Jugendarbeitslosigkeit in Europa – Die wundersame Welt des Wolfgang Schäuble
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat in der letzten Woche bei „Cicero online“ einen Beitrag zur Jugendarbeitslosigkeit in Europa veröffentlicht. Der Titel „Das ist eine Gefahr für die Demokratie“ lässt Hoffnung auf einen vielleicht ersten Schritt zur Einsicht aufkommen. Doch weit gefehlt: Schäuble demonstriert einmal mehr seine völlige Lernunfähigkeit und -unwilligkeit. Ein Gastartikel von Günther Grunert.
Schäuble beginnt mit einer Ursachenanalyse: „Zu hohe Staatsverschuldung und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit sind die Ursachen der Krise in Europa. Und damit die Ursache für scheiternde Unternehmen und hierdurch wiederum für eine zu hohe Arbeitslosigkeit.“ Wie gut, dass die Euroländer und die Europäische Union da mit einer Politik gegensteuern, „die an genau diesen Ursachen ansetzt und damit die Basis für nachhaltiges Wachstum schafft.“ Und diese Politik trage auch bereits Früchte: „Die Haushaltsdefizite sinken. Reformen der Arbeitsmärkte und der Sozialsysteme werden angegangen. Verwaltungen, Rechts- und Steuersysteme werden modernisiert. Wettbewerbsfähigkeit und die Exporte steigen. Die Finanzmärkte fassen wieder Vertrauen in die Staaten der Eurozone. Risikoaufschläge für Staatsanleihen gehen zurück. Die Wende zum Besseren ist geschafft.“ Jetzt dürften wir aber nicht nachlassen, sondern müssten „an unserer gemeinsamen europäischen Politik der Konsolidierung und der Reformen festhalten.“
Natürlich verlange der „wirtschaftliche Gesundungsprozess Europas, der die Wettbewerbsfähigkeit verbessert“, zunächst auch einige Opfer: „Besonders hart ist in einigen Krisenländern die Jugend Europas betroffen. Unternehmen mit wirtschaftlichen Problemen bilden keine Nachwuchskräfte aus oder reduzieren ihre Arbeitsplätze – und zuerst sind dabei immer die zuletzt ins Unternehmen gekommenen und damit meist die jungen Beschäftigten betroffen.“ Das „wirtschaftlich wieder gesundende Europa“ dürfe aber nicht eine ganze Generation abkoppeln, denn Millionen enttäuschter arbeitsloser Jugendlicher stellten „eine Gefahr für die Demokratie, für die Akzeptanz unserer freiheitlichen Ordnung, für die Akzeptanz Europas“ dar.
Aber keine Sorge: Die Europäische Investitionsbank stehe kleinen und mittleren Unternehmen mit zinsgünstigen Krediten zur Seite, im neuen langfristigen EU-Haushalt seien sechs Milliarden Euro zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit vorgesehen, dazu kämen noch 16 Mrd. Euro aus dem EU-Strukturfonds und einige andere Maßnahmen. Schließlich – so Schäuble – wolle man das duale Ausbildungssystem nach deutschem Vorbild in ganz Europa fördern, denn wo es dies gebe, sei die Jugendarbeitslosigkeit am niedrigsten.
All das helfe natürlich nicht sofort, so dass in der Zwischenzeit etwas Mobilität verlangt sei: An einer Ausbildung interessierte Jugendliche und arbeitslose Fachkräfte könnten gern nach Deutschland kommen.
Eine politische Zerrüttung im Euroraum sieht Schäuble ganz und gar nicht – das Gegenteil sei richtig: „Die gegenwärtige Krise hat Europa näher zusammengebracht. […] Und Europa und die Jugend Europas haben ihre beste Zeit noch vor sich.“
Aufsätze wie dieser sind es, die einen Fortbestand des Euroraums in seiner jetzigen Form illusorisch erscheinen lassen und die es deshalb notwendig machen, eine „konstruktive Euro-Exit-Debatte“ zu führen, wie jüngst Jens Berger mit Recht gefordert hat. Es ist müßig, sich im Detail mit dem groben Unfug auseinanderzusetzen, den Schäuble hier präsentiert – incl. der beinahe zynisch klingenden Behauptung, dass „Europa und die Jugend Europas […] ihre beste Zeit noch vor sich“ hätten.
Im folgenden Beitrag möchte ich mich deshalb auf nur auf zwei Punkte konzentrieren, die mir wichtig erscheinen, nämlich in Abschnitt 1 das merkwürdige Wettbewerbsfähigkeits-Argument (das auch von anderer Seite, z. B. von Angela Merkel, häufig vorgetragen wird) und in Abschnitt 2 die viel zu kurz greifende Darstellung der Probleme der Jugendarbeitslosigkeit in Europa.
