Hinweise des Tages II
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Stresstest
- Ukraine/Russland
- Lizenz zum Töten
- Lokführer wenden sich gegen GDL-Chef Weselsky
- Euroland braucht Eurobonds
- Europe’s Fiscal Wormhole
- Paul Krugman: Amazon’s Monopsony Is Not O.K. – Amazons Monopson ist nicht okay
- Debatten um Disinflation und Deflation
- Karstadt schließt sechs Filialen
- Gnadenlos erfolgreich – Ist Amazon noch zu bremsen?
- Ebola´s Next Frontier
- Linke, die auf der Spielwiese von Falken grasen
- Familien 2013: Ehepaare noch dominierend, aber rückläufig
- Olaf Scholz: Europa und die Grenzen
- Kritik am Islamismus in der arabischen Welt: Problem der Abtrünnigkeit
- Katrin Göring-Eckardt: “Die Grünen waren nie eine pazifistische Partei”
- Bildungsbericht 2014: Irreführende Milde
- „Publikumskonferenz“: Über die Hälfte der eingereichten Programmbeschwerden beziehen sich auf die aktuelle Ukraineberichterstattung
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Stresstest
- Neuer Bankenwirbel in Europa
Die Gerüchteküche brodelte heftig, als es im Sommer zum Bank-Run auf die bulgarische Corporate Commercial Bank (Corpbank) kam. Fakt ist, dass die Bank pleite ist. Nach diversen Meldungen haben Kontrolleure der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) die Bilanzen geprüft und der Corpbank nach Angaben der bulgarischen Notenbank ein vernichtendes Urteil ausgestellt. Die hatte die EBA mit der Kontrolle beauftragt. Die internationale Überprüfung hat ungewöhnlich schlechte Geschäftspraktiken aufgedeckt, was nicht verwundern muss, da die Bank im Sommer keine Unterlagen über Kredite in Höhe von 1,8 Milliarden Euro vorweisen konnte.
Das Institut habe Aufsichtsbehörden unglaubwürdige Informationen übermittelt und Kredite nicht ordnungsgemäß abgesichert. Zweifelhafte Geschäfte sollen zudem mit ausgefeilten Manövern vertuscht worden sein, weshalb massive Abschreibungen notwendig würden. Die viertgrößte Bank des Landes steht nun auf der Kippe. Eine Rettung des Kreditinstituts sei nur noch möglich, wenn die Gesetze geändert würden. Denn nach derzeitigen bulgarischen Gesetzen müsse der Bank die Lizenz entzogen werden. Die Zentralbank hat tiefen Einblick in die Bücher der Bank, denn sie hat nach dem Bank-Run in der Corpbank das Steuer übernommen. (…)
Vor der Veröffentlichung der Ergebnisse des sogenannten “Stresstests” durch die EZB und EBA am Sonntag sickern bereits vermeintliche Ergebnisse durch. Trotz der langjährigen Subventionierung der EZB sollen den Banken weiterhin 51 Milliarden Euro fehlen und elf Institute durchgefallen sein.
Quelle: Telepolis - Testing Europe’s Stress Tests
On Sunday, the European Central Bank will publish the results of stress tests designed to restore much-needed confidence in the euro area’s financial system. To succeed, the ECB must convince investors that it has truly forced banks to recognize their losses and raise enough capital to be healthy.
What would a really tough stress test look like?
Research by economists at Switzerland’s Center for Risk Management at Lausanne offers an indication. By simulating the way the market value of banks’ equity tends to behave in times of stress, they estimate how much capital banks would need to raise in a severe crisis.
The answer, as of Oct. 17, for just 37 of the roughly 130 banks included in the ECB’s exercise: 487 billion euros ($616 billion). Deutsche Bank, three big French banks and ING Groep NV of the Netherlands are among those with the largest estimated shortfalls.Quelle: Bloomberg
Anmerkung JB: Und die Deutsche Bank ist wieder einmal ganz vorne dabei! Es ist ja nun wirklich nicht neu, dass die Deutsche Bank eine wandelnde Zeitbombe ist und dabei einen potentiellen Schaden anrichten könnte, der (nicht nur) Deutschland in seinen Grundfesten erschüttern könnte. Bereits im November 2011 warnte der ehemalige IWF-Chefökonom Simon Johnson eindringlich vor den Risiken in den Bilanzen und dem Geschäftsmodell der Deutschen Bank. Daran hat sich im Kern seit drei Jahren nichts geändert. Dass diese Gefahr von der deutschen Politik kontinuierlich ignoriert wird, ist ein handfester Skandal.
