Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Energiewende
  2. Freihandel
  3. A Shortage of Private Investment in Germany? The Problem Is a Lack of Demand, not of Machinery
  4. Das ist hundsgefährlich!
  5. Seit 2012 wechseln erstmals mehr Versicherte von der privaten zur gesetzlichen Krankenversicherung als umgekehrt
  6. Betreuungsgeld: Rechenkünste der bayerischen Staatsregierung und der grünen Opposition
  7. Betriebsräte–Mobbing als anwaltliche Dienstleistung
  8. Ob wohl Ijob einem Job nachging?
  9. Neuer Riese auf dem Wohnungsmarkt
  10. Lobbyismus
  11. Das Ende des Kapitalismus im 21. Jahrhundert?
  12. Amerika, du hast es schlechter – Lagebericht in 45 Punkten
  13. Am Rande der Servicewelt
  14. 1147 Opfer bei 41 »Zielpersonen«
  15. Former U.S. Ambassador to Syria Asks: After Assad, Then What?
  16. Zu guter Letzt: Bundeskanzler a.D. blamiert deutschen Spitzenjournalisten
  17. das Allerletzte: Lisas Welt – Der Putin-Erklärer

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Energiewende
    1. Energiekonzern E.ON spaltet sich auf – “Bad Bank” für Atom, Kohle und Gas
      E.ON stößt unter dem Druck der Energiewende seine Atom-, und Kohle- und Gaskraftwerke in eine neue Gesellschaft ab. Stattdessen will sich der bislang größte deutsche Energiekonzern auf das Geschäft mit Ökostrom und Energienetzen konzentrieren.
      Die Mehrheit an der im Jahr 2016 geplanten Gesellschaft sollen die bisherigen E.ON-Aktionäre halten. Den Rest will der Versorger schrittweise an die Börse bringen. Die abgespaltene “Bad Bank” soll auch die Rückstellungen für den Abriss der Kernkraftwerke übernehmen. Dies könnte die Idee einer Atomstiftung anfachen, in der sämtliche AKW-Betreiber ihre Risiken auslagern.
      Quelle: tagesschau.de

      Anmerkung WL: Es ist zu befürchten, dass das Hauptmotiv dieser Aufspaltung eine Haftungsbeschränkung für den Rückbau der Atomkraftwerke ist. So war das beim Thorium Hochtemperatur-Reaktor in Hamm, so war das bei dem Kugelhaufen-Reaktor in Jülich. Die Betreibergesellschaften wären in Konkurs gegangen, wenn sie den Rückbau hätten finanzieren müssen, also musste der Staat die Kosten übernehmen. Ein ähnliches Manöver scheint hinter dieser Aufspaltung zu liegen, man beschränkt die Haftung für die AKWs auf die „Bad Bank“, die nach aller Voraussicht ohnehin wirtschaftlich nicht nachhaltig sein wird. Jedenfalls dürfte deren Restkapital nicht ausreichen, um den sicheren Einschluss oder gar den Rückbau zu finanzieren.
      Die Frage ist, ob die Politik dieses (Betrugs-)Manöver überhaupt verhindern kann. Wirtschaftsminister Gabriel macht sich keine Sorgen, dass sich E.ON beim Atomausstieg aus der Verantwortung stehlen könnte: „Wir passen auf, dass die Rückstellungen für den Rückbau von Atomkraftwerken und die nukleare Entsorgung gesichert bleibt.“ Doch die Rückstellungen sind ohnehin viel zu niedrig angesetzt und wenn der Kraftwerksparte dieser Aufspaltung zahlungsunfähig würde, wäre am Ende sowieso der Steuerzahler der Dumme.

