Fassadendämmung – Lösung oder Irrweg?
Wer den immer wieder aufflackernden Streit um das Für und Wider der Fassadendämmung verstehen will, muss in Gedanken zurück ins Jahr 1973. Im Zusammenhang mit dem Jom-Kippur-Krieg im Oktober 1973 drosselten zahlreiche OPEC-Staaten ihre Ölförderung um etwa 5%, was einen Preissprung von 3 auf 5$ für ein Barrel (159 Liter) auslöste. In Deutschland reagierte man darauf unter anderem mit den vier autofreien Sonntagen. Als die Deutschen am Sonntag ihr liebstes Kind in der Garage lassen mussten, verloren sie ihr naives Vertrauen in die seit dem Wirtschaftswunder gewohnte sichere Energieversorgung. Von Christoph Jehle.
Obwohl es sich bei der damaligen Krise eher um eine Ölpreiskrise als eine Ölkrise handelte, wurde doch manchen bewusst, dass der Nachschub an fossilen Energieträgern ins Stocken kommen könnte. Die im Jahre zuvor vorgestellte Studie des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums wandelten sich urplötzlich von einer akademischen Untersuchung in eine konkret erscheinende Gefahr.
In der Folge beschäftigten sich die Forschung und zunehmend auch die Politik mit der Fragestellung, wie sich die Abhängigkeit von importierten fossilen Energieträgern reduzieren lassen könnte. Kurzfristig wurden alle Ölkraftwerke vom Netz genommen. Dies betraf auch Kraftwerke, die noch lange nicht abgeschrieben waren. In der Folge wurde untersucht, welche weiteren Möglichkeiten zu Energieeinsparen möglich wären. Vor dem Hintergrund, dass damals jeder 7. Arbeitsplatz der Automobilwirtschaft zugeschrieben wurde, wollte man den Hebel damals jedoch nicht beim Auto und seinem Kraftstoffverbrauch ansetzen.
Und so fokussierte man sich auf den Gebäudebereich und fand mit der Verbesserung der Heizkesseltechnik und der Wärmedämmung der Gebäude-Außenhülle zwei Ansatzpunkte, die weniger emotionsbeladen waren als das Automobil. Zudem findet sich die Mehrheit der deutschen Haushalte in gemieteten Räumen. Damit wurde die Entscheidung über das Dämmen des Gebäudes und die Optimierung der Heizungsanlage einem Dritten überlassen.
Bei den Heizungsanlagen gab es beispielsweise mit Brennwertkesseln zumindest bei Gas- und Öl-befeuerten Systemen bald schon deutliche Fortschritte hinsichtlich der Effizienz. Dazu kam die Unterstützung der Warmwasser- und Heizwasser-Bereitung durch solarthermische Kollektoren.
Je größer der Anteil der direkt aus Sonnenenergie gewonnenen Wärme, desto geringer ist im Grunde die Notwendigkeit, den Energiebedarf in einem Gebäude durch eine Dämmung der Außenhülle zu senken. Und in zahlreichen Fällen rechnet sich sogar die Modernisierung einer auf fossilen Brennstoffen basierenden Heizungsanlage schneller, als eine komplette Dämmung der Außenhülle des Gebäudes. Daher drängen gerade die Heizungsanlagenbauer immer wieder, doch zuerst die Heizungsanlage zu modernisieren.
Auf der anderen Seite reduziert eine Dämmung der Gebäude-Außenhülle den Heizenergiebedarf und führt dazu, dass die Heizanlage dann meist deutlich überdimensioniert ist und im weniger effizienten Teillastbereich arbeitet. Daher wird zumeist die Dämmung zuerst angegangen und dann erst die Heizungsmodernisierung. Dazu kam der Druck durch den Gesetzgeber, der forderte, dass bei Arbeiten an der Gebäudehülle, die mehr als 10% der Gesamtfläche betrafen, auch die Dämmung auf den aktuellen Stand gebracht werden müsse. Bei bewohnten Gebäuden setzte man meist auf eine Außendämmung, die auf die Fassade aufgebracht wurde. Auch hier lohnt wieder ein Blick in die Vergangenheit, um zu verstehen, wie es zur Markteinführung der Dämmstoffe kam. Zumeist war das Material vorhanden und der Hersteller suchte eine mögliche Anwendung.
Die Unternehmerfamilie Rhodius in Burgbrohl hatte von der BASF im Jahre 1961 eine Lizenz zur Produktion von Styropor-Verpackungen erworben und suchte eine Möglichkeit zur Verwertung der dabei entstehenden Abfälle. Sie kam dabei auf die Entwicklung von Dämmstoffen. Styropor-Verpackungen sind heute weitgehend von umweltfreundlicheren Materialien verdrängt worden, im Bereich der Wärmedämmung haben sie sich aufgrund ihres Kostenvorteils bei der Herstellung jedoch am Markt gehalten. Und so werden zahlreiche Gebäude noch immer zur Wärmedämmung mit Platten aus dem geschäumten Kunststoff verpackt. Geschützt vor den Einwirkungen von UV-Licht und Lösungsmitteln hält sich das expandierte Polystyrol (EPS), das zwar gegen Wärmeverlust hilft, jedoch schlechte Schalldämmeigenschaften besitzt, durchaus 40 Jahre als Fassadendämmung. Das unverrottbare Material hält damit länger als manches heute neu gebaute Haus, wenn es sicher vor Mäusefraß geschützt wird. Wie der Marder seine Schwäche für Bremsleitungen in PKWs entdeckt hat, so finden Mäuse offensichtlich Gefallen am Zerbeißen von EPS-Platten.
