Hinweise des Tages
- Bundesregierung gibt zu: Online-Durchsuchungen laufen schon
Das Bundeskanzleramt hat am heutigen Mittwoch in der Sitzung des Innenausschusses des Bundestags eingeräumt, dass die umstrittenen heimlichen Online-Durchsuchungen von Computern durch Geheimdienste des Bundes bereits seit 2005 auf Basis einer Dienstvorschrift des damaligen Bundesinnenministers Otto Schily (SPD) stattfinden. Dies berichtet die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, auf deren Antrag hin die Bundesregierung zu den pikanten Überwachungen privater PC und Speicherplattformen im Internet Stellung nehmen musste. Eine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses und des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sehe die Regierung nicht.
Quelle 1: heise online
Quelle 2: FTD - Bundesarbeitsgericht: Für Arbeitsplätze darf gestreikt werden
Als die IG Metall im vergangenen Jahr bei AEG in Nürnberg zum Streik aufrief, kritisierten die Arbeitgeber den Arbeitskampf als pure Verweigerung. Solche Ausstände wollte der Arbeitgeberverband für unzulässig erklären lassen und ist nun vor dem Gericht damit gescheitert. Gewerkschaften dürfen zu Streiks für einen Tarifvertrag aufrufen, mit dem wirtschaftliche Nachteile aus einer Betriebsänderung ausgeglichen oder gemildert werden sollen, typische Sozialplaninhalte wie Ansprüche auf Abfindungen oder Qualifizierungsmaßnahmen seien tariflich regelbare Angelegenheiten. Die IG Metall fühlt sich gestärkt.
Quelle: Handelsblatt - Utz Claassen: Verlängerung des Atomausstiegs und Klimaschutz ins Grundgesetz
In einem „Pakt für das Klima“ sollen im Grundgesetz die Laufzeiten der Kernkraftwerke um weitere zehn Jahre über die im Ausstiegsgesetz von 2002 festgelegten Fristen hinaus verlängert werden. Dafür soll der Klimaschutz in der Verfassung festgeschrieben werden.
Quelle: SternAnmerkung: Das Grundgesetz eine Verhandlungssache der Atomlobby. Dieser Vorschlag legt den Verdacht nahe, als stecke hinter der gegenwärtigen Klimakampagne ein Propaganda-Coup der internationalen Atomindustrie.
- Raffelhüschen jetzt auch für kapitalgedeckte Pflegesicherung mit einkommensunabhängiger Kopfpauschale
Die Beibehaltung der beitragsfinanzierten Pflegeversicherung werfe Deutschland im globalen Wettbewerb beim Reichtum vom 5. Platz auf den Rang Argentiniens, also auf den 60. Platz zurück.
Quelle: DLF podcastSiehe dazu ein schönes Foto eines unserer Leser:
- Telekom-Konflikt: Gewerkschaftsdachorganisation droht Blackstone ihr Geld abzuziehen
Im Konflikt um den Umbau der Deutschen Telekom setzen Gewerkschaften den Großaktionär Blackstone unter Druck. Der Finanzinvestor sei an verschiedenen Umstrukturierungen beteiligt, bei denen Blackstone auf Kosten der Mitarbeiter profitiere, schreibt der Generalsekretär der Gewerkschafts-Dachorganisation UNI Global Union, Philip Jennings, in einem an Blackstone-Chef Steve Schwarzman adressierten Brief. Sollte Blackstone weiter auf die geplanten Auslagerungen von rund 50 000 Mitarbeitern der Telekom drängen, wollten die Gewerkschaften ihre Investitionen in Fonds der Finanzgesellschaft überdenken. Bei Blackstone haben die Gewerkschaften Pensionsgelder ihrer Mitglieder investiert, die sich nach eigenen Angaben auf „mehrere Milliarden US-Dollar“ summieren.
Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger - Zeitarbeit mit Potenzial
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) will mit Hilfe der Zeitarbeit die Arbeitslosigkeit stärker abbauen. Dazu haben die BA und die 15 größten Zeitarbeitsfirmen Deutschlands eine Kooperation vereinbart. Der branchentypisch kurzfristige Arbeitskräftebedarf der Zeitarbeitsfirmen solle schneller und passgenauer gedeckt werden, sagte BA-Vorstand Raimund Becker. Gleichzeitig will die BA dazu beitragen, Vorurteile gegen die Branche abzubauen und mehr Arbeitssuchende in Beschäftigung zu bringen.
Quelle: FRAnmerkung: Jeder achte Zeitarbeitnehmer verdient so wenig, dass er ergänzend Hartz-IV- Leistungen erhält.
- Hartmut Seifert: Arbeit-Zeit-Politik
Offenbar bleibt den Beschäftigten keine andere Wahl, als Zeit für nicht erwerbsorientierte Aktivitäten oder einfach für Muße zu opfern, um ihr Einkommen zu sichern. Der Zeitenwandel kollidiert mit zentralen gesellschaftspolitischen Themen. Wie sollen die zeitlichen Anforderungen an Beruf und Familie besser ausbalanciert werden, wenn den Beschäftigten gleichzeitig längere Arbeitszeiten abverlangt werden? Wie soll der längere Verbleib im Erwerbsleben (Rente mit 67) erreicht werden, wenn längere Arbeitszeiten nicht nur die Arbeitsbelastungen und die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken erhöhen, sondern auch die Beschäftigungsperspektiven verschlechtern? usw.
