Statistisches Bundesamt: Gesetzliche Sozialversicherungen erzielen 8,5 Milliarden Euro Überschuss – Ein weiteres Beispiel für den falschen Ansatz der „Reformen“
Eine geringe Zunahme an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und eine Umstellung des Beitragseinzugs bescherten allein der Rentenkasse im ersten Halbjahr 2006 einen Überschuss von 5 Milliarden Euro, meldet jetzt das Statistische Bundesamt. Das zeigt einmal mehr, dass die Vielzahl der Renten-„Reformen“ von Rot-Grün und Großer Koalition nur an Symptomen kurierten. Hätte man eine vergleichbare politische Energie auf eine vernünftige Beschäftigungspolitik gerichtet, dann hätte sich das ganze Gerede von der demografischen Entwicklung und dem dadurch bedingten Niedergang der gesetzlichen Rente als das entpuppt, was es von Anfang an war, nämlich eine gezielte Verunsicherungskampagne zur Durchsetzung einer privaten Altersvorsorge.
Mit einem riesigen Propagandaaufwand wurde in den letzten Jahren das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung zerstört. Die rot-grüne Bundesregierung und die Große Koalition setzten in kaum noch nachvollziehbarer Folge eine Renten- „Reform“ nach der anderen durch:
- Die Rentenbeitragssätze wurden gedeckelt,
- das Renteneintrittsalter wurde zunächst von 60 auf 63 und unter der großen Koalition gar gleich auf 67 Jahre angehoben.
- Seit 2004 und auch die darauffolgenden 4 Jahre gibt es „Nullrunden“ für die Rentner (was unter Einberechnung der Inflationsraten (jährlich rund 2%) real Rentenkürzungen um schätzungsweise etwa 10% bedeutet).
- Die Rente wird einen Bankarbeitstag später ausbezahlt und Neurentner erhalten ihre Rente nicht mehr am Monatsanfang sondern am Monatsende.
- Die Anrechungszeiten für die Ausbildung wurden verkürzt.
- Rentner müssen statt des halben nunmehr den ganzen Pflegeversicherungsbeitrag von 1,7% ihres Renteneinkommens bezahlen.
- Nach dem Alterseinkünftegesetz müssen alle Rentner mit einer Rente von knapp 1.600 Euro (also etwa 25% der Rentner) (wie die Pensionäre) Steuern auf ihre Renten bezahlen, (Parole: steuerliche Belastung im Alter zugunsten steuerlicher Entlastung im Erwerbsleben aus angeblichen Gründen der Generationengerechtigkeit).
- Die Senkung der Witwenrente von heute 60 auf 55%.
Das waren nur die wichtigsten „Reformen“. Sie haben alle nichts oder nicht viel gebracht. Die Ausgaben aller Sozialversicherungen blieben Mitte 2006 gerade mal um 0,7% unter dem entsprechenden Vorjahresniveau und im ersten Halbjahr 2005 verzeichnete allein die gesetzliche Rentenversicherung noch ein Defizit von 4,3 Milliarden.
Am 10. Oktober 2006 meldet das Statistische Bundesamt nach dem vorläufigen Ergebnis der Kassenstatistik für das erste Halbjahr 2006 bei der gesetzlichen Rente einen Finanzierungsüberschuss in der Rentenkasse von 5 Milliarden Euro. Die Differenz zwischen dem Defizit im Vorjahr und dem Überschuss im ersten Halbjahr 2006 in Höhe von weit über 9 Milliarden wird mit der Umstellung des Beitragseinzugs von der nachträglichen Abführung der Beiträge (bis 2005) auf eine Vorauszahlung der Beiträge (ab dem ersten Quartal 2006) sowie mit der Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten erklärt. Dabei hat die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Mitte des laufenden Jahres gegenüber dem Vorjahr gerade mal um 129.000 zugenommen.
Aber schon diese leichte Abnahme der Arbeitslosigkeit und die dadurch bewirkte Zunahme an Beitragszahlern lässt die gesetzliche Rentenversicherung wieder in schwarze Zahlen schreiben. Es sind also weder das Gespenst der demografischen Entwicklung noch die „Unfinanzierbarkeit“ der Rentenansprüche, die die Rentenkasse in Schwierigkeiten brachte, entscheidend für die Sicherheit des gesetzlichen Rentensystems ist und bleibt die Zahl der Beitragszahler oder die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.
Die Politik setzte in den vergangenen zwei Jahrzehnten sowohl bei der Bekämpfung der Haushaltsdefizite, beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, als auch bei der Rente nahezu ausschließlich auf Einsparmaßnahmen. Die harten Einschnitte für Millionen von Betroffenen brachten jedoch kaum Sparerfolge und schon gar keine Verbesserung der Finanzlagen. Ein kleiner Konjunkturaufschwung mit einer geringen Wachstumsrate von etwa 2 Prozent, spült nun Geld in die Kassen des Fiskus, der Arbeitslosenversicherung und der gesetzlichen Rente.
Das zeigt, die Politik hätte sich den irrsinnigen Aufwand für zahllosen Einspar-„Reformen“ weitgehend sparen können, wenn sie ihre Kraft und den nötigen Einfallsreichtum auf eine vernünftige Konjunktur-, Wachstums- und Beschäftigungspolitik gelenkt hätte.
Stattdessen hat man die demografische Entwicklung und die Globalisierung als Hebel benutzt um den Sozialstaat abzubauen und mit „Strukturreformen“ statt solidarischer Sicherung „Eigenverantwortung“ propagiert, um damit etwa bei der Rente die Privatisierung der Altersvorsorge durchzupauken.
Das Credo lautete: Es muss uns schlechter gehen, damit es uns wieder besser geht. Die Frage, wem es am Ende besser geht, ist angesichts der zunehmenden Kluft zwischen Arm und Reich inzwischen empirisch ziemlich eindeutig beantwortet. Verlierer der „Reformen“ sind die Arbeitslosen, die Rentner, die unteren bis mittleren Einkommensbezieher.