Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

  1. Jeder Dritte schleppt sich krank zur Arbeit
    Rund ein Drittel der Arbeitnehmer geht einer Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK zufolge auch gegen den ausdrücklichen Rat des Arztes zur Arbeit. Seit Beginn der 1990er Jahre hat sich der Krankenstand nach Angaben der Betriebskrankenkassen fast halbiert. 7,2 Tage fehlte der durchschnittliche Arbeitnehmer im Jahr 2006 krankheitsbedingt. Die Krankenstände in den deutschen Unternehmen sind in den vergangenen zehn Jahren um rund 20 Prozent gesunken.
    Quelle: Netzzeitung
  2. Die Bertelsmannisierung der Schule
    Bildung für alle, das war früher, in den Aufbruchszeiten der siebziger Jahre und danach. Noch ist die Schule und auch der größere Teil der allgemeinen Bildung im öffentlichen Bildungswesen organisiert und als soziales Recht für alle garantiert. Neu ist, dass Bildung als wirtschaftliche Investition das Humankapital, also den Menschen selbst, optimieren soll. Der Mensch wird nicht gebildet, sondern in seinen Kompetenzen für den Weltmarkt optimiert.
    Quelle: anti-bertelsmann.de [pdf – 84KB]
  3. Norbert Blüm im Phoenix-Interview über die Rente
    Ein interessantes Interview.
    Quelle: Phoenix Podcast
    Video Podcast
    Audio Podcast
  4. Buchbesprechung: Norbert Blüm, Gerechtigkeit – Eine Kritik des Homo oeconomicus
    Wir haben es mit einer Wirtschaft zu tun, die sich anschickt, totalitär zu werden, weil sie alles unter den Befehl einer ökonomischen Ratio zu zwingen sucht. Das jedoch ist eine verkrüppelte Ratio. […] Eine Wirtschaftsordnung, die Entlassungen regelmässig mit Gewinnsteigerung beantwortet, wird nicht überleben. Die Menschen werden es sich nicht gefallen lassen.
    Norbert Blüm, Gerechtigkeit, Herder Verlag, Freiburg 2006
    ISBN 3451057891, Kartoniert, 192 Seiten, 7,00 EUR
    Quelle: Zeit-Fragen
  5. Werner Pirker bespricht das Buch Neoliberalismus und Rechtsextremismus in Europa
    Der reflexhafte Antifaschismus verkennt, dass der zentrale Angriff auf die Demokratie nicht von rechtsaußen, sondern aus dem liberalen Zentrum erfolgt.
    In Ungarn war es nicht die rechtspopulistische Opposition, die die parlamentarische Demokratie als verlogene Veranstaltung verhöhnte und das mit der Botschaft verband, dass in Zeiten verschärfter »Sachzwänge« definitiv gegen die Interessen der Mehrheit regiert werden müsse, sondern der postkommunistisch-ultraliberale Premier Ferenc Gyurcsany. Ihm zur Seite eilte der »linksliberale« österreichische Politologe Anton Pelinka, der unverhohlen zur Kenntnis brachte, dass nur Diktatoren die Wahrheit sagen könnten, Demokraten aber genau abwägen müssten, wie viel Wahrheit der Bevölkerung zugemutet werden könne.
    Peter Bathke/Susanne Spindler (Hrsg.), Neoliberalismus und Rechtsextremismus in Europa. Zusammenhänge – Widersprüche – Gegenstrategien (Reihe: Texte/Rosa-Luxemburg-Stiftung, Bd. 29), Karl Dietz Verlag, Berlin 2006,, 225 S., brosch., 14,90 Euro (ISBN 3-320-02086-2; 978-3-320-02086-6)
    Quelle: junge Welt
  6. Jeder zehnte Erwachsene ist pleite
    Nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform meldeten 121.800 Bundesbürger privat Konkurs an – 22 Prozent mehr als im Vorjahr. Gemessen an der Zahl der überschuldeten Bundesbürger seien die Verbraucherinsolvenzen aber nur der Spitze des Eisbergs. Nur Großbritannien hatte unter insgesamt sieben untersuchten Staaten eine noch höhere Insolvenzquote.
    Ein ganz anderes Bild zeigt sich dagegen bei den Unternehmen. Dank der guten Konjunktur sank 2006 die Zahl der Firmenpleiten deutlich. Insgesamt 31.300 Unternehmensinsolvenzen registrierte Creditreform – 15 Prozent weniger als im Vorjahr.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung: Überschuldung in einem Land mit der höchsten Sparquote. Und wo laut Bundesbankpräsident jeder Haushalt im Durchschnitt 70.000 Euro Nettogeldvermögen hat. Daran kann man einmal mehr ablesen, wie wenig realen Aussagewert Durchschnittszahlen haben.

