Uli Hoeneß – der tiefe Fall des „Vater Teresa vom Tegernsee“
Uli Hoeneß gab sich stets redlich Mühe, sich selbst als moralisches Vorbild zu stilisieren. Durch tatkräftige Mithilfe der Medien avancierte er in den letzten Jahren zum integren Sprachrohr konservativer Politik. Spätestens seit den Steuerhinterziehungsvorwürfen von diesem Wochenende ist jedoch klar, dass der FC-Bayern-Boss und Wurstoligarch Hoeneß höchstens als Vorbild für konservative Doppelmoral taugt. Ob Hoeneß die Spiele des FC Bayern künftig hinter schwedischen Gardinen verfolgen muss, ist derzeit noch offen. Eine – vielleicht entscheidende – Frage wird von den Medien bislang noch nicht gestellt: Warum erhielt Hoeneß „um das Jahr 2000 herum“ ein Darlehen des damaligen Adidas-Chefs? 2002 beteiligte sich Adidas mit 10% am FC Bayern München. Es ist nicht auszuschließen, dass sich Hoeneß durch Annahme des Darlehens auch der Untreue schuldig gemacht hat. Von Jens Berger
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Siehe dazu auch: Albrecht Müller – Fall Hoeneß: Die Einschläge im Milieu der Regierungsparteien werden heftiger
Der Saubermann als Spekulant
Vor gerade einmal zwei Monaten verriet Uli Hoeneß einem Videoblog des Handelsblatts seine persönliche Anlagestrategie: „Ich bin da sehr aufgeschlossen für Aktienkäufe und auch mal für eine Devisenspekulation“. Natürlich weiß ein Finanzprofi wie Hoeneß, dass Spekulationsgewinne steuerpflichtig sind. Und da er offenbar bereits seit mehr als zehn Jahren von seinem Schweizer Depot aus an den Finanzmärkten spekuliert und damit offenbar Millionengewinne realisiert hat, muss man ihm durchaus unterstellen, dass er sich mit Vorsatz der schweren Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat. Seine Verteidigung, er hätte das von Schwarz-Gelb geplante Steuerabkommen mit der Schweiz abwarten wollen, klingt da wie ein schlechter Witz. Wie viele Amnestieangebote für reuige Steuerhinterzieher hat es seitens der Finanzministerien in den letzten Jahren gegeben?
Hätte Hoeneß auch nur einen Hauch Unrechtsbewusstsein, hätte er ohne Probleme auf diese Angebote eingehen können. Als positiver Nebeneffekt der Affäre Hoeneß ist jedoch zu verbuchen, dass nun auch einen breiten Öffentlichkeit der eigentliche Zweck dieses Steuerabkommens klar wird – das Steuerabkommen wäre, wenn es den Bundesrat passiert hätte, eine „Lex Hoeneß“, ein Generalamnestie für sämtliche Großkopferten, um der Strafverfolgung zu entgehen.
Kredit vom Freund? Das hört sich sehr merkwürdig an
Wenn sich die Meldungen der süddeutschen Zeitungen, die sich mit der Sache intensiv beschäftigen, bestätigen, hat Uli Hoeneß von seinem Schweizer Konto aus mit vermeintlich „sauberem“ und „versteuertem“ Geld Spekulationsgewinne erzielt, die er bei seiner Steuererklärung nicht angegeben hat. Je nach Quelle handelt es sich dabei um einen niedrigen zweistelligen bis zu einem hohen dreistelligen Millionenbetrag. Dank seiner offenbar gerade noch rechtzeitig gestellten Selbstanzeige dürfte Hoeneß dabei – wenn nicht noch mehr herauskommt – straffrei aus der Sache gehen. Ein entscheidendes Detail wird dabei jedoch vergessen. Nach Informationen der SZ stammt der Grundstock von Hoeneß Spekulationskasse aus einem „Darlehen“ in der Größenordnung „von 10 bis 15 Millionen Euro“, das Hoeneß „um das Jahr 2000“ herum vom damaligen Adidas-Chef und –Großaktionär und Hoeneß-Freund Robert Louis-Dreyfus erhalten haben soll.
Das ist bemerkenswert, schließlich wurde der mittlerweile verstorbene Robert Louis-Dreyfus Jahre später wegen Steuerhinterziehung im Umfeld des zum Dreyfus-Imperiums gehörenden Fußballclubs Olympique de Marseille in den Jahren 1997 bis 1999 zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt. 2001 stieg der, ebenfalls zum Dreyfus-Imperium zählende, Adidas-Konzern mit 10% beim FC Bayern München ein und zahlte dafür 150 Millionen D-Mark. Verhandlungsführer des FC Bayern München war zu jener Zeit Uli Hoeneß.
