Dramatischer Rückgang der Studierenden nach Einführung von Studiengebühren in NRW
Zum Start des Sommersemesters – dem zweiten Semester mit Studiengebühren – ist die Zahl der Studierenden an der größten nordrhein-westfälischen Universität zu Köln erneut um 5.000 Studierende gesunken Nachdem schon bei Einführung der Studiengebühren in NRW ein Rückgang der Erstsemesterzahlen um 5,3 Prozent zu verzeichnen war. An der benachbarten Uni Bonn ging die Zahl der Studierenden seit Einführung von Studiengebühren um 7.000 zurück. Das entspricht einem Rückgang von ca. 25 Prozent. Was jeder vorhersehen konnte, scheint einzutreten: Der höhere Preis senkt die Nachfrage nach Studienplätze – und das in einem Land, in dem ständig gefordert wird, dass wir mehr Studierende brauchen.
Eine weitere Ursache für den Rückgang der Studierendenzahlen dürfte auch der immer stärker um sich greifende örtliche Numerus Clausus durch die Einführung von Bachelor-Studiengängen sein. Viele Hochschulen nutzen diese Umstellung, um ihre Kapazitäten und die Zahl der aufzunehmenden Studierenden zu senken.
Das Versprechen war ja, dass mit den Studiengebühren, die Studienbedingungen verbessert werden sollen. Doch immer öfter hört man von Fällen, wo die „Mehreinnahmen“ für laufende Kosten, etwa für die Heizung der Hochschule eingesetzt werden. Auch die Uni Köln, weiß offenbar nichts Vernünftiges mit dem zusätzlichen Geld anzufangen, so soll eine Fakultät bis zu 100.000 Euro dafür erhalten, wenn sie einen grünen Punkt beim Kriterium „Studiensituation insgesamt“ im CHE-Ranking erreicht.
Das ist ein Beleg dafür, wie das Centrum für Hochschulentwicklung mit den von dem Bertelsmann-Think-Tank entwickelten „Qualitätskriterien“ die Studien-„Reform“ steuert.
Nach der Bertelsmann-Mission – und ihr folgt inzwischen ein Großteil der Wissenschaftspolitiker – sollen ja die Hochschulen künftig vor allem durch den Wettbewerb gesteuert werden.
Da für öffentliche Einrichtungen wie Schulen oder Hochschulen kein „Markt“ existiert, musste die Bertelsmann Stiftung wettbewerbliche Steuerungsinstrumente erst noch erfinden. Als Fiktion für den Marktwettbewerb dienen die Rankings.
Das CHE hat so in Deutschland die Hochschulrankings hoffähig gemacht.
Inzwischen veranstaltet Bertelsmann mit über 280 Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz das größte Hochschulranking im deutschsprachigen Raum und seit geraumer Zeit wird jedes Jahr ein Drittel der gesamten Fächerpalette neu gerankt.
Zusätzlich zu den Hochschulrankings gibt es noch ein CHE-ForschungsRanking, ein CHE-LänderRanking und sogar noch ein CHE-AlumniRanking. Als vermeintlich neutrale Medienpartner für die breite Veröffentlichung dienen die bürgerlich-liberale Hamburger „Zeit“ und vorher der als links-liberal geltende „Stern“.
Aus den Rankings sollen sich angeblich Qualitätsvergleiche ergeben und, wer am besten abschneidet, soll nach den Vorstellungen der Veranstalter solcher Rankings die Qualitätsmaßstäbe vorgeben. Das Ziel ist, dass sich die schlechter Platzierten im Wettbewerb an den besser Platzierten messen und dadurch eine Qualitätskonkurrenz zur „Entfesselung“ der Hochschulen angestoßen werden soll. So üben die Rankings einen Konformitäts- und Anpassungsdruck auf alle Hochschulen aus.
Man kann nun lange über die Sinnhaftigkeit von Rankings streiten. Über eine Tatsache führt nichts hinweg: Wie bei allen Vergleichsmessungen, geht es bei Rankings darum, dass Qualität quantifiziert werden muss. Oder anders: Man muss Qualität in Quantitäten ausdrücken, denn nur so lässt sich vergleichen und messen.
Da werden dann Studierende nach der Studienorganisation, nach der Betreuung, nach dem Kontakt zu Lehrenden gefragt. Vergleichsmaßstäbe sind ferner die Zahl der Lehrevaluationen, das Angebot an E-Learning, von AV-Medien oder IT-Infrastruktur und ähnliche Ausstattungskategorien.
Wie sollte eigentlich ein Studierender ein vergleichendes Urteil über die Studienorganisation an seiner Hochschule fällen können, obwohl nur die wenigsten unter ihnen Erfahrung mit einer anderen Hochschule und damit einen Vergleichsmaßstab haben können? Warum wurde eigentlich nicht nach der wissenschaftlichen Qualität der Lehre gefragt?
Die Hochschulen haben keine Kontrolle über die Daten, es ist völlig undurchschaubar, ob Vergleichbares verglichen worden ist.
Ich will allerdings nicht bestreiten, dass manche dieser erhobenen Daten eine gewisse Aussagekraft besitzen, wer jedoch den verobjektivierenden Eindruck erwecken will, mit solche Umfragen und Zahlenangaben sei etwas über die Qualität von Forschung oder über die Qualität des Studiums oder gar etwas über die hoffentlich damit verbundene Bildung ausgesagt, der täuscht sich und andere.
Ist eine Lehrveranstaltung besser oder schlechter, weil dort E-Learning oder AV-Medien eingesetzt werden?
Wird der der Lehrstoff didaktisch besser aufbereitet weil die IT-Infraststrukur besser ist? So begrüßenswert solche Ausstattungen auch sein mögen.
Rankings sollen Objektivität vorspiegeln und deshalb heben sich solche Messungen ganz bewusst von der Urteilsfähigkeit der Scientific Community, also dem Urteil der Fachkollegen untereinander oder der Einschätzung Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden ab.
Die Fetischisierung der Rangliste sei Ausdruck und Symptom einer „spezifischen Erscheinungsform von Unbildung“, nämlich mangelnder Urteilskraft, schreibt der Wiener Philosoph Konrad Paul Liessmann in seinem Buch „Theorie der Unbildung“.
„Tatsächlich ersetzt jede Reihung ein qualifiziertes Urteil, da sie besessen ist von der falschen Vorstellung, Urteilen hieße Quantifizieren“, meint Liessmann.
Nun muss man den neuhumanistischen Bildungsbegriff des Philosophen nicht teilen, aber Recht hat Liessman, wenn er schreibt, dass der Gedanke des Vergleichens und der Reihung in Verbindung mit dem Paradigma betriebswirtschaftlichen Denkens steht, das den Betriebsablauf von Hochschulen eher mit dem von Unternehmen vergleicht.
Geradezu ein Musterbeispiel für die Ökonomisierung des bildungspolitischen Denkens ist die seit über 10 Jahren andauernde Kampagne des CHE für die Einführung von Studiengebühren.
Zu Recht meint der Bildungsreferent des Bonner AStA, Daniel Weber zur Verteilung der Studiengebühreneinnahmen nach der Platzierung in den CHE-Rankings: „Eine solche Verfahrensweise ist kein Qualitätsmanagement – es zeigt, wie niedrig die Qualität der selbsternannten Uni-Manager ist!”