DLF-Abgesang auf Privat-Unis – Bertelsmann debattierte mit sich selbst
Der staatstragende Deutschlandfunk (DLF) bot am 25.04.2014 diversen Bertelsmann-Lobbyisten und Vertretern „unternehmerischer“ Hochschulen ein Forum zur Debatte von Bertelsmanns Lieblingsthema, nämlich der Bildungsprivatisierung. Es ging darum, das klägliche Scheitern der deutschen Privat-Unis zu erklären. Drei Dinge interessierten in dieser Sendung überhaupt nicht: 1.Bildung, 2.Wissenschaft und 3. die Belange der Studierenden. Es ging um Bildungsvermarktung, -finanzierung und sonstige Bildungs-Konzerninteressen sowie um die Selbstdarstellung der Diskutanten und Moderatoren. Von Daniela Lobmueh[*].
Zunächst die offizielle Ankündigung im DLF:
Private Hochschulen in Finanznot – Von der Eliteuniversität zum Auslaufmodell?
18 Privathochschulen zählte das Statistische Bundesamt 1993. Im vergangenen Jahr waren es schon 129. Mehr als 100.000 Studierende besuchen in Deutschland eine Hochschule in privater Trägerschaft. Besonders beliebt sind die Business Schools. Doch angesichts finanzieller Schwierigkeiten sinkt ihr Ansehen.
Dabei ist es mit dem Managementwissen der Hochschulen selber anscheinend nicht weit her. Viele private Universitäten sind verschuldet. Die European Business School in Oestrich-Winkel schreibt rote Zahlen, die Handelshochschule Leipzig macht seit Jahren Verluste. Auch die private Jacobs University in Bremen, die einst als “Harvard an der Weser” an den Start ging, kämpft ums Überleben.
Der Nimbus der Elitehochschulen schwindet angesichts der finanziellen Misere vieler Universitäten in privater Trägerschaft zusehends.
Quelle: DLF
Im „Hochschulquartett“ diskutierten:
- Dr. Jörg Dräger, Geschäftsführer Centrum für Hochschulentwicklung CHE
- Prof. Jürgen Hesselbach, Präsident der TU Braunschweig
- Prof. Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg
- Prof. Karsten Schmidt, Lehrstuhl für Unternehmensrecht und ehemaliger Präsident der Bucerius Law School
Moderation:
Michael Kröher, manager magazin und Christian Floto, Deutschlandfunk
Liz Mohn und ihre Rollenspiele
DLF-Thema war: „Von der Elite-Uni zum Auslaufmodell“. Bertelsmann stellte dabei sowohl die Befürworter, die Bedenkenträger als auch die Kritiker der Privat-Unis und zeigte damit eindrucksvoll, was totale Medienhegemonie bedeutet. Die Milliardärsfamilie Mohn mit der Firmenpatriarchin Liz Mohn an der Spitze verstand sich schon immer auf Tarnen und Täuschen, kaum ein Medienkonsument weiß zum Beispiel, wer sich hinter Ufa, RTL, STERN, SPIEGEL usw. verbirgt. Ihr Einfluss reicht tief hinein in viele andere Medienbereiche, inklusive der öffentlich-rechtlichen Sender. Der gebührenfinanzierte, angeblich ausgewogene Staatssender DLF (Markenzeichen: Vier von sieben Mitgliedern des Verwaltungsrats sind Vertreter des Staates, im Hörfunkrat nahezu die Hälfte der Mitglieder Vertreter von Bund und Ländern) bot fast eine Stunde kostbarer Sendezeit für Akteure seiner privaten Konkurrenz auf. Bertelsmann konnte lang und breit darstellen lassen, was dem Medienimperium und Bildungskonzern am Thema Uni wichtig ist. Vor allem konnte alles verschwiegen werden, was für Bertelsmann bei diesem Thema peinlich wäre: Die Drahtzieher-Rolle der Bertelsmann-Stiftung beim sog. „Bologna-Prozess“, auch „Bologna-Desaster“ genannt: die Bachelor/Master-Einführung, also Bildungs-Plattmache nach US-Modell. Etwas Drive bekam die Herrenrunde nur durch die Dramaturgie der verteilten Rollen.
