Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

(KR/WL)

  1. Heinz-J. Bontrup: Wettbewerb und Markt sind zu wenig
    Ein dogmatisch gewordener Glaube an das vermeintlich segensreiche Wirken freier
    (wettbewerblicher) Märkte ist weit verbreitet. Die daraus resultierenden Irrtümer und Illusionen haben sich bei vielen Akteuren aus Wirtschaft, Politik und Medien zu einer Unfähigkeit gesteigert, die Wirklichkeit richtig wahrzunehmen. „Es ist dieser Realitätsverlust, der sie zu unschuldigen Betrügern macht“, stellte der vor kurzem verstorbene große US-amerikanische Ökonom John Kenneth Galbraith (1908 – 2006) fest. Die wesentliche Ideologie des heute gegebenen neoliberalen Regimes ist aber die Betonung des Wettbewerbsprinzips und die Forderung nach freien Märkten. Dies würde, ohne staatliche Interventionen und Steuerungen, für die größte ökonomische Effizienz sorgen.
    In “Aus Politik und Zeitgeschichte” (13/2007 vom 26.März 07) entwickelt der Professor für Wirtschaftswissenschaft Heinz-J. Bontrup (FH Gelsenkirchen) über eine Kritik am Markt, der alleinseligmachen soll, die Möglichkeit von Alternativen.
    Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung
  2. Die deutsche Wirtschaftspolitik am Scheideweg
    Im gleichen Heft von “Aus Politik und Zeitgeschichte” stellen Eckhard Hein und Achim Truger die deutsche Wirtschaftspolitik als am Scheideweg stehend dar. Die wirtschaftliche Stagnation sei nicht auf überregulierte Arbeitsmärkte und beschäftigungsfeindliche soziale Sicherungssysteme zurückzuführen, sondern auf ein gewaltiges makroökonomisches Missmanagement.
    Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung
  3. Keiner will in Deutschland Spargel stechen
    Viele Bauern sind zurzeit händeringend auf der Suche nach Erntehelfern, damit zu Ostern der erste Spargel auf dem Tisch stehen kann. Dabei haben sie aber immer öfter Probleme, ihre traditionellen Arbeitskräfte – die Spargelstecher aus Polen – anzuwerben. Grund: In vielen anderen Ländern wie den Niederlanden und Großbritannien gibt es einen Mindestlohn. Dieser liege deutlich über dem, was deutsche Landwirte bereit seien zu zahlen.
    Quelle: FOCUS
  4. Wolfgang Münchau: Billig bringt’s nicht
    Oskar Lafontaine hat recht: Bei den Unternehmenssteuern ist Schwarz-Rot schon wieder eine Reform missraten.
    Kurz nachdem das Bundeskabinett die Unternehmenssteuerreform beschlossen hatte, hat der britische Finanzminister Gordon Brown eine Senkung der Unternehmenssteuern von 30 auf 28 Prozent verkündet. Hätte er das nicht getan, würde der britische Satz künftig um Haaresbreite höher sein als der deutsche. So aber ist die alte Rangfolge wiederhergestellt.
    Wenig später beschloss dann auch die niederländische Regierung, die Unternehmenssteuern auf 25 Prozent zu senken. Es drängt sich der Eindruck auf, dass hier ein Wettrennen um die billigsten Sätze stattfindet, wobei sich für die am Rennen beteiligten Länder relativ zueinander nichts ändert – nur dass jeder von ihnen immer weniger Steuergelder einnimmt.
    Quelle: FTD

    Anmerkung: Lesenswert, bis auf einen Punkt: In einem seiner nächsten Artikel möge Wolfgang Münchau doch bitte einmal sagen, zu welchen Fragen Lafontaine seiner Meinung nach „ideologische Positionen vertritt“.

