Hinweise des Tages
(KR/WL)
- Die Legende von der heiligen Ursula
Familienfreundlich? Von der Leyen nimmt Kindern Milliarden weg. In der Öffentlichkeit völlig vergessen sind die Januar-Beschlüsse des vergangenen Jahres: Die Streichung der Eigenheimzulage, Kürzung der Pendlerpauschale, Beschränkung des Kindergelds nur bis zum 25. Lebensjahr und die Mehrwertsteuererhöhung – unterm Strich kinderbedingte Mehrkosten von weit über zehn Milliarden Euro. Rechnet man noch die Streichung der Familienzulagen im öffentlichen Dienst dazu, sind es weitere vier Milliarden Euro Minus. Dem stehen die verbesserte steuerliche Anerkennung von Kinderbetreuungskosten und das Elterngeld mit Mehrkosten von insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro gegenüber. Also ein sattes Minus für alle Familien. Hinzu kommen die massiven Kürzungen bei nicht(voll) erwerbstätigen, armen oder kinderreichen Eltern und Studenten durch das Elterngeld.
Quelle: TagesspiegelAnmerkung: Diese Aufrechnung ist richtig, aber ansonsten enthält der Beitrag einige Ungereimtheiten. Wenn man auf den Betrag von 184 Milliarden Euro „Familienförderung“ kommen will, muss man schon ziemlich viel zusammenzählen: von steuerlichen Maßnahmen, über familienbezogene Maßnahmen bei den Sozialversicherungssystemen (Rente, Krankenversicherung), die ja schließlich nicht der Staat, sondern die Beitragszahler finanzieren, über Sozialhilfe, Schul- oder Kindergartenbau bis hin zum BaföG oder den Leistungen von Arbeitgebern etc.
Richtig ist allerdings, dass die Bereitstellung von mehr Kitas eine Mogelpackung darstellt, wenn die Mittel vorher von den Familien abkassiert werden. - Arbeitsmarktreform: Wer hat, dem wird gegeben
Durch den gesunkenen Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung erzielen die wirtschaftlich starken Ballungszentren in Westdeutschland die größten direkten Einkommensgewinne. Der Rückgang bei den Ausgaben für die aktive Arbeitsmarktpolitik betrifft hingegen vor allem die strukturschwachen Regionen. Da von diesen Ermessensleistungen ostdeutsche Regionen besonders profitierten, wirkt sich dort die rückläufige Ausgabenentwicklung auch am stärksten aus.
Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit [PDF – 1.5 MB] - Ist die Erwerbstätigenstatistik des Bundesamtes für Statistik noch aussagekräftig?
Nach den neuesten vorläufigen Berechnungen erhöht sich die Zahl der Erwerbstätigen gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum um 452 000 Personen oder 1,2% auf 39,7 Millionen.
Quelle: Bundesamt für StatistikAnmerkung: Der Sachverständige Rürup und der Chefvolkswirt der Dresdner Bank, Heise, jubeln. Man muss sich allerdings fragen, ob die Zahlen des Bundesamtes überhaupt noch etwas aussagen. Nur an einer Stelle wird die Statistik etwas transparenter, so wird im Dienstleistungsbereich ein Anstieg von 1,6% gemeldet, aber eingeräumt, dass zu diesem Gesamtergebnis auch das Wachstum der den unternehmensnahen Dienstleistungen zugehörigen Zeitarbeitsbranche beitrug.
Wie hoch ist jedoch der Anteil ehemals nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigter, die jetzt als geringfügig Beschäftigte zu den Erwerbstätigen gezählt werden? Welchen Anteil machen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Niedriglohnbereich oder mit Zeitarbeitsverträgen aus?
Nur mit solchen Angaben könnte man sich ein einigermaßen gesichertes Urteil bilden, ob die Zunahme der Zahl der Erwerbstätigen tatsächlich etwas mit der Konjunktur zu tun hat oder ob es sich nur um eine Umverteilung der Arbeit von Vollerwerbstätigkeiten in prekäre Arbeitsverhältnisse handelt. - Referendare wehren sich gegen Lohnraub
Propagieren die Politiker in der Öffentlichkeit auch noch so häufig eine Verbesserung der Bildungslandschaft, tatsächlich handeln sie genau umgekehrt: Der neue Tarifvertrag der Länder (TV-L) bedeutet nach Angaben der Kritiker für Lehramtsanwärter Gehaltseinbußen von bis zu 1000 Euro netto im Monat.
