Was nützt ein „Hochschulzukunftsgesetz“, das Reformen in der Zukunft verbaut?
Die NRW-Landesregierung hat am 20. Februar einen überarbeiteten Entwurf eines Hochschulzukunftsgesetzes (HZG NRW) [PDF – 795 KB] vorgelegt. Im Neuentwurf sind zum allergrößten Teil nur redaktionelle, klarstellende oder symbolische Änderungen vorgenommen worden. An einigen Stellen sind verbindliche Regelungen zu Soll-Bestimmung abgeschwächt worden. Ein kleiner Reformschritt könnte der neu eingefügte „Rahmenkodex für gute Beschäftigungsbedingungen“ sein. Bei den vor allem von Seiten der Rektoren, der Hochschulratsvorsitzenden und von Wirtschaftslobbyisten besonders bekämpften Regelungen sind jedoch im neuen Entwurf entweder Klarstellungen im Sinne der Kritiker vorgenommen worden oder die Regierung ist vor dem öffentlichen Aufstand zurückgewichen oder hat einige Reizparagrafen gleich ganz gestrichen.
Man muss sich fragen, ob ein so entkerntes „Hochschulzukunftsgesetz“, das die Zukunft für ein Leitbild zu einer demokratischeren Hochschule in öffentlicher Verantwortung eher verbaut, überhaupt noch Sinn macht. Von Wolfgang Lieb.
Redaktionelle oder symbolische Änderungen sind beispielsweise, dass das „Präsidium“ wieder „Rektorat“ und die „Präsident/innen“ wieder „Rektor/innen“ heißt. Die Vizepräsident/innen im Bereich der Wirtschafts- und Personalverwaltungen sollen sich wieder Kanzler/in nennen dürfen. Einige Regelungen wurden innerhalb der Paragrafen und Gesetzesteile verschoben. An einigen Stellen sind verbindliche Regelungen zu Soll-Bestimmung abgeschwächt worden, so etwa bei der Entwicklung elektronischer Lehrangebote.
Neu eingefügt wurde ein § 34a, ein Rahmenkodex für gute Beschäftigungsbedingungen.
Neu ist auch, dass durch Rechtsverordnung geregelt werden kann, dass die Fachhochschulreife auch zu einem Studium an Universitäten berechtigt (§ 49 Abs. 1).
Bei den – vor allem von Seiten der Rektoren, der Hochschulratsvorsitzenden und von Wirtschaftslobbyisten – besonders bekämpften Regelungen, sind im neuen Entwurf entweder Klarstellungen im Sinne der Kritiker vorgenommen worden oder die Regierung ist vor dem öffentlichen Aufstand zurückgewichen oder man hat einige Reizparagrafen gleich ganz gestrichen. (Siehe dazu auch Ministerin Schulze entschärft Hochschulgesetz nach Kritik)
Klarstellungen bei der mehrjährigen Haushaltsplanung
Besonders hart ist kritisiert worden, dass die Hochschulen durch den im Referentenentwurf [PDF – 934 KB] vorgesehenen „Liquiditätsverbund“ in ihrer mehrjährigen Haushaltsplanung eingeschränkt seien.
Im neu gefassten § 5 Abs. 3 wird nun klarer formuliert, was von Anfang an intendiert war: nämlich dass in keiner Weise die Möglichkeit der Hochschulen beschnitten wird, Rücklagen zu bilden und diese auch überjährig bei den Hochschulen verbleiben, dass aber die vom Landesrechnungshof monierte, absurde Situation beseitigt wird, dass das Land für seine „Zuschüsse“ an die Hochschulen Zinsen für Kredite auf dem Kapitalmarkt aufbringen muss, während die Hochschulen mit „gesparten“, vorübergehend nicht benötigten Mitteln Zinseinnahmen erzielen können.
