Vorsicht im Umgang mit der Betrieblichen Altersvorsorge.
Betriebsräte, Arbeitnehmer und Unternehmer tun gut daran, bei der betrieblichen Altersvorsorge sorgfältig vorzugehen. Man kann nämlich Fehler machen, die teuer zu stehen kommen können. Darauf wies uns ein Münchner Rechtsanwalt hin, der mit einer Gruppe von Experten über diese Fragen arbeitet. Mir waren diese Probleme nicht bewusst. Wir möchten die Betroffenen darauf hinweisen. Hier eine Aufzeichnung von Dr. Johannes Fiala.
Betriebliche Altersvorsorge: Lücken in der Arbeitnehmerversorgung,
Arbeitgeberhaftung und Handlungsmöglichkeiten für den Betriebsrat
Von Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt [*]
„Keine Zukunft vermag gutzumachen, was du in der Gegenwart versäumst.”
(Albert Schweitzer, evangelischer Theologe, Musiker, Philosoph und Arzt 1875 – 1965)
Der „Irrtum“ über effiziente betriebliche Altersvorsorge
Albrecht Müller beschreibt in seinem Werk „Die Reform-Lüge“, dass von 34 Mio. Erwerbstätigen, etwa 7 Mio. jährlich ein Beschäftigungsverhältnis beginnen oder beenden. Spiegelbildlich beträgt nach Information des Statistischen Bundesamtes die durchschnittliche Verweildauer von Arbeitnehmern in einem Betrieb etwa 4,9 Jahre.
Dieser Umstand berührt auch das wirtschaftliche Ergebnis einer betrieblichen Altersvorsorge. Denn wenn dafür „übliche 20- und 30-Jahres-Verträge“ als Direkt-Lebensversicherung abgeschlossen wurden, so stellen die Mitarbeiter später fest, dass der Wert ihrer „betrieblichen Alters-Zusatzversorgung“ nach fünf Jahren oft nur einen kleinen Bruchteil dessen beträgt, was in der Summe über die Jahre einbezahlt wurde.
Woran liegt dies?
Das gesetzliche Gebot der „Wertgleichheit“
Im Betriebsrentengesetz steht mit Wirkung seit 01.01.2002, dass der Arbeitgeber insbesondere bei der Gehaltsumwandlung das Geld seiner Mitarbeiter im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung „wertgleich“ anzulegen hat. Eine Definition dafür lieferte der Gesetzgeber nicht. Gerichte stellten dazu allerdings fest, dass der Arbeitgeber „als uneigennütziger Treuhänder“ dabei mitwirkt.
Anfang 2006 ließ ein Richter des Bundesarbeitsgerichts buchstäblich eine Bombe platzen. Er postulierte, dass ein Verstoß gegen die Wertgleichheit zur (Teil-)-Unwirksamkeit der Entgeltumwandlung führt. Praktisch betrachtet geht es um die Vermittlungsprovisionen, welche bei Direktversicherungen und anderen Durchführungswegen der betrieblichen Altersversorgung gleichsam „durch die Hintertür“ den betrieblichen Altersvorsorgeverträgen zu Gunsten von Vermittlern und Versicherern belastet werden.
Praktisch ergeben sich dadurch Reduktionen der späteren Renten von 20-40%, gelegentlich auch deutlich höhere Einbußen für den Arbeitnehmer.
Haftet dafür der Arbeitgeber?
Die Arbeitgeberhaftung bei Entgeltumwandlung
Die betriebliche Altersvorsorge ist eine gesetzliche Aufgabe des Arbeitgebers. Das Verkaufsgespräch des Vermittlers beginnt in der Regel mit den Worten „Sehr geehrter Herr Arbeitgeber, meine Tätigkeit ist für Sie selbstverständlich kostenfrei“ – kein Wunder, denn die Kosten, welche eigentlich kraft gesetzlichem Auftrage vom Arbeitgeber zu tragen wären, werden den betrieblichen Altersvorsorgeverträgen belastet. Spötter meinen dann, dass die Lebensversicherung „das einzige Sparbuch sei, welches mit einem negativen Saldo beginnt“. Die unnötigen Abschlusskosten, welche oftmals nicht nur im ersten Jahr belastet werden, schädigen das Vermögen der Arbeitnehmer und führen zur Teilunwirksamkeit.