- ECB bank assessment to show 6-billion-euro capital gap, Citi says
The euro area’s biggest banks will show a 6 billion-euro ($7.6 billion) capital gap in the European Central Bank’s tests of the quality of their assets and ability to withstand economic shocks, said Citigroup Inc.
The shortfall would be 15 billion euros when excluding capital banks raised this year, London-based Citigroup analysts led by Ronit Ghose wrote in an e-mailed report. They said their stress tests of 37 lenders used more conservative definitions of non-performing loans than the ECB, which is examining 130 firms.
Quelle: Bloomberg via ekathimerini
- Neuer Bankenwirbel in Europa
- Ukraine/Russland
- Ukraine-Krise Aufgewacht, Europa!
Russland fordert Europa in seiner Existenz heraus. Doch weder Europas Führungen noch seine Bürger sind sich des Umfangs dieser Herausforderung vollumfänglich bewusst, und sie wissen auch nicht, wie sie am besten damit umgehen sollen. Ich führe dies primär auf die Tatsache zurück, dass die Europäische Union im Allgemeinen und die Eurozone im Besonderen nach der Finanzkrise von 2008 vom rechten Wege abgekommen sind.
Die derzeit in Europa geltenden finanzpolitischen Regeln haben viel öffentlichen Unmut hervorgerufen. Europafeindliche Parteien gewannen bei den jüngsten Wahlen zum Europaparlament fast dreißig Prozent der Sitze.
Doch bis vor kurzem gab es für die Euroskeptiker keine realistische Alternative zur EU. Nun aber präsentiert Russland eine Alternative, die eine grundlegende Herausforderung der Werte und Prinzipien darstellt, auf denen die Europäische Union ursprünglich gründete.
Sie beruht statt auf Rechtsstaatlichkeit auf dem Einsatz von Gewalt, der sich in Unterdrückung im Inland und Aggression im Ausland manifestiert. Das Schockierende dabei ist, dass sich Präsident Wladimir Putins Russland der Europäischen Union gegenüber in gewisser Hinsicht als überlegen erwiesen hat – als flexibler und voller Überraschungen. Dies hat Russland einen zumindest kurzfristigen taktischen Vorteil verschafft.
Quelle: FAZAnmerkung unserer Leserin M.G.: Märchenstunde bei Uncle George. Die FAZ ist nun vollends auf den Hund gekommen.
- Ukraine vor den Wahlen
Zu erwarten sind eine geringe Wahlbeteiligung, eine instabile Regierung und mit der Volksfront und der Radikalen Partei starke rechtsnationalistische Kräfte
Am Sonntag finden in der Ukraine die vorgezogenen Parlamentswahlen statt, an denen sich aber die “Volksrepubliken” Donezk und Lugansk nicht beteiligen. Ihre Führer haben beschlossen, im November eigene Wahlen abzuhalten, sie akzeptieren auch den politischen Sonderstatus nicht, den Kiew den “Volksrepubliken” gewähren will. Da auch die von Russland übernommene Krim nach der ukrainischen Verfassung weiterhin zur Ukraine gehört, werden im neuen Parlament einige Stühle leer bleiben. Zudem wird die Wahlbeteiligung nicht sehr hoch sein, was bereits die trotz Maidan weiter bestehende Unzufriedenheit mit den Politikern und Parteien belegt. Die Wahl soll auf jeden Fall zählen, auch bei einer sehr geringen Wahlbeteiligung, wie sie beispielsweise im Osten erwartet werden kann.
Quelle: Florian Rötzer auf Telepolis - Merkel sagt Kiew neue Milliarden zu
Die Ukraine hat noch nicht gewählt – doch der EU-Gipfel sagt schon neue Hilfe zu. Vor allem Kanzlerin Merkel hat die Spendierhosen an – es geht um Milliardenbeträge. […]
Die Großzügigkeit steht in merkwürdigem Kontrast zur innenpolitischen Lage in der Ukraine. Gerade wurde ein “Lustrationsgesetz” verabschiedet, das zu umfassenden Säuberungen im Staatsapparat führen dürfte.