Man debattierte also Pro- und Kontra der Privat-Unis, aber immer ganz im Sinne Bertelsmanns. Da der Konzern die Machtstrukturen der meisten staatlichen Unis wie bei privaten Unternehmen umgekrempelt hatte, fiel der Abschied vom Traum der Milliarden-Profite durch Privat-Unis weniger schwer. Von Wirtschaftsvertretern dominierte sog. „Hochschulräte“ beherrschen heute die staatlichen Unis, die stramm hierarchisch von Dekanen und Präsidenten geführt werden, die ihre Erfolge am Wettbewerb um die Einwerbung von Drittmitteln messen. Die ehemals Bildungs-, nun nur noch Ausbildungs-Inhalte, orientieren sich an Verwertbarkeit im praktischen Bachelor/Master-Modulsystem: Jedem Wirtschaftszweig seinen passenden Studiengang. Oder auch: Geld regiert die Welt, vergesst Kultur, Soziales, Wissenschaft und alles andere, wofür staatliche Universitäten eigentlich da sind. Wer braucht Privat-Unis, wenn die staatlichen Unis wie private Wirtschaftsunternehmen geführt werden und nach wirtschaftlichen Verwertungsinteressen gesteuert werden? Diese „Bertelsmann-kritischen“ Fragen wurden natürlich nicht aufgeworfen – auch von den Moderatoren nicht.
So verschwieg die Runde etwa auch Bertelsmann-Propaganda für die Einführung von Studiengebühren. Diese Abzocke für das Grundrecht auf Bildung wurde maßgeblich von der Bertelsmann-Konzernstiftung und ihrer Tarnorganisation, dem CHE (Centrum für Hochschulentwicklung) propagiert und durchgesetzt. Die Stiftung und das CHE hatten dafür ein dichtes Netzwerk mit SPD-, Gewerkschafts- und Grünen-Stiftungen geknüpft – man könnte geradezu von Unterwanderung sprechen.
DLF verschwieg Sieg der Studenten über Bertelsmann
Erst die Aufdeckung dieser Machenschaften und ihre Verbindung zu Bertelsmann-Plänen zur Privatisierung des „Bildungsmarktes“ konnten den durch Bertelsmann-Medien von RTL bis SPIEGEL lautstark propagierten Siegeszug des Bezahl-Studiums in der deutschen Hochschul-Landschaft stoppen. Nachfolgende jahrelange Studierendenproteste brachten die von Bertelsmann und anderen Wirtschaftslobbyisten gesteuerten Politiker von SPD und Grünen, ja schließlich sogar von CDU (Hessen) und CSU (Bayern), zum Einknicken und damit die Studiengebühren als Eckstein der Bildungs-Privatisierung zum Einsturz.
Nachdem die staatlichen Hochschulen wieder ohne Bildungs-Maut besucht werden konnten, erstickte das Geschäftsmodell der „Ausbildungs-Industrie“ zunächst. Von diesem Hintergrund erfuhr der DLF-Hörer aber nichts, und über die Hintergründe der Privatisierung der Bildung sehr wenig.
Es gab nur ein paar statistische Daten zur Lage, die für DLF-Reporter und diskutierenden Bildungs-„Experten“ wohl irgendwie vom Himmel gefallen war: Von 300 deutschen Hochschulen sind heute 129 private, also knapp 45%, die aber nur 5% der Studierenden ausbilden und dabei am Rande der Pleite stehen, weshalb sie immer lauter um Staatsknete betteln. (Dräger plädierte sogar dafür, dass private Hochschulen wie private Schulen staatlich finanziert werden sollten.) Nur 30 der 129 Privat-Unis könnten ohne auf Honorarbasis angeheuerte Lehrkräfte der staatlichen Unis existieren; sie werden also überwiegend parasitär betrieben, einen Doktortitel dürfen (glücklicherweise) nur 12 vergeben.
Stelldichein der Bertelsmänner
Prof. Karsten Schmidt, Ex-Präsident der Bucerius Law School, die von der ZEIT-Stiftung gesponsert wird. Die „ZEIT“ ist Bertelsmanns engster Propaganda-Partner beim sog. „Hochschul-Ranking“ des CHE, dessen Ziel: Den „Wettbewerbs-Gedanken“ in der Bildungslandschaft durchsetzen, Anpassungsdruck auf Hochschulen ausüben, sich nach Bertelsmann-Kriterien konform verhalten. Schmidt hatte beim DLF den Part, Privat-Unis zu verteidigen: Die Bucerius Law School setzt auf Exzellenz, Autonomie und Nachhaltigkeit, finanziert sich zu 50% durch die ZEIT-Stiftung, zu 25% aus Studiengebühren und sie setze angeblich Maßstäbe.
Dr. Jörg Dräger, Ex-Bildungssenator in Hamburg, heute im Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, war der einzige, dessen Bertelsmann-Beziehung offengelegt wurde. Dass er als Hamburger Amtsträger die Bertelsmann-Linie gnadenlos durchdrückte und wohl nur deshalb seinen gut dotierten Posten in Gütersloh bekam, erwähnte er natürlich nicht. Er brauchte in dieser Runde keinen allzu großen Widerstand zu erwarten und konnte sich vornehm auf die stimulierende und ergänzende Rolle privater Hochschulen zurückziehen.