Quelle: Junge Welt - Schwere Vorwürfe gegen die Bahn
Einem Bericht zufolge soll der Konzern bei der Instandhaltung seines Schienennetzes sparen und notwendige Reparaturen in den vergangenen Jahren verschleppt haben. Die “Hannoversche Allgemeine Zeitung” hatte unter Berufung auf einen Bericht des Bundesrechnungshofes geschrieben, der Betriebszustand des Gleisnetzes habe sich stark verschlechtert. Einige der angeführten Mängel seien sicherheitsrelevant.
Quelle: Manager Magazin - EADS: Industriepolitische Passivität muss ein Ende haben
Der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE, Herbert Schui, sagte, dass das EADS-Sanierungsprogramm “Power 8” nichts mit den Problemen bei der Produktion des A380 zu tun habe. Das sei nur eine Ausrede. “Das Sanierungsprogramm geht auf eine Studie von Goldman Sachs zurück, die bereits am 26. September 2006 vorgestellt wurde. Es geht dabei schlicht um Lohnkürzungen. 10.000 Stellen sollen gestrichen, die Arbeitszeit der verbleibenden Beschäftigten verlängert und die Werke Nordenham, Varel, Méaulte und Saint Nazaire sollen verkauft und zu Billig-Zulieferern gemacht werden”.
Quelle: Linkszeitung - Niedrige Flugpreise sind eine «Sünde»
Die Steuerfreiheit für Kerosin ist eine «Sünde», klagt der Chef des Umweltbundesamtes im Interview mit Netzeitung.de. Wegen höherer Preise würde der Flugverkehr nicht zusammenbrechen, meint Andreas Troge: „Wir können jenen, die sich das Fliegen nicht leisten können, nicht erklären, warum der einzelne Autofahrer für die wenigen Tonnen CO2, die er emittiert, nicht nur Mineralöl-, sondern auch Ökosteuer zahlt, die Fluggäste aber nicht.“
Quelle: Netzeitung - Besser als die schadstoffbezogene Kfz-Steuer wäre ein klares Verbot von Spritfressern.
Während sich ein Porschefahrer ohne weiteres ein paar hundert Euro Aufschlag leisten kann, wird die Mobilität für den Fahrer eines alten Golfs zum finanziellen Problem.
Quelle: FRAnmerkung: Die Debatte um eine schadstoffbezogene Kfz-Steuer ist wohl eher ein Ablenkungsmanöver der Bundesregierung von der EU-Forderung nach Schadstoffgrenzwerten. Die Kfz-Steuer als Fixkostenbelastung (d.h. unabhängig von der Fahrleistung) ist doch ohnehin nur noch am Leben, weil diese Steuer den Ländern zukommt. Viel effektiver wäre es, nur die variablen Kosten beim Autoverkehr, also den Spritverbrauch, zu belasten. Dann würden Vielfahrer und Spritschleudern zu den Umwelt- und Ressourcenbelastungen herangezogen, die sie verursachen.
Die Vorschläge des Bundesverkehrsministers sind eher ein Konjunkturprogramm für die Automobilindustrie zur Anschaffung von steuergünstigeren Neuwagen.
Siehe dazu auch: FR - Michael Müller: Ökologie ist eine Fortentwicklung der Idee einer sozialen Demokratie
…denn sie geht ebenfalls von der Idee der Solidarität, Gerechtigkeit und Zukunftsverantwortung aus. Wenn diese These stimmt, brauchen wir heute völlig andere Instrumente. Jene der sozialen Demokratie waren hohes Wachstum plus Nationalstaat. In globalen Zeiten ist Letzteres schon mal weitgehend weggefallen.
