Über den Schwachsinn staatlicher Pensionsfonds – Millionenverluste durch die Finanzkrise
Wie bei der gesetzlichen Rente gilt auch für die Altersversorgung von Beamten die Kapitaldeckung als Heilsbringer aus der angeblichen „Demografie-Falle“. Eine hartnäckige Recherche des Kölner Stadt-Anzeigers brachte nun einen dreistelligen Millionenverlust bei der Versorgungsrücklage zur Sicherung der Beamtenpensionen in Nordrhein-Westfalen ans Licht. Wie schon bei den privaten Lebensversicherungen oder der Riester-Rente wurde auch bei der staatlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Einmal abgesehen davon, dass mit staatlichen Versorgungsrücklagen in gesamtwirtschaftlich schädlicher Weise Schulden von der rechten in die linke Tasche geschoben werden, hat man das mit spekulativen Finanzmärkten verbundene Risiko der (schuldenfinanzierten) Kapitalanlagen schlicht nicht wahr haben wollen. Es wäre interessant zu erfahren, welche Verluste der Bund und die Länder mit ihren Pensionsfonds durch die Finanzkrise insgesamt erlitten haben. Wer für den Schwachsinn staatlicher Pensionsfonds bluten muss, ist allerdings jetzt schon sicher. Von Wolfgang Lieb.
Seit Jahren werden Horrorgemälde über die zukünftigen Belastungen der Öffentlichen Hände durch Versorgungsleistungen an Beamte im Ruhestand an die Wand gemalt. So werden etwa die zu erwartenden Kosten für Pensionen und Beihilfen der heute aktiven Beamten und Ruheständler allein bei Bund, Post und Bahn auf 465,4 Milliarden Euro hochgerechnet – gerade so, als würde die Wirtschaft und damit die Steuereinnahmen in den kommenden Jahrzehnten nicht mehr wachsen.
Wie bei der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente redet man auch bei der Beamtenversorgung von einer „Demografie-Falle“. Dieser Falle könne man nur entgehen, wenn man entweder das Versorgungsniveau drastisch senkt (so z.B., wie auch schon bei der Rente der Versicherungslobbyist Bernd Raffelhüschen) oder aber indem sog. Versorgungsrücklagen angelegt werden. Mit solchen Versorgungsfonds soll auch die Altersversorgung von Beamten vom bisherigen Umlageverfahren – d.h. der Finanzierung aus dem laufenden Haushalt – auf eine Kapitaldeckung umgestellt werden.
Sowohl der Bund als auch alle Länder haben in den letzten Jahren solche Pensionsfonds per Gesetz eingeführt. Teilweise finanziert werden solche Versorgungsrücklagen in der Regel durch eine jährliche Absenkung des Besoldungs- und Versorgungsniveau der Beamten und Pensionäre, darüber hinaus werden etwa die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge prozentual verringert oder die Höchstgrenze der Beamtenbezüge und die Höhe der Witwenversorgung abgesenkt.
Heiner Flassbeck hat schon im Jahre 2008 – anlässlich der Einrichtung eines bayerischen Staatsfonds – geurteilt, dass damit „der Unverstand fröhliche Urständ“ feiere. Er hat auf die „aberwitzige Idee“ hingewiesen, dass der Staat, statt durch Pensionsverpflichtungen anwachsende Ausgaben auf eine Zukunft mit einem erhöhten Wachstum und höheren Steuereinnahmen zu verlagern, schon heute (schuldenfinanziert) mehr Geld als sonst ausgegeben müsse, um einen solchen Pensionsfonds aufzubauen. Wenn man das über längere Zeit mache, seien zwar vielleicht in ferner Zukunft die Pensionslasten des Staates geringer als heute (eindimensional) errechnet, der kleine Haken bei der Geschichte sei allerdings, dass auch die Staatsverschuldung in Zukunft um den Betrag höher sei, um den der Staat in den Pensionsfonds einbezahlt habe. Der Staat habe also Geld nur aus der rechten Tasche genommen und in die linke geschoben und das Ganze noch als Zukunftsvorsorge verkauft.
(Im Übrigen sind Schuldzinsen in aller Regel höher als Einnahmen aus Kreditzinsen.)
