Die Hybris der Atomwirtschaft – die Lasten sollen mal wieder sozialisiert werden und der Bund wird wahrscheinlich einknicken.
Von Anfang an und immer wieder wurde behauptet, die Kernenergie sei die billigste Energie und man könne deshalb nicht auf sie verzichten. Schon in den frühen Auseinandersetzungen haben jene Gegner, die des Rechnens und der Voraussicht fähig sind, darauf hingewiesen, dass die Kernenergie eine der teuersten Energieformen sein wird, wenn man – wie sogar bei Betriebswirten üblich – alle Kosten in die Kalkulation einbezieht. Im konkreten Fall sind das die Kosten der Entsorgung der Kernkraftwerke, die Risiken eines Kernkraftunfalls und mögliche Spätfolgen für eine Kette von weiteren Generationen. Die Atomwirtschaft und ihre Befürworter in Wissenschaft und Politik haben diese sachlichen Argumente immer beiseite gewischt. Jetzt versuchen sie sozusagen durch die Hintertür, ihre Risiken auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Siehe hier „Bund soll Abriss von Atom-Meilern finanzieren“. Ein eigentlich unglaublicher Vorgang. Von Albrecht Müller
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Leider steht zu vermuten, dass sich die Energie-Konzerne auch mit dieser ihrem eigenen ökonomischen Denken widersprechenden Forderung durchsetzen.
Die Unternehmen, die den Vorschlag für eine öffentliche Stiftung, die die schlechten Risiken ihres Treibens übernehmen soll, einbrachten, sind in mächtigen Bundesländern verankert: EnBW in Baden-Württemberg, E.on in Bayern und Nordrhein-Westfalen, RWE in Nordrhein-Westfalen, und alle zusammen auch in norddeutschen und ostdeutschen Bundesländern. Das bedeutet: Zur Rettung ihrer für die einzelnen Bundesländer wichtigen Unternehmen werden sich der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg Kretschmann, der christ-soziale bayerische Ministerpräsident Seehofer und die sozialdemokratische Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen Kraft zusammentun. Das reicht schon für eine starke Lobby. Die Umweltministerin des Bundes kommt übrigens auch aus Nordrhein-Westfalen.
Die Konzerne haben außerdem mit ihren bzw. ihrer Aktionäre Klagen gegen die Ökostromumlage schon Hebel für das Einknicken des Bundes eingebaut.
Und insgesamt gilt, dass der Bund regelmäßig dann, wenn es um Forderungen der Großwirtschaft im Verein mit den interessierten Gewerkschaften geht, die ökonomische Vernunft beiseite schiebt. So geschehen bei der Entlastung der energieintensiven Unternehmen von der EEG-Umlage mittels hoher Rabatte. Diese Entlastung widerspricht zwei ökonomischen und ökologischen Notwendigkeiten: erstens der erklärten Absicht, Energie zu sparen, und zweitens der Notwendigkeit, diese meist exportintensiven Unternehmen nicht zu entlasten, sondern mehr zu belasten, um dem Ausgleich der Leistungsbilanzen im Eurobereich wenigstens ein Schrittchen näher zu kommen. Dass im Bundeswirtschaftsministerium ökonomische Vernunft herrsche, kann man beim besten Willen nicht behaupten.