Hinweise des Tages
- Gerd Bosbach: Wir könnten die Alten locker versorgen
Die Politik und die Arbeitgeberverbände jammern, dass wir aus demografischen Gründen 2030 einen Facharbeitermangel haben werden. Das ist hirnrissig. Wir werden keinen Mangel aus demografischen Gründen haben, sondern weil die Unternehmen heute viel zu wenig ausbilden. Wir haben heute rund 800 000 Jugendliche, die um die 15 Jahre alt sind. Viele von ihnen bekommen keine Ausbildung. Nur die Hälfte von denen, die in Ausbildung sind, haben einen Ausbildungsplatz, die anderen stehen in der Warteschleife in irgendwelchen Schulungen. Diese jungen Leute sind 2030 etwa 40 Jahre alt. Bilden wir sie heute vernünftig aus, werden wir genug Fachkräfte haben.
Quelle: FR - “Lügner reden immer nur von Notlügen”
PR-Berater lügen, sagt der PR-Berater und frühere VW-Sprecher Klaus Kocks – und erregt damit den Zorn seiner Kollegen. Ein Interview über Moral und Wahrheit.
Quelle: SPIEGELAnmerkung: Dieser Satz ist besonders aufschlussreich: „Ein Journalistenkollege hat mal zu mir gesagt: “Du Hund wirst alles versuchen, mich in die Irre zu führen, und es wird dir nicht gelingen.” Ich finde, dass ist eine wunderbare Definition des Verhältnisses von Journalismus und PR.“
Bedenkt man, dass keine einzige Zeitung die materiellen Interessen thematisierte, die hinter dem aktuellen Werbefeldzug für die Private Vorsorge in ARD, ZDF und Deutschlandradio stehen, dann wird einem wieder einmal in Erinnerung gerufen, wie häufig Journalisten eben doch in die Irre geführt werden – so sie nicht gleich für PR-Dienstleistungen bezahlt werden. - WSI: Gesundheits-Kompromiss ignoriert Erfahrungen anderer Länder mit der PKV
Die Einigung zur Gesundheitsreform bleibt weit hinter europäischen Reform-Modellen zurück, an denen sich die Bundesregierung ursprünglich orientieren wollte. Das gilt insbesondere für die Neuregelung, die den Wettbewerb in der privaten Krankenversicherung (PKV) einschränkt.
Quelle: Hans-Böckler-Stiftung - Großbritannien: Einkommensschere geht auseinander
Trotz anfänglicher Proteste der britischen Arbeitgeber räumt der britische Industrieverband CBI heute ein, dass der Mindestlohn nicht zu Nachteilen für die Unternehmen geführt habe. Befürchtungen, der Mindestlohn werde zu weniger Beschäftigung führen, bewahrheiteten sich nicht. Im Gegenteil: Gerade die Branchen, in denen der Mindestlohn am meisten Anwendung findet, also das Hotelgewerbe und der Einzelhandel, haben in den letzten Jahren ein kräftiges Beschäftigungswachstum erlebt.
Quelle: FAZAnmerkung: Es wirkt schon etwas unaufrichtig, wenn ausgerechnet die FAZ die starke Lohnspreizung in Grißbritannien beklagt: „Millionen von Arbeitskräften in Großbritannien müssen sich mit dem Mindestlohn zufriedengeben. Viele Unternehmen kalkulieren die Löhne ihrer oft schlecht ausgebildeten Mitarbeiter, die einfache Tätigkeiten in Dienstleistungsgewerbe oder Lohnproduktion verrichten müssen, exakt nach den Anforderungen des Mindestlohns. Fast drei Viertel der von Osteuropa nach Großbritannien gezogenen Billigarbeitskräfte erhalten nicht mehr als den Mindestlohn. Der Zustrom der Billigarbeitskräfte aus dem Osten und die weite Verbreitung des niedrigen Mindestlohns haben dazu geführt, dass sich die Lohnsteigerungen in Großbritannien sehr in Grenzen halten. Das Arbeitskräfteangebot, das bereit ist, jegliche Tätigkeit nur zu einem Mindestlohn zu verrichten, ist so groß, dass stärkere Lohnsteigerungen bei ungelernten Arbeitskräften und einfachen Tätigkeiten nicht durchgesetzt werden können, zumal der Organisationsgrad und die Macht der Gewerkschaften in Großbritannien seit den Jahren der Thatcher-Regierung stark geschwächt wurden.“
Was wäre mit den Löhnen für einfache Tätigkeiten wohl ohne die Einführung eines Mindestlohns geschehen? Sie wären ins Bodenlose gefallen, so wie sie es in Deutschland gerade tun. Das schwächt die Binnenkonjunktur, setzt auch höher qualifizierte Arbeitnehmer unter Lohndruck und erhöht die Zahl der Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind. Großbritannien hat einige große Fehler vermieden, die Deutschland auf Drängen seiner Wirtschafts-Sachverständigen gerade macht. - Mehrfachbeschäftigung nimmt zu
In nur zwei Jahren ist die Zahl der Beschäftigten mit mehr als einem Arbeitsverhältnis von 0,9 auf 1,5 Millionen gestiegen. Die Quote der Mehrfachbeschäftigten stieg zwischen 2002 und 2004 von 2,9 auf 4,7 Prozent. Das hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit ermittelt. Dabei dominiert die Kombination von Hauptberuf und Nebenerwerb (82 Prozent), elf Prozent kombinieren mehrere Mini-Jobs, und sieben Prozent haben mehrere sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse. Bei den Mehrfachbeschäftigten handelt es sich überwiegend um Frauen. Die Kombination von mehreren Mini-Jobs ist stärker in Ostdeutschland zu finden, sie sei kaum freiwillig, sondern entspreche mehr der Notlage, mutmaßt das IAB. Die Kombination von Haupt- und Nebenberuf dagegen ist eher in Südbayern und Baden-Württemberg anzutreffen. Bei den Nebentätigkeiten dominiert der Dienstleistungssektor.