    2. Stilllegung von Kohlekraftwerken! „Doppelte Dividende“ oder „signifikante Kosten“ ?
      Am selben Tag wurden von zwei Wirtschaftsforschungsinstituten Studien über die derzeit diskutierte Stilllegung von Kraftwerken zur Senkung der THG Emissionen vorgestellt, die gegensätzliche Positionen zu stützen scheinen. Wie ist das möglich?
      Seit die Umweltministerin Anfang November die forcierte Stilllegung von Kohlekraftwerken als ernsthafte politische Option präsentierte, hat dieses Thema die Energiepolitik beherrscht. Zu der Thematik stellten am gleichen Tag (19.11.2014) das DIW einerseits sowie ein Konsortium aus HWWI und r2b andererseits je eine Studie vor.
      Die Studie des DIW kommt zu dem Ergebnis „Abschaltung alter Kohlekraftwerke könnte CO2-Ausstoß in Deutschland um bis zu 23 Millionen Tonnen reduzieren und den Strommarkt stabilisieren“ . Die Leiterin der Studie sagt: „Weil dem Klima und dem Strommarkt gleichzeitig geholfen wäre, winkt sogar eine doppelte Dividende.“ und die Auftraggeber Heinrich Böll Stiftung und European Climate Foundation nehmen das als Unterstützung für ihre Positionen für die schrittweise Abschaltung von Kohlekraftwerken.
      Das Konsortium aus HWWI und r2b kommt zu dem Fazit: „ Die hiermit verbundenen volkswirtschaftlichen Kosten wären … signifikant und würden Erzeuger, Haushalte und Industrie belasten. Als mittelbare Konsequenz würde dies auch mit einem bedeutenden Verlust an Arbeitsplätzen einhergehen.“ Die Studie dient als Argumentationshilfe für den Auftraggeber BDI: “Unsere Studie belegt eindeutig: Kraftwerksstilllegungen schädigen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie ganz unmittelbar, ohne Nutzen für das Klima.”
      Quelle: elsud
    3. Pollution and Politics – Umweltverschmutzung und Politik
      Anfang der Woche gab die Environ Protection Agency (Umweltschutzbehörde) die beabsichtigten Vorschriften zur Beschränkung des Ozonausstoßes bekannt, der die Ursache für Smog ist, von Asthma, Herzerkrankungen und vorzeitigem Tod ganz zu schweigen. Und was dann passierte, ist bekannt: Die Republikaner gingen zum Angriff über und behaupteten, die neuen Regulierungen würden enorme Kosten verursachen.
      Es gibt keinen Grund, diese Klagen ernst zu nehmen, jedenfalls nicht in sachlicher Hinsicht. Umweltverschmutzer und ihre politischen Verbündeten sind dafür bekannt, Zeter und Mordio zu schreien. Immer wieder behaupten sie, die amerikanische Wirtschaft – die sie normalerweise als unbegrenzt innovativ und als zur Überwindung jedes Hindernisses fähig darstellen – würde sich zitternd zusammenrollen, wenn man von ihr Emissionsbegrenzung verlange. Immer wieder lagen die tatsächlichen Kosten weit unter selbst ihren eigenen Vorhersagen. Tatsächlich fast immer auch unter denen der E.P.A.
      Es ist also wieder die altbekannte Geschichte. Warum aber läuft das immer so? Umweltverschmutzer verteidigen natürlich ihr Recht auf Umweltverschmutzung, doch warum können sie mit republikanischer Unterstützung rechnen? Wann und wieso wurde die republikanische Partei zur Partei der Umweltverschmutzung?
      Quelle: Paul Krugman, NYT , 27.November 2014
  2. Freihandel
    1. TTIP und CETA durchwinken? Nein!
      Leider sieht es so aus, als ob die Bundesregierung und auch viele Parlamentarier sich entschlossen hätten,CETA und TTIP durchzuwinken. Deshalb hier eine Zusammenfassung von Gründen, warum das nicht sein darf.
      Die Ausgangslage der Verhandlungen war, dass man die gegenseitigen Standards akzeptiert. Es ist also nicht falsch, wenn die Bundesregierung behauptet, dass unsere Standards nicht gesenkt würden. Dies ist jedoch nur eine Momentaufnahme. Im Wettbewerb bedeutet ein solch gegenseitiges Anerkennen der Standards, dass sich letztendlich die niedrigsten Standards durchsetzen. Das ist das Prinzip der freien Marktwirtschaft.
      Es war eindeutiges Ziel aller Lobbygruppen, die Abkommen dazu zu benutzen, die Standards zu senken, im Minimum auf die jeweiligen Standards der anderen Seite. Sie wissen so gut wie ich, dass durch den Wettbewerb die Staaten aber dann gezwungen würden, die Standards jeweils auf die im Wettbewerb günstigsten Niveaus zu senken. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Unternehmenssteuern, die in den vergangenen Jahren aufgrund des Wettbewerbsdrucks immer weiter gesenkt wurden. Ich erinnere hier nur an die erst jüngst gemachte Aussage der sog. Wirtschaftsweisen, die mit dem Hinweis auf günstigere Steuern in Entwicklungsländern der Bundesregierung empfehlen, die Steuern zu senken. Welcher Hohn, aber so funktioniert das halt.
      Wenn man jetzt berücksichtigt, wie viele unterschiedliche Standards es allein in Europa zum Thema Sozialstandards, Umweltstandards. Verbraucherschutz, Steuern usw. gibt, wird deutlich, wohin das Ganze zwangsläufig führt. Hinzu kommt das strittige Investitionsschutzabkommen, das eine Paralleljustiz etabliert, die allen Investoren die Sicherheit gibt, dass es in Zukunft keine Gesetze geben wird, die einen negativen Einfluss auf die Gewinne haben. Für etwaige geringere Gewinne wären die Staaten schadenersatzpflichtig. Dies ist keine Theorie, sondern weltweit werden Staaten bereits von Unternehmen verklagt. (Siehe hierzu einschlägig bekannte Fälle, ich möchte hier nur an einige Beispiele erinnern z.B. wurde die Bundesrepublik von Vattenfall wg. des Atomausstiegs, der ägyptische Staat wg. der Einführung von Mindestlohn, Australien wg. des Verbots von Tabakwerbung verklagt. Es gibt hierzu zig weitere Beispiele). Interessanterweise laufen auch alle diese Verfahren unter strengster Geheimhaltung. So ist es z.B. nicht möglich, die Klage von Vattenfall gegen die Bundesrepublik einzusehen. Ein Investitionsschutzabkommen in Kombination mit Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der jeweiligen Standards hätte zur Folge, dass der Staat aber auch Länder und Kommunen keinerlei Gesetze bzw. Verordnungen mehr erlassen könnten, die in irgendeiner Form negativen Einfluss auf die Gewinne von Unternehmen hätten. Hierdurch würde unsere Demokratie zum Papiertiger. Mir ist es schleierhaft, warum unsere Parlamentarier und die Bundesregierung das nicht sehen.
      Quelle: Projektgruppe Ethisch-Ökologisches Rating
    2. SPD und TTIP – Friss, Vogel, oder stirb
      Der Streit in der SPD über TTIP erinnert an die Auseinandersetzung über das Grundrecht auf Asyl. Damals ließ sich die SPD von der Union jagen. Und heute soll wieder ein Parteitag aus schierer Not zustimmen.
      Freihandel ist eigentlich ein Segen. Von der Art und Weise, wie Freihandelsabkommen von der EU vorbereitet werden, kann man das nicht sagen. Sie werden verhandelt, als müssten sie das Licht der Öffentlichkeit scheuen. Abkommen mit dem Gewicht von Fundamental-Gesetzen sind aber kein Fertiggericht, das man den Parlamenten und der Bevölkerung vorsetzen kann nach dem Motto: essen oder hungern. Mit solchen Methoden bringt man den Freihandel in Verruf.
      In der SPD bricht sich deshalb die Kritik an TTIP & Co. Bahn. Wer diese Kritik als internetgefüttert abtut, tut dem Freihandel keinen Gefallen. Denn die Kritik hat einen sehr harten rechtsstaatlichen Kern: Ein Investorenschutz in Verbindung mit einer nur einstufigen privaten Schiedsgerichtsbarkeit und ohne Rechtsmittel zu ordentlichen Gerichten führt zur Aushöhlung rechtsstaatlicher Schutzstrukturen. Das widerspricht dem Grundgesetz, das widerspricht dem deutschen und europäischen Ordre public. SPD-Chef Gabriel wird daher die Kritik nicht mit Friss-Vogel-oder- stirb-Argumenten plattmachen können.
      Quelle: SZ