Vom Rechtsstaat ist die Ukraine damit weiter entfernt denn je. Früher galt in der EU mal die Regel, dass es Geld nur gibt, wenn die EU-Grundwerte eingehalten werden…
Quelle: Lost in EUrope
- Ukraine-Krise Aufgewacht, Europa!
- Lizenz zum Töten
Was ist bloß los in diesem Land? Plötzlich sorgen sich alle um die Feuerkraft der Armee – Politiker, Leitartikler, Lobbyisten. Dass die vielen Antiterrorkriege keine Probleme lösten, sondern neue schufen – egal. Es herrscht jetzt eine unbändige Lust auf einen neuen Militarismus. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes wären erschüttert.
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als es so aussah, als hätten die Deutschen nicht nur wegen Auschwitz ihr staatliches Mordsoll für alle Zeiten erfüllt, sagte der noch heute vor allem im Süden der Republik hochverehrte Politiker Franz Josef Strauß: Die Hand solle dem Deutschen abfallen, der noch einmal ein Gewehr in die Hand nehme. Es mag gestrig klingen, aber es ist gerade in diesen Tagen notwendig, sich an jene Zeit zu erinnern, damit man versteht, welch weiten Weg die Deutschen, vor allem ihre Regierenden in Berlin, seither zurückgelegt haben.
Heute spricht der Bundespräsident so: Deutschland müsse seine militärische Zurückhaltung aufgeben. Es dürfe „kein Drückeberger in der Weltengemeinschaft“ mehr sein, es solle sich, „entschiedener, substanzieller“ einbringen. Im Klartext heißt das: Kriege führen. Deutschland sei zu groß und zu wichtig, sekundiert der Außenminister, um „die Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren“. Die Verteidigungsministerin, die sich immer wieder fast obszön vor Kriegsgerät in Pose wirft, sieht das genauso, und auch der grüne Parteichef Cem Özdemir unterstützt das neue Berliner Glaubensbekenntnis.
Quelle: Arno Luik im Stern [PDF] - Lokführer wenden sich gegen GDL-Chef Weselsky
“Sehr geehrter Herr Weselsky”, heißt es in dem Schreiben, mit dem ein Lokführer aus Bayern seinem Ärger Luft verschafft, “räumen Sie Ihren Platz für einen neuen Vorsitzenden, der die GDL wieder zu einer ehrlichen, glaubwürdigen Gewerkschaft formt, hinter der die Mitglieder wieder stehen können.” […]
Die Verärgerung sei zu groß, sagt der 31-Jährige, der nicht möchte, dass sein Name in der Zeitung steht. Wenn er ihn abgeschickt hätte, wäre der Brief an Claus Weselsky gegangen […]
Ähnliches berichtet ein Lokführer, der in Oberbayern Regionalzüge fährt und seit Jahren GDL-Mitglied ist.
Quelle: Süddeutsche ZeitungAnmerkung JB: Wenn Sie nur die Überschrift lesen, werden Sie sicherlich denken, dass es innerhalb der Lokführerschaft erheblichen Widerstand gegen den Kurs der GDL gibt. Im Artikel zitiert die SZ dann zwei(!) Lokführer, die natürlich ungenannt bleiben wollen, von denen der erste angeblich einen Brief geschrieben aber nie abgeschickt hat. Oder mit anderen Worten – Überschrift und Text passen nicht zusammen. Was die SZ hier macht, ist Manipulation vom Feinsten.
- Euroland braucht Eurobonds
Öffentliche Defizite abzubauen ist Gift für die Konjunktur, solange es in der Wirtschaft gewaltige ungenutzte Reserven gibt. In der europäischen Währungsunion ist das der Fall: Die Arbeitslosenquote liegt bei 11,5 Prozent, und die Kapazitätsauslastung ist nach meiner Rechnung rund 13 Prozent niedriger als sie sein könnte. Niemand darf sich wundern, dass eine solche prozyklische Politik die Lage verschlimmert und das Risiko einer neuen Rezession zunimmt. Stagnation, abgelöst von Rezessionen ist inzwischen der Normalzustand geworden. Da hilft auch die expansive Geldpolitik nur begrenzt. Wer braucht noch den Euro, wenn die wirtschaftlichen Erfolge ausbleiben?Quelle: ZEIT Herdentrieb
- Europe’s Fiscal Wormhole
The International Monetary Fund now estimates a 30% risk of deflation in the eurozone, and growth figures within the monetary union continue to disappoint. But policymakers seem trapped in a cat’s cradle of economic, political, and legal constraints that is preventing effective action. The fulfillment of policy rules appears to be impossible without growth, but growth appears to be impossible without breaking the rules. […]
A two-year €400 billion ($510 billion) public-investment program, financed with European Investment Bank bonds, would be the best way to overcome Europe’s current impasse. Borrowing by the EIB has no implications in terms of European fiscal rules. It is recorded neither as new debt nor as a deficit for any of the member states, which means that new government spending could be funded without affecting national fiscal performance.
