Arbeitslosigkeit als unabänderlich hinnehmen oder trotz allem dagegen angehen?
Das ist meines Erachtens die entscheidende Frage, bei der sich die Geister heute scheiden. Die einen, vermutlich die Minderheit, sehen immer noch einen Sinn darin, mit makroökonomischen Instrumenten Beschäftigungspolitik zu betreiben. Die andern halten dies für eine eitle Hoffnung. Die öffentliche Debatte und auch die praktische Politik kümmert sich vornehmlich um die Verwaltung der Arbeitslosigkeit – um Hartz IV und seine Korrektur, um die Milderung der Folgen der Arbeitslosigkeit mithilfe eines Bürgergeldes und so weiter.
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hat am 15.11. eine Studie darüber vorgelegt, wie erfolgreichere Länder verfahren sind. Die Studie zeigt, dass ideologisch so unterschiedliche Länder wie Schweden und Großbritannien die Arbeitslosigkeit mit sehr ähnlichen Mitteln und erfolgreich bekämpft haben. Beide Länder verfolgten auch in der Konjunkturflaute 2000/2001 einen expansiven Mix aus Geld-, Lohn- und Finanzpolitik. Warum soll das bei uns nicht möglich sein? Leben wir in einer andern Welt? Leben wir auf einem anderen Globus mit einer anderen Globalisierung? Albrecht Müller.
In beiden Ländern wird Makropolitik gemacht. Bei uns hält eine Koalition aus Vertretern des angebotsökonomisch orientierten Mainstream auf der einen Seite und eher fortschrittlich orientierten Wachstumskritikern und Wachstumsskeptikern auf der anderen Seite makroökonomische Ansätze nicht mehr für möglich. Die einen sind für noch mehr Strukturreformen, die andern für eine menschenwürdige Gestaltung (und Verwaltung) der Arbeitslosigkeit.
So verschieden läuft es in Europa: „Die britische und schwedische Fiskalpolitik reagierten im Abschwung 2001 klar antizyklisch: Staatskonsum und öffentliche Investitionen stiegen stark. In Deutschland geschah das genaue Gegenteil: Zwar trat zufällig 2001 ein Teil der Steuerreform in Kraft. Doch der Staatskonsum wurde eingeschränkt, die öffentlichen Investitionen sanken.“ So das IMK.
Die Abwesenheit jeglichen Sinns für die notwendige antizyklische Makropolitik führt in Europa immer mehr zu gefährlichen Querlagen. Darauf wies gerade Werner Vontobel in einem Beitrag für den schweizerischen „Blick“ hin. Es ist interessant zu lesen, wie aus der Perspektive unserer Nachbarn die Abwesenheit einer einigermaßen rationalen Makropolitik in Deutschland bewertet wird. Der Beitrag im „Blick“ vom 11.11.2006: „Immer tiefere Löhne, noch weniger Gewinnsteuern. Deutschlands Dumping legt Europas Aufschwung lahm.“
Mit der Vernachlässigung der makroökonomischen Komponente der Wirtschaftspolitik schaden wir also uns, unseren Nachbarn und über die Gefährdung ihrer konjunkturellen Entwicklung wiederum und erneut uns selbst. Eine typische Spirale nach unten.
Die Diagnose im „Blick“ wird auch von der Studie des IMK bestätigt. In der Pressemitteilung heißt es: „Die Lohnentwicklung war in Deutschland besonders zurückhaltend. Dies war eine wesentliche Ursache für die schwache Binnennachfrage, während sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen verbesserte.“
Wie verschieden die ideologischen und konzeptionellen Welten in Deutschland sind, wird sichtbar, wenn man einen gerade erschienenen Artikel im „Managermagazin“ mit der Studie des IMK vergleicht.
In einem Beitrag von Christian Rickens mit dem Titel „Die ignorante Elite“ wird alles an gängigen Vorurteilen aufgetischt, was man von Autoren der neoliberalen Bewegung zu hören bekommt: Es mangelt an Reformeifer, die Lohnzusatzkosten sind ein wichtiger Standortnachteil, und so weiter.
Dieser Beitrag ist nur lesenswert, weil er die eingefahrenen Parolen und Denkweisen sichtbar macht und auch erkennen lässt, warum man in Deutschland nicht auf den Trichter kommt, endlich das Selbstverständliche zu tun: alle notwendigen Instrumente der Wirtschaftspolitik, auch die makroökonomischen, zum Wohle unseres Landes einzusetzen. Der Mainstream ist sichtlich monoman. Im hier erwähnten Beitrag wird uns diese fragwürdiger Denkweise auch noch als Schule der Politik empfohlen. Ein bisschen zu viel.