      Anmerkung JK: Was will Gabriel eigentlich erreichen, wenn er auf Biegen und Brechen die Zustimmung der SPD-Basis zum TTIP durchsetzen will? Zeigen, dass sich die herrschenden Eliten auf ihn verlassen können wie einst auf Schröder? Soll einem die SPD deswegen leidtun? Da sie es irgendwie immer schafft. Figuren in führende Positionen zu hieven, die alle sozialdemokratischen Prinzipien, sofern überhaupt noch vorhanden, mit Füssen treten.
      Es sei hier nochmals daran erinnert, dass die geheimen Schiedsgerichte als zentraler Bestandteil des TTIP einer unabhängigen und rechtsstaatlichen Justiz Hohn sprechen. Dies wirft ein bezeichnendes Bild darauf was ein Sigmar Gabriel von einem demokratischen Rechtsstaat hält. Das Tragische, die SPD wird aus der von Gabriel aufgestellten Falle nicht wieder herauskommen. Beharrt die Parteibasis auf der im September beschlossenen Position ist Gabriel als Parteichef ramponiert und dessen Position in der großen Koalition geschwächt. Ich gehe jede Wette ein, das wird nicht passieren.

    3. Ja zu einem fairen und nachhaltigen Handel – Stoppt TTIP, TiSA und CETA!
      Der SPD Unterbezirksparteitag verabschiedete am Freitag, den 28.11.2014 nach lebhafter und kontroverser Disussion folgenden Antrag zum TTIP:
      Wir fordern die Abgeordneten in Europarlament, Bundestag und Landtagen sowie die sozialdemokratischen Vertreterinnen und Vertreter in Bundesregierung und den Landesregierungen auf:

      1. sich für den sofortigen Abbruch der Verhandlungen zu TTIP und TiSA sowie vergleichbarer Verträge einzusetzen. Es macht keinen Sinn, auf Basis von Mandaten zu verhandeln, deren Kernpunkte aus sozialdemokratischer Sicht zu massiven Nachteilen für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Kommunen in Nordrhein-Westfalen führen und demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien grundlegend verletzen.
      2. eine Ratifikation von CETA abzulehnen bzw. für dessen Ablehnung einzusetzen.
      3. sich bei der Europäischen Kommission dafür einzusetzen, die Europäische Bürgerinitiative “Stop TTIP” zuzulassen.
      4. sich für ein neues und transparentes Verhandlungsmandat einzusetzen, das zum Ziel hat, soziale und ökologische Mindeststandards für den Handel innerhalb der WTO oder mindestens zwischen Weltregionen zu etablieren. Besonderes Augenmerk soll dabei auf entwicklungsfördernden Abkommen mit Entwicklungs- und Schwellenländern gelegt werden.

      Quelle: SPD Düsseldorf

    4. TTIP – The Growth and Employment Engine that Couldn`t
      The story is that the transatlantic free trade agreement will open up substantial growth and employment opportunities to the participating countries.
      To back up this claim advocates of the agreement cite the findings of »independent« studies.
      Comparison of the findings of the three most influential studies shows that even if a comprehensive free trade agreement is eventually signed the expected growth and employment Effects would be minimal.
      Quelle: Sabine Stephan in Friedrich-Ebert-Stiftung Perspective [PDF – 1.5 MB]
  3. A Shortage of Private Investment in Germany? The Problem Is a Lack of Demand, not of Machinery
    • Since 2000 Germany’s investment share has fallen far behind the Eurozone. The gap is principally attributable to a steep decline in construction investment. German trends for investment in equipment are actually better than in the rest of the Eurozone.
    • Investment in equipment is still weak in historical terms, despite historically high profits and low tax and interest rates. The main problem for investment in equipment is low capacity utilisation.
    • Investment in construction has increased as a proportion of GDP, but remains lower than in the rest of the Eurozone. Lack of investment in public infrastructure is one reason.
    • The state could improve capacity utilisation by working to relax Eurozone austerity policies and increasing investment in public infrastructure.

    Quelle: Fabian Lindner in Friedrich-Ebert-Stiftung International Policy Analysis [PDF – 1.8 MB]

  4. Das ist hundsgefährlich!
    Saudi-Arabien verweigert der Opec die Drosselung der Förderquote und spornt Deuter zu Spekulationen an: Sollen Staaten destabilisiert werden?
    Saudi-Arabien hat sich durchgesetzt. Die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) wird ihre Erdölförderung vorerst nicht drosseln. Das verzweifelte Betteln der Habenichtse – Nigeria, Iran, Venezuela –, die, um den abgestürzten Ölpreis zu stabilisieren, unbedingt die Förderquote reduzieren wollten, blieb unerhört.
    Der Ölpreis reagierte mit einem weiteren Absacker, die Aktiennotierungen von Luftfahrtgesellschaften und Autokonzernen schossen in die Höhe. Schon vor der entscheidenden Sitzung am Donnerstag in Wien hatte der saudische Ölminister Ali al-Naimi den Kurs festgezurrt: Der Markt soll es richten, irgendwann werde sich der Ölpreis von selbst stabilisieren, sagte al-Naimi. Das wird er auch, die Frage ist nur, auf welchem Niveau. […]
    Doch Riad bleibt stur. Und die geopolitischen Weltendeuter in den Medien und Finanzzentren überschlagen sich mit wilden Spekulationen: Wird hier ein neuer Machtkampf zwischen der saudischen und der US-amerikanischen Ölindustrie ausgetragen? Ein Ringen um die weltweite Vorherrschaft auf den neu geordneten Ölmärkten?
    Tatsächlich trifft der taumelnde Ölpreis die boomende US-Produktion von Fracking-Öl ins Mark. Mit dem gegenwärtigen Fasspreis von weit unter 80 Dollar ist Fracking nicht mehr profitabel, an den meisten Standorten sind die Produktionskosten deutlich höher.
    Quelle: taz

