„Kroatien – oder wie die osteuropäischen Länder in eine tückische Falle geraten sind und niemand ihnen heraushilft“
Heiner Flassbeck hat eine Studie über die wirtschaftliche Lage in Kroatien und die notwendigen Schritte aus der Misere geschrieben. Weil Analyse und Empfehlungen auch auf andere Länder zutreffen und die wirtschaftliche Lage unzähliger Menschen miserabel ist und weil die politischen Entscheider nicht offen sind für die notwendigen Schritte, veröffentlichen wir das Flassbeck Gutachten in deutscher [PDF – 373 KB] und kroatischer [PDF – 659 KB] Sprache. Aus eigener Erfahrung und aus vielen Gesprächen mit Betroffenen weiß ich um den von Heiner Flassbeck beschriebenen Niedergang. Bei vielen betroffenen Menschen geht es schon um die nackte Existenz. Das Land hat vier Jahre Krise hinter sich und steht, wenn nichts geändert wird, wie andere südliche Länder Europas vor einer Deflation, vor weiter stagnierenden Löhnen, vor Arbeitslosigkeit und Depression. Junge gut ausgebildete Leute verlassen das Land. Das Papier von Flassbeck enthält nach der Analyse den Vorschlag, die Landeswährung KUNA abzuwerten, und dies mit einer expansiven Makropolitik zu begleiten. Albrecht Müller.
Hemmschwellen gegen die richtige Therapie
Ich habe einige Gespräche über das Problem und die Lösungen geführt. Dabei habe ich festgestellt, dass man den notwendigen Schritten nicht ins Auge sehen will. Das ist durchaus verständlich. Auch der Hauptvorschlag, die Abwertung der KUNA, bringt Probleme. So wird etwa die Rückzahlung von aufgenommenen Krediten in Euro schwieriger, weil mehr KUNA dafür aufgewendet werden müssen. Die Importe werden teurer, was für viele Menschen auch schwer zu akzeptieren ist. Es ist der typische Fall, dass die Entscheider davor stehen, zwischen zwei miesen Alternativen entscheiden zu müssen. Dennoch ist es in einer solchen Situation empfehlenswert, die weniger miese Entscheidung zu treffen. Im konkreten Fall ist es wichtig, diese Entscheidung bald zu treffen.
In der Debatte spielt die Betrachtung, was mit den Vermögenswerten bzw. Schulden durch eine Abwertung geschieht, die entscheidende Rolle. Das darf aber nicht die Hauptbetrachtung sein. Wichtig ist nicht, was mit den Vermögen bzw. Schulden geschieht. Wichtig ist, dass die Wettbewerbsfähigkeit erhöht wird und die wirtschaftliche Tätigkeit im Land (bzw. vergleichbarer Länder) wieder in Gang kommt. Wertschöpfung ist wichtig.
Ein Freund, der Lebensmittel aus Kroatien und anderen Ländern nach Deutschland importiert, hat die Lage und die Notwendigkeit anschaulich formuliert:
„Die Kuna Abwertung ist ein richtiger Weg, weil die Kroatischen Erzeugnisse durch überhöhte Preise auf dem Markt nicht konkurrenzfähig sind. Gerade auf meinem Sektor, den du ja auch kennst, sind die Preise um 30% höher als es Qualität und Konkurrenz erlauben. Die Lebensmittel werden mir als Importeur öfter teurer angeboten, als sie im Einzelhandel hier zu kaufen sind. Sicherlich liegt es auch an der Größe der Betriebe aber auch zu einem großem Anteil an hohem Kuna Kurs.
Das sehen auch kroatische Unternehmer und Wirtschaftswissenschaftler so. …
Für Kroatien wäre der erste Weg, den Tourismus auf ein halbes Jahr zu verlängern, natürlich mit entsprechenden Freizeitangeboten, und die Landwirtschaft vor allem in Dalmatien wieder anzukurbeln, es ist ein Unding, dass man mitten im Sommer Tomaten und Gemüse aus Holland importiert, das selbe gilt für Fleisch und andere vergessene Spezialitäten. …“
Der Widerstand gegen die Abwertung bzw. der Mangel an Bereitschaft, darüber nachzudenken, wird gespeist aus Unkenntnis und aus einer verständlichen Emotion, die im konkreten Fall auch viel mit der Sprache zu tun hat.
Zur Unkenntnis: ich bin beim Versuch, für die richtigen Schritte trotz aller Bedenken zu werben, auf politisch Verantwortliche gestoßen, die glauben, die heute in der Regel in Euro gehaltenen Sparguthaben jenes Teils der Kroaten, die solche Guthaben überhaupt noch haben, würden abgewertet. Das ist selbstverständlich eine irrige Annahme. Das Gegenteil ist der Fall. Die Euroguthaben werden, gemessen in Kuna, aufgewertet
Zur aus der Sprache folgenden Emotion: „Abwertung“ ist ein „abwertender Begriff“ und stößt deshalb schon auf emotionalen Widerstand einer Nation. Insofern ist die jetzige Unbeweglichkeit auch das Ergebnis des miserablen Zustands unserer Sprache in der Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik. Es ist wie mit dem Begriff „Exportüberschuss“. Die Begrifflichkeit ist irreführend. Statt Abwertung müsste man wohl sagen: „Aufwertung der Wettbewerbsfähigkeit“ oder „Aufwertung der Arbeitsmöglichkeiten“. Aber das sind nur Krücken.
Zum Schluss: wenn Sie Menschen kennen, die mit der Meinungsbildung über diese Fragen oder sogar mit den Entscheidungen zu tun haben, dann machen Sie diese bitte aufmerksam auf die Problematik und die Lösung. Das Problem ist kein uns nicht interessierendes Problem. Wenn wir immer mehr Länder und Völker haben, deren Arbeitsmöglichkeit wegen mangelnder, währungsbedingter Wettbewerbsfähigkeit immer geringer wird, dann berührt das auch uns.