Über dieses bloße „Karussellgeschäft“ hinaus, entstehe aber – so Flassbeck weiter – gesamtwirtschaftlich betrachtet noch ein zusätzlicher Schaden. Durch das Ansparen von Versorgungsrücklagen, könne der Staat bei den laufenden Ausgaben – also bei öffentlichen Investitionen oder bei den Konsumausgaben – weniger ausgeben. Der Staat könne dementsprechend weniger in die Zukunft investieren oder wenigstens durch eine höhere Besoldung seiner Staatsdiener die Kaufkraft im Inland steigern. Beides schwächt fortlaufend das jährliche Wirtschaftswachstum.
(Siehe dazu im Detail Heiner Flassbeck „Leibhaftige Finanzminister sind nicht fähig, in gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen zu denken“)
Dass das angesparte Geld im Inland angelegt worden wäre, war nicht mehr als eine Hoffnung, die sich als trügerisch erwiesen hat.
Nun könnte man vielleicht immer noch argumentieren, es handle sich bei den Versorgungsrücklagen um ein Null-Summen-Spiel: Wenigstens spare der Staat das Geld an, dass er künftig für die Versorgungsleistungen ausgeben müsste. Doch selbst das ist, wie jetzt eine Enthüllung in Nordrhein-Westfalen zeigt, eine Rechnung, die ohne den Wirt gemacht wurde.
Wie der Kölner Stadt-Anzeiger berichtete, hat das Land 2004 und 2005 für die Versorgungsrücklage zur Sicherung der Beamtenpensionen griechische Anleihen mit einem Nennwert von 332 Millionen Euro gekauft. Davon seien im Oktober 2012 aber nur 164 Millionen Euro zurückgeflossen. Mehr als die Hälfte, nämlich 168 Millionen Euro, seien verloren. Der größere Teil dieser Papiere mit einem Nennwert von 220 Millionen Euro war unter anderem von dem Schuldenschnitt für griechische Staatsanleihen betroffen. Das Land konnte für diese Papiere nur noch einen Verkaufspreis von 52 Millionen Euro erzielen.
Es wäre spannend, zu erfahren, welche Verluste der Bund und die Länder mit ihren Pensionsfonds im Verlauf der Finanzkrise insgesamt erlitten haben. Vielleicht könnten ja die Fraktionen im Bundestag und in den Länderparlamenten entsprechende Anfragen an die Regierungen stellen.
Nordrhein-Westfalen dürfte nicht nur mit den griechischen Anleihen ein Verlustgeschäft gemacht haben, sondern auch mit anderen Anlageformen. Genauso dürften auch der Bund und andere Länder durch die Finanzkrise mit ihren Pensionsfonds erhebliche Verluste eingefahren haben.
Das Land Nordrhein-Westfalen wäre jedenfalls besser gefahren, die Beamtenbezüge und damit die Kaufkraft von hunderttausenden von Lehrern, Polizisten oder Justizbeamten nicht zugunsten der Versorgungsrücklage gesenkt zu haben. Das Land hätte wirtschaftlich zukunftsträchtiger in seine maroden Schulen oder in seine kaputten Brücken investiert, als sich um diesen Verlustbetrag zusätzlich zu verschulden und für diese Schulden zusätzlich auch noch Zinsen bezahlen zu müssen.
Im Ergebnis haben die öffentlichen Haushalte nicht nur eine um die durch die Finanzkrise bei den Pensionsfonds eingetretenen Verluste höhere Verschuldung, sondern sie müssten darüber hinaus diese Verluste in der Zukunft noch ausgleichen, sofern sie die derzeit noch versprochenen Versorgungsbezüge künftig überhaupt gewährleisten wollten.
Unter dem Regime der „Schuldenbremse“ lässt sich allerdings ziemlich sicher vorhersagen, wer für den Schwachsinn staatlicher Versorgungsfonds bluten muss:
Es werden die Staatsdiener sein, nämlich durch noch weiter gesenkte Altersversorgungsansprüche und durch noch höhere Abzüge bei ihrer Besoldung zur Schließung der Versorgungslücke bei ihrer angeblich ach so sicheren kapitalgeckten Pension.