Quelle: tazAnmerkung: „Wir leben immer mehr in Teilwelten mit einer Partiallogik“, meint Müller. Genau dieser Partiallogik scheint der neue Umweltstaatsekretär verfallen zu sein, denn gerade dadurch, dass er die Ökologie gegen Wohlfahrt, Arbeit, Sozialverträglichkeit, und wirtschaftliche Leistungskraft ausspielen möchte, geht die von ihm postulierte „Rationalität der Gesamtentwicklung“ verloren.
- Rolf Linkohr als Sonderberater des EU-Energiekommissars entlassen
Der ehemalige SPD-Europaabgeordnete und Direktor der Beratungsfirma Centre for European Energy Strategy (C.E.R.E.S.) Rolf Linkohr ist von seinem Posten als Sonderberater des EU-Energiekommissars entlassen worden. Sein Beratervertrag wurde als beendet erklärt, nachdem er eine schriftliche Anfrage von Anti-Korruptions-Kommissar Siim Kallas nicht fristgerecht beantwortet hatte.
Quelle: LobbycontrolAnmerkung: Zur Vorgeschichte siehe Hinweis Nr. 7 vom 26. Januar 2007.
- In der Mitte brodelt es
Resignation und Rückzug: Damit reagiert die gebeutelte Mitte der Gesellschaft auf Abstiegsängste, Sozialreformen und die allgegenwärtige Ökonomisierung. Sie hat fast alles akzeptiert, was ihr abverlangt wurde – und sieht sich doch als eigentliche Verliererin.
Quelle: SPIEGELKommentar: Franz Walter, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Göttingen, beäugt die verunsicherte Mittelschicht. Und was kommt dabei heraus? Hier einige für die Qualität des Artikels durchaus repräsentative Beispiele:
- „Als Verbraucher, die jederzeit über preisgünstige und qualitativ geprüfte Angebote in den Supermärkten, Fachläden und Reisebüros der Republik Bescheid wissen, halten sich Mitte-Menschen für unschlagbar.“
- „Um Haus, Wohnung und Familie ranken sich überhaupt die Aktivitäten der Menschen in der bürgerlichen Mitte.“
- „Auch im ganz modernen Milieu der “Experimentalisten” benutzt man in der Freizeit gerne das Rad. Doch ist es dort nicht die gemütliche Fahrradtour, die begeistert, sondern harte Berg- und Geländetouren mit dem Mountainbike.“
- „Das Projekt- und Praktikumshopping bei niedriger Entlohnung macht allmählich müde beziehungsweise nervös.“
Die Suche nach Substanz schlägt weitgehend fehl. Eine Trivialität reiht sich an die andere, nirgendwo ist auch nur der Ansatz zu einer Analyse zu entdecken, wie und wodurch es zu dieser Verunsicherung gekommen ist. .
Über den Autor heißt es in Wikipedia: „Walter ist in der Politikwissenschaft nicht unumstritten. Kritiker bemängeln, dass sein Bemühen um ein breites Publikum mindestens teilweise auf Kosten der Wissenschaftlichkeit seiner Beiträge gehe, was sich etwa durch fehlende oder nur schlecht erkennbare Theoriebildung äußere. Bei Walter verschwimme die Grenze zwischen im strengeren Sinne wissenschaftlichen Arbeiten und journalistischen Aufsätzen.“ (Quelle: Wikipedia) Bei diesem Artikel muss man sogar Letzteres in Frage stellen. - Die Gedanken sind frei… oder doch nicht?
Richard Wilk hat einmal gesagt, dass die Ökonomen die Hohepriester unserer Zeit seien, weil sie den öffentlichen Diskurs und die getroffenen Entscheidungen mit ihren Lehren prägen.
Wie auf der Webseite von PAECON, dem Netzwerk für eine post-autistische, also pluralistisch orientierte Wissenschaft, dargelegt wird, dominieren eine Handvoll von Universitäten das ökonomische Denken. Alle diese Universitäten sind von der RAND-Corporation – einem Thinktank des Pentagons, finanziert worden und sie rekrutieren ihr Personal hauptsächlich untereinander.
Quelle: www.paecon.netAnmerkung: Das genügt sicher nicht als entscheidende Erklärung für die totale Dominanz der angebotsorientierten Lehre in Deutschland, ist aber allemal eine interessante Hintergrundinformation.