    Passend dazu: Rubel auf Rekordtief
    Der rasante Preisverfall beim Öl trifft die russische Wirtschaft und belastet den Rubel: Der Dollar kletterte in der Spitze um 3,3 Prozent auf ein Rekordhoch von 52,05 Rubel. Der Euro markierte mit über 65 Rubeln ebenfalls eine Bestmarke. Das Tempo des Verfalls erinnert inzwischen an die sogenannte Rubelkrise 1998. Der Moskauer Aktienindex RTS fiel um bis zu 4,5 Prozent auf den tiefsten Stand seit fast fünfeinhalb Jahren…
    Russland, das rund 40 Prozent seiner staatlichen Einnahmen aus dem Öl-Export bezieht, gehen nach eigener Auskunft bis zu 100 Milliarden Dollar jährlich durch den fallenden Ölpreis verloren. Die Entscheidung der Opec, die Fördermenge unverändert zu belassen, hatte die Talfahrt der Ölpreise zuletzt noch einmal beschleunigt. Brent notierte am Montag mit 67,53 Dollar auf dem niedrigsten Stand seit mehr als fünf Jahren. Seit Jahresanfang ist der Brentpreis vor allem wegen der Wirtschaftsflaute in Europa und China um fast 40 Prozent eingebrochen…
    Finanzminister Anton Siluanow muss angesichts des gefallenen Ölpreises nun seinen Haushalt für 2015 überarbeiten – weil er von einem Preis von 96 US-Dollar je Barrel ausging…
    Quelle: Handelsblatt

  5. Seit 2012 wechseln erstmals mehr Versicherte von der privaten zur gesetzlichen Krankenversicherung als umgekehrt
    Der Anteil der PKV-Versicherten an der Bevölkerung hat in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich zugenommen. Das ist vor allem eine Folge des Versicherungswechsels der nicht mehr pflichtversicherten Arbeitnehmer: Die Abgänge in die PKV haben die Zugänge aus der PKV übertroffen.

    • Aus der Abbildung lässt sich entnehmen, dass die PKV im Zeitraum zwischen 1991 und 2011 regelmäßig zu Lasten der GKV Mitgliedergewinne verbuchen konnte. Die entsprechenden Mitgliederverluste in der GKV sind in den zurückliegenden Jahren aber unterschiedlich stark ausgefallen.
    • Der Ausschlag in den Jahren 1991 und 1992 ist vor dem Hintergrund von Gesundheitsreformgesetzen zu interpretieren, die den Wechsel von der GKV zur PKV für Arbeitnehmer mit einem Einkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze erleichtert haben. Seit 2003 setzt jedoch eine schrittweise Verringerung des Übertritts in die PKV ein.
    • Das liegt u.a. an der außerordentlichen Anhebung der Versicherungspflichtgrenze im Jahr 2003. Zwischen 2007 und 2009 haben dann die Mitgliederverluste der GKV infolge steigender Übertritte aus der GKV in die PKV wieder zugenommen. Verantwortlich hierfür ist vor allem die 2009 in Kraft getretene Gesundheitsreform von 2007: Die privaten Krankenversicherungen müssen seitdem einen Basistarif anbieten, der den Höchstbedarf der GKV nicht überschreiten darf und unabhängig vom Krankheitsrisiko freiwillig Versicherten den Wechsel in die PKV erleichtern soll.
    • In eine entgegengesetzte Richtung zielt die Regelung, dass ein Wechsel in die PKV nur noch dann möglich war, wenn das Jahresarbeitsentgelt die Versicherungspflichtgrenze in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überschreitet und diese voraussichtlich auch im vierten Kalenderjahr überschreiten wird. Im Jahr 2011 (unter der schwarz-gelben Bundesregierung) ist diese Regelung zurückgenommen worden. Seitdem reicht das Überschreiten der Einkommensgrenze wieder bereits nach einem Jahr aus.
    • Eine bemerkenswerte Umkehr des Verhältnisses zwischen GKV und PKV ist seit 2012 zu verzeichnen. So wechselten 2013 gut 37.000 Versicherte mehr von der PKV in die GKV als umgekehrt. Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig. Entscheidend dürften die massiven Tariferhöhungen sein, die viele Privatversicherungen verfügt haben und für eine steigende Zahl von Mitgliedern nicht mehr zu tragen sind. Insgesamt haben sich die Ausgaben je Mitglied (ärztliche Behandlung, Arzneimittel, Krankenhaus) in der PKV deutlich stärker erhöht als in der GKV.

    Siehe diese untenstehende Grafik hier:

    Quelle: Sozialpolitik aktuell [PDF – 183 KB]

    Hinweis: Auch diesen Monate wieder eine Reihe interessanter Dokumente auf Sozialpolitik aktuell.