    Siehe dazu auch:
    Sarkozy orientiert sich an deutscher Steuerpolitik
    Der konservative französische Präsidentschaftskandidat plant eine Steuerreform nach deutschem Vorbild. Er will mit einer höheren Mehrwertsteuer die Lohnnebenkosten senken.
    Quelle: Handelsblatt

  5. Prof. Wim Kösters über den Wert der Europäischen Währungsunion als Werkzeug zur Durchsetzung von Strukturreformen
    Mit dem Europäischen Binnenmarkt (EBM) und der EWU wurde ein neuer Rahmen für die Wirtschaftspolitik in Europa geschaffen, durch den aus ökonomischer Sicht eine bessere und schnellere Anpassung an die Notwendigkeiten und Herausforderungen der Globalisierung erreicht werden sollte. Denn offensichtlich, so wurde argumentiert, seien die Mitgliedsstaaten aus eigener Kraft nicht in der Lage, die notwendigen Strukturreformen politisch durchzusetzen. Der neue Rahmen schaffe aber die erforderlichen Zwänge, sie beschleunigt in Angriff zu nehmen … Ferner könnte mit wachsender europäischer Öffentlichkeit der Messlatten-Wettbewerb (yardstick competition) zunehmen und ein höherer Druck zur Übernahme besserer Lösungen wirtschaftspolitischer Probleme entstehen, die in anderen Mitgliedsländern gefunden wurden. Durch all dies sollte für mehr Wettbewerb auf den ökonomischen und politischen Märkten aber auch zwischen den nationalen Regulierungssystemen (“Systemwettbewerb”) gesorgt werden, um so den Druck auf die Mitgliedsländer zu erhöhen, die dringend benötigten Strukturreformen schneller voran zu bringen. … Seit dem Start der EWU können die Geldpolitik und die Wechselkurspolitik zudem nicht mehr als nationale Anpassungsinstrumente benutzt werden. … Der durch EBM und EWU geschaffene neue wirtschaftspolitische Rahmen sieht also vor, dass die Bedeutung der makroökonomischen Prozesspolitik zugunsten der Ordnungspolitik zurückgedrängt wird. Die früher in der Globalsteuerung vorgesehene stabilisierungspolitische Aufgabe von Geld-, Fiskal- und Wechselkurspolitik sollte jetzt überwiegend durch Anpassungsprozesse auf Märkten erfüllt werden. Ihre dafür notwendige verbesserte Funktionsfähigkeit soll durch ordnungspolitische Reformen erreicht werden, die einen stärkeren Wettbewerb und flexiblere Preise und Löhne bewirken. Die Durchsetzung der ordnungspolitischen Strukturreformen wiederum soll der verstärkte Systemwettbewerb
    beschleunigen.
    Quelle: Blog „Wirtschaftliche Freiheit“

    Anmerkung: Klare Worte des Inhabers des Lehrstuhls für Theoretische Volkswirtschaftslehre an der Ruhr-Universität Bochum, damit alle wissen, woran sie mit dieser EU sind.

    Christian Holzer schrieb dazu einen guten Kommentar: “Deutschland fährt seit Jahren ein gewaltiges Lohndumping bei hoher Produktivitätsrate. Früher wäre eine Anpassung der DM erfolgt, was aber heute nicht mehr möglich ist. Auch eine Finanzierung über Staatsschulden kommt nicht in Frage. … Bleibt also: wenn man die EWU wirklich retten will, muss man sich zwingend für hohe Tariflöhne und Mindestlöhne in Deutschland einsetzen. Wollen Sie also die EWU wirklich retten?”

