der Warenaustausch und seine Ausweitung ökonomisch sinnvoll sein kann. Aber ich denke, dass heute bei den meisten Produktionsverfahren der Punkt der in diesem Sinne rationalen Produktion erreicht ist. Also: mehr Welthandel zur Erreichung einer höheren Massenproduktion dürfte nicht besonders dringlich sein.
Subvention der Exporte, Subvention der Transporte über Meere, Straßen und die Luft
Nach meiner Erfahrung ist vielen, wahrscheinlich den meisten Debattierenden und für mehr Welthandel streitenden nicht bewusst, dass bei uns schon die Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) so angelegt ist, dass Exporte von der angesammelten Mehrwertsteuerbelastung eines Produktes entlastet werden, der Export also subventioniert wird. Das bedeutet: Der Exportanteil der deutschen Autoindustrie zum Beispiel lag 2013 bei 64,9 % (2013). BMW in München wurde beim Export von der bis dahin angelaufenen Mehrwertsteuer entlastet. Man kann es auch anders betrachten: die öffentlichen Leistungen des Bundes, des Landes Bayern und der Stadt München für Schulen, für Verteidigung, für die Gerichtsbarkeit, für die sozialen Leistungen und vieles mehr sind insoweit von der Produktion des Automobilunternehmens nicht mitgetragen worden. Dafür haben andere Unternehmen, die auf dem Binnenmarkt tätig sind, einen ungebührlich hohen Anteil der öffentlichen Leistungen bezahlt und sich dieses bei den Konsumenten geholt.
Export ist mit hohen Verkehrsleistungen verbunden. Die Maschinen zum Beispiel, die nach China oder nach Kanada oder Australien verkauft werden, werden über Straßen und Schienen zu den Häfen vornehmlich in Deutschland und Holland transportiert und dort verschifft. Große Mengen von Gütern werden innerhalb Europas auf den Straßen von LKWs transportiert. Die hohen Importe aus China, aus Indien, aus Bangladesch und sonst wo her werden entweder mit Flugzeugen oder über die erwähnten Häfen in Deutschland angelandet und dort wiederum mit LKWs und der Bahn verteilt, weniges auch per Schiff.
Die Flugzeuge fliegen ohne Kerosinbesteuerung. Der Bau und die Entwicklung von Flugzeugen ist zudem oft öffentlich subventioniert. Die LKWs zahlen auch nicht andeutungsweise die Kosten, die sie durch Lärm, durch Dreck und Verpestung der Luft und durch Flächenverbrauch verursachen. Die Transportleistungen wie auch die Schädigung der Umwelt und wie auch die nachgekarteten Versuche zur Rettung der Umwelt und auch der Straßenbau gehen in die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts ein und schlagen sich als Anteil an Wachstum des BIP nieder. Kein sinnvolles Wachstum!
Das ist eine rundum falsche Entwicklung der weltwirtschaftlichen Struktur. Es ist wahrlich nichts dagegen zu sagen, dass wirklich sinnvoll eingesetzte Güter und Dienstleistungen exportiert werden und importiert werden. Aber es spricht alles dagegen, dass dieser Wahnsinn auch noch subventioniert wird und durch Geheimverhandlungen gefördert wird.
Verkehrsvermeidung und Regionalisierung – das wären sinnvolle Arbeitsfelder der Europäischen Kommission, jedenfalls um vieles sinnvoller als Geheimverhandlungen mit den USA und Kanada über Freihandelsabkommen.
Aber die handelnden Personen sind wahrscheinlich so fixiert auf die Vorstellung, die Ausweitung des Handels sei per se etwas Gutes, dass sie gar nicht auf den Gedanken kommen, es könnte sinnvoll sein zu überlegen, welche regionalen Schwerpunkte der wirtschaftlichen Entwicklung und des Wirtschaftsaustauschs man in Europa bilden könnte und welche Steuern und Abgaben auf Transport und ökologische Belastung aus diesen Gründen sinnvoll wären.
Außerdem ist die Lobby riesengroß. Denken Sie nur an die Macht der Exportwirtschaft im Stadtstaat Hamburg oder die Macht der Exportwirtschaft im Freistaat Bayern oder in Baden-Württemberg, in Rheinland-Pfalz, in Hessen und in Nordrhein-Westfalen. Es fällt einem gar kein Land ein, das sich zum Partner einer Lobby der Regionalisierung breitschlagen ließe. Außer der Lobby ist auch die Meinungsmache pro Export nahezu unschlagbar. Eine desolate Situation.