Man hat nun die Funktionsweise des Liquiditätsverbundes konkretisiert:
„Den Hochschulen werden die Haushaltsmittel nach Absatz 2 weiterhin zur eigenständigen Bewirtschaftung zugewiesen. Für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs unterhält jede Hochschule ein Girokonto bei der Landesbank oder der Bundesbank, über das der benötigte Landeszuschuss automatisiert in Anspruch genommen werden kann. Bis zum Ende des Haushaltsjahres nicht verausgabte Mittel werden durch das Land für die Hochschule verwahrt und stehen ihr als Rücklage zur Erfüllung ihrer Aufgaben überjährig zur Verfügung.“
(§ 5 Abs. 3 HZG NRW)
Überspitzt könnte man sagen, damit sei zwar den Hochschulen die Spekulation auf den Finanzmärkten für nicht verausgabte (aus Steuergeldern finanzierte) Zuschüsse versagt, sie könnten aber jederzeit auf das beim Land verwahrte Geld wie bei einem Girokonto zugreifen, ohne dass das Land für nicht abgerufene Gelder Zinsen bezahlen muss.
Wenn sich die Hochschulleitungen noch daran erinnern können, dass die Zuschüsse an ihre Hochschulen nicht aus ihrem „Umsatz“ stammen, sondern aus Steuern finanziert werden und dass der Staat zu einer sparsamen Haushaltsführung angehalten ist, dürften sie sich über diese Bestimmung nun wirklich nicht mehr beklagen.
Es sei denn, sie wollten riskieren, dass eines Tages der Landesrechnungshof die bisherige Vorgehensweise untersagt.
Landeshochschulentwicklungsplanung – mehr Einfluss der Hochschulen und Rechtssicherheit als zuvor
Als „Gängelung“ und „Rückkehr zur Detailsteuerung“ wurde kritisiert, dass künftig nicht mehr nur freischwebende, für ihre Amtsführung nicht rechenschaftspflichtige Hochschulräte aus einzelbetrieblicher Froschperspektive über die Entwicklungspläne der einzelnen Hochschulen entscheiden sollen, sondern insbesondere die Sicherstellung eines überregional abgestimmten Angebots an Hochschuleinrichtungen (z.B. Schließung und Gründung oder Ausbau von (Fach-) Hochschulen) und die Bereitstellung von Leistungsangeboten sowie die Gewährleistung einer ausgewogene Fächervielfalt wieder zu einer gemeinsamen Aufgabe von Land und Hochschulen werden soll.
Ich habe an anderer Stelle dargestellt, dass die jetzt in § 6 HZG NRW geregelte Fassung zur „strategischen“ Steuerung des Hochschulwesens rechtlich bestimmter und freiheitsverbürgender ist als das geltende Hochschulgesetz.
Entwickelte in der Ursprungsfassung des Referentenentwurfs das Ministerium auf der Grundlage vom Landtag gebilligter Planungsgrundsätze den Landeshochschulentwicklungsplan alleine, so beschließt in der Neufassung des Gesetzentwurfes diesen Plan das Ministerium als Rechtsverordnung im Benehmen mit dem Landtag. Eine Benehmensherstellung ist zwar im Verwaltungsleben die schwächste Form einer gegenseitigen Abstimmung, aber die Form des Landesentwicklungsplans als generell abstrakte Rechtsverordnung macht deutlich, dass es gerade nicht um Detailsteuerung geht und die Hochschulen – im Gegensatz zur derzeitigen Gesetzeslage – gegenüber dieser Verordnung vollen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz genießen, also größere Rechtssicherheit haben als nach geltendem Gesetz.
Hinzu kommt, dass das „Gegenstromverfahren“ als Abstimmungsprozess zwischen Landes- und Hochschulentwicklungsplänen nunmehr detailliert beschrieben ist, so dass die Belange der Hochschulen auf „allen Stufen“ berücksichtigt werden.
In der Begründung [PDF – 807 KB] heißt es:
„Dieses Gegenstromprinzip muss auf allen Stufen der Aufstellung des Landeshochschulentwicklungsplans beachtet werden, also bereits bei der Entwicklung der Planungsgrundsätze. Im Einzelnen sind folgende Verfahrensschritte sachdienlich:
- Das Ministerium wertet die einzelnen Hochschulentwicklungspläne aus und stellt die Desiderate der landesweiten Hochschulentwicklung fest, die aus Landessicht bestehen.
