„Lafontaine auf der Siegerstraße“
Kommentar in der FAZ von Stefan Dietrich. Das ist eine interessante Analyse der Strategien über mögliche Mehrheiten im Bundestag – unter anderem mit folgenden Aspekten.
Erstens stellt der Autor nüchtern fest, dass es 1990 die letzte strukturelle Mehrheit der bürgerlichen Parteien im Bund gegeben habe. „Seit 1998 haben die in drei Schattierungen auftretenden linken Parteien im Bundestag konstant das Übergewicht.“ Und dennoch regiert eine bürgerliche Kanzlerin, möchte ich anfügen, vermutlich mit weiteren konservativen Akzenten, ermutigt durch Freund Sarkozy in Paris. Festzuhalten bleibt: Deutschland hat eine strukturelle Mehrheit der Linken, die Macht liegt bei den Rechtskonservativen, die Politik sieht entsprechend aus.
Zweitens warnt der Autor die bürgerlichen Parteien, sie sollten sich darauf einrichten, dass die strukturelle Mehrheit auf der Linken darauf brennt, ihre Stärke politisch umzumünzen. Das wäre eigentlich selbstverständlich, wenn man schon die Mehrheit hat, denke ich. Aber der Autor unterschätzt die Unterwanderung der SPD und vor allem der SPD-Führung durch Kräfte, denen es an einer linken Mehrheit und schon gar nicht an einer linken Machtausübung gar nicht gelegen ist. Diese Einschätzung bestätigt der Autor indirekt, wenn er auf das Risiko der hessischen Spitzenkandidaten Ypsilanti hinweist, dort könnte der Landesverband auseinanderfallen wegen ihres relativ linken Kurses. – Man kann dies auf dem Hintergrund der Berliner Erfahrungen auch anders sehen. Macht ist Macht. Das könnte den rechten Flügel der SPD überzeugen, die strukturelle Mehrheit auf der Linken zu nutzen.
Drittens beschreibt der Autor die von ihm vermutete Strategie Lafontaines: „die SPD an der Spitze eines Parteienkonglomerats zu etablieren, das die Union auf Dauer von der Macht fernhielte. Es wird immer wahrscheinlicher, dass er der SPD von außen ein Konzept aufzwingt, das er als ihr Vorsitzender nicht durchsetzen konnte.“ Das ist recht klug analysiert. Unterschwellig wird damit auch transportiert: Wer will, dass die linke Mehrheit auch in politische Macht umgesetzt werden kann, muss die Linkspartei stärken – so lange, bis die SPD-Führung aufwacht und zu einer Kurskorrektur bereit ist.
Viertens: Dass der Autor die gleichgeschaltete und immer wiederkehrende Polemik zum angeblichen Populismus auf der Linken übernimmt, schmälert den positiven Eindruck. Man kann offenbar nicht alles auf einmal haben.