Thus, some of the investment spending currently planned at the national level could be financed via European borrowing to relieve national budgets. Such an indirect way of dealing with strict rules would also be easier than starting long and wearying negotiations on changes to the fiscal framework.
Quelle: Project Syndicate - Paul Krugman: Amazon’s Monopsony Is Not O.K. – Amazons Monopson ist nicht okay
Der riesige Online-Händler Amazon.com hat zu viel Macht, und er nutzt diese Macht auf eine Art, die Amerika schadet.
Na gut, das war vielleicht ein bisschen abrupt. Aber ich wollte den wichtigsten Punkt gleich herausstreichen, denn Diskussionen über Amazon verlieren sich nur allzu oft in Randproblemen.
So beschreiben Kritiker des Unternehmens es manchmal als ein Monster, das drauf und dran sei, die gesamte Wirtschaft zu übernehmen. Solche Behauptungen sind gewaltig übertrieben – Amazon beherrscht nicht den ganzen Internethandel, und den gesamten Einzelhandel schon gar nicht, derzeit nicht, und in Zukunft wohl auch nicht. Aber was heißt das schon? Amazon spielt trotzdem eine beunruhigende Rolle.
Die Verteidiger Amazons dagegen schweifen oft zu Lobgesängen des Online-Bücherverkaufs ab, der nun wirklich eine gute Sache für viele von uns ist – und falls Sie sich das fragen, ja, ich habe Amazon Prime und nutze es oft. Aber noch einmal, was heißt das schon? Die Attraktivität der neuen Technologie oder auch Amazons erfolgreicher Einsatz dieser Technologie stehen ja nicht zur Debatte. John D. Rockefeller und seine Partner waren schließlich auch erfolgreich im Ölgeschäft – und trotzdem hatte Standard Oil zu viel Macht, und man brauchte staatliche Intervention zur Eingrenzung dieser Macht.
Quelle: New York Times - Debatten um Disinflation und Deflation
Der Trend zur Disinflation oder sogar Deflation hat die Frage wieder aufgeworfen, wieso die zu Beginn der quantitativen Lockerung (QE) von vielen Ökonomen geäusserte Befürchtung, dass diese unorthodoxe Politik zu einer kräftigen wenn nicht sogar zu einer galoppierenden Inflation führen werde, nicht eingetreten ist. Andere Ökonomen, unter ihnen Zeitungskommentator und Nobelpreisträger Paul Krugman, sehen sich in ihrer damals geäusserten Ansicht bestätigt, dass von QE keine Gefahr von Inflation ausgehen werde. Nun hat sich Clifford Asness von der Kapitalverwaltungsfirma AQR Capital Management in die teilweise hitzig geführte Debatte eingeschaltet. Er weist darauf hin, dass bei der Einführung von QE praktisch niemand geahnt hatte, wie wenig das zusätzlich geschaffene Geld zirkulieren, ausgeliehen und ausgegeben werde. QE und andere unkonventionelle Formen der lockeren Geldpolitik der US-Notenbank (wie auch der EZB oder der Bank von England) riefen einfach nicht das gewünschte Verhalten von Banken, Unternehmen und Konsumenten hervor und seien in diesem Sinn nutzlos. Asness lädt aber auch dazu ein, den Blick nicht nur auf die Entwicklung der Konsumgüterpreise zu richten. Es sei seit Beginn der QE-Experimente eine enorme Inflation in den Anlagemärkten entstanden. Dies sei zwar Teil der Strategie der Notenbanken gewesen, aber nicht ein Ziel an sich. Die höheren Preise von Anlagegütern sollten die reale Wirtschaftstätigkeiten beschleunigen. Tatsächlich blieb das neu geschaffene Geld im Bankensektor und den Anlagemärkten hängen. Die aufgeblähten Werte von Anlagegütern «gingen direkt in die Taschen jener, die es am wenigsten benötigten» und verschärften damit die ohnehin ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung.