  6. Betreuungsgeld: Rechenkünste der bayerischen Staatsregierung und der grünen Opposition
    Seltsame Zahlen des bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration zu den versandten Antragsformularen zum Betreuungsgeld. Stimmungsmache (Missbrauchsvorwurf) durch die unseriöse medienwirksame Addition von schöngerechneten Betreuungsgeld- und Betreuungsgeldquoten durch die grüne Opposition.
    Quelle: Büro für absurde Statistik (BaSta) [PDF – 172 KB]
  7. Betriebsräte–Mobbing als anwaltliche Dienstleistung
    Wo er auftritt, verbreitet er Angst und Schrecken. Bei Spiegel Online wurde er als „Betriebsrätefresser und Vollstrecker der Bosse“ beschrieben. In einer anderen Publikation wurde er als „des Teufels Advokat“ bezeichnet. Gemeint war Rechtsanwalt Helmut Naujoks. Ein Schwergewicht in körperlicher Hinsicht, ist er bei arbeits-und betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten jedoch eher der Federgewichtsklasse zuzuordnen.
    Auf seiner Homepage wirbt der Verfasser des „Schwarzbuch Betriebsrat“ damit, dass „Rechtsanwalt Helmut Naujoks zu den wenigen Anwälten im deutschen Arbeitsrecht zählt, die konsequent und ausschließlich Arbeitgeberinteressen vertreten. Hervorgetreten ist Rechtsanwalt Helmut Naujoks in den vergangenen Jahren mit einer Vielzahl von Fällen, in denen er Arbeitgeber in zum Teil erbittert geführten Auseinandersetzungen mit Betriebsräten und Gewerkschaften vertreten hat und in denen es Naujoks gelungen ist, die Auseinandersetzungen im Sinne der Arbeitgeber beizulegen“.
    Wenn man diese Eigenwerbung liest, kann man zu dem Ergebnis kommen, dass es sich bei Naujoks um einen versierten Arbeitsrechtler handelt, dem es in vielen Fällen gelungen ist, in arbeits- und betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten obsiegend den Gerichtssaal zu verlassen.
    Weit gefehlt! Genau das Gegenteil ist der Fall. Obsiegende Fälle kann er so gut wie keine in seiner langjährigen Laufbahn verzeichnen.
    Richtig indes ist aber, dass es ihm nicht selten gelungen ist, Betriebsratsmitglieder aus dem Betrieb zu entfernen oder Betriebsratsgremien zu demontieren.
    Um dies zu erreichen überzieht Naujoks Betriebsräte mit Abmahnungs- und Kündigungswellen. Mehrere fristlose Kündigungen sind keine Seltenheit.
    Quelle: DGB
  8. Ob wohl Ijob einem Job nachging?
    Arbeitsstellen. Oder Arbeitsplätze. Aber von denen spricht ja keiner mehr. Alle haben sie den Job im Visier. Selbst die »Tagesschau« spricht lieber von Jobs. 1045 Treffer ergab die Suche nach dem Wörtchen auf der Webpräsenz der »Tagesschau«. 834 waren es im Plural. Ich muss sagen, mich stört das. Wir sollten wieder mehr über Arbeitsplätze und weniger über Jobs reden. Auch wenn »Job« natürlich besser das Lebensgefühl trifft, das man heute den erwerbsfähigen Menschen eintrichtern will.
    Denn wenn die Regierung mal wieder tönt, sie hätte so und so viele Jobs geschaffen, dann kann man getrost erwidern: »Stimmt schon. Jobs habt ihr geschaffen! Nur keine Arbeitsplätze.« Denn das Wörtchen »Job« kommt wahrscheinlich von der alten englischen Formel »jobbe of worke«, was so viel wie »ein wenig Arbeit« meint und den Gegensatz zu langfristiger oder dauerhafter Arbeit beschreiben soll. Es ist insofern eine »kurze Gelegenheit zum Geldverdienen«. Etwas also, was man »bei Gelegenheit« tut. Nichts Dauerhaftes gewissermaßen. Ich gebe aber zu, dass die Wortherkunft nicht ganz sicher ist. Allzu spekulativ scheint mir der Ansatz dann aber auch wieder nicht zu sein.
    Quelle: ad sinistram
  9. Neuer Riese auf dem Wohnungsmarkt
    Die deutsche Immobilienbranche steht vor einer Großfusion: Mit der Deutschen Annington und Gagfah wollen sich zwei der größten Immobilienkonzerne des Landes zusammentun. Die Deutsche Annington bietet fast 3,9 Milliarden Euro für den Konkurrenten aus dem Ruhrgebiet.
    Die beiden Unternehmen erhoffen sich durch die Übernahme Kosteneinsparungen in Höhe von 84 Millionen Euro im Jahr – allerdings sollen erst einmal Belastungen in Höhe von etwa 310 Millionen Euro anfallen. Arbeitsplätze sollen aber nicht abgebaut werden, heißt es in einer Mitteilung. Es soll eine neue Unternehmenszentrale im Einzugsgebiet der beiden jetzigen Unternehmenszentralen in Mülheim an der Ruhr und Bochum entstehen. Wo, sei noch nicht klar. Auch über einen neuen Namen sei noch nicht entschieden, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Annington, Rolf Buch.
    Es ist bereits die zweite Großfusion unter börsennotierten Wohnungsgesellschaften in Deutschland. Vor einem Jahr hatten die Deutsche Wohnen und die GSW ihren Zusammenschluss angekündigt.
    Sollte der Zusammenschluss gelingen, würde Deutschlands größter Immobilienkonzern mit insgesamt etwa 350 000 Wohnungen entstehen. Der Wert: etwa 21 Milliarden Euro. “Es werden mehr als eine Million Menschen bei uns wohnen”, sagte Buch.
    Quelle: SZ

    Dazu: Die Akte Annington
    Deutschlands größter Vermieter sitzt in Bochum und Düsseldorf: Die Deutsche Annington vermietet nach eigenen Angaben über 220 000 Wohnungen in Deutschland. Eine riesige Ansammlung von kleinen und großen Mietskasernen, Hochhäusern und Werkssiedlungen.
    Zehntausende Mieter sind inzwischen verzweifelt, suchen Hilfe in Internetforen, bei Mietervereinen und Verbraucherzentralen. Denn die Annington macht kaum etwas an ihren Altbauwohnungen, lässt ganze Stadtteile verkommen. Schimmel, schlechter Service und undurchsichtige Nebenkostenabrechnungen sind Reizthemen für tausende Deutsche, wenn sie den Namen ihres Vermieters hören.
    Erst 2001 wurde die Firma gegründet. Sie übernahm zehntausende Wohnungen z. B. aus dem Bestand der Deutschen Bahn, später auch der Viterra, wollte sie sanieren und gewinnbringend verkaufen. Doch die Umwandlung in Eigentumswohnungen schlug fehl: Viele Mieter, denen ihre Wohnungen zum Kauf angeboten wurden, hatten gar nicht das nötige Eigenkapital. Also lässt die Annington tausende Wohnungen liegen, gibt kein Geld aus. Nur einmal wurde der Vorstand aktiv: Als es darum ging, die Annington an die Börse zu bringen.
    Quelle: WDR