- Diese Liste der Desiderate wird zu Planungsgrundsätzen formuliert, die sodann vom Landtag auf der Grundlage der Vorlage der Landesregierung beschlossen werden.
- Auf der Grundlage dieser Planungsgrundsätze wird der Landeshochschulentwicklungsplan entwickelt. Da bei dieser Entwicklung die Belange der Hochschulen angemessen berücksichtigt werden sollen, wird durch dieses Angemessenheitsgebot vorausgesetzt, dass diese Entwicklung in Abstimmung mit den Hochschulen erfolgt.
- Bei diesem Aufstellungsprozess kann das Ministerium sich der sachkundigen Hilfe Dritter bedienen.
- Der Landeshochschulentwicklungsplan wird in der Form einer Rechtsverordnung sodann vom Ministerium beschlossen; diese Rechtsverordnung bedarf des Einvernehmens des Landtags.“
(S. 181f.)
Wer also nicht eine radikal staatsabwehrende Position vertritt, nämlich dass die Hochschulen des Landes mit Staat und Parlament nichts mehr zu schaffen haben, als dass ihnen der Haushaltsgesetzgeber „Zuschüsse“ zur Verfügung stellt, der müsste eigentlich den „Krieg“ gegen diesen Gesetzentwurf einstellen.
Hochschulverträge ohne Zähne
Als Ausdruck des „Misstrauens“ bewerteten einige Rektoren den Wechsel von Ziel- und Leistungsvereinbarungen in das Instrument des Hochschulvertrages. (Zur Kritik der Zielvereinbarungen siehe hier) Eines der Probleme der Zielvereinbarungen ist, dass sie vage Versprechen in die Zukunft darstellen und ihre Nichterfüllung weitgehend sanktionslos bleibt. Der Begriff Hochschulvertrag sollte mehr Verbindlichkeit signalisieren. Doch im überarbeiteten Entwurf wurden genau die Formulierungen wieder gestrichen, die eine Handhabe geboten hätten, versprochene Ziele konkret zu überprüfen und gegebenenfalls zu sanktionieren. Die Begriffe „messbar und überprüfbar“ bei der Vereinbarung von strategischen Entwicklungszielen wurden gestrichen. Auch „Maßnahmen und Entscheidungen auf dem Gebiet der Organisation der Lehre und der Studienreform“ sollen nicht mehr ausdrücklich vereinbart werden können.
Sollten im ursprünglichen Referentenentwurf die Folgen bei Nichterreichen hochschulvertraglicher Vereinbarungen verbindlich geregelt werden, so ist jetzt nur noch eine Kann-Bestimmung übrig geblieben (§ 6 Abs. 3, 3. HZG NRW).
Die künftigen Hochschulverträge können also so beliebig und folgenlos bleiben, wie die früheren Zielvereinbarungen. Und den Hochschulen werden auch künftig genügend gute Gründe einfallen, warum die vertraglich vereinbarten Ziele nicht erreicht werden konnten.
„Rahmenvorgabe“ freiheitsverbürgender als „Verwaltungsvorschrift“
Die zurückliegende streitige Debatte hat gezeigt, dass von den auf ihre Autonomie pochenden Hochschulleitungen selbst Regelungen im Referentenentwurf angegriffen wurden, die freiheitsverbürgender sind als im geltenden Gesetz. Ein besonderes Reizwort ist der Begriff „Rahmenvorgabe“.
Schon früher habe ich darauf verwiesen, dass die „Rahmenvorgaben“ (mit ihrer Legaldefinition in § 6 Abs. 5 HZG NRW) freiheitsverbürgender sind als das derzeit bestehende Rechtsinstitut der „Verwaltungsvorschrift“ (§ 5 Abs. 9 oder § 82 Abs. 1 HG von 2006). Es kann eigentlich nur für Ignoranz oder ideologische Verblendung sprechen, wenn nach wie vor auf dem Begriff „Rahmenvorgabe“ herumgehackt wird.
