In zweifacher Hinsicht ein falsches Verständnis von Korruption
Transparency International (TI) ist eine Organisation, die sich weltweit mit Korruption beschäftigt. Mit dem deutschen Ableger kooperieren Unternehmen wie Allianz, Daimler-Chrysler, PricewaterhouseCoopers und Siemens. „TI ist gleichsam deren bezahltes Anti-Korruptions-Feigenblatt“, meint Hans-Joachim Selenz in einem Kommentar vom 8. Dezember 2006.
Aus meiner Sicht fördert TI in zweifacher Hinsicht ein fragwürdiges Verständnis von Korruption. Albrecht Müller.
Zum einen wird mit der Tätigkeit dieser Organisation der Eindruck erweckt, als sei heute im heimischen Markt und auf dem Weltmarkt wirtschaftliche Tätigkeit erfolgreich möglich, ohne dass gelegentlich für Aufträge etc. Schmiergeld bezahlt wird. Schon als ich 1958 für ein Industrieunternehmen der Konsumgüterbranche arbeitete, waren Großaufträge von deutschen Versandhäusern in der Regel nur zu bekommen, wenn man den Einkäufern Gefälligkeiten zukommen ließ: größere Geschenke, Einladungen und so weiter. Diese Art der Schmiergeldkorruption ist vermutlich angewachsen. Siemens Korporationsmitgliedschaft bei TI vorübergehend zu beenden, wie das nach Kenntnis der Siemens-Korruptionsfälle geschehen ist, halte ich für scheinheilig.
Zum zweiten ist der Begriff ausgesprochen eng gefasst – so eng, dass jene Korruption, die der Mehrheit der Menschen hierzulande viel mehr weh tut als das Millionen-Schmiergeld für einen Auftrag aus einem asiatischen oder afrikanischen Staat, nicht erfasst wird. Ich meine die Bezahlung und Begünstigung von Wissenschaftlern, Medien und Politikern, die sich an der Zerstörung wichtiger gesellschaftlicher Einrichtungen wie der gesetzlichen Rente und beim Verscherbeln vieler öffentlichen Unternehmen beteiligen.
Ich will es am Beispiel des TI-Kooperationspartners Allianz AG erläutern. Die Allianz AG hat zusammen mit der Bild-Zeitung Propaganda für die eigene Riester-Rente-Privatvorsorge, genannt VolksRente, gemacht und sich dafür sowohl dieser Medien und der dafür arbeitenden Journalisten wie auch direkt oder über diese Medien einer Reihe von Wissenschaftlern bedient. Die gesamte Kampagne pro Privatvorsorge, die wir in den NachDenkSeiten schon mehrfach beschrieben haben, ist durchsetzt von Interessenverflechtungen: die Professoren Rürup, Sinn, Raffelhüschen, Miegel, Börsch-Supan und andere sind in Diensten der Finanzindustrie. Politiker leisten mit einer Fülle von Beschlüssen (zum Beispiel Erhöhung des Renteneintrittsalters), die die Leistungsfähigkeit des gesetzlichen Rentensystems beeinträchtigen, Unterstützung bei der Erosion des Vertrauens in diese Altersvorsorge und werben damit gleichzeitig für Privatvorsorge.
Transparency International (TI) und der dazugehörige deutsche Zweig sehen diese massive Korruption nicht. Mit Absicht?