- Die Crux mit der internationalen Wettbewerbsfähigkeit
Zunächst einmal wird von Schäuble wiederum die systemische Krise der Währungsunion in eine Staatsschuldenkrise einiger verschwenderischer südeuropäischer Länder umgedeutet. In dieser Sichtweise sind hohe staatliche Schulden die Ursache allen Übels, obgleich kein Zweifel daran bestehen kann, dass die Schulden weltweit erst nach dem Beginn der Finanzkrise und der dadurch verursachten Rezession (incl. der Bankenrettungen) in die Höhe geschossen sind (Flassbeck 2012, S. 18f). Gleichzeitig sieht es der Bundesfinanzminister wieder einmal als notwendig und gut an, dass die Euro-Krisenländer ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern, ohne mit einem einzigen Wort darauf einzugehen, zu wessen Lasten dies geht oder gehen sollte. Er hat also offenbar immer noch nicht verstanden, dass Wettbewerbsfähigkeit kein absolutes, sondern ein relatives Konzept ist, bei dem der eine gewinnt, was der andere verliert. Eine Volkswirtschaft ist stets nur im Verhältnis zu einer anderen oder mehreren anderen Volkswirtschaften wettbewerbsfähig, niemals aber losgelöst von der übrigen Welt. Natürlich – da hat Schäuble recht – ist es erforderlich, dass die im Ausland hoch verschuldeten Euro-Krisenländer wettbewerbsfähiger werden, um ihre Auslandsschuld bedienen und zurückzahlen zu können. Denn eine Nettoschuldentilgung durch ein Schuldnerland ist nur dann möglich, wenn es einen Leistungsbilanzüberschuss verzeichnet. Dies bedeutet aber zwingend, dass die bisherigen Leistungsbilanzüberschussländer, allen voran Deutschland, an Wettbewerbsfähigkeit verlieren müssen, um schließlich ihre Überschuss- in eine Defizitposition zu verwandeln. Diese Schlussfolgerung aber würde Schäuble sicherlich entrüstet von sich weisen, hat er doch schon in der Vergangenheit immer darauf bestanden, dass alle ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern müssten.[1] Doch es hilft auch nichts, das Problem auf die „Weltebene“ zu verlagern, indem man fordert, die Europäische Währungsunion insgesamt müsse wettbewerbsfähiger werden und dauerhaft Leistungsbilanzüberschüsse gegenüber dem Rest der Welt erzielen. Denn wenn ein so großer Wirtschaftsblock wie Euroland seine Wettbewerbsfähigkeit wesentlich erhöht, wer soll dann an Konkurrenzfähigkeit einbüßen? Der Versuch der EWU insgesamt, ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Lohnsenkungen zu steigern, würde irgendwann die anderen Länder zwingen, ihre Währungen gegenüber dem Euro abzuwerten, um ihrerseits ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Am Ende könnte niemand seine Position verbessern, aber alle wären ärmer.
Aber von diesen Problemen einmal abgesehen, ist höchst zweifelhaft, ob es bei den Euro-Krisenländern tatsächlich zu einer signifikanten Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit gekommen ist, wie Schäuble offenbar meint. Überprüfen lässt sich dies anhand der BIZ-Indizes der effektiven Wechselkurse, die monatlich von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) veröffentlicht werden (dazu ausführlicher Klau/Fung 2006). Der nominale effektive Wechselkurs einer Währung ist ein Index, der aus einem gewichteten Durchschnitt von bilateralen Wechselkursen errechnet wird. Bereinigt man den nominalen effektiven Wechselkurs um eine Messgröße für relative Preise resp. Kosten, ergibt sich der reale effektive Wechselkurs (REER). In den Veränderungen des REER finden also sowohl Entwicklungen der nominalen Wechselkurse als auch das Inflationsgefälle gegenüber den Handelspartnern Berücksichtigung. Reale effektive Wechselkurse liefern mithin eine Messgröße der internationalen Wettbewerbsfähigkeit: Steigt der REER, lässt sich daraus schließen, dass das Land international weniger wettbewerbsfähig geworden ist, sinkt der REER, gilt das Umgekehrte.