- Hermann Ploppa: „Die Macher hinter den Kulissen – Wie INSM, Atlantik-Brücke, Aspen-Institute und ähnliche Netzwerke Deutschland heimlich regieren“
Diese Studie bietet keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse. Sie stellt vielmehr die wichtigsten Befunde der letzten Jahre zu einem Menu zusammen für Leute, die sich um den Fortbestand unserer Kultur und Zivilisation große Sorgen machen, und die darüber nachdenken, wie man das Solidarische Prinzip, das unserer Verfassung und unserer Gesellschaftsordnung immer noch zugrunde liegt, nicht nur retten, sondern auch ausbauen kann.
Quelle: Gesellschaft und Visionen.de [PDF – 172 KB] - Im Netz entdeckt: Japans dritter Weg
Über Robert Lockes “Japan, Refutation of neoliberalism”, der beschreibt, wie Japan manche der Probleme löst, vor denen wir heute stehen.
Quelle: Sozialliberal blogKommentar: Robert Locke beschreibt ein Japan, das es so nicht mehr gibt: „Banking is extremely regulated in Japan, enabling regulators at the Ministry of Finance (MOF) to crack down on any bank at any time they see it doing something they don’t want it to. So the banks are subject to the whim of the government, which then controls the economy by controlling how the banks allocate all this capital.”
Tatsächlich hatte sich in Japan ein Machtkampf zwischen der Bank of Japan und dem Ministry of Finance (MOF) ereignet, der mit der Niederlage des Ministeriums und der Unabhängigkeit der Bank of Japan endete. In der Folge wurden der Kapitalmarkt liberalisiert, die Überkreuz-Beteiligungen der Unternehmen abgebaut, die Macht der Aktionäre gestärkt und die Wirtschaft insgesamt dereguliert (siehe „Princes of the Yen: Japan’s Central Bankers and the Transformation of the Economy“ von Richard A. Werner).
Zutreffend sind Lockes Ausführungen insofern, als Staatsbeamte bis in die Siebziger Jahre die Verwendung von Ressourcen (vor allem von Kapital und Rohstoffen) kontrollierten und auf diese Weise Lenkungsfunktionen ausüben konnten. Das ist mit neoliberalem Gedankengut völlig unvereinbar, hat den wirtschaftlichen Aufstieg Japans aber keineswegs behindert, sondern im Gegenteil die koordinierte Eroberung von Exportmärkten ermöglicht. - EZB-Neubau: Ein Euro-Krüppel
Bank und Architekten haben sich durchgesetzt: Der geplante EZB-Neubau in Frankfurt wird die Großmarkthalle, Elsaessers kubistisches Meisterwerk, überragen, durchbohren und verkrüppeln. Womit endlich die wahre Bedeutung jenes quietschbunten Denkmals deutlich wird, das seit der Währungsumstellung auf dem zentralen Willy-Brandt-Platz der Frankfurter City Europas Finanzen huldigt: Nicht Gemeinsinn, Pietät oder Ästhetik regiert das Bau- und Denkmalwesen dieser Stadt, sondern der Euro.
Quelle: FAZ - Merkwürdigkeiten aus dem Weißen Haus
Hat der frühere Stabschef des Weißen Hauses Libby gelogen, um Aktivitäten der Regierung gegen einen Kriegskritiker zu decken? Sein Strafverfahren gab seltene Einblicke in das ansonsten gut abgeschirmte Räderwerk der Machtzentrale.
Quelle: FAZ - Hedge-Fonds kaufen sich die amerikanische Politik
Ihre Motive sind klar – und politisch. Die USA, so Paul Singers erzkonservative Philosophie, seien gut beraten mit ihren globalen Alleingängen und müssten sich vor “internationalen Organisationen und Allianzen” weiter hüten. Giuliani sei derjenige, der das am strammsten durchziehen würde – erst recht jetzt, “in der Frühphase eines existenziellen Kampfes mit radikalen Elementen pan-nationaler Islamisten”.
Quelle: Spiegel Online