Quelle: ver.di News - Ostdeutscher Sozialreport 2006
Düstere Ergebnisse einer Befragung von 885 Frauen und Männern in Ostdeutschland im Juni 2006: Weniger Lebenszufriedenheit vor dem Hintergrund der Reformdebatten, Angst vor der Zukunft, schlechtere Bewertung der eigenen wirtschaftlichen Lage, Armut trotz Arbeit, Armut von Familien mit Kindern und eine erkennbare zunehmende Altersarmut. Die Sozialreformen werden als Entscheidung gegen die Interessen der Mehrheit der Bürger angesehen. Das Vertrauen in die politischen Instanzen ist niedrig. Rechtsextremistisches Gedankengut ist wesentlich mehr verbreitet als von der Öffentlichkeit wahrgenommen.
Quelle 1: Sozialwissenschaftliches Forschungszentrum Berlin-Brandenburg e.V. – Presse-Erklärung zum Sozialreport 2006 [PDF – 68 KB]
Quelle 2: Vollständiger Sozialreport 2006 [PDF – 512 KB] - Buchbesprechung: Gerhard A. Ritter: Die versteckten Kosten der deutschen Einheit
Der Autor rechnet bis zu den einzelnen Erhöhungsbeträgen bei den Rentenanpassungen im Osten vor, was die Einheit gekostet hat. Bekanntlich haben die Kosten vor allem die westdeutschen Arbeitnehmer über ihre Sozialversicherungsbeiträge bezahlt. Die Steuerzahler wurden über den Solidarzuschlag und über die ungeheure Steigerung der Verschuldung beteiligt, deren Tilgung aber vor allem den Nachkommenden überlassen wird.
Anmerkung: Damit kein Missverständnis entsteht: Wir wenden uns mit diesem Hinweis nicht dagegen, dass diese Kosten der Einheit getragen werden mussten und müssen, und zwar von allen, d.h. über die Steuern. Wir bleiben nur dabei, dass die Finanzierung falsch war, und dass jetzt die Sozialkassen zu Lasten aller, die darauf angewiesen sind saniert werden sollen.
Wäre es nach sechzehn Jahren deutscher Einheit mit aufgelaufenen zusätzlichen Kosten in der sozialen Sicherung (Gesundheit, Rente, Arbeitslosenversicherung) von etwa 360 Mrd. Euro nicht richtiger, endlich die notwendigen politischen Konsequenzen zur Umstellung der Finanzierung und damit zu Stabilisierung der Sozialkassen zu ziehen statt z.B. die gesetzliche Rente auf eine minimale Grundsicherung herunterzusetzen?
Schade, dass Ritter offenbar auch ziemlich unreflektiert über die „Zwänge der Globalisierung“ spricht.
Quelle: DLF - Guilleaume Duval: Geiz ist geil versteht kein Franzose
Die Löhne in Deutschland sind zu niedrig, die Binnennachfrage ist seit Jahren gering. Das geht zu Lasten anderer EU-Länder. Denn Franzosen kaufen deutsche Autos, aber Deutsche weniger französische, so der französische Ökonom Guilleaume Duval.
Quelle: taz - Rechnungshof beklagt Millionen-Sponsoring für die Regierung
Der Bundesrechnungshof hat die Bundesregierung wegen der Annahme von privaten Sponsoringleistungen kritisiert – vor allem, weil sich die Regierung einem Pressebericht zufolge bis heute weigert, die Namen der Sponsoren zu veröffentlichen. Die Gesamtsumme der von der Bundesregierung von August 2003 bis Ende 2004 eingeworbenen Leistungen betrug mehr als 55 Millionen Euro. Bereits der “Anschein finanzieller Abhängigkeit” könnte “das Vertrauen der Bürger in die Verwaltung” deutlich “erschüttern”, mahnten die Prüfer. Sponsoring könne sogar “in den Bereich der Bestechung und Bestechlichkeit” führen.
Quelle: SPIEGEL - »Einfach raus da!«
7.000 Straßenkinder gibt es nach Angaben des Familienministeriums in Deutschland, Hilfsorganisationen sprechen von 20.000. Ihre Lage verschlechtert sich auch wegen Hartz IV. Ein Ende der Sparmaßnahmen ist noch nicht absehbar, obwohl Terre des Hommes darauf hinweist, dass gerade die Gruppe der 18- bis 25jährigen unter den Obdachlosen größer zu werden drohe.
Quelle: Jungle World - An der Strombörse wird Energie zeitweise verschenkt
Gigantische Windstrommengen lassen den Preis für Elektrizität zeitweise auf Null fallen. Zeitweise drückten die Windkraftanlagen in den letzten Tagen mehr als 17 000 Megawatt ins deutsche Stromnetz; das ist fast so viel, wie alle Atomkraftwerke im Land im gleichen Zeitraum erzeugen.
Quelle: FR