    Und: Deutsche Annington – Aufstand der Mieter

  10. Lobbyismus
    1. Bundesministerien: Staatsrechtler kritisiert Einfluss der Lobby-Leiharbeiter
      Sie sitzen in allen Ministerien – mit ganz eigener Agenda: Externe Mitarbeiter von Unternehmen prägen die Berliner Politik maßgeblich mit. Staatsrechtler Bernd Hartmann hält diese Praxis für verfassungswidrig.
      Die Praxis hat sich über Jahrzehnte im politischen Betrieb der Hauptstadt eingespielt: Permanent sind Dutzende Mitarbeiter deutscher Unternehmen in Bundesministerien beschäftigt; sie verfassen Redeentwürfe für Minister, basteln an Gesetzestexten oder nehmen für das Ministerium an Tagungen teil.
      Die Leih-Experten kommen von der Deutschen Bank, von Lufthansa,BASF, Daimler, Siemens, SAP oder auch aus dem Bundesverband der Deutschen Industrie. In vielen Fällen zahlt ihr Arbeitgeber sogar das Gehalt weiter. Und nach der Auszeit im Polit-Biotop Berlin kehren sie in den alten Job zurück.
      Der Staatsrechtler Bernd Hartmann, Professor an der Universität Osnabrück, nennt dieses Vorgehen “verfassungswidrig”. Es sei “eines Rechtsstaates unwürdig”, sagte er dem SPIEGEL. In seiner knapp 80-seitigen Expertise (“Inklusive Verwaltung: Der vorübergehende Seitenwechsel aus der Privatwirtschaft in den Staatsdienst”) weist Hartmann nach, dass sich die Praxis, einst für wenige Einzelfälle gedacht, verselbständigt hat.
      So gibt es eine Verwaltungsvorschrift, wonach der Einsatz “im Regelfall” die Dauer von sechs Monaten nicht überschreiten soll. Tatsächlich waren laut Hartmann in den vergangenen Jahren über 80 Prozent der Leiharbeiter länger als sechs Monate im Einsatz, über 25 Prozent sogar länger als zwei Jahre. Genug Zeit, Firmeninteressen einzubringen und Netzwerke zu spinnen.
      Quelle: Spiegel
    2. Verteidigungsministerium soll Lobbyjob von Ex-Staatssekretär untersagen
      Erneut wechselt ein Spitzenpolitiker die Seiten und nimmt einen Lobbyjob an. Der frühere beamtete Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Stéphane Beemelmans, tritt heute seinen seinen neuen Posten als Geschäftsführer der Lobbyagentur EUTOP in Berlin. EUTOP ist eine verschwiegene Lobbyagentur, die in der Vergangenheit u.a. durch fragwürdige Sponsoringzahlungen aufgefallen ist. Mit Beemelmans gewinnt die Agentur einen Politik-Insider, der gleich mehrere wichtige Ministerien von innen kennt. Damit verschafft sich EUTOP einen Vorteil im Lobbygeschäft. Wir fordern das Verteidungsministerium auf, die bestehende Karenzzeitregelung für Beamte auszunutzen und Beemelmans den Seitenwechsel zu untersagen.
      Beemelmans ist ein Vertrauter von Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Von 2005 bis 2009 leitete Beemelmans das Büro des damaligen Kanzleramtschefs, später arbeitete er unter de Maizière im Bundesinnenministerium. 2011 wurde er beamteter Staatssekretär im Verteidigungsministerium, als de Maizière Verteidigungsminister war. Unter der neuen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wurde Beemelmanns im Februar aus dem Amt entlassen. EUTOP und das EUTOP-Firmennetz fielen in der Vergangenheit u.a. durch merkwürdige Sponsoringzahlungen an die FDP auf.
      Der Fall ist brisant, weil Beamte gesetzlich dazu verpflichtet sind, neue Tätigkeiten dem bisherigen Dienstherren fünf Jahre lang zu melden. Dieser kann die Tätigkeit untersagen, wenn sie dienstliche Interessen beeinträchtigt. Eigentlich bietet diese Regelung eine Handhabe gegen Seitenwechsel in Lobbyjobs. Allerdings wird die Regelung leider sehr lax gehandhabt. Das zeigten jüngst Antworten aus den Innenministerium auf Anfragen des SPD-Abgeordneten Marco Bülow (pdf, S. 12) zu den gemeldeten und untersagten Tätigkeiten in den Jahren 2010 bis 2013. In diesem Zeitraum wurde nur drei Beamten eine solche Genehmigung verweigert.
      Quelle: Lobbycontrol

      Dazu: Intime Einflussnahme
      Am heutigen Montag tritt Stéphane Beemelmans seinen neuen Job bei Eutop an. Der frühere Staatssekretär wird Geschäftsführer der Berliner Dependance der Lobbyagentur, die die “Interessen privater Unternehmen, Verbände und Organisationen bei der Europäischen Union und ausgewählten Mitgliedstaaten” vertritt. Residieren wird Beemelmans in exquisiter Lage, “nur einen Katzensprung von Bundestag und diversen Bundesministerien entfernt”, wie es in der Selbstdarstellung seines neuen Arbeitgebers heißt. Das ist praktisch, schließlich verspricht das Unternehmen seinen Kunden “die frühzeitige Identifikation legislativer und exekutiver Herausforderungen und zeigt strategische Handlungsoptionen auf”. Dafür dürfte Beemelmans genau der richtige Mann sein, denn er kennt sich aus: Bis ihn Ursula von der Leyen im Frühjahr in den einstweiligen Ruhestand versetzte, arbeitete der 49-Jährige im Bundesverteidigungsministerium. Er gilt als ein enger Vertrauter von von der Leyens Amtsvorgänger Thomas de Maizière.
      Quelle: taz