Quelle: NZZAnmerkung Orlando Pascheit: Die NZZ verweist auch auf eine Rede von Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der das natürlich ganz anders sieht. “Der niedrige Inflationsdruck geht größtenteils auf den Rückgang der Energiepreise und auf die Anpassungsprozesse in einigen Euroländern zurück – Faktoren, auf die die EZB keinen direkten Einfluss hat”, sagte Weidmann. Es sei zwar möglich, dass die Inflation auf einem zu niedrigen Niveau für eine zu lange Zeit verharren könne, aber er sehe für die Euro-Zone kein Risiko eines dauerhaften Sinkens der Konsumgüterpreise. Hier wird dann Weidmann etwas widersprüchlich, denn er räumt ein, dass die EZB reagieren sollte, wenn sich die Schwäche der Inflation auf einer breiteren Basis bemerkbar mache. Das ist aber ein durchaus realistisches Szenario. Und auch eine immer noch positive, aber niedrige Inflationsrate belastet die Wirtschaft (siehe Japan). Gegenwärtig tendiert der Disinflationsprozess gegen Null. Im September fiel die Inflationsrate auf 0,3%. Im August löste EZB-Präsident Mario Draghi den Alarm aus: Die Inflationserwartungen waren unter das Ziel von knapp 2% gefallen. Davor galten sie als der Anker, der die Eurozone dem Deflationssog entzog. Inzwischen sind sie weiter auf 1,8% gesunken. Die Inflationserwartungen sind insofern wichtig, dass im Versuch, der erwarteten Inflation durch geeignete Vorweganpassung der Wirtschaftspläne zuvorzukommen, sich der Inflationsprozess weiter ausbreitet und verfestigt. Ob Weidmann bei einer länger anhaltenden niedrigen Inflationsrate Weidmann immer noch meint: “Der größte Engpass für mehr Wachstum in Europa ist weder die Geldpolitik noch ein Mangel an fiskalischen Anreizen, sondern strukturelle Hürden, die Wettbewerb, Innovation und Produktivität bremsen”. – Ach, immer diese “strukturelle Probleme” (siehe Günther Grunert auf den NachDenkSeiten). Darf man hoffen, dass sich auch bei uns herumspricht, dass, wenn alle sparen, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt, weil der private Konsum aufgrund des schrumpfenden Wirtschaftswachstums zurückgeht (Keynes nennt dies das „Sparparadoxon”) In Sachen Deflation sollte weiterhin unterschieden werden zwischen den Ursachen einer Disinflation bzw. Deflation und ihren Auswirkungen. Vielleicht kann man aufgrund der Zunahme kritischer Artikel in den Medien den Schluss ziehen, dass sich allmählich die Erkenntnis durchsetzt; dass die bisherige von Brüssel und Berlin verordnete Austeritätspolitik als wesentlich Ursache zu betrachten ist, also wirtschaftspolitisch falsch, des Teufels ist. (D.h. nicht dass Sparen an sich schlecht ist, aber die Sparprogramme waren viel zu radikal und wenig intelligent.)
- Karstadt schließt sechs Filialen
Die Sanierung von Karstadt wird schmerzhaft. Das Management will sechs Filialen schließen. Und eine Verschmelzung mit dem Konkurrenten Kaufhof könnte eines Tages doch noch Wirklichkeit werden.
René Benko weiß unnötigen Aufruhr zu vermeiden. Als Anfang der Woche durchsickerte, dass möglicherweise bald mehr als 20 der 83 Karstadt-Häuser schließen müssen, hatte der neue Eigentümer einen kleinen Trost parat: Die berühmte Filiale in Wismar, das erste Karstadt-Haus überhaupt, sei nicht darunter.
Doch allzu viel Rücksicht kann der 37-jährige Österreicher darauf nicht nehmen: Karstadts Geschäfte laufen nach wie vor schlecht. Die beiden zurückliegenden Geschäftsjahre brachten erneut hohe Verluste, und auch das Weihnachtsquartal hat schleppend begonnen.
