Ein wichtiger Streiter für demokratische Verhältnisse und neue Ideen ist leider gestorben: Frank Schirrmacher
Der Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war ein Freund der NachDenkSeiten. Wir verlieren mit ihm den einzigen herausgehobenen Publizisten, der den Mut hatte zu bekennen, dass es um die Pluralität der deutschen Medien nicht sonderlich gut steht. Schon deshalb fand er unsere Arbeit sympathisch, ohne im Einzelnen und auch bei wichtigen Fragen der gleichen Meinung zu sein.
Das waren wir nicht. Die erste Berührung mit seiner Arbeit hatte ich, als sein Buch „Das Methusalem-Komplott“ erschien. Seine Sorge um den demographischen Wandel und den Anstieg des Altersdurchschnitts unseres Volkes teilte ich nicht und schrieb just im Jahr seiner Buchveröffentlichung in der „Reformlüge“ Kritisches über seine Ängste. Wie er darauf reagierte, war typisch für die Toleranz, die Frank Schirrmacher eigen war. Der Disput war der Anlass für einen bis zu seinem Tod anhaltenden freundschaftlichen Austausch. Wir trauern um ihn aus guten Gründen.
Frank Schirrmacher wird den Demokraten in unserem Land sehr fehlen. Um diese Einschätzung zu verstehen, muss man beobachten, was hierzulande zur Zeit abläuft: Abweichende Meinungen werden belächelt oder totgeschwiegen; Kritik an Medien wird als demokratiefeindliche Meckerei stigmatisiert. Medien fühlen sich sakrosankt; herausgehobene Medienschaffende reagieren auf Kritiker aus den eigenen Reihen mit gespreizten Federn wie auf Nestbeschmutzer. Frank Schirrmacher war dieser biedere Reflex des Die-Reihen-Schließens fremd und vermutlich auch verdächtig. Die Demokraten in Europa bräuchten ihn noch.
Frank Schirrmacher hat bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit seiner Feder und seiner Herausgeberschaft dafür gesorgt, dass diese Blätter nicht nur von wirtschaftsnahen Konservativen, sondern auch von Linksliberalen und Linken gelesen werden; er öffnete ihnen auch die Spalten der Frankfurter Blätter. Dafür hat er vermutlich oft Kritik und vielleicht auch manchen herben Schlag aushalten müssen. Die Kritiker dieser von ihm betriebenen Öffnung sollten sehen, wie gut das ihren Zeitungen und ihrem Verlag tat. In diesem Sinne kann man nur hoffen, dass dieses sein Vermächtnis lebendig und wirksam bleibt.
Bei allen wichtigen Fragen unserer Zeit konnte man sich auf sein sachkundiges und von Menschlichkeit geprägtes Urteil verlassen: Er war ein Freund wirklich demokratischer Willensbildung; er war ein Freund des friedlichen Zusammenlebens der Völker; er liebte Europa und die europäische Zusammenarbeit; er war neugierig.
Wenn wir viele Schirrmachers hätten, bräuchten wir uns keine Sorgen um die Zukunft der Demokratie, Europas und des Friedens zu machen. Jetzt haben wir erstmal den einen, den richtigen, den Frank Schirrmacher nicht mehr. Deshalb die Trauer und die Sorge. Und die Hoffnung, sein Wort und sein Charakter mögen noch lange ausstrahlen.
Albrecht Müller
Für die Herausgeber, die Autoren und viele Leserinnen und Leser der NachDenkSeiten