Prof. Dieter Lenzen, amtierender Präsident der Uni Hamburg, einstmals als Präsident der FU Berlin vom CHE und der Financial Times Deutschland (ebenfalls Bertelsmann, inzwischen pleite) 2008 zum „Hochschul-Manager des Jahres“ gekürt und so nach Hamburg hochgelobt, wo er dort das Werk des durch die Drehtür zu Bertelsmann gegangenen Jörg Drägers – verbindlich in der Form aber hart in der Sache fortgesetzt. Er gab in der Sendung den Kritiker der Privat-Unis, indem er seinen Kollegen Schmidt keck fragte, welche Maßstäbe seine private Law School denn gesetzt habe. Der kam, darauf offenbar nicht vorbereitet, schwer ins Stottern und konnte nicht viel Konkretes nennen.
(Den DLF-Moderatoren fielen eigentlich keinerlei drängende Fragen an das „Hochschulquartett“ ein).
Der vierte vom DLF Eingeladene war der beim Sender häufiger auftauchende Präsident der TU Braunschweig, Mitglied des elitären Clubs der „TU9 German Institutes of Technology e. V.“. Seine wortreichen Diskussionsbeiträge beschränkten sich im Wesentlichen darauf, auf den höheren Geldbedarf Technischer Unis hinzuweisen („Das MIT kriegt eine Milliarde jährlich, ich weiß jetzt nicht ob Dollar oder Euro, aber für nur 10.000 Studierende“).
Alles in allem bot der DLF eine unfreiwillig selbstentlarvende Vorstellung von abgehobenen Bildungs“experten“, die nur ein abschreckendes Beispiel dafür lieferten, wie wenig es an deutschen Hochschulen noch um Bildung geht, sondern vor allem um Marketing und um die Selbstdarstellung von sich selbst als Manager präsentierenden Universitätsleitern.
Den Auftrag eine vielfältige, das Thema aus unterschiedlichen und widerstreitenden Blickwinkeln beleuchtende, ausgewogene Berichterstattung für seine Hörerinnen und Hörer zu bieten, konnte der DLF einmal mehr nicht erfüllen.
Unterhaltungswert hatte lediglich, wenn ab und zu eher unfreiwillig einige der rhetorischen Luftblasen gegeneinander prallten und platzten.
Bildung beim DLF: „Campus und Karriere“
Kein Wunder, hatte der Sender doch die Bildungs-Kommerzialisierung von CHE und Bertelsmann in den letzten zehn Jahren durch ein eigens eingeführtes Hörfunk-Magazin für Studierende unterstützt. Dort erklingen bis heute täglich unhinterfragt die neuesten Verlautbarungen des CHE, abgemischt mit O-Tönen stromlinienförmiger Studenten und dem, was der DLF für angesagte Musik hält. Der Titel des Magazins legte gleich fest, worum es im Studium zu gehen habe: Um „Campus und Karriere“ – deswegen in studentischen Kreisen auch als „Schampus und Karriere“ verhöhnt. Nur am Rande geht es in dieser Sendung um Bildung, um Kultur, gesellschaftliche und soziale Verantwortung, Wissenschaft und Hochschulen. Die Grundlinie dieser Sendung entspricht der wirtschaftsnahen, aber ziemlich demokratiefernen Denke des Neoliberalismus.
Einer der Bertelsmänner argumentierte in diesem Ungeist recht absonderlich, aber ohne Einwände der Anwesenden: Da es keine Pflicht zum Studium gebe, sei der Staat auch nicht verpflichtet, für alle einen Studienplatz zu garantieren. Kosten-Nutzen-Kalkulation statt Grundrecht auf Bildung?
Quellen
- Böckelmann, Frank und Hersch Fischler: Bertelsmann: hinter der Fassade des Medienimperiums, Frankfurt 2004
- Fischler, Hersch: Bertelsmann –Konzerngeschichte, in: T.Barth (Hg.): Bertelsmann: Ein Medienimperium macht Politik. Mit Beiträgen von Hersch Fischler, Eckart Spoo, Martin Bennhold u.a., Hamburg 2006
- Lieb, Wolfgang: Welche Ziele verfolgt Bertelsmann in der Hochschulpolitik? NDS Nachdenkseiten, 28. August 2012
[«*] Daniela Lobmueh, geb.1989, studiert auf Lehramt Politik/Informatik in Hamburg