Deutschland ohne EU – ein Horror-Szenario
“Absurde Subventionen, bizarre Vorschriften: Die Kritik am Bürokratiemonster Brüssel ist groß. Doch was wäre Deutschland ohne die EU? Volkswirte malen ein Schreckensszenario: Das Land verfiele ins Chaos, Arbeitskräfte wären nur noch in der Landwirtschaft gefragt“, schreibt SpiegelOnline so oberflächlich wie meist.
O.P, ein Freund der NachDenkSeiten, kommentiert.
Das wirklich erschreckende an diesem Spiegel-Artikel zum 50.Jahrestag der Römischen Verträge ist die schlichte, ja falsche Argumentation. Die Europäische Union wird einseitig auf eine einfache Freihandelszone reduziert. Aber selbst wenn man dieser Anschauung folgt, welche durchaus von einigen Mitgliedstaaten geteilt wird, ist es geradezu absurd, Handelsdaten von heute einer Nichtmitgliedschaft in der heutigen EU gegenüber zu stellen.
Drehen wir die europäische Integration um zwei Dekaden zurück – also ohne Binnenmarkt und Währungsunion. 1985 betrug der Anteil der deutschen Exporte in die heutigen Mitgliedsländer knapp 60% am Gesamtexport. Die Differenz zu den heutigen 64% lässt sich locker durch den Fall des Eisernen Vorhangs erklären. Der Anteil mit dem auch damaligen Haupthandelspartner, Frankreich betrug 11% – heute 10%. Ein „Horrorszenario“, ein „Desaster“? Aus Sicht der Handelsvorteile hätte die europäische Integration bei der Schaffung der Zollunion 1968 stehen bleiben können.
Der Hinweis auf den Cecchini-Bericht ist ein echtes Eigentor. Die Fehleinschätzung dieser groß angelegten Studie zeigt einmal mehr, wie sich das Wunschdenken der Kommission in wissenschaftlichen Gutachten niederschlägt. Der Bericht propagierte für die marktwirtschaftliche Integration der EG-Mitgliedsstaaten über Kostendegressionseffekte in der gewerblichen Wirtschaft innerhalb einer sechsjährigen Übergangszeit ein Wachstum des BIP von 4,5% und 1,8 Mio. zusätzliche Arbeitsplätze gegenüber dem status-quo. Realiter lagen die Wachstumsraten der 90er Jahre in der EU mit durchschnittlich 2,1% unter denen der 80er mit 2,4%, dem Krisenjahrzehnt, das mit dem Binnenmarktprogramm überwunden werden sollte. Die Arbeitslosenquote erreichte mit durchschnittlich 10% in den 90er Jahren einen skandalösen Höhepunkt.
Tatsache ist, dass im europäischen Binnenmarkt ein erstaunlicher Konzentrationsprozess abgelaufen ist, während ansonsten die Staaten, Regionen, Gemeinden und Individuen sich einen ruinösen Konkurrenzkampf liefern. Im Monti-Bericht, in welchem die ersten Ergebnisse zum Binnenmarkt zusammenfasst wurden, heißt es dann: „…. Im wirklichen Leben läuft es aber nur selten so glatt.“
Wenn man die Entwicklung seit den Römischen Verträgen unter ökonomischen Aspekten betrachtet, sind die letzten 15 Jahre kein Ruhmesblatt für eine europäische Wirtschaftspolitik, die im Zeichen der Maastrichtkriterien weit unter ihren Möglichkeiten blieb, ja das europäische Wirtschaftspotenzial blockierte.