Bill Mitchell hat auf Grundlage der BIZ-Daten ein Schaubild erstellt, das die Veränderungen der realen effektiven Wechselkurse (sog. „enge Indizes“ für 27 Volkswirtschaften) von Januar 2008 (= 100) bis April 2013 zeigt – und zwar für ausgewählte Euroländer und den Euroraum insgesamt. Abbildung 1 verdeutlicht, dass die realen effektiven Wechselkurse der betrachteten Länder nach Beginn der Krise tendenziell gefallen sind, beispielsweise für Deutschland auf einen Indexwert von 93,5 und für die Eurozone insgesamt auf 91,9 im April 2013. Dagegen ist bei den Krisenländern des Euroraums im gleichen Zeitraum nur im Fall Irlands der reale effektive Wechselkurs deutlich zurückgegangen (auf 88,7), während die realen effektiven Wcchselkurse der anderen sog. PIIGS nur geringfügig gesunken (Portugal: 98,2; Italien: 98,2; Spanien: 99,3) oder sogar gestiegen sind (Griechenland: 101,6).
Abbildung 1: Entwicklung der realen effektiven Wechselkurse (Index Januar 2008=100)
Quelle: Mitchell 2013a
Anders als Schäuble glaubt ist es den südlichen Krisenländern also trotz aller Einschnitte und Kürzungen bislang nicht gelungen, ihre Wettbewerbsfähigkeit signifikant zu verbessern. Der Abbau der Leistungsbilanzdefizite dieser Länder seit 2008, von dem häufig berichtet wird, dürfte nicht etwa deutlich gestiegenen Exporten, sondern in erster Linie den krisenbedingt eingebrochenen Importen zuzuschreiben sein.[2]
- Die verheerende Jugendarbeitslosigkeit und ihre Folgen
Das eigentliche Ärgernis des Schäuble-Artikels ist aber die maßlose Unterschätzung des Problems der Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Schäuble weist zwar auf die Gefahr einer Radikalisierung der arbeitslosen Jugendlichen hin, die sich – enttäuscht vom bestehenden System – von der Demokratie abwenden und „Populisten und Extremisten“ zulaufen könnten. Mit keinem einzigen Wort aber spricht er die gewaltigen ökonomischen Schäden an, die Jugenderwerbslosenquoten von über 50%, ja über 60% in den betroffenen Ländern anrichten.
Dabei sind die ökonomischen Effekte von Jugendarbeitslosigkeit in wissenschaftlichen Untersuchungen gut dokumentiert. Haben Jugendliche gerade zu Beginn ihres beruflichen Werdegangs mehrere Monate lang keine Beschäftigung, wirkt sich das oft langfristig aus, wie etwa Ekkehard Ernst, der Leiter der Prognoseabteilung bei der Internationalen Arbeitsorganisation ILO in Genf, feststellt: „Die Betroffenen verdienen dann selbst bis zu 15 Jahre später noch teils deutlich weniger als Menschen, die in ihrer Jugend nicht arbeitslos waren.“ (zitiert nach „Financial Times Deutschland“, 5. 12. 2012). Hinzu kommt, dass junge Erwerbslose in ihrem späteren Berufsleben häufiger arbeitslos sind als Gleichaltrige, die nicht gleich zu Beginn ihrer Laufbahn beschäftigungslos waren.
Jugendarbeitslosigkeit hat aber nicht nur dramatische Auswirkungen auf den Einzelnen, sondern natürlich auch auf die Wirtschaft eines Landes insgesamt. Eine EU-Studie von Eurofound fand im letzten Jahr heraus, dass 14 Millionen arbeitslose junge Europäer die Mitgliedsländer insgesamt jährlich 153 Mrd. Euro an Sozialausgaben und verlorener Produktion kosteten, dies entspricht 1,2 Prozent des BIP der EU. Noch gravierender aber ist, dass Jugenderwerbslosigkeit die zukünftige Produktivitätsentwicklung des betroffenen Landes schwächt. Die „Qualität“ unseres zukünftigen Beschäftigtenbestandes bestimmt entscheidend unseren späteren Wohlstand, insofern sollte es eigentlich selbstverständlich sein, alle Jugendlichen bestmöglich auszubilden, ihnen Beschäftigung zu geben und so das zukünftige Produktivitätsniveau zu erhöhen (dies auch vor dem Hintergrund des vieldiskutierten steigenden Altersdurchschnitts der Bevölkerungen).[3] Eine notwendige Bedingung für langfristiges Wachstum ist, in jeder Zeitperiode die Beschäftigung und den Output zu maximieren. Es ist schlicht widersinnig, einen Großteil der Jugend von einer Beschäftigung auszuschließen – und damit auch vom Erwerb von Qualifikationen, Fertigkeiten, Erfahrungen und Arbeitseinstellungen, die sie für eine spätere Berufstätigkeit benötigen (Mitchell 2011).