Ob es sich bei dem ungewöhnlichen „Darlehen“ an Hoeneß um eine „selbstlose“ Tat des Milliardärs Robert Louis-Dreyfus handelte, oder ob Dreyfus nicht ganz so selbstlos war und für das „Darlehen“ eine wie auch immer geartete Gegenleistung von seinem Freund und Geschäftspartner Hoeneß erhalten hat, werden sicher die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft aufdecken. Sollte Hoeneß eine Gegenleistung erbracht haben, hätte er sich auch der Untreue gegenüber dem FC Bayern München schuldig gemacht. Und dann würde sein Denkmal endgültig vom Sockel fallen.
Demontage einer lebenden Legende
Uli Hoeneß ist eine lebende Legende. 1974 erschien er – als einer der ganz wenigen lebenden Menschen – auf einer Briefmarke der Bundespost. Nach seiner Karriere als Profi-Fußballer verhalf er nicht nur seiner eigenen Wurstfabrik, sondern auch dem FC Bayern München als Manager und Vereinsvorsitzender zu durchschlagendem Erfolg. Doch Uli Hoeneß vermochte es stets, in der Öffentlichkeit nicht als kalter Kapitalist, sondern als Mann mit großem Herz dargestellt zu werden. “Ich bin der sozialste Mensch, den ich kenne”, sagte Hoeneß einst gänzlich unbescheiden in einem Interview des Tagesspiegels. Sein soziales Engagement in seinem unmittelbaren Umfeld ist unbestritten. Für aktuelle und ehemalige Profis des FC Bayerns zeigte Hoeneß stets ein großes Herz und spätestens seit seinem Engagement für den vom Konkurs bedrohten Klub FC St. Pauli galt Hoeneß auch bei Fußballfans mit einer anderen Weltanschauung als Kapitalist mit dem Herzen am rechten Fleck. Wie man sich doch täuschen kann.
Noch 2005 sagte Hoeneß: „Ich weiß, dass es doof ist. Aber ich zahle volle Steuern“. Drei Jahre zuvor beglückte er das Land mit der Weisheit, es könne „doch nicht der Sinn der Sache sein, ins Gefängnis zu wandern, nur um ein paar Mark Steuern zu sparen“. „Es ist doch unklug, so was zu machen. Es kommt doch immer alles raus“. Wie recht Hoeneß mit diesen Sätzen doch hatte. Im Nachhinein klingen solche Sätze schizophren. Der Mann, der einst Oskar Lafontaine seine soziale Kompetenz aufgrund dessen – vergleichsweise bescheidenen – Vermögen absprach, hat offenbar selbst jahrelang Wasser gepredigt und Wein gesoffen.
Bürgerliche Doppelmoral
Hoeneß ist dabei geradezu ein Musterbeispiel konservativer Doppelmoral. Diejenigen, die von der Kanzel Treue und familiäre Werte predigen, sind nicht selten auch diejenigen, die sich heimlich eine Geliebte halten. Diejenigen, die Homosexualität als eine Geißel Gottes bezeichnen, sind nicht selten auch diejenigen, die sich nach getaner Arbeit einen „Puppenjungen“ in ihre Limousine einladen. Da überrascht es nicht, dass auch diejenigen, die sich in Sonntagsreden ihrer sozialer Ader rühmen, insgeheim in der Schweiz Millionen gebunkert haben, die sie dem Fiskus entziehen.
Dabei stellt Steuerhinterziehung in der bürgerlichen Doppelmoral offenbar immer noch eine Art „Selbstverteidigung gegen den Staat“ dar. Es ist unwahrscheinlich, dass es Personen wie Uli Hoeneß dabei „nur“ um das Geld an sich geht. Gier ist hier offenbar nicht der entscheidende Triebfaktor. Die Hoeneß dieser Welt sind vielmehr überzeugt davon, dass der Staat mit „ihrem Geld“ keine sinnvollen Dinge anstellt und sie lieber selbst zu entscheiden sollten, für welche Wohltaten „ihr Geld“ verwendet wird. Für Menschen, die stets in Selbstzufriedenheit baden, ist es offenbar schwer hinzunehmen, dass ein bürokratischer Beamtenapparat ihnen derart „elementare“ Entscheidungen abnimmt. Und mit der positiven PR, die jede öffentliche zelebrierte Großspende mit sich bringt, kann der Steuerbescheid auch nicht mithalten. Wer meint, Gesetze nach dem eigenen Gusto umzubiegen und das Strafgesetzbuch für sich selbst als unverbindliche Empfehlung zu interpretieren, hat jedoch auch jedes Recht verspielt, in der Öffentlichkeit als Moralapostel aufzutreten.