Bildlich gesprochen schuldet der Arbeitgeber diese Beträge dann dem Mitarbeiter als Schadensersatz, zuzüglich jährlicher Verzinsung mit Zinseszins-Effekt. Für den Arbeitgeber ist dies gelegentlich ein Schock, denn das Bewusstsein, dass „sein Vermittler“ oftmals mit Einrichtung eines betrieblichen Versorgungswerkes gleich „sein Lebenseinkommen“ als Provisionen verdient hat, war nicht transparent. Gelegentlich kommt wohl hinzu, dass auch Funktionsträger innerhalb oder außerhalb des Betriebs „als Tip-Geber“ etwas davon abbekommen hatten.
Ist das alles legal?
Rolle der Anbieter betrieblicher Versorgungswerke
Mitarbeiter der Anbieter betrieblicher Altersversorgung scheuen sich nicht, dem Arbeitgeber zu sagen „Wissen Sie, was Wertgleichheit ist, definiert jede Gesellschaft selbst“. Sinngemäß bedeutet dies, dass jeder „versicherungsförmig kalkulierte Tarif“ in Ordnung sei – gleichviel wie hoch Abschluss- und Verwaltungskosten einkalkuliert sind.
Vom Arbeitgeber kann sicherlich nicht verlangt werden, dass er „die Welt aus den Angeln“ hebt, und völlig kostenfreie Produkte auswählt. Jedoch gibt es solche ohne Abschlusskosten (anstatt beispielsweise bis zu 12,6% aus der Versicherungsvertragssumme). Und hinsichtlich der Verwaltungskosten, darf es durchaus ein „preiswerter“, vielleicht nicht der „billigste“ Tarif sein. Untersuchungen dazu gibt es z.B. bei der Verbraucherzentrale Bundesverband. Es wäre also für den Arbeitgeber nicht schwierig, mit dem Geld seiner Mitarbeiter „treu und gewissenhaft“ umzugehen.
Haften denn die Vermittler?
Die Regress-Haftung des Vermittlers und seiner Gesellschaften
Es ist seit vielen Jahren ein Grundsatz nach der Rechtsprechung, dass Kapitalanlagen „anleger- und objektgerecht“ vermittelt werden müssen. Widrigenfalls haften regelmäßig die Vermittler, Berater, sowie die dahinter stehenden Gesellschaften. Die Rechtsprechung stammt eigentlich aus dem Bankbereich, auch zur Frage, welche Produkte ungeeignet sind für eine Altersversorgung. Wenn der Kunde (das ist bei der betrieblichen Versorgung immer der Arbeitgeber) statistisch durchschnittlich und erkennbar das Geld nach etwa 5 Jahren wieder zur Verfügung haben muss, dann dürften Verträge mit 20 oder 30 Jahren Laufzeit und entsprechend vielfach höherer Provision nicht geeignet sein.
Übrigens hat dies zunächst überhaupt nichts mit der Frage zu tun, ob die Provisionen nach dem „Zillmer-Verfahren“ oder anders auf die Laufzeit verteilt werden. Das Verfassungsgericht hat dem Gesetzgeber sowieso aufgegeben, die Intransparenz vieler Versicherungslösungen auf dem Markt durch eine Gesetzesreform zu beseitigen. Der Volkswirt Müller beschreibt in seinem Buch „Reform-Lüge“, dass die durchschnittlichen Verwaltungskosten des Versicherungssystems bei etwa 20% liegen – demgegenüber die Verwaltungskosten des staatlichen Umlage-Rentensystems bei maximal 5%, nach neuen Berechnungen bei 1,5%.
Aber kann der Arbeitgeber dieses Problem dann einfach „aussitzen“?