Auf seiner mit Spannung erwarteten Sitzung am Donnerstag beschloss der Aufsichtsrat harte Einschnitte, um die Kaufhauskette zu retten. 2000 Arbeitsplätze sollen nach Angaben der Gewerkschaft Verdi wegfallen, sechs Filialen geschlossen werden. ….
“Die Sanierung wird uns viel abverlangen. Ohne zum Teil sehr schmerzliche Entscheidungen, wie auch Filialschließungen wird es nicht gehen, um das Überleben des Gesamtunternehmens zu sichern”, erklärte Stephan Fanderl, der wie erwartet zum neuen Karstadt-Chef ernannt wurde. Verdi übte an den Beschlüssen harsche Kritik: “Für die Beschäftigten ist das heute ein bitterer Tag. Erneut werden sie für die Managementfehler der letzten Jahre bestraft.” Entlassungen und Filialschließungen seien der falsche Weg.
Quelle: Süddeutsche ZeitungAnmerkung JK: Am schleichenden Untergang Karstadts manifestiert sich das ganze Elend des aktuellen Kapitalismus. Seit Middelhoff haben sich an der Weiterführung des Unternehmens nur windige Figuren versucht, welchen es primär darum ging oder geht sich ordentlich zu bereichern. Das Schicksal des Unternehmens und der Mitarbeiter spielt dabei keine Rolle. Ein zentrales Instrument der Renditemaximierug ist dabei die Lohndrückerei, die immer mit den gleichen Floskeln begründet wird: schmerzliche Einschnitten seien notwendig, um das Überleben des Gesamtunternehmens zu sichern. Auch in der erneuten “Sparrunde” sollen die im Unternehmen arbeitenden Menschen wieder Verzicht üben. So traurig es ist, auch das wird Karstadt vermutlich nicht retten, da es dem neuen Eigentümer, den österreichischen Immobilienspekulanten Benko, primär wohl nur um die Karstadt-Immobilien in bester Lage geht.
- Gnadenlos erfolgreich – Ist Amazon noch zu bremsen?
Die zweite große deutsche Verlagsgruppe hat sich im Streit um Rabatte mit Amazon geeinigt – nach Bastei-Lübbe hat jetzt auch die Bonnier-Gruppe, zu der die Verlage Piper, Ullstein und Carlsen gehören, den Streit beigelegt. Es ging darum, dass Amazon von den Verlagen höhere Rabatte verlangte als jede Buchhandlung. Die Verlage wollten nicht und Amazon griff zum unfeinen Mittel der Erpressung. Der Konzern verzögerte die Auslieferung der Bücher der widerborstigen Verlage oder stellte sie ganz ein. Braucht es noch mehr, um die Marktmacht von Amazon zu demonstrieren? Der Versandhändler nimmt die Buchautoren als Geiseln, um deren Verleger zu erpressen. Wer sagt da Halt? Die Autoren haben es versucht. 1000 von ihnen haben in den USA eine Anzeige in der New York Times geschaltet. Die deutschen Autoren haben einen offenen Brief an die Amazon-Chefs geschrieben. Die Initiative Fairer Buchhandel ruft nach dem Kartellamt. Und das rührt sich nicht. Auch die Regierung rührt sich nicht. Kein Wunder – ist doch der Aufbau von Amazons Versandlagern in Deutschland mit Millionen aus Steuergeldern subventioniert worden. Wofür Amazon sich mit Steuerflucht und Billiglohnarbeitsplätzen bedankt. Und damit, sein Geschäftsmodell nicht nur gegen den Buchhandel, sondern gegen alle Branchen zu richten, die etwas verkaufen …
Quelle: hr2 Der Tag [MP3] - Ebola´s Next Frontier
Which countries, beyond those in West Africa, are most susceptible to the Ebola epidemic? Most epidemiologists do not fear much for the developed world, with its effective quarantine measures and tracking procedures, or even for sparsely populated developing countries. An outbreak could easily be contained in both groups of countries. But large, densely populated areas, lacking the proper containment mechanisms are highly vulnerable.
India, with its large emigrant population (the second largest in the world), high urban density, and inadequate public health-care infrastructure, potentially has the most to lose if the Ebola virus spreads. Links to West Africa are close and go back over the last century, with almost 50,000 Indians or people of Indian origin living in the region.