  6. Witwenrente als Familienförderung verkauft
    Im Streit um die Krippen-Finanzierung klagen die Sozialverbände über die Steinbrück’sche «Mogelpackung». Umzuverteilen sei weniger, als der Finanzminister vorgibt. Zudem wollen sie mehr Kindergeld.
    Quelle: Netzeitung
  7. Finanzinvestoren treiben Mieten in die Höhe
    200 000 ehemals städtische Wohnungen sind privatisiert – und werden teurer. Die Preisentwicklung wird sich auch auf den neuen Mietspiegel auswirken.
    Quelle: Tagesspiegel
  8. Städte wollen am Müll verdienen
    Städte, Gemeinden und Landkreise in Deutschland gliedern im großen Stil einst privatisierte Aufgaben wieder in städtische Aktivitäten ein. Durch dieses als Rück-Verstaatlichung oder Rekommunalisierung bezeichnete System wollen die Kommunen ihre hohen Schuldenstände verringern und zugleich Beschäftigung sichern. Die NRW-Landesregierung aus CDU und FDP will diese Rück-Verstaatlichungen jetzt stoppen. Geplant ist eine Neufassung der Gemeindeordnung. Danach soll die wirtschaftliche Betätigung kommunaler Betriebe deutlich eingeschränkt werden. “Die Landesregierung spricht der kommunalen Wirtschaft die Lebensberechtigung ab und will, dass sie von der Bildfläche verschwindet”, sagt Norbert Ohlms, Vizepräsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). Dortmunds Stadtwerke-Vorstandschef Guntram Pehlke sieht es ähnlich. “Dürften wir nur noch bei einem dringenden öffentlichen Zweck tätig sein, wäre das angesichts des Wettbewerbs mit Privaten das unternehmerische Aus.”
    Quelle: WAZ
  9. Ingo Schmidt: Boeing-Airbus: Politik der Marktbeherrschung und Konkurrenz
    Die Umstrukturierung bei Airbus, die unter anderem massive Arbeitsplatzverluste vorsehen, ist wieder eine der Geschichten, in der Unternehmensführungen auf die Anpassungszwänge wirtschaftlichen Wettbewerbs und Gewerkschafter auf Missmanagement hinweisen, die Beschäftigten aber in jedem Fall die Zeche bezahlen, wenn sie sich nicht machtvoll zu organisieren und zu wehren verstehen. Wie in allen dieser Geschichten gibt es einige Besonderheiten, die nicht nur von der Konjunkturlage, sondern auch von den Produktionsbedingungen der jeweiligen Branchen und politischer Einflussnahme bestimmt werden.
    Quelle: memo Uni-Bremen [PDF – 85 KB]
  10. Linke und Gewerkschaften: Unverhohlener Flirt
    Weil Florian Pronold im Bundestag für Gesundheitsreform und Rente mit 67 stimmte, lud ihn die bayrische DGB-Spitze als Redner für die 1.Mai-Demo kurzerhand aus. Seither dämmert auch ihm, dass es mit der “innigen Liebe” zwischen SPD und Gewerkschaften nicht mehr so weit her ist. Als neuer Partner drängt sich “Die Linke” auf. Deren Ostflügel, die ehemalige PDS, war für die Gewerkschaften über Jahre hinweg nicht mehr als ein belächeltes Schmuddelkind. Mit dem Zuwachs der Westabteilung WASG aber hat sich das geändert. Deren Strategen, allen voran Bundeschef Klaus Ernst, sind fast allesamt geschulte Kader aus DGB und IG Metall. Man spricht dieselbe Sprache. Man teilt dieselben Sorgen.
    Quelle: FR
  11. Uvex setzt auf “Made in Germany”
    Der Sportbrillenhersteller UVEX baut seinen Standort im Bayerischen Wald aus – und schafft Arbeitsplätze.
    Quelle: FR

    Anmerkung von V.B.: Der Fall ist deshalb interessant, weil ein anderer Brillenhersteller (Rodenstock) vor ein paar Jahren meinte, seinen Produktionsstandort wegen der dort niedrigeren Löhne ins benachbarte Tschechien – verlegen zu müssen. War da für den Verbandsfunktionär Rodenstock vielleicht auch viel Ideologie mit im Spiel?

    Anmerkung KR: Ein schwacher Artikel, weil die Entscheidung für die Investition in Deutschland nur mit Patriotismus erklärt wird. Es muss sich aber doch auch rechnen. Darüber hätte man gerne mehr erfahren.