Quelle: WSI-Mitteilungen 04/2007 [PDF – 76 KB] - Kerstin Jürgens: Die Ökonomisierung von Zeit im flexiblen Kapitalismus
In der Dynamik der Flexibilisierung von Arbeitszeiten manifestieren sich nicht nur veränderte Kräfteverhältnisse zwischen den Tarifparteien, sondern sie induziert darüber hinaus Prozesse der Entfremdung. Die Internalisierung ökonomischer Zeitverwendungslogiken ist eine Nebenfolge des Wandels von Erwerbsarbeit, welche die Identifikation und die Durchsetzung individueller Zeitinteressen erschwert und Prozesse der Solidarisierung konterkariert.
Quelle: WSI-Mitteilungen 04/2007 [PDF – 172 KB] - Denkfabriken und Unternehmenssteuer – Steinbrück soll aufklären
Aus Anlass der Anhörung zur Unternehmensteuerreform hat LobbyControl von Finanzminister Steinbrück Aufklärung über die Rolle von Denkfabriken wie der Stiftung Marktwirtschaft oder der Bertelsmann-Stiftung bei der Ausarbeitung der Unternehmenssteuerreform gefordert. In einer Anfrage auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes verlangt LobbyControl u.a. Einsicht in entsprechende Gutachten, Stellungnahmen oder Akten über Treffen des Finanzministeriums mit den Stiftungen.
Die Öffentlichkeit und die Parlamentarier brauchen Klarheit über die Rolle von unternehmensnahen Denkfabriken bei der Ausarbeitung der Unternehmenssteuerreform.
Quelle: LobbyControl - Bundesregierung drängt die EU zu einer Lockerung der Subventionsregeln
Germany wants the European Union to soften its hard line against governments that grant state aid to private companies, warning that the economic bloc is currently losing out against regions that are more generous with their subsidies.
Quelle: Financial TimesAnmerkung: Bei den Arbeitnehmern dürfen die Kürzungen nicht hart genug sein, bei den Unternehmen die Subventionen nicht zu niedrig…
- Axel Honneth: Die universitäre Bildung gerät aus dem Blick
Ich glaube, dass alle Reformen, die derzeit unternommen werden, sich die eigenen Voraussetzungen und Konsequenzen nicht hinreichend klar gemacht haben und es an einer generellen Zielbestimmung mangelt. Die Ökonomisierung der Universitäten schreitet fort, während die Idee der universitären Bildung aus dem Blick gerät. Das insgesamt recht gut funktionierende System von miteinander leicht konkurrierenden Volluniversitäten wird allmählich durch ein hierarchisches System von Fachhochschulen sowie einigen Spitzenuniversitäten ersetzt. Das ist ein vollkommen neues System, das, wie ich glaube, nicht richtig durchdacht ist.
Quelle: Jungle World - Michael Lohmann: Universitäre Lehre als Tragödie
Schlechte Lehre ist keine Frage des Charakters, wie die Klage von den “faulen Professoren” oder den “ungenügend vorbereiteten Studierenden” suggeriert.
Beide Vorwürfe sind sicher nicht aus der Luft gegriffen, Belege lassen sich finden. Wirkliche Aufklärung leisten sie aber nicht, denn sie reduzieren die Frage nach den Ursachen der schlechten Lehre auf die charakterlichen Defizite von einzelnen Menschen oder Menschengruppen. Aber eine solche Moralisierung verdeckt die tiefer liegenden strukturellen Probleme, die auch Gutwillige und Engagierte nicht ohne weiteres überwinden können. Im Gegenteil: der Gutwillige scheitert als tragischer Held, weil er die Bedingungen seines Handelns nicht kontrolliert. Diejenigen, die zuvor darauf hofften, dass die charakterlichen Vorzüge des Helden die Misere beenden werden, wenden sich nun enttäuscht von ihm ab. Hoffnung und Enttäuschung folgen einander in mehreren Zyklen, die “Diagnose” charakterlicher Mängel stabilisiert diese Abfolge und ist ein Grund dafür, dass alles bleibt, wie es ist. Allein der Gescheiterte quält sich fortan mit dem Makel des Versagens.
Quelle: Telepolis - Studierenden fehlt die Zeit für ehrenamtliche Aktivitäten außerhalb des Lehrplans
Gewissermaßen als Nebeneffekt zur europaweiten Vereinheitlichung der Abschlüsse sollte das Studium schneller, kompakter und effektiver werden. Was Arbeitgeber und Bildungspolitiker freut, bereitet allerdings vielen ehrenamtlichen Initiativen Kopfschmerzen. Denn den Studierenden fehlt jetzt die Zeit für Aktivitäten außerhalb des Lehrplans.
Quelle: DLFAnmerkung: Dass die Redakteure der Sendung „Campus und Karriere“ im DLF dieses Dilemma der Bachelor-Studierenden gerade am Beispiel des Engagements für die studentischen Unternehmensberatung festmachen, ist inzwischen symptomatisch für das Informationsinteresse dieser täglichen Sendefolge: Vielleicht sollte man Campus streichen und nur noch von Karriere sprechen.