Quelle: Project Syndicate - Linke, die auf der Spielwiese von Falken grasen
Kriegsfragen sind für die Linke eigentlich ein dankbares Themengebiet. Dort können sie ihre Standhaftigkeit beweisen und ihren humanistisch geprägten Ansatz vorzeigen. Eigentlich. Der Konflikt mit dem IS taugt nämlich dazu nicht. Er stellt das linke Spektrum vor eine Zerreißprobe.
Was waren das noch für Zeiten, als man als Linker gegen den Krieg in Afghanistan oder im Irak war. Die Lager waren klar. Man wusste in etwa, um was es hinter den Kulissen wirklich geht. Die USA und der Westen als Demokratie-Überbringer? Menschenrechtskriege? Das alles war zu lachhaft um wahr zu sein. Die vermeintlich gute Konfliktpartei war schnell enttarnt. Man konnte damals noch offen pazifistisch sein, ohne Gefahr zu laufen, als herzloser Trampel angesehen zu werden. Das ist aktuell nicht mehr ganz so einfach. Die allgemeine Wahrnehmung des IS diskreditiert jeglichen pazifistischen Anklang.
Quelle: Neues Deutschland - Familien 2013: Ehepaare noch dominierend, aber rückläufig
Im Jahr 2013 waren in Deutschland 70% der insgesamt knapp 8,1 Millionen Familien mit mindestens einem minderjährigen Kind Ehepaare. Der Anteil der alleinerziehenden Mütter und Väter an allen Familien betrug 20%. Die restlichen 10% entfielen auf nichteheliche oder gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, zeigt sich ein Wandel der Familienformen: Im Jahr 1996 lag der Anteil der Ehepaare mit 81 % noch deutlich höher. Dagegen gab es damals wesentlich weniger Familien mit Alleinerziehenden (14 %) oder Lebensgemeinschaften (5 %).
Im Ländervergleich gibt es bei der Verteilung der Familienformen im Jahr 2013 erhebliche Unterschiede: In Baden-Württemberg war der Anteil der Ehepaare an allen Familien mit minderjährigen Kindern mit 78 % am höchsten; in Berlin, Sachsen-Anhalt und Sachsen lag der Anteil der Ehepaare am niedrigsten (jeweils 51 %). Lebensgemeinschaften traten am häufigsten in Sachsen-Anhalt und Sachsen auf (jeweils 23 % aller Familien), in Rheinland-Pfalz dagegen am seltensten (6 % aller Familien). Die meisten Ein-Eltern-Familien lebten in Berlin: Dort waren knapp ein Drittel (32 %) der Familien Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern. In Baden-Württemberg traf dies nur auf rund jede sechste Familie (16 %) zu.
Quelle: Statisches BundesamtAnmerkung Orlando Pascheit: Die Frage ist, ob unsere Gesellschaft (Arbeitswelt, Sozialsysteme usw.) auf diesen tief greifenden Wandel vorbereitet ist. Leider werden die Daten nicht weiter untergliedert. So wäre es z.B. wichtig zu erfahren, wie das Verhältnis von alleinerziehenden Frauen zu alleinerziehenden Männern ist. Anzunehmen ist, dass aufgrund der vorliegenden Zahlen (Berlin, Bremen, Hamburg) Familien mit nur einem Elternteil in den Großstädten eine besondere Rolle spielen. Zu beachten ist auch, dass sich diese Mitteilung des Bundesamtes auf Familien beschränkt. Aus anderen Erhebungen ist bekannt, dass nicht nur der Anteil der Ehepaare an Familien abnimmt, sondern auch der Anteil der Deutschen, die in Familien leben, immer geringer wird: 49 Prozent aller Bundesbürger leben in einer Familie (2012).
- Olaf Scholz: Europa und die Grenzen
Immer mehr Flüchtlinge riskieren ihr Leben, um in Europa neu beginnen zu können. Ihre Schicksale gehen uns zu Herzen. Deshalb müssen wir legale Zuwanderungsmöglichkeiten schaffen, die unsere Arbeitsmärkte nicht überfordern und zugleich helfen, das Ausmaß lebensgefährlicher Migrationsbewegungen zu begrenzen.
