Bei Polizeiangaben ist Vorsicht geboten – heute in Hamburg wie bei der Erschießung Benno Ohnesorgs in Berlin. Zum Beispiel.
Die bekannt gewordenen „Mogeleien“ der Hamburger Polizei (Siehe Anlage 2) erinnern an die Vorgänge beim Schah-Besuch in Berlin Anfang Juni 1967. Weil der einschlägige Text so vieles zeigt, habe ich die entsprechenden Passagen aus Horst Graberts Autobiografie gescannt. Er war damals Chef der Senatskanzlei, also der oberste Beamte Berlins unter dem Regierenden Bürgermeister Heinrich Albertz. Sein spannender Bericht – siehe Anlage 1 – zeigt, dass die damalige politische Führung der Stadt und die Öffentlichkeit gleich zweimal von der Berliner Polizeiführung in die Irre geführt – auf Deutsch: belogen – wurde. Von Albrecht Müller
Die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg durch den Polizisten Kurras (heute bekannt als von der Stasi gesteuert) wurde als Querschläger eines Warnschusses ausgegeben. Siehe Markierung mit (1) im Text. Dann wurde offensichtlich die Vorbereitung eines Bombenattentats inszeniert, um die Gefährlichkeit des Studentenprotestes zu insinuieren. Siehe Markierung mit (2) im Text.
Horst Graberts Bericht offenbart auch die Spaltung der Sozialdemokratie in Fragen der inneren Sicherheit. Dieser Charakterzug reicht vom Ende des Ersten Weltkriegs und Beginn der Weimarer Republik bis heute.
Und damit zeigt sein Bericht zugleich, dass es schon einmal eine sozialdemokratische politische Führung gab, die den Irreführungen nicht erlag.
Horst Grabert wurde später, im Dezember 1972, Chef des Bundeskanzleramtes. Er war Chef des Amtes zur Zeit der Aufdeckung des Spions Guillaume. Graberts Fähigkeiten und sein Charakter wird von den Historikern weit unterschätzt. In meinem Buch „Brandt aktuell. Treibjagd auf einen Hoffnungsträger“ versuche ich einiges auch zu seiner Person gerade zu rücken.
Anlage 1
Auszug Seiten 124-131 der Autobiografie von Horst Grabert „Wehe, wenn du anders bist“ [PDF – 12 MB]
Anlage 2
Auszug aus taz zu den einschlägigen Vorgängen in Hamburg:
Dass bei Polizeiangaben Vorsicht geboten ist, zeigt Hamburg. Dort räumte ein Sprecher inzwischen ein, dass sich der Angriff auf einen Beamten am 28. Dezember anders zugetragen hat, als zunächst von der Polizei dargestellt. Ein Hamburger Szeneanwalt hatte deren Version bestritten, wonach direkt an der Davidwache ein Beamter gezielt attackiert worden sei.
Unter anderem damit hatte die Polizei die Errichtung des Gefahrengebiets begründet. Nun räumte die Polizei ein, dass es anders war. Demnach wurde der Beamte nicht an der Wache attackiert, sondern in 200 Meter Entfernung.