Haftungs- und Insolvenzrisiken
Für den normalen Angestellten, so scheint es, ist die betriebliche Altersversorgung durch einen „Pensionssicherungs-Verein“ vor Insolvenz geschützt. Doch wenn der Betrieb „still liquidiert“ wird, wie im Fall „Kaufhalle“ zu hören war, dann bekommen die Mitarbeiter keinen Cent. Gegen diese Art und Weise der „Entschuldung“ hat der Gesetzgeber zu Gunsten der fürs Alter sparenden Arbeitnehmer nicht vorgesorgt – bis heute.
Für den normalen Arbeitgeber besteht bereits seit 01.01.2002 nach § 91 II Aktiengesetz die Pflicht für ein Risikomanagement – die Lücken in der betrieblichen Altersvorsorge und die bisweilen enorme Arbeitgeberhaftung, können hier nicht außen vor bleiben. Dies gilt über § 43 GmbHG entsprechend auch für jede Mittelstands-GmbH. Die Transparenz im Hause des Arbeitgebers soll Insolvenzrisiken und zunehmenden Haftungsgefahren vorbeugen.
Hinzu kommt, dass die Vermittlerhaftung spätestens nach 10 Jahren durch Verjährung endet – der Arbeitgeber jedoch für betriebliche Altersvorsorge mit 30 Jahren Verjährungsfrist belastet ist. Die Nichtgeltendmachung der Regresshaftung gegen Vermittler etc. kann bis hin zum Vorwurf einer Untreue gegenüber dem eigenen Unternehmen reichen. Wie real solche Vorwürfe sind, zeigen die gerichtlichen Strafverfahren gegen „Deutsche Bank Vorstände Ackermann, Breuer“ u.a.
Die Untätigkeit der Unternehmensleiter, also das Zusehen, wie der Schaden von Tag zu Tag durch den Zinseszinseffekt wächst, kann ebenfalls zu einer persönlichen Managerhaftung führen. Diese Aussichten sind für manchen Betriebsleiter heute Anlass genug, sich um eine Lösung für Gegenwart und Zukunft zu interessieren.
Und welche Rolle kann der Betriebsrat dabei haben?
Lösungsansatz durch Initiative des Betriebsrats
Nach dem § 80 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz besteht für den Betriebsrat ein Anspruch, auf Kosten des Arbeitgebers, einen externen Sachverständigen zuzuziehen: „Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.“ Die Auswahl des Sachverständigen obliegt dem Betriebsrat.
Ausreichend ist es, wenn der Betriebsrat nicht in der Lage ist, eine Aufgabe, die in seine Zuständigkeit fällt, aufgrund der Schwierigkeiten und Komplexität der Materie sowie fehlender Kenntnisse ordnungsgemäß wahrzunehmen, und wenn er sich die fehlenden Kenntnisse auch nicht selbst in zumutbarer Zeit erwerben kann.
Lösungsansatz für Betroffene
Auch für die betroffenen Arbeitnehmer ergibt sich beim Arbeitgeberwechsel spätestens die Frage, ob der Arbeitgeber seinen Lohn, soweit er in eine betriebliche Versorgung umgewandelt wurde, korrekt behandelt hat. Ein krasses Beispiel lieferte eine britische Direktversicherung – nach knapp zwei Jahren Betriebszugehörigkeit war nur ein einstelliger Prozentsatz der einbezahlten Beiträge vorhanden. Der verantwortliche Versicherungsmakler hatte den Vertrag gerne vermittelt – über die Details aufgeklärt hat er nicht. Der Arbeitgeber war schließlich gezwungen den Schaden einzuklagen, um nicht selbst die fehlende Differenz aus eigener Tasche drauf zu legen.
Gesetzliche Pflichten des Arbeitgebers zwingen auch in diesem Bereich zur Umsicht und zur Entscheidung auf der Basis seriöser Fachkunde – oft unter dem Strich auch wesentlich preiswerter gegen Honorar statt üblicher Provisionen.
[«*] Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt (München) Mediator (Univ.), MBA Financial Services (Univ.Wales), MM (Univ.), geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), EG-Experte (C.I.F.E.), Lehrbeauftragter für Bürgerliches Recht (Univ. of Cooperative Education), Bankkaufmann (www.fiala.de) / Expertenkontakt: [email protected]