Mein Rat an SPD-Mitglieder: Sagt Nein zum Koalitionsvertrag.
Der Grafiker Klaus Staeck hat gestern in der Frankfurter Rundschau für die Zustimmung zum Koalitionsvertrag geworben, unter anderem mit dem Hinweis, „dass sogar die stets kritischen Gewerkschaften dem Ergebnis zustimmen“. Bei aller Liebe, das ist dann doch zu viel irreführende Propaganda für diesen Koalitionsvertrag. Wie Klaus Staeck auch sah ich keine wirklich vorhandene Möglichkeit, den Eintritt in Verhandlungen zur Bildung einer großen Koalition zu vermeiden. Aber das Ergebnis der Verhandlungen ist enttäuschend für Sozialdemokraten. Hier haben jene in der SPD die Feder geführt, die uns auch die Agenda 2010 eingebrockt haben. Die Verhandlungen hätten die Chance geboten, wenigstens ein bisschen von diesem Pfahl im Fleisch der Sozialdemokraten abzurücken. Das ist nicht geschehen. Es ist deshalb wichtig, dass möglichst viele Sozialdemokraten bei der Mitgliederbefragung ein Zeichen setzen und sagen: „So nicht, Nein“. Von Albrecht Müller
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Wenn der Koalitionsvertrag eine überschwänglich große Zustimmung erführe, dann fühlen sich die Agenda 2010 Befürworter bestärkt und gerechtfertigt. Es ist jetzt ja schon kaum auszuhalten, was ihre Vertreter von sich geben. Siehe die Rede des Fraktionsvorsitzenden Steinmeier vor dem Arbeitgeberverband, die Sie hier hören und nachlesen können.
Wolfgang Lieb hat den Koalitionsvertrag gewissenhaft geprüft und seine Erkenntnisse hier und hier aufgeschrieben. Jens Berger hat sich hier dazu geäußert.
Selbst wenn die Ergebnisse der Verhandlungen ein bisschen positiver zu bewerten wären, würde ich vermutlich nachher meine Stimmzettel mit einem Nein zurücksenden. Ich möchte mit dem Nein jene stärken, die sich von der Agenda 2010 ablösen wollen und die SPD für ein Bündnis mit Linken und Grünen öffnen wollen. Jedes überwältigend positive Abstimmungsergebnis wird nämlich von den Rechten in der SPD so interpretiert werden, dass die im Text des Koalitionsvertrags angelegte weitere Fixierung auf Agenda 2010, auf Privatisierung der Altersvorsorge, auf Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, auf die Schuldenbremse und damit auf die weitere Zurückführung des öffentlichen Auftrags und auch die Fortsetzung der Austeritätspolitik und damit der Katastrophenpolitik in Europa bestätigt wird. Dass kein Anflug einer Neuorientierung in der Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik erkennbar ist, muss man als einen Skandal bezeichnen.
Diesen Vertrag bestätigen? Tun sie das nicht. Setzen Sie ein Zeichen für eine Neubesinnung der SPD Führung, falls man das überhaupt erwarten kann.
P.S.: Diesen Beitrag habe ich auch deshalb geschrieben, weil ich die Propaganda und Meinungsmache für das Ja zum Koalitionsvertrag für unerträglich halte. Dass die SPD Führung versucht, eine Mehrheit zu bekommen, kann ich ja verstehen. Dass aber auch noch Klaus Staeck mit der Behauptung daherkommt, die Gewerkschaften seien „stets kritisch“ gewesen und deshalb sei ihre Unterstützung des Koalitionsvertrags besonders bemerkenswert, finde ich nicht akzeptabel. Die Gewerkschaften waren gegenüber Schröder, Steinmeier, Müntefering, Riester und ihren Agendaplänen so unkritisch, dass sie die Zerstörung des Vertrauens in die gesetzliche Rente wie auch die de facto Zerstörung der Arbeitslosenversicherung durch die Hartz Reformen mit gemacht haben. Mitgehangen mitgefangen – das ist der wahre Grund für die Zustimmung dieser ach so kritischen Gewerkschaften zum Koalitionsvertrag.