  7. Georg Kronawitter: Mehr Gerechtigkeit
    Ein leidenschaftlicher Appell des ehemaligen Münchner Oberbürgermeisters an seine SPD.
    Quelle: Programmdebatte spd
  8. Die INSM freut sich über ein Thesenpapier des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung
    Selbst die die Propagandaagentur des neoliberalen Zeitgeistes „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ ist erstaunt: „Ungewohnt wirtschaftsliberal hat sich der Managerkreis der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung jüngst in seinem aktuellen Thesenpapier “Soziale Gerechtigkeit morgen” geäußert.“
    Quelle: INSM

    Anmerkung: Deutschland habe zu lange an einem sozialstaatlichen Fundamentalismus gehangen. Solche Thesen können inzwischen unter dem Namen der FES verbreitet werden.

  9. Friedhelm Hengsbach: Gute Arbeit?
    Nur drei Prozent der abhängig Beschäftigten schätzen ihre Arbeitssituation insgesamt als gut ein. Gute Arbeit bleibt eine fromme Träumerei, solange bürgerliche Eliten den Tarifvertrag, nämlich die Verhandlungsmacht abhängig Beschäftigter auf gleicher Augenhöhe mit den Kapitaleignern, schlecht reden. Und so lange die Regierenden den Sozialstaat, der eine Schranke gegen die Vermarktung menschlicher Arbeit errichtet, mutwillig oder fahrlässig verformen oder gar sprengen.
    Quelle: FR
  10. Müntefering will „gute Arbeit“ in Europa
    Die Sozialpolitik ist das Stiefkind in der Europäischen Union (EU). Das hindert den deutschen Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) nicht, mutig zu bleiben und unter der deutschen Ratspräsidentschaft die Vision vom sozialen Europa voranzutreiben, gemeinsam mit den kommenden EU-Präsidenten von Portugal und Slowenien.
    Quelle: FR

    Anmerkung unseres Lesers Orlando Pascheit: Es ist eher absurdes Theater, was da auf der europapolitischen Bühne veranstaltet wird. Nachdem Müntefering Hartz I-IV mitverantwortet hat und für die Rente 67 steht, möchte er sein Werk in Europa fortführen.
    Aber Müntefering kennen wir inzwischen, ärgerlich ist der unkritische Journalismus, dem eine solche Aussage nicht aufstößt wie: „Dafür eintreten, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber auch auf europäischer Ebene mehr mitreden können“ Ist der berichterstattenden Journalistin nicht bekannt, dass in Brüssel rund 50 000 gut organisierte Lobby-Büros operieren, deren Mitarbeiterzahl insgesamt auf gut 200 000 geschätzt wird – und gewiss nicht auf der Gewerkschaftsseite stehen. Oder wenn Müntefering von dem Traum spricht, in seiner EU-Amtszeit, “gute Arbeit” für alle schaffen zu wollen: für Junge, für Frauen, für Niedriglöhner und für Alte. Gute Arbeit für Niedriglöhner!
    Hinzu kommt, dass die Verfasserin dieses Artikels ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Das dort so gelobte finnische Reformmodel beinhaltet in seinem Kern immer noch die Volksrente mit 65. Neu ist, dass neben der Abschaffung von Regelungen, die einen frühen Austritt aus dem Erwerbsleben begünstigen, Arbeitnehmer finanziell belohnt werden, wenn sie länger erwerbstätig bleiben. So steigt der Rentenanspruch zwischen dem 63. und dem 68. Lebensjahr überproportional um 4,5 Prozent pro Jahr gegenüber dem normalen Rentenzuwachs von 1,5 Prozent des Jahreseinkommens. Der Lohn eines verlängerten Erwerbslebens liegt also in einer überproportional höheren Rente. Es ist dann nur logisch, dass „Politische Streiks, wie sie derzeit Gewerkschaften in Deutschland gegen die Rente mit 67 Jahren ausrufen, … beim skandinavischen Nachbarn undenkbar“ sind. Es haben ja auch in Finnland Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Rentenversicherungsträger im November diese Reform beschlossen.