Vielleicht sollte sich Wolfgang Schäuble einmal etwas intensiver mit der Realität der Jugendarbeitslosigkeit in Europa auseinandersetzen. Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Jugenderwerbslosenquoten (Personen im Alter von 15 bis 24 Jahren) für ausgewählte Länder im Zeitraum 1983 bis April 2013. Die Unterschiede sind erheblich: Portugal, Italien und insbesondere Griechenland und Spanien verzeichnen seit 2008 einen drastischen Anstieg ihrer Jugendarbeitslosigkeit, während die Jugenderwerbslosigkeit in anderen Ländern (Japan, Deutschland, Norwegen) weit weniger dramatische Ausmaße annimmt. Die Jugendarbeitslosenquote erreichte im April 2013 in Italien 40,5 und in Portugal 42,5 Prozent, in Spanien stieg die Quote auf 56,4 und in Griechenland (Februar 2013) gar auf 62,5 Prozent. Im Vergleich damit ist die Quote in Deutschland im April 2013 mit 7,5 Prozent sehr niedrig.
Abbildung 2: Jugenderwerbslosenquoten in Prozent in ausgewählten Ländern (1983 – April 2013)
Quelle: Mitchell 2013b
Noch größere Unterschiede erhält man, wenn man die regionalen Jugenderwerbslosenquoten in der EU27 vergleicht, die kürzlich von Eurostat veröffentlicht wurden (Eurostat 2013).[4] Im Durchschnitt betrug die Jugendarbeitslosenquote im Jahr 2012 in der EU27 22,9 Prozent. Dabei reichte die Spanne von 4,2 bzw. 4,5 Prozent in den deutschen Regionen Oberbayern und Tübingen bis hin zu 72,5 Prozent in Dytiki Makedonia in Griechenland und 70,6 Prozent in Ceuta in Spanien. In der folgenden Tabelle sind die Jugenderwerbslosenquoten (1999 und 2012) für die einzelnen Regionen der beiden am stärksten von Jugendarbeitslosigkeit betroffenen Länder, also Griechenland und Spanien, aufgelistet. Die Daten zeigen ein erschreckendes Bild: Nur in einer einzigen Region liegt die Jugendarbeitslosenquote im Jahr 2012 unterhalb von 40 Prozent. Fast 60 Prozent der Regionen verzeichnen 2012 eine Quote von über 50 Prozent. Sowohl in Griechenland als auch in Spanien ist die Jugenderwerbslosenquote zwischen 1999 und 2012 im Durchschnitt um rund 24 Prozentpunkte angestiegen und erreichte im Jahr 2012 in Spanien 53,2 und in Griechenland gar 55,3 Prozent. In den ersten Monaten des Jahres 2013 haben sich die Werte noch weiter verschlechtert.
Tabelle 1: Regionale Jugenderwerbslosenquoten 1999 und 2012 in Spanien und Griechenland in Prozent, Veränderung in Prozentpunkten
Quelle: Mitchell 2013b
Abschließend noch ein Schaubild auf Grundlage der regionalen Jugenderwerbslosenquoten für die EU27, das die starke räumliche Konzentration der Jugendarbeitslosigkeit (insbesondere im Süden Europas) veranschaulicht. Regionen mit Jugendarbeitslosenquoten über 35 Prozent sind dunkelrot gekennzeichnet. Angesichts der Vielzahl an Regionen, die eine solch hohe Jugendarbeitslosigkeit aufweisen und deren Zukunft damit systematisch ruiniert wird, erscheint das Gerede des Bundesfinanzministers vom „wirtschaftlich wieder gesundenden Europa“ einfach nur grotesk.
Abbildung 3: Regionale Jugenderwerbslosenquoten in der EU27 (2012)
Quelle: Mitchell 2013b
Was aber müsste nach diesen Befunden jetzt unternommen werden? Wie könnte das Problem der Jugendarbeitslosigkeit gelöst oder zumindest abgemildert werden? Sicherlich nicht durch zinsgünstige Kredite an Unternehmen (warum sollten sie in einer so katastrophalen wirtschaftlichen Situation investieren?) oder durch irgendwelche Mittel aus dem EU-Strukturfonds, wie Wolfgang Schäuble meint. Solche Vorschläge setzen nicht an der Ursache des Problems an und sind reine Augenwischerei.