Die Macht der niemand verantwortlichen Hochschulräte wird gestärkt
An der einer privatrechtlichen Aktiengesellschaft nachgebildeten Aufsichtsratsstruktur über der „unternehmerischen“ Hochschule hatte leider schon der Referentenentwurf nichts geändert. Die Zuständigkeiten und Kompetenzen der Hochschulräte werden auch in Zukunft nicht auf eine Beratungsfunktion beschränkt; im Gegenteil, die Entscheidungsbefugnisse in finanziellen und wirtschaftlichen Belangen werden sogar noch erweitert (§ 16 Abs. 4 HZG NRW.) (Siehe zur Kritik an den Regelungen über die Hochschulräte hier) Dass der Hochschulrat nicht mehr über den Hochschulentwicklungsplan entscheidet, sondern über den Entwurf des Hochschulvertrags, ergibt sich aus dem Verfahren zur Entwicklung eines Landeshochschulentwicklungsplans. (Siehe oben)
Im Gegensatz zum ursprünglichen Referentenentwurf, sollen die Hochschulen in ihrer Grundordnung nun wieder selbst regeln können, ob sämtliche oder nur die Hälfte der Mitglieder des Hochschulrates Externe sind. Immerhin bliebe es damit in der Entscheidung der Hochschule, ob sie in ihrem Aufsichtsorgan noch einige Mitglieder haben möchten, die unmittelbaren Kontakt zu den Problemen vor Ort haben, oder ob der Kontakt zu den Hochschulräten vor allem über die Hochschulleitung gefiltert werden soll.
Im ursprünglichen Referentenentwurf eines HZG konnte das Ministerium ein Mitglied des Hochschulrates bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen. Jetzt müssen zwei Drittel der Mitglieder des Senats oder des Hochschulrats eine Abberufung vorschlagen. Man stelle sich einmal vor, Uli Hoeneß wäre Mitglied eines Hochschulrats und der Aufsichtsrat hielte ihm noch immer die Treue!
Die Transparenzregel wird zur Geheimhaltungsklausel
Als wegen der Transparenzregel für die Drittmittelforschung die Hochschulratsvorsitzenden eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort an die Wand malten und Wirtschaftslobbyisten mit dem Abzug von Forschungsmitteln aus NRW-Hochschulen drohten, muss der Landesregierung der Schrecken in die Glieder gefahren sein.
Dass Transparenz der Forschung und die Unabhängigkeit von Auftraggebern sozusagen die Begründung für die Autonomie der Hochschule und für die Freiheitsgarantie für die Wissenschaft darstellen, scheint völlig aus dem Blick geraten zu sein. Gerade in einer Zeit, wo wegen rückläufiger staatlicher Grundfinanzierung die Drittmitteleinwerbung mehr und mehr zur Grundbedingung für Forschung überhaupt zu werden droht, wäre eine größtmögliche Transparenz darüber, wieviel für welche Forschungsziele von privaten oder auch staatlichen Auftraggebern (Militärforschung) bezahlt wird.
Da wurde geradezu ein Aufstand angezettelt, gegen eine Transparenzregelung, die zurückhaltender kaum sein kann: Das Präsidium sollte „in geeigneter Weise“ die Öffentlichkeit insbesondere über Themen, den Umfang der Mittel Dritter sowie über die Drittmittelgeber informieren (§ 71 a Referentenentwurf).
Ganz im Sinne der Vorstellung, dass die Hochschulen mehr und mehr zu verlängerten Werkbänken oder zu Beratungsfirmen für private Unternehmen werden, wurde diese als zaghafte Transparenzregel gedachte Regel geradezu in eine Geheimschutzklausel umformuliert:
Es darf „in geeigneter Weise“ überhaupt nur noch über „abgeschlossene“ Forschungsvorhaben informiert werden.
Wie verhält sich diese Geheimschutzklausel eigentlich zu der in § 71 Abs. 2 des geltenden Hochschulgesetzes verankerten Bestimmung: „die Forschungsergebnisse sind in der Regel in absehbarer Zeit zu veröffentlichen“? Wird diese Regelverpflichtung nunmehr zur Ausnahmeregel?