  11. Das Ende des Kapitalismus im 21. Jahrhundert?
    Am 7. November 2014 hielt der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty die erste Democracy Lecture der »Blätter für deutsche und internationale Politik«. Sie bildete den Auftakt einer neuen Veranstaltungsreihe, die wir in Zusammenarbeit mit dem Haus der Kulturen der Welt in Berlin durchführen. In dieser werden wichtige Intellektuelle zu den dramatischen Herausforderungen unserer Zeit Stellung beziehen.
    Piketty, dessen Buch »Das Kapital im 21. Jahrhundert« derzeit weltweit für Furore sorgt, diskutierte im Anschluss an seinen Vortrag mit Susan Neiman, Hans-Jürgen Urban und Joseph Vogl, moderiert von Mathias Greffrath.
    Der ungeheure Andrang von rund 2500 Interessierten überstieg alle unsere Erwartungen. Umso mehr freuen wir uns, gerade all jenen, die die Veranstaltung nicht vor Ort verfolgen konnten, im Folgenden sowohl Thomas Pikettys Rede als auch die anschließende Debatte ungekürzt präsentieren zu können. Die Übersetzung aus dem Französischen stammt von Christa Herterich. Auf unserer Website finden Sie zudem die filmischen Mitschnitte von Vortrag und Diskussion.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
  12. Amerika, du hast es schlechter – Lagebericht in 45 Punkten
    Weltmacht? Dieses Land kann so nicht mehr funktionieren. Dafür gibt es Gründe. Die Liste ist lang. Von der amerikanischen Wehleidigkeit über die Ivy-League bis zur chinesischen Konkurrenz. […]
    5. Man muss sogar ernsthaft nach dem Charakter der Vereinigten Staaten als Demokratie fragen. In einem Land, in dem die unteren fünfzig Prozent der Gesellschaft (einkommensbezogen betrachtet) eher selten an Wahlen teilnehmen, muss man eher von einem spätfeudalen Regime reden, das sich zwar als Demokratie geriert, aber faktisch Züge des preußischen Dreiklassenwahlrechts trägt. […]
    24. Und wie steht es überhaupt mit einer Gesellschaft, deren Elite mittlerweile jeglichen Sinn für Selbstdisziplin – und materielle Bescheidenheit – verloren hat? Die sich aber obendrein über „death taxes“ beklagt, obwohl fast alle realen Einkommenszuwächse bei den oberen ein bis zwei Prozent der Einkommensskala landen? […]
    30. Der sagenhafte amerikanische Optimismus erscheint letztlich mehr als ein vorläufig kostensparendes Instrument, um mit einem rein rhetorischen Kunstgriff (samt dessen Erhebung zum gesamtgesellschaftlichen Glaubensprinzip) den Auf- und Ausbau eines effizienten Sicherungsnetzes zur Stützung der sozial Schwachen zu verhindern. […]
    41. Wir sind aufgewachsen mit dem Verständnis, dass Amerika eine Gesellschaft mit hoher Durchlässigkeit zwischen den sozialen Schichten hat – das ist die Geschichte vom Tellerwäscher, der es zum Millionär bringt. Die Wirklichkeit zeigt aber das Gegenteil: Unter den OECD-Ländern gehören die Vereinigten Staaten sozialstatusbezogen zu den am wenigsten durchlässigen Gesellschaften. Die Eliten rekrutieren sich zunehmend selbst.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung JK: Gerade der fünfte Punkt erscheint für alle Demokratien unter der ideologischen Fuchtel des Neoliberalismus relevant. Auch für Deutschland zeichnet sich ein signifikanter Rückgang der Wahlbeteiligung der ärmeren Gesellschaftsschichten ab, der im Ergebnis quasi zu einem Klassenwahlrecht führt. An sonst ist dieser Beitrag eine bemerkenswerte Analyse des aktuellen Zustandes der USA. Die, um es noch einmal zu wiederholen, durchaus auf alle westlichen Demokratien in welchen der Neoliberalismus das Primat der Politik bestimmt, angewendet werden kann, explizit der EU, mit ihrem neoliberalen Kommissionspräsidenten Juncker.

    Anmerkung JB: Die meisten dieser Punkten lassen sich 1:1 auch auf Deutschland und die EU übertragen. Und für die Punkte, die nicht übertragbar sind, ließe sich mühelos nationaler Ersatz finden. Wer es denn nun „schlechter“ hat, bleibt also offen.