Erforderlich wäre – wie an anderer Stelle ausführlich dargestellt – eine Beseitigung der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte im Euroraum durch eine über viele Jahre hinweg koordinierte Lohnpolitik zwischen den EWU-Ländern, die den Euro-Krisenländern ein Aufholen bei der Wettbewerbsfähigkeit ermöglichen würde. Als Sofortmaßnahme müsste die EU den Krisenländern erlauben, ihre staatlichen Budgetdefizite um mehrere Prozentpunkte des BIP zu erhöhen – und zwar jeweils auf ein Niveau, das den einzelnen Ländern zu einem angemessenen Wachstum und einem hohen Beschäftigungsstand verhelfen würde. Solange die private Nachfrage schwach ist, besteht die dringende Notwendigkeit, die staatlichen Haushaltsdefizite auszuweiten und damit das Wachstum stark genug anzutreiben, um die hohe Zahl an Arbeitslosen (incl. der jugendlichen Arbeitslosen) zu absorbieren. Die Fähigkeit, in der Zukunft Wohlstand und einen hohen Lebensstandard zu erreichen, hängt davon ab, wie produktiv die zukünftigen Arbeitskräfte sein werden. Deshalb sollte der Abbau der Jugendarbeitslosigkeit erste Priorität haben.[5] Leider sieht es weniger denn je nach einer solchen Kehrtwende in der Politik aus, so dass zu befürchten ist, dass der immense ökonomische Schaden, der in diesen Ländern ohne Not angerichtet wird, noch über Jahrzehnte spürbar sein wird.
Literatur:
- Eurostat (2013): Newsrelease 78/2013 – 22 May 2013 [PDF – 224 KB], letzter Zugriff: 9.6.2013
- Flassbeck, H. (2012): Zehn Mythen der Krise, Berlin
- Klau, M./Fung, S. S. (2006): The new BIS effective exchange rate indices, in: BIS Quarterly Review, March, S. 51-65
- Minsky, H. P. (1985): America is Eating Its Seed Corn [PDF – 365 KB], in: Hyman P. Minsky Archive, Paper 413, letzter Zugriff: 9.6.2013
- Mitchell, B. (2011): The scourge of youth unemployment, letzter Zugriff: 9.6.2013
- Mitchell, B. (2013a): It’s all been for nothing – that is, if we ignore the millions of jobs lost etc., letzter Zugriff: 9.6.2013, letzter Zugriff: 9.6.2013
- Mitchell, B. (2013b): 72% youth unemployment – the crowning glory of the neo-liberal infestation, letzter Zugriff: 9.6.2013
- Schäuble, W. (2011): Why austerity is only cure for the eurozone, in: Financial Times, 5.9.2011, letzter Zugriff: 9.6.2013
- Schäuble, W. (2013): “Das ist eine Gefahr für die Demokratie”, in: Cicero online, 3. Juni, letzter Zugriff: 9.6.2013
[«1] „Governments in and beyond the eurozone need not just to commit to fiscal consolidation and improved competitiveness – they need to start delivering on these now.“ (Schäuble 2011)
[«2] Was häufig übersehen wird: Der Versuch eines Landes, durch Lohnkürzungen die Lohnstückkosten zu senken, um so die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, schwächt nicht nur die aggregierte Nachfrage (vor allem in Ländern, in denen die Binnennachfrage quantitativ wesentlich wichtiger als der Export ist), sondern führt oft auch – als Reaktion auf die verlängerte Rezessionsphase und die Lohnreduktionen – zu einem Rückgang der Unternehmensinvestitionen, der dann wieder das zukünftige Produktivitätswachstum negativ beeinflusst. Es ist deshalb keineswegs sicher, ob die Lohnsenkungsstrategie langfristig wirklich zu der angestrebten deutlichen Senkung der Lohnstückkosten führt.
[«3] Hyman Minsky hat das Problem in einer Kritik des US-amerikanischen Ausbildungssystems einmal mehr auf den Punkt gebracht: „Every society uses and creates resources. Perhaps, most important is the creation of resources that will be available for use in the future – even in the quite distant future. Physical resources – factories, farms, power plants, etc. – are important, but the overridingly important resources of an economy are its people. […] A rich society which does not invest in human resources – especially in its youth – is not reproducing that which enables it to be rich.” (Minsky 1985)
[«4] Die Daten basieren auf der Ebene 2 der NUTS (Systematik der Gebietseinheiten für die Statistik), die 270 Regionen umfasst.
[«5] Natürlich sind darüber hinaus auch Forderungen z. B. nach Ausbildungs- und Jobgarantien für Jugendliche zu begrüßen. Ohne ein grundlegendes Umsteuern in der Wirtschaftspolitik sind solche Vorschläge aber wenig sinnvoll.