Jetzt heißt es nämlich: Eine Information über Themen, den Umfang der Mittel Dritter sowie über die Drittmittelgeber
„findet nicht statt, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch die Gefahr des Eintritts eines wirtschaftlichen Schadens entsteht.“
(§ 71 a Abs. 3 HZG NRW) Nimmt man noch die Begründung dazu, so liegt es künftig nahezu ausschließlich am Auftraggeber, ob informiert werden darf.
In der Begründung heißt es etwa:
„Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Sinne dieser nicht ausnahmslos eng auszulegenden Regelung sind im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens stehende Tatsachen, Umstände oder Vorgänge, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind, für Außenstehende aber wissenswert sind, die nach dem bekundeten Willen des Betriebs- oder Geschäftsinhabers geheim zu halten sind und deren Kenntnis durch Außenstehende dem Geheimnisschutzträger zu einem Nachteil gereichen kann. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Hierzu können auch Forschungs- und Entwicklungsprojekte gehören.
Nicht erforderlich ist, dass durch die das Geheimnis bildenden Tatsachen, Umstände oder Vorgänge die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können. Es reicht vielmehr hin, dass die Offenbarung für den Geheimschutzträger nachteilig sein kann… .
Der Nachweis, dass durch die Information über das drittmittelgeförderte Forschungsvorhaben ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde, ist desto schwieriger zu führen, desto weniger das Forschungsthema anwendungsbezogen und unmittelbar zu innovationsreifen Produkten führen dürfte.
Angesichts dessen entspricht es den Eigengesetzlichkeiten des Forschungsbereichs, dass nach Satz 1 eine Informationspflicht bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen dann nicht besteht, wenn die Gefahr – also die belastbare Wahrscheinlichkeit – des Eintritts eines Schadens entsteht. Eine derartige Gefahr kann beispielsweise bejaht werden, wenn bei Information die Gefahr der Industriespionage steigt oder wenn im Lichte einer unternehmerischen Gesamtstrategie die durch die Drittmittelforschung vorangetriebene Innovationsreife eines Produkts erst später marktwirksam werden soll und diese Marktstrategie durch eine Information vereitelt würde.“
(S. 302f.)
Man muss wohl lange nach einer Fallgestaltung suchen, wo der Drittmittelgeber nicht seinen „Willen bekunden“ kann, dass eine Information über „abgeschlossene Forschungsvorhaben“ für ihn „zu einem Nachteil gereichen kann“.
Die Einschränkung, dass diese Geheimhaltungsklausel nicht gilt, wenn
„die Allgemeinheit ein überwiegendes Interesse an der Gewährung der Information hat und der wahrscheinlich eintretende Schaden nur geringfügig wäre“
(§ 71 a Abs. 3 Satz 2 HZG NRW) ist nicht mehr als weiße Salbe. Wie sollte „die Allgemeinheit“ etwas über diese Forschungsaufträge erfahren und wer sollte deren überwiegendes Interesse an der „Gewährung“ (!) der Information feststellen und wer, wenn nicht der Drittmittelgeber, kann etwas über den möglichen Schadensumfang einer Veröffentlichung aussagen?
Aber selbst diese Ausnahmeregelung geht offenbar den Geheimnishütern noch zu weit, wie man der Presse entnehmen konnte. Angesichts dieser Situation wäre es am vernünftigsten auf diese (In-)Transparenzregel ganz zu verzichten und mit der Bestimmung des geltenden Hochschulgesetzes ernst zu machen, wonach die Forschungsergebnisse ganz generell in der Regel zu veröffentlichen sind. Dann wäre die Veröffentlichung wenigstens die Regel und nicht die Ausnahme.
Die Skandalisierung der Veröffentlichung der Rektorengehälter hat Wirkung gezeigt – Ministerium knickt ein
Kritik dürften die Rektor/innen auch künftig daran üben, dass ihre dienstvorgesetzte Stelle das Ministerium und nicht mehr der Vorsitzende des Hochschulrats sein soll (§ 33 Abs. 3 HZG NRW). Das Ministerium soll zwar seine Befugnisse auf die Vorsitzenden der Hochschulräte übertragen können, doch die Formulierung nur „zu einem Teil“ wird den – die volle Staatsfreiheit fordernden – Hochschulleitungen wohl schon als obrigkeitsstaatliche Strangulierung erscheinen.