Muss die Dämmung aus baulichen oder sonstigen Gründen entfernt werden, sollte der Hauseigentümer kein Problem haben, sagen die Hersteller der Dämmstoffe. Unverschmutzte Dämmplatten können problemlos einer stofflichen Wiederverwertung zugeführt werden. Das betrifft jedoch nur Verschnitt und anderen Abfall, der bei der Dämmung der Fassade entsteht. Verschmutztes EPS wurde bislang meist als Bauabfall zur Deponie gebracht. Dies ist inzwischen nach den Vorgaben der Ablagerungsverordnung nicht mehr möglich. Und so bleibt meist nur die Nutzung des guten Heizwertes über die Verbrennung in entsprechend ausgerüsteten Müllheizkraftwerken. Da sich bei der Verbrennung in Verbindung mit den eingesetzten Flammschutzmitteln Dioxin bilden kann, ist die Verbrennung nicht in jeder Müllverbrennung möglich. Die Flammschutzmittel werden dem EPS zugesetzt, damit es als schwer entflammbar klassifiziert werden kann.
Auch die als Dämmmaterial zum Einsatz kommende Mineralwolle geht auf einen Hersteller zurück, der für seine Erzeugnisse einen wachstumsfähigen Markt suchte. Franz Haider hatte 1947 in Linz-Wegscheid eine Glasfaserproduktion gegründet und produzierte grobe Glasfasern zur technischen Isolierung und das sogenannte Engelshaar, das als Weihnachtsschmuck eine zeitlich stark begrenzte, saisonale Anwendung fand. 1957 erwarb man vom französischen Saint-Gobain-Konzern die Lizenz Mineralwolle im sogenannten Tel-Verfahren zu produzieren und nannte das Produkt Tel-Wolle. Unter dem Namen Saint-Gobain ISOVER ist das Unternehmen noch heute Lieferant für Dämmstoffe für Gebäude. Engelshaar als Christbaumschmuck ist heute vom Markt verschwunden. Wie andere Fasermaterialien steht auch Mineralwolle immer wieder im Verdacht krebsauslösend zu sein und so wird das Material als gesundheitsschädlich gekennzeichnet. Dies gilt in besonderer Weise für Materialien, die vor 2000 verbaut wurden und kein RAL-Zeichen tragen. Wie bei EPS tritt die Umweltbelastung schwerpunktmäßig bei der Entsorgung des Dämmmaterials auf. Zudem muss man nicht unbedingt die Fassade jedes Gebäudes hinter einer Dämmschicht verstecken, so wie man das bis in die 1970er-Jahre mit Eternit-Schindeln oder Kunststoff-Panelen gemacht hat.
Die Wärmedämmung der Gebäudehülle betrifft im Übrigen nicht nur die Fassade, sondern auch die Bereiche Dach und Keller/Bodenplatte. Im Gebäudebestand ist eine Dämmung der Bodenplatte von unten praktisch nicht mehr möglich und so muss man sich mit einer wasserdichten Dämmung der Kellerwände begnügen. Beim Dach oder der obersten Geschossdecke, falls das Dachgeschoss nicht ausgebaut ist, bieten sich natürliche Dämmstoffe wie Zelluloseflocken aus Altpapier, Schafwolle, Bims, expandierter Kork und zahlreiche andere Materialien an, die umweltverträglicher sind als EPS und problemloser zu verarbeiten als Mineralwolle. Bei einer sehenswerten, möglicherweise sogar denkmalgeschützten Außenfassade, lässt sich die Dämmung der Außenwände auch als Innendämmung realisieren. Der früher vielfach gefürchteten Baracken-Effekt beim Raumklima lässt sich vermeiden, wenn man im Innenraum einen Lehmputz aufbringt. Heutzutage gibt es für den Innenausbau Holzfaserdämmplatten, die schon mit einem Lehmputz versehen sind und nur noch im Fugenbereich verputzt werden müssen, was die Trockenzeiten drastisch reduziert.
Wer unter Gebäudedämmung nur eine Fassadenverpackung mit EPS- oder Mineralfaser-Dämmplatten versteht, hat deutlich zu kurz gedacht. Inzwischen ist zum Glück mit der Novellierung der Energiesparverordnung (ENEV 2014 ) der zeitliche Druck der gesetzlichen Vorgaben etwas reduziert worden und so sollte ein Hausbesitzer nicht zum nächstbesten Dämmstoff greifen, den ihm ein Vertreter des einschlägigen Handwerks andient, sondern in Ruhe und Gelassenheit auch andere Lösungen zur Dämmung hinsichtlich der jeweiligen Anwendbarkeit prüfen. Zudem nützt die beste Fassadendämmung nichts, wenn man die Wärme über alte Fenster ohne entsprechendes Isolierglas entweichen lässt.