  12. Joachim Wieland: “Verfassungsfragen der geplanten Streichung der Pendlerpauschale im Einkommensteuergesetz”
    Im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung hat der Steuerrechtler Prof. Dr. Joachim Wieland zunächst ein Rechtsgutachten und dann Musterbriefe entworfen, mit denen bei den Finanzbehörden beantragt werden kann, die Entfernungspauschale wie bisher steuerlich anzuerkennen. Im Gegensatz zur aktuellen Regelung sollen nach dem Steueränderungsgesetz 2007 Fahrten zur Arbeit bis zu 20 Kilometern nicht mehr steuerlich absetzbar sein. Mit Hilfe der Musterschreiben kann zunächst ein Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung gestellt, im zweiten Schritt aber auch ein Einspruch gegen die Ablehnung des Lohnsteuerermäßigungsantrages 2007 eingelegt werden.
    Formulierungen in den Musterbriefen sollen darüber hinaus sicher stellen, dass die ArbeitnehmerInnen nach einem möglichen abschließenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu viel gezahlte Steuern zurück erhalten.
    Der DGB bietet die Musterbriefe und das Gutachten zum Herunterladen an.
    Quelle: DGB
  13. Thema Verbraucherinformationgesetze
    • „Ein Gesetz, so löchrig wie Schweizer Käse“
      Das Bundeskabinett hat eine überarbeitete Fassung des von Bundespräsident Horst Köhler gestoppten Verbraucherinformationsgesetzes verabschiedet. Für die deutschen Verbraucher soll nun vieles besser werden. Doch Opposition und Verbände sprechen von einer “Mogelpackung”.
      Quelle: Handelsblatt
    • Hersteller dürfen weiter schweigen
      Wie das neue Verbraucherinformationsgesetz den Kunden bei Lebensmittelskandalen helfen soll – einige interessante Details zum neuen Gesetz.
      Quelle: Berliner Zeitung
  14. WWF: Braunkohle-Kraftwerke sind die größten Dreckschleudern
    Acht der zehn klimaschädlichsten Kraftwerke in Deutschland werden nach Angaben der Umweltstiftung WWF mit Braunkohle befeuert. «Kohle-, insbesondere Braunkohlekraftwerke sind Deutschlands größte Klimakiller, und das Festhalten an Kohle macht es unmöglich, die kürzlich beschlossenen Klimaschutzziele der EU zu erreichen», kritisierte die Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland, Regine Günther. Der umfassenden Neubauplanung klimaschädlicher Kraftwerke sehe Berlin tatenlos zu. Gleichzeitig ruiniere man mit Steuerpolitik gezielt die klimafreundliche Biokraftstoff-Branche.
    Quelle: Linkszeitung
  15. Innenminister zum Rückzieher gezwungen
    35 afghanische Familien, mitsamt ihren schulpflichtigen Kindern, wollte Innensenator Udo Nagel (parteilos) zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon abgeschoben haben. Still und möglichst leise. Doch dann zogen Tausende Schüler der Erich- Kästner- und der Rudolf-Roß-Gesamtschule aus Stellingen und Wilhelmsburg immer wieder auf Straße. Sie sammelten Unterschriften für den Verbleib ihrer Mitschüler, zogen mit Lichterketten vor das Rathaus und an die Alster. Daraufhin hob Nagel die Abschiebeverfügungen »für mindestens ein Jahr« wieder auf – wegen der Sicherheitslage in Afghanistan, die sich »aktuell« besonders zuspitze, hieß es offiziell.
    Quelle: Junge Welt
  16. Das Zeug zum weltweiten Crash hat die US-Krise kaum
    Löst die Immobilienkrise in den USA einen globalen Crash aus? Das Risiko erscheint relativ gering. Auch weil die US-Geldpolitik gegensteuern wird, ist eine sanfte Landung wahrscheinlicher. Von Mario Müller.
    Quelle: FR
  17. Watsche für Washington
    Der Oberste Gerichtshof fällt ein vernichtendes Urteil über die Klimapolitik von US-Präsident.George W. Bush.
    Quelle: TAZ
  18. Wie man Journalisten professionell bearbeitet
    Einen Einblick in die professionelle Begleitung von Journalisten durch die PR-Abteilung eines Unternehmens lieferte gerade Microsoft. Der Journalist Fred Vogelstein schrieb für das amerikanische Magazin Wired einen Artikel über Microsofts neue Offenheit im Internet. Dabei erhielt er versehentlich ein Briefing über sich selbst und Anmerkungen für seine Interviewpartner, die Microsoft und die PR-Firma Waggener Edstrom zusammengestellt hatten.
    Quelle: LobbyControl

Rubriken:

Hinweise des Tages

Schlagwörter:

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!