Dabei ist selbst von den meisten Hochschulräten weitgehend anerkannt, dass die Dienstherreneigenschaft eines ehrenamtlichen Hochschulratsvorsitzenden gegenüber einem hauptamtlichen Rektorat nicht funktionsgerecht sein kann. Wie sollte ein, nicht mit dem Beamtenrecht vertrauter, Hochschulrat die Einhaltung von beamtenrechtlichen Bestimmungen überprüfen können, wie sollte er möglicherweise sogar ein Disziplinarverfahren gegen einen Rektor einleiten und vor Gericht vertreten?
Die Diskussion über die Höhe, die Geheimhaltung und über die Aushandlung der Rektorengehälter zwischen Hochschulratsvorsitzenden und Rektoren, hat im derzeitigen allenfalls verdeckt ihren Niederschlag gefunden. Im Rahmen der Regelung der Dienstherreneigenschaft des Ministeriums über die hauptamtlichen Rektor/innen wäre natürlich auch die Aushandlung von Bezügen eine Angelegenheit zwischen der dienstvorgesetzten Stelle und der hauptamtlichen Hochschulleitung. In der Begründung zu § 33 Abs. 3 HZG NRW heißt es nun, dass die Verhandlungen über die Bezüge nach wie vor an „die dem Hochschulrat vorsitzende Person“ delegiert werden kann. Es wird über eine konditionierte Delegation spekuliert, wonach das Ministerium ggf. einen „Besoldungskorridor“ vorgeben könnte. (S. 232)
Die Skandalisierung der Veröffentlichung ihrer geheim gehaltenen Rektorengehälter durch die Rektor/innen hat jedoch schon Wirkung gezeitigt. Ministerin Schulze knickte vor dem Wissenschaftsausschuss ein und verteidigte sowohl die Aushandlung zwischen Rektoren und Hochschulratsvorsitzenden als auch die Geheimhaltung und schon gar die Höhe der Gehälter. Die Rektor/innen können also davon ausgehen, dass alles so bleibt wie es ist.
Ja noch mehr, es steht sogar zu befürchten, dass die Landesregierung auch noch bei der derzeitigen intransparenten Regelung des Referentenentwurfs einen Rückzieher macht.
Man muss sich das einmal vor Augen halten: Selbst bei den privatwirtschaftlich im Wettbewerb stehenden Sparkassen gilt nach § 19 Abs. 6 des geltenden Sparkassengesetzes:
„Der Träger wirkt darauf hin, dass die für die Tätigkeit im Geschäftsjahr gewährten Bezüge jedes einzelnen Mitglieds des Vorstands, des Verwaltungsrates und ähnlicher Gremien unter Namensnennung, aufgeteilt nach erfolgsunabhängigen und erfolgsbezogenen Komponenten sowie Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung, im Anhang zum Jahresabschluss gesondert veröffentlicht werden.“
Bei den aus Steuergeldern finanzierten Rektoren hingegen soll aber nach wie vor Intransparenz herrschen:
„Das Ministerium veröffentlicht jährlich an geeigneter Stelle den anonymisierten Durchschnitt und die anonymisierte Gesamtsumme der für die Tätigkeit im Haushaltsjahr gewährten Bezüge der hauptberuflichen Rektoratsmitglieder der Universitäten und Fachhochschulen.“
Reizparagrafen gestrichen
Auch in vielen weiteren Einzelbestimmungen hat die Landesregierung gegenüber der Kritik der Rektoren, der Hochschulratsvorsitzenden und der Wirtschaftsverbände einen weitgehenden Rückzug angetreten.