  11. Die Südwestdeutsche Medienholding wird die Anteile an der Zeitungsgruppe Stuttgart übernehmen – feine Umwälzungen, die mittelbar aber sogar die “Süddeutsche Zeitung” betreffen könnten
    Quelle 1: taz

    Der stille Riese SWMH
    Quelle 2: taz

    Anmerkung: Der Konzentrationsprozess bei den Medien beschleunigt sich rapide und die journalistische Qualität wird zunehmend kaputt gespart.

  12. Frankfurter Rundschau: Sparprogramm kostet weitere 200 Stellen
    Nach schwierigen Verhandlungen haben sich Geschäftsführung und Betriebsrat der „Frankfurter Rundschau“ (FR) am 19. Januar auf einen Interessenausgleich und einen Sozialplan geeinigt: Der Plan sieht den Abbau von weiteren rund 200 der zuletzt rund 750 Stellen vor. In der Redaktion sollen 15 Stellen gestrichen werden, insbesondere bei den Außenredaktionen.
    Die Verlagspolitik bei der FR wird seit Juli vergangenen Jahres wesentlich durch das Kölner Verlaghaus M. DuMont Schauberg (MDS) bestimmt. MDS hatte damals die Mehrheit (50 Prozent plus eine Stimme) an der „FR“ übernommen.
    Quelle: DGB mediennewsletter
  13. Unruhe im globalen Kasino
    In der Chefetage des IWF wächst die Nervosität. Und manche Banker halten den Ausbruch der nächsten Finanzkrise für vorprogrammiert. Der Geldüberhang auf den globalen Finanzmärkten gibt risikofreudigen Tradern bei den Hedgefonds viel Spielkapital in die Finger.
    Heute gibt es mindestens 10 000 Hedgefonds, vier von fünf davon sind auf den Kaimaninseln beheimatet. Dabei werden 80 Prozent der Transaktionen von nur 400 dieser Fonds getätigt. Jeder von ihnen verfügt über ein Portefeuille von über einer Milliarde Dollar. Derzeit gibt es keinerlei Mittel, um diese Spekulationsfonds zu überwachen, die Aktiva in Höhe von 1 500 Milliarden Dollar halten. Ihr Tagesumsatz mit globalen Finanzderivaten beläuft sich auf knapp 6 000 Milliarden Dollar, das entspricht der Hälfte des Bruttosozialprodukts der USA.
    Quelle: Le Monde diplomatique
  14. Der Fehlpass
    Fälschungssicher, Missbrauch ausgeschlossen: die Worte des Staates bei der Einführung des elektronischen Ausweises. Er hat unrecht: Die Daten des neuen E-Passes können offenbar gescannt und unberechtigt gelesen werden.
    Seit November 2005 kleben die Behörden in jeden neuen Pass einen elektronischen Chip, auf dem die Passdaten, ein Foto und von März an auch der Fingerabdruck des Inhabers gespeichert sind. 59 Euro verlangt der Staat für einen solchen „E-Pass“.
    613 Millionen Euro kostet den Steuerzahler die Einführung des neuen Passes. Plus 330 Millionen Euro laufende Kosten im Jahr.
    Ex-Innenminister Schily trat nach seinem Abtritt aus der Regierung den Aufsichtsräten von zwei Biometrie-Firmen bei: die Safe ID Solutions AG und die Byometric Systems AG. Die Firmen verdienen ihr Geld mit Maschinen für die Produktion von biometrischen Pässen, dem Verkauf einer Technik, die Schily zu Amtszeiten mit Nachdruck gefördert hatte. Die Firmen verdienen ihr Geld mit Maschinen für die Produktion von biometrischen Pässen, dem Verkauf einer Technik, die Schily zu Amtszeiten mit Nachdruck gefördert hatte.
    Quelle: Tagesspiegel
    Siehe auch: nachdenkseiten
  15. Wie CHE-Hochschulrankings „Qualität“ messen
    Dazu ein Zitat aus einem Schreiben der Hochschulleitung der Technischen Universität München an das Physikdepartment:

