Tipp: Neues Globalisierungsbuchs von Joseph E. Stiglitz
Zusammenfassender Bericht von Gerhard Kilper über Eric Le Bouchers Besprechung des neu erschienen Globalisierungsbuchs von Joseph E. Stiglitz („Un autre monde, contre le fanatisme du marché“, Verlag Fayard 2006), erschienen in der französischen Tageszeitung Le Monde vom 15.September 2006, Seite 19. Nach Le Boucher fordert Stiglitz – ähnlich wie sein französischer Ökonomen-Kollege Daniel Cohen – eine politische Korrektur des neoliberalen Globalisierungskonzepts.
Die Globalisierung neu ausrichten
Bericht und Übersetzung von Gerhard Kilper
Joseph E. Stiglitz, früherer wirtschaftspolitischer Berater von Bill Clinton, ehemaliger Chefvolkswirt der Weltbank und Nobelpreisträger 2001 entfachte im Jahr 2002 mit seinem Buch „Die Schatten der Globalisierung“ international eine kritische Diskussion über die in den 1980er Jahren von Beamten des US-Finanzministeriums und Vertretern des Internationalen Währungsfonds („Washington Consenus“) eingeleitete, ganz bewusst neoliberal geprägte Globalisierung. Stiglitz machte die erzwungene Umsetzung der Thesen des „Washington Consensus“ (schrankenlose Liberalisierung aller Märkte, rigoroser Ausgleich der Staatshaushalte, Privatisierung) für die Zunahme von Armut und Elend auf der Welt verantwortlich.
In seinem neuen Globalisierungs-Buch präzisiert Stiglitz nach Le Boucher seine Haltung zur Globalisierung und nimmt dabei in Kauf, seine bisherigen Anhänger der Antiglobalisierungsbewegung enttäuschen zu müssen.
Stiglitz ist Ökonom und als Ökonom kann er kein prinzipieller Gegner des globalen Warenaustausch und des Austauschs von Wissen, technologischen Fertigkeiten und politischen Erfahrungen zum Nutzen der Menschheit sein. Le Boucher zitiert Stiglitz mit den Worten: „Ich bin sicher, dass die Globalisierung in sich ein immenses Wohlstands-Potential sowohl für die Entwicklungsländer als auch für die schon entwickelten Länder trägt.“ Damit die inzwischen weit fortgeschrittene Globalisierung den Menschen wirklich Fortschritt bringe, sei „eine Neuausrichtung und Neuorganisation der Globalisierung“ mit dem Ziel erforderlich, sie politisch so zu gestalten, dass sie wirklich Nutzen für alle Menschen bringt.
Wie sieht das alternative Globalisierungskonzept Stiglitz’ aus?
Nach Le Boucher stützt sich Stiglitz grundsätzlich auf das erfolgreiche asiatische Entwicklungsmodell mit der tragenden Rolle des Staates. Er rehabilitiert staatlich-wirtschaftspolitisches Handeln und unterstreicht seine Haltung mit dem Hinweis auf die Schwäche des Staates in Südamerika. Genau diese staatliche Schwäche sei zuallererst für die dortigen wirtschaftlichen Globalisierungs-Misserfolge verantwortlich (was im Übrigen noch mehr für Afrika gilt).
Stiglitz verlangt spezifische Handelskonditionen für die zurückgebliebenen Länder als Teil eines „gerechten“ internationalen Handels. Weiter plädiert er nach Le Boucher für eine effektive Durchsetzung internationalen Rechts sowohl im internationalen Wettbewerb als auch im Vertragsrecht. So könne z.B. die Weltbank darüber wachen, „dass die Entwicklungsländer korrekt von den internationalen Erdöl- und Bergbau-Konzernen behandelt werden.“ Nach Le Boucher kritisiert Stiglitz am bestehenden internationalen Währungssystem besonders die Instabilität der aktuell bestehenden Sonderziehungsrechte, die immer nur – meist unter Auflagen – verlängert werden. Grundsätzlich sollten Kredite speziell für Entwicklungsländer zu günstigen Konditionen angeboten werden. Zwar anerkennt Stiglitz nach Le Boucher schon besehende Spezialklauseln zugunsten armer Länder, meint aber, insbesondere Denken und Einstellungen der verantwortlich agierenden Ökonomen müssten von Grund auf verändert werden. Es dürfe nicht mehr sein, dass die wirtschaftspolitisch Verantwortlichen sich nur fragen, was dieser oder jener Vertrag für ihr Land bringe. Sie müssten in der globalisierten Welt weiter denken und sich fragen, was „gerecht“ ist und was dazu beiträgt, auch die Ressourcen der unterentwickelten Länder umfassend zu entwickeln.
Im Bereich der internationalen Institutionen tritt Stiglitz für eine echte Demokratisierung ein. Es gehe nicht weiter an, dass diese Institutionen unter dem dominierenden Einfluss der USA und der Industrieländer stehen und von diesen vorrangig für ihre eigene Wirtschafts- Interessen eingesetzt werden. Konkret seien die Stimmrechte im Internationalen Währungsfonds zu ändern.
Schließlich müsse global das „Gefühl einer Weltidentität“ entwickelt werden, das die verantwortlich agierenden Ökonomen dazu zwinge, bei allen wichtigen Entscheidungen die Folgewirkungen „für alle anderen“ zu bedenken. „Negativen Externalien“, verstanden als Handlungen einer Teileinheit zum Schaden der anderen, müssten aufhören, unabhängige Nichtregierungsorganisationen (wie Oxfam) müssten mehr als bisher konsultiert und die Transparenz internationaler Entscheidungsprozesse müsse verbessert werden. Die Globalisierung könne nur dann gerecht sein und weltweit akzeptiert werden, wenn diese – für Stiglitz unerlässlichen – Reformen mit dem Ziel durchgeführt werden, die Interessen der Armen wirtschaftspolitisch besser zum Tragen zu bringen.