Wie die Bank Oppenheim ihre Kritiker mundtot zu machen versucht und wie durch eine Häufung von Klagen faktisch die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird
Gegen das Buch „Der Bankier. Ungebetener Nachruf auf Alfred von Oppenheim“ von Werner Rügemer haben die Bank Oppenheim und ihre Berliner Kanzlei Schertz Bergmann gegen Verlag, Autor, Vorwortverfasser, gegen die online-Zeitung nrhz.de und gegen zwei Prozessbeobachter inzwischen zwei Dutzend juristische Verfahren in Gang gesetzt. Rügemer: „Hier wird offensichtlich die „Methode Maschinengewehr“ eingesetzt: es wird in die Gegend geballert, die Beklagten werden eingeschüchtert, genervt, zeitlich und finanziell belastet.“ Zwar wurden viele der Klagen abgewiesen aber nur wenige sind abgeschlossen, weil die Kläger in die nächste Instanz gehen.
Ein Zwischenbericht über die juristischen Händel von Werner Rügemer.
Werner Rügemer:
Der Bankier. Ungebetener Nachruf auf Alfred von Oppenheim
Mit Vorwort von Prof. Hans See und einer Chronologie der juristischen Auseinandersetzung. 3. überarbeitet geschwärzte Auflage. Nomen Verlag, Frankfurt/Main 2006. 134 Seiten, 14 Euro. ISBN 978-3-939816-00-3
Zwei Dutzend juristische Verfahren
Zwei Dutzend juristische Verfahren, darunter mehrere Einstweilige Verfügungen haben die Bank Oppenheim und ihre Berliner Kanzlei Schertz Bergmann gegen Verlag, Autor, Vorwortverfasser, die online-Zeitung nrhz.de und gegen zwei Prozessbeobachter seit Erscheinen von „Der Bankier“ in Gang gesetzt. Vor der Pressekammer des Landgerichts Berlin fand bisher ein Dutzend Verhandlungen statt. Dazu gehört auch eine Schmerzensgeldklage über 15.000 Euro des Oppenheim-Anwalts, der sich durch einen Bericht beleidigt fühlt. Dazu gehört ein Antrag auf Verhängung eines „empfindlichen Ordnungsgeldes“ gegen Rügemer, weil er eine der verbotenen Passagen wiederholt haben soll. Dazu gehören drei Einstweilige Verfügungen gegen ein Vorwort von Professor See, das in der geschwärzten Buchausgabe enthalten ist. Dazu gehören zwei Einstweilige Verfügungen wegen einer Bildunterschrift in einem Zeitschriftenartikel, in dem aus einer Mitteilung der Oppenheim-Anwälte zitiert wurde. Die Schmerzensgeldklage wurde vom Gericht abgewiesen, ebenso der Antrag auf „empfindliches Ordnungsgeld“ – aber Schertz Bergmann bzw. die Bank gingen in Berufung. Hier wird offensichtlich die „Methode Maschinengewehr“ eingesetzt: es wird in die Gegend geballert, die Beklagten werden eingeschüchtert, genervt, zeitlich und finanziell belastet.
Buchhändler eingeschüchtert
Das Gericht hat in der ersten Einstweiligen Verfügung erlaubt, dass die gebundenen und vertriebenen Exemplare der Erstausgabe weiter verkauft werden dürfen, da die beanstandeten Stellen „von geringem Gewicht“ sind. Das hat die Bank den Buchhändlern aber nicht mitgeteilt. Vielmehr hat die Bank den Buchhändlern und Grossisten rechtliche Schritte angedroht, wenn sie das Buch verkaufen. Selbst die geschwärzte Fassung wird kaum verkauft, weil viele Buchhändler und Grossisten ein Risiko befürchten. Auch Medien berichten inzwischen lieber nicht, auch gegen Berichte über bisherige Gerichtsverhandlungen wurde juristisch vorgegangen.
Mithilfe von Nebensächlichkeiten…
Die 22 zunächst verbotenen Passagen des Buches drehen sich meist um Nebensächlichkeiten: Gibt es in keiner der Bankfilialen Bankschalter oder doch in einigen? Wurde der ehemalige Kölner Oberstadtdirektor Geschäftsführer in der Bank oder in einer Tochtergesellschaft? Dass solche Nebensächlichkeiten bzw. redaktionelle Unkorrektheiten überhaupt zum Gegenstand aufwendiger Gerichtsverfahren werden können, hat mit einer fragwürdigen rechtlichen Entwicklung zu tun: Auch Unternehmen reklamieren heute „Persönlichkeitsrechte“ für sich, spezialisierte Medienanwälte beuten dieses neue Gebiet aus, die Gerichte machen mit. Wichtigere der zunächst untersagten Passagen hat das Landgericht Berlin inzwischen aufgehoben: dass die Gesamtmiete für die Kölner Messehallen, errichtet von Oppenheim-Esch, die Stadt Köln ca. 800 Mio Euro kostet und nicht unter 700 Mio, wie die Bank behauptet; dass Max von Oppenheim die Araber zum „Heiligen Krieg“ aufhetzte; dass der Top-Arisierer der Dresdner Bank, Harald Kühnen, ab 1950 zur grauen Eminenz bei Oppenheim aufstieg u.ä.
Hauptaussagen bleiben unbestritten
Die Bank behauptet „Ehrverletzungen“, obwohl sie nur noch über eine sehr spezielle Restehre verfügt. Teilnahme an Arisierungen, illegale Parteispenden für Adenauers und Kohls CDU, nach 1945 Unterschlupf für Finanznazis, aktive Rolle bei der unsozialen Privatisierung von Stadtwerken und öffentlichen Wohnungen, Abbau von Arbeitsplätzen zur Aktienwertsteigerung: Diese und ähnliche Darstellungen wurden nicht beanstandet. Welche Ehre verteidigt eine Bank mit diesem (unvollständigen) Sündenregister?
Fragwürdige Justiz
Auch die Justiz verhält sich fragwürdig. Einstweilige Verfügungen werden erlassen (nicht nur im Fall „Der Bankier“), ohne die Beklagten anzuhören. Als Entscheidungsgrundlage dient einzig und allein eine Eidesstattliche Versicherung, hier des Bankchefs Matthias Graf von Krockow und der Leiterin des Bankarchivs. Selbst wenn das Gericht in den Monate später stattfindenden Verhandlungen einzelne Verfügungen aufhebt, wird bisher keine Konsequenz daraus gezogen, dass eine falsche eidesstattliche Versicherung unter schwerer Strafe steht. Gleichzeitig gibt das Berliner Landgericht zu, dass seine Geschäftsstelle unterbesetzt ist. Schriftstücke werden zu spät zugestellt, Fristen werden versäumt, Mahngebühren fallen an. Eine rechtssichere Durchführung kann nicht stattfinden, trotzdem erlässt das Gericht Verfügungen „wie am Fließband“.
Solidaritätskonto
Solche Praktiken bedrohen nicht nur Autoren, Verlage, Medien und websites, sondern die Presse- und Meinungs- und Kunstfreiheit insgesamt. Für zwei Verfahren gegen Rügemer gewährt verdi bisher Rechtshilfe. Insgesamt sind bisher an Gerichts- und Anwaltskosten ca. 50.000 Euro entstanden. Alle Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Es wurde ein Solidaritätskonto für Werner Rügemer eingerichtet: „Pro Veritate“, Kto-Nr. 530 024 73, Sparkasse Hanau, BLZ 506 500 23, Stichwort „Rügemer”