  13. Am Rande der Servicewelt
    Bei der Betrachtung »einfacher« Dienstleistungen finden sich wiederum deutliche Hinweise darauf, dass Dienstleistungsarbeit auch dazu führen kann, dass hier ein Prozess der Proletarisierung entsteht.
    Der Sozialwissenschaftler Gøsta Esping-Andersen hat als einer der ersten mögliche Abwärtsbewegungen im Segment »einfacher« Dienstleistungsarbeit zum Thema gemacht. Mit dem Begriff des »Service-Proletariats« regt er eine Diskussion über soziale Spaltungen an, die den Wissensökonomien einen Bereich »einfacher« Dienstleistungsarbeit gegenüberstellt. Diese »einfachen« Dienste lassen sich Branchen zuordnen. Sie sind vornehmlich in Supermärkten, der Gebäudereinigung, den Postservices und Sicherheitsdiensten zu finden. Der Lohn dieser Tätigkeiten reicht oft nicht aus, um die Existenz ausreichend abzusichern. In den Tabellen des Statistischen Bundesamtes rangieren sie in den Sparten des Niedriglohnsektors. Für einfache Dienstleister beschleunigt sich nicht nur der Wechsel zwischen Drinnen und Draußen. Die Arbeitsverträge sind auch oft befristet und die Dienstleister haben gleich mehrere dieser Jobs. Hinzu kommt eine Tendenz zur Dequalifizierung.
    Der soziale Aufstieg von Berufsgruppen ist nach wie vor maßgeblich von Professionalisierung, das heißt unter anderem von Ausbildungs- bzw. Weiterbildungsangeboten bestimmt. In den »einfachen« Diensten bestehen kaum Bildungsmöglichkeiten und es wird auch kaum eine Qualifizierung verlangt. Viele Tätigkeiten sind zwar formal Ausbildungsberufe. Faktisch wird aber von den Unternehmen keine zertifizierte Ausbildung gefordert. Es sind hier „Jedermannsarbeitsmärkte“ entstanden, innerhalb derer das Anspruchs- und Lohnniveau niedrig bleibt. »Einfache« Dienstleistungsarbeit ist so zum Zufluchtsort für Geringqualifizierte, Schul- und Ausbildungsabbrecher, Migrationsverlierer, deren Berufsabschlüsse nicht anerkannt werden, sowie Betroffene von Rationalisierungen in anderen Branchen, also zum sogenannten „Dumping Ground“ geworden.
    Quelle: Gegenblende
  14. 1147 Opfer bei 41 »Zielpersonen«
    Trotz fragwürdiger Kriterien soll US-Drohnenkrieg in Afghanistan weitergehen. Die Generäle haben sich durchgesetzt: Die US-Regierung genehmigt ihren Truppen in Afghanistan 2015 weitere Kampfmissionen. Neben Bombern und Kampfjets sollen auch Drohnen zum Einsatz kommen.
    Der Drohnenkrieg der Vereinigten Staaten genießt einen schlechten Ruf in der Welt. Recherchen der britischen Menschenrechtsorganisation Reprieve, die sich auch gegen Todesstrafe und Folter ausspricht, haben ergeben, dass bei den Drohnenattacken der US-Streitkräfte für 41 konkrete »Zielpersonen« bis jetzt 1147 Menschen sterben mussten. Unter diesen zur Tötung freigegebenen Personen befinden sich Ayman al-Zawahiri, Nachfolger Osama bin Ladens als Chef von Al Qaida, sowie Djalaluddin Haqqani, Anführer des nach ihm benannten Netzwerkes. Die beiden Männer sind wie zahlreiche weitere Zielpersonen immer noch am Leben.
    Bei der absoluten Mehrzahl der Opfer handelt es sich ausschließlich um Zivilisten aus der afghanisch-pakistanischen Grenzregion, Jemen und Somalia. Berichten zufolge wurden über 3000 Menschen in diesen Regionen mit US-amerikanischen Drohnen ermordet. Laut Angaben des »Bureau of Investigative Journalism« (TBIJ), einer in London ansässigen Gruppierung, handelt es sich bei zwölf Prozent der rund 2500 Toten in Afghanistan und Pakistan um extremistische Kämpfer. Lediglich vier Prozent der Toten aus dieser Region waren Mitglieder von Al Qaida. Konkrete Zahlen aus Afghanistan existieren nicht. Laut dem TBIJ ist das Land am Hindukusch das »am meisten von Drohnen bombardierte Land der Welt«.
    Abgesehen von den genannten Zahlen und Fakten wurden vor Kurzem weitere fragwürdige Methoden des Drohnenkrieges bekannt. Konkret geht es um das Identifizieren von Drohnenopfern, die von den meisten Medien, auch von vielen vor Ort, oftmals ohne jeglichen Beweis als »Militante« bezeichnet werden. Dieses Vorgehen wurde vom Enthüllungsjournalisten und Snowden-Vertrauten Glenn Greenwald vor wenigen Tagen auf der Investigativ-Plattform »The Intercept« genauer beschrieben.
    Quelle: Neues Deutschland
  15. Former U.S. Ambassador to Syria Asks: After Assad, Then What?
    “It’s not clear who or what would come in his place,” says Robert Ford, “and it’s a valid concern.”
    Despite stern rhetoric and barrages of missiles from Western forces, ISIL, the insurgency that calls itself the Islamic State, isn’t looking very degraded or destroyed. While the coalition led by the United States , as the crucial test of its effectiveness, focused its attention and more than 270 airstrikes on the fight for Kobani, the predominantly Kurdish town in northern Syria where small gains have been made against ISIL, the terrorist army captured two gas fields in central Syria, murdered 300 members of a Sunni tribe that dared to oppose it in Iraq, and beheaded 26-year-old American aid worker Abdul Rahman Kassig, also known as Peter.
    ISIL, with its extreme religious ideology, states its aim as the creation of a caliphate, a temporal expression of its draconian theology—one shared by few in the Sunni branch of Islam, for which its leaders claim to speak. More extreme than Afghanistan’s Taliban—famous for its banning of women from public life and girls from school—ISIL has made a specialty of beheading its enemies, even Sunni Muslims.
    Quelle: Prospect
  16. Zu guter Letzt: Bundeskanzler a.D. blamiert deutschen Spitzenjournalisten
    Es bereitet Vergnügen, wie hier Schröder den Joffe bloßstellt und mit dessen eigenen “Argumenten” schlägt. Typen wie Joffe spekulieren nun einmal mit der Vergeßlichkeit der Leute. Gäbe es die Volksseuche der Vergeßlichkeit nicht, hätten es all die Joffes ungemein schwerer, die Menschen an den Nasenringen durch die mediale Manege zu führen.
    Quelle: luzifer-lux-blog
  17. das Allerletzte: Lisas Welt – Der Putin-Erklärer
    Den Putin versteht in Lisas Klasse niemand. Da kann nur ein Zoobesuch helfen. Denn da gibt’s den berühmten Putin-Erklärer Bernhard Grzimek und der weiß genau, wie sich der König der Taiga verhält und was der Mensch dafür tun kann, dass sein Lebensraum erhalten bleibt.
    Quelle: SWR

    Anmerkung AM: Volksverhetzung im Öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

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