Quelle: Berliner RepublikAnmerkung Orlando Pascheit: Ein ganz beachtlicher Text des Hamburger Bürgermeisters und stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD – wenn es denn keine Sonntagsrede ist. Besonders hat mir die tendenzielle Aufhebung der Trennung von politischen und Wirtschaftsflüchtlingen imponiert. Und Olaf Scholz geht sogar noch weiter: “Über Grenzen hinweg einen sicheren Ort zu erreichen, ist für diejenigen, die vor Krieg oder Hunger fliehen, von existenzieller Bedeutung. Ob diese Gründe vorliegen, wird in rechtsstaatlichen Verfahren geprüft. Aber es muss für die Betroffenen gerade dann, wenn während dieses Zeitraums Integration gelingt, Möglichkeiten geben, diesseits der Grenze zu bleiben, auch wenn am Ende des Verfahrens von der zuständigen Behörde keine Fluchtgründe anerkannt werden.”
- Kritik am Islamismus in der arabischen Welt: Problem der Abtrünnigkeit
Warum stehen Muslime nicht auf und verurteilen lautstark den islamistischen Extremismus? Das Schweigen macht einen taub! Doch die Frage ist: Warum haben nicht zuletzt auch muslimische Intellektuelle solche Schwierigkeiten, die muslimische Welt zu kritisieren? …. Ich bin voller Hoffnung, dass wir schon in zehn Jahren eine ansehnliche Gruppe von respektierten Islamwissenschaftler haben, die die politische und und soziale Freiheit besitzen, die Probleme der Region systematisch anzusprechen – ohne als Verräter zu gelten.
Quelle: tazAnmerkung Orlando Pascheit: Dass Kritik als Verrat verurteilt, gilt nicht nur für die schwache und verletzliche arabische Welt, sondern generell für viele schwache und verletzliche Gruppen.
- Katrin Göring-Eckardt: “Die Grünen waren nie eine pazifistische Partei”
Will sie wirklich deutsche Soldaten nach Syrien schicken? Die grüne Fraktionschefin über den Kampf gegen IS, Belehrungen von Jürgen Trittin und die Krise der Grünen.
Quelle: ZEITAnmerkung JB: Und Petra Kelly rotiert dazu im Grabe.
- Bildungsbericht 2014: Irreführende Milde
Glaubt man der Bundesregierung, so leben wir inzwischen in einem Bildungswunderland. So zumindest liest sich die Stellungnahme zum Bildungsbericht 2014, den das Kabinett am Mittwoch verabschiedet hat.
Demnach darf man sich freuen über eine “Vielzahl positiver Entwicklungen über alle Bildungsbereiche hinweg”: Es gehen viel mehr Kleinkinder in die Kitas, mehr Jugendliche in Ganztagsschulen und gut jeder zweite eines Jahrgangs schafft es an eine Hochschule. Also alles easy?
Natürlich nicht. Die Bundesregierung blickt auf die Bildungszustände und die Verantwortung der Bundesländer mit irreführender Milde: So ist es zwar erfreulich, dass der Hochschulbesuch keine Eliteveranstaltung mehr ist, sondern gut 51 Prozent eines Jahrgangs dort einrückt. Doch sind vielerorts eben auch die Studienbedingungen so.
Quelle: Süddeutsche - „Publikumskonferenz“: Über die Hälfte der eingereichten Programmbeschwerden beziehen sich auf die aktuelle Ukraineberichterstattung
So berichtete zum Beispiel Moskau-Korrespondent Udo Lielischkies im Mai dieses Jahres von der Ermordung zweier Zivilisten durch Vertreter der Separatisten in Krasnoarmeysk am Tag des Referendums.
Originalaufnahmen des Zwischenfalls zeigen allerdings deutlich, dass die ukrainische Nationalgarde für den Tod der Zivilisten verantwortlich ist. Inzwischen hat die ARD sich für diese Falschmeldung (angeblich nach Hinweis eines (!) Zuschauers) öffentlich entschuldigt.
Das ZDF verbreitete diese Falschmeldung noch Wochen danach ungeniert weiter, obwohl es seit dem Tag des Geschehens tausende von Hinweisen aufmerksamer Zuschauer, (auch) angesichts der Absurdität dieser Meldung, gegeben hat.
Quelle: Publikumskonferenz Open Petition