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    das Centrum fuer Hochschulentwicklung (CHE) fuehrt aktuell erstmalig ein europaweites Ranking der besten Universitaeten und Fachbereiche durch.
    Im Zuge dieses Rankings wird auch das Physik-Department befragt.
    Um europaweit vergleichbare Drittmittelzahlen angeben zu können, wurde mit dem Hochschulreferat 1 (Controlling, Organisation, Planung) vereinbart, dass eingeworbene Messzeiten als Geldäquivalent berücksichtigt werden können.
    Diesbezüglich bitte ich Sie freundlichst um eine kurze e-mail, ob und in welchem monetären Umfang Messzeiten in den Jahren 2004, 2005 und2006 eingeworben wurden (bitte nach Jahren aufschlüsseln). Sollte das Hochschulreferat 1 tatsächlich nachfragen, sollten diese Zahlen nachvollziehbar sein. Evtl. erteilen die wissenschaftlichen Leiter der in Frage kommenden Einrichtungen Auskunft darüber, wie z.B. die Kosten für eine Stunde Messzeit anzusetzen sind.
    Gefragt wird auch nach den “ten most important international conferences in the field of Physics organised by your department in your city / at your university (descriptive) from the beginning of 2003 to January 2007”. Auch zu dieser Frage bitte ich freundlichst um “Input”.
    Wertneutral sollte angemerkt werden, dass Rankings zunehmend innerhalb und außerhalb der TUM Beachtung finden.
    Etwaige Unannehmlichkeiten bitte ich freundlichst zu entschuldigen.

  16. Über die “Grenzen der Privatisierung” schreibt Ernst Ulrich von Weizsäcker in einem Buch für den Club of Rome herausgegeben Buch
    Das Wort “Privatisierung” ist längst zur Kampfvokabel geworden. Es war die neokonservative Revolution seit Augusto Pinochet, Margret Thatcher und Ronald Reagan, die die Privatisierung vormals staatlicher Betriebe und Funktionen zum Gradmesser ökonomischen Fortschritts hochstilisierte.
    Schon bei einem ersten Hinsehen war klar, dass die Ökonomen-Behauptung eines durchgängigen und systematischen Vorteilsgewinns durch Privatisierungen hinten und vorne nicht stimmte.
    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung

    Anmerkung: Ich kenne nun meinen Freund Ernst Ulrich von Weizsäcker schon ein halbes Leben lang. Er hatte im Allgemeinen den richtigen Punkt für seine Kritik gefunden, wollte aber immer einen Mittelweg finden, auf dem sich Gegner und Befürworter treffen könnten. Ich schätze auch sein ziviles Engagement, nur kann ich seine Hoffnung nicht teilen, dass der Dritte Sektor, welcher weder Staat noch Privatwirtschaft ist, also die zivilgesellschaftlichen Organisationen die öffentlichen Belange, die unter dem Machtzuwachs der Kapitalmärkte leiden, wieder zur Geltung zu bringen könnten.
    Wenn ich die „zivilgesellschaftlichen“ und wirklich mächtigen gemeinnützigen Organisationen von INSM bis zu Bertelsmann betrachte, kann ich nur mit Antonio Gramsci entgegenhalten und sagen, dass diese „Zivilgesellschaften“ eine vorgeschobene Bastion kapitalistischer Machtentfaltung sind.

  17. Das Ein-Prozent-Grundrecht
    Wie schon seit Jahren, ist auch im Januar 2007 die Zahl der Asylbewerber in der Bundesrepublik deutlich gesunken. Nur noch 1 663 Flüchtlinge haben die deutschen Behörden mit einem Antrag behelligt, 15,5 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Und gesunken ist selbstverständlich auch die Zahl der anerkannten Asylbewerber. Von den 2 642 Anträgen, über die das Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Januar entschied, wurde nur 26 stattgegeben. Das bedeutet: Lediglich ein Prozent der Flüchtlinge wurde als Asylbewerber, also als politisch Verfolgte anerkannt. Wenn das so weitergeht, muss die politische Verfolgung auf die Liste der bedrohten Arten menschenfeindlichen Verhaltens gesetzt werden.
    Quelle: Berliner Zeitung
  18. Das Müll-Geschäft
    Karawanen von Müllwagen werden demnächst in Richtung Deutschland rollen. Wer seinen Dreck loswerden will, findet hierzulande bald gute Möglichkeiten: Gegenwärtig sind etwa 40 neue Müllverbrennungsanlagen geplant oder sogar schon im Bau.
    Quelle 1: taz
    Quelle 2: taz

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