- Die Möglichkeit, Versicherungen an Eides statt über die Richtigkeit von nicht genehmigungs-, aber anzeigepflichtigen Nebentätigkeiten zu verlangen, wurde komplett gestrichen. (Ehemals § 39 Abs. 8) Die „beamteten“ Professor/innen können also den „Graubereich“ ihrer eigentlich anzeigepflichtigen Nebentätigkeiten aufrecht erhalten, sie können also weiterhin hoch dotierten Vortrags- und Gutachtertätigkeiten nachgehen. Tätigkeiten, aus denen sich leicht nicht nur finanzielle Abhängigkeiten ergeben können. Täglich kann man doch beobachten, wie sich „wissenschaftliche“ Experten in Abhängigkeit zu einzelnen Interessengruppen stehen.
- Trotz zahlreicher Plagiatsskandale bei Promotionen auch an NRW-Universitäten, werden qualitätssichernde Auflagen oder Maßnahmen beim „Promotionsgeschehen“ gestrichen (§ 67 HZG NRW).
Alibi „Rahmenkodex für gute Beschäftigungsbedingungen“
Als Alibi, dass man von Seiten der Regierung auch auf die Kritik der Beschäftigten an den Hochschulen reagiert, wurde ein § 34a in den HZG NRW eingefügt. Danach sollen Hochschulen, Landespersonalrätekonferenzen und das Ministerium in Zukunft einen „Rahmenkodex für gute Beschäftigungsbedingungen“ vereinbaren. Gegenstand eines solchen Vertrages könnten u.a. die Befristungspraxis, die Beschäftigungsbedingungen der Hochschulbediensteten oder von Lehrbeauftragten sein.
Es mag für die Hochschulbediensteten von Gewinn sein, dass die Hochschulen mit dieser Vorschrift angehalten werden, die prekären Beschäftigungsbedingungen an Hochschulen endlich als Problem anzugehen und die Debatte darüber zu institutionalisieren und auf Landesebene zu heben. Doch wie die Ergebnisse im Sinne besserer Arbeit an den Hochschulen aussehen werden, bleibt dabei völlig offen.
Ohne demokratischen Gegendruck gegen die Lobby der „unternehmerischen Hochschule“ macht eine Novelle keinen Sinn
Doch kann man diesen Lichtblick bei so viel Schatten zum Anlass nehmen, überhaupt noch für eine Novelle des Hochschul-“Freiheits”-Gesetzes aus der FDP-Ära einzutreten? Sollte man nicht den Kritikern des „Hochschulzukunftsgesetzes“ eingestehen, dass derzeit die Regierung und der Gesetzgeber gegen ihre Mobilisierungsmacht hilflos sind? Kurz: Sollte man unter diesen Umständen nicht auf eine Novelle besser ganz verzichten? Das hätte wenigstens den Vorteil, dass nicht der Eindruck entstehen könnte, als sei in Nordrhein-Westfalen eine Umkehr auf dem Irrweg der „unternehmerischen“ Hochschule eingeleitet worden. Jedes neue Gesetz schreibt die Verhältnisse erst einmal über Jahre hinweg fest.
Und so wie das Gesetz derzeit aussieht, werden die bestehenden Strukturen und Verhältnisse festgeschrieben.
Vielleicht wäre es besser, dass der Unmut der Hochschulangehörigen und der Öffentlichkeit an den funktional privatisierten, wettbewerbsgesteuerten, autokratisch gelenkten Hochschulen erst noch weiter wächst, bis sich ein neues Leitbild einer demokratischeren und sozialeren Hochschule in öffentlicher Verantwortung von unten durchsetzen kann.
Die Abschaffung der Studiengebühren hat gezeigt, wie sich demokratischer Druck gegen den Zeitgeist einer am Ausbildungs- und Forschungsmarkt ausgerichteten „unternehmerischen“ Hochschule und deren Lobby durchsetzen konnte.
Ohne diesen demokratischen Druck macht eine Novelle des derzeitigen Hochschulgesetzes keinen Sinn – im Gegenteil, sie würde jede wirkliche Reform um Jahre zurückwerfen.
Es ist also höchste Zeit, dass von den Hochschulangehörigen Druck von unten gegen ihre Hochschulleitungen und gegen ihre beaufsichtigenden Hochschulräte ausgeübt wird. Solange nur jeder und jede vor sich hin klagt, wird sich nichts bewegen.