Gammelfleisch – offenbar schützt uns unser Staat nicht vor verdorbenen Lebensmitteln
Bisher, das gebe ich zu, war ich so naiv zu hoffen, wir würden wenigstens vor den größten gesundheitlichen Schäden durch Kontrollen unserer Behörden geschützt. Vermutlich kann ich diese Hoffnung in den Kamin schreiben. Dafür spricht die neuerliche Erfahrung mit den Fleischskandalen: die Kontrollen funktionieren nicht, auch weil sie falsch angesiedelt sind und Kontrolleure mit den zu Kontrollierenden verflochten sind, es wird verharmlost und abgewiegelt. An diesem Beispiel wird wieder einmal sichtbar, wie verheerend der Drang nach De-Regulierung und Dezentralisierung ist, und wie mafios die Verhältnisse vermutlich bei uns auch schon sind.
Ich verweise zunächst auf zwei Artikel:
- Gammelfleisch-Skandal
„Das ganze Ausmaß ist noch nicht absehbar“
Quelle: FAZ - Jahre dauerte es, bis die Bombe hochging
Warum so viele Fleischskandale in Bayern? Womöglich weil die Landräte für die Überwachung zuständig sind?
Quelle: taz
Das folgende Zitat aus der FAZ sollten Sie sich merken:
Das bayerische Landesgesundheitsamt bezeichnete die Ware als „ranzig, muffig, alt und fremdartig“. Trotzdem habe es bisher keinen Hinweis auf Gesundheitsgefährdung gegeben, sagte der Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Volker Hingst, in Erlangen. Wenn das Fleisch verdorben ist, müsse dies nicht bedeuten, daß es auch gesundheitsgefährdend ist. „Es wird einem in aller Regel nichts ausmachen“, versuchte Hingst die Verbraucher zu beruhigen.
Guten Appetit!!!
In der taz wird der umwelt- und verbraucherpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion in Bayern, Ludwig Wörner, mit dem Hinweis zitiert, die Kontrolle sei bei den Landkreisen falsch angesiedelt. Die Landräte seien nicht daran interessiert, dass die Kontrolleure der Landratsämter den Unternehmen und Wirten im Landkreis auf die Finger hauen.
Das ist ein interessanter Hinweis, weil er für viele Bereiche unseres gesellschaftlichen und politischen Lebens gilt. Die Tendenz, Kontrollbefugnisse und Entscheidungskompetenz auf untere Ebenen zu verlagern, führt zunehmend dazu, dass die Kontrollierenden und Entscheidenden in Abhängigkeit von den lokalen Entscheidungsträgern, Meinungsführern und wirtschaftlich potenten Personen und Unternehmen geraten. Das gilt für die Kontrolle von Lebensmitteln genauso wie für die Kontrolle von Umweltverstößen und Arbeitsschutzbestimmungen zum Beispiel auf Baustellen. Es gilt auch für die Dezentralisierung im Schulbereich. Wenn man Schulen samt ihrer Personalhoheit in die Obhut von Kommunen gibt, dann werden Schulleitungen und Lehrer von den örtlichen Interessen geprägt und möglicherweise davon abhängig.
Wenn man solche Abhängigkeiten vermeiden will, dann darf man nicht zu sehr dezentralisieren.
Zu diesem Thema gibt es ein hochinteressantes älteres Buch von L.L. Matthias: „Die Kehrseite der USA“. Dieser deutsch-jüdische Wissenschaftler mit Erfahrungen in Südamerika und Nordamerika beschreibt unter anderem die aus seiner Sicht kritisch zu betrachtenden Erfahrungen mit der Dezentralisierung des Schulwesens in den USA, mit Schoolboards, etc. – Seine Beobachtungen sind auf viele Bereiche übertragbar und sehr aktuell.
Und hier noch die Anmerkung des Freundes der NachDenkSeiten, dem wir den Hinweis auf den Artikel in der taz verdanken:
„Und genau so läuft es in vielen anderen Bereichen – oder besser gesagt – in allen anderen Bereichen. Deutschland ist ein Mafiastaat, vom Scheitel bis zur Sohle. Was denken Sie, was da abgeht, wenn Menschen in der Umgebung von Gewerbebetrieben leben……. Da findet sich nie etwas, was die Anwohner schädigen könnte, gleich welche Behörde kommt. Und es sind nicht nur die Behörden, die entweder gar nicht oder “daneben” ermitteln – es ist auch die Justiz. Prof. Dr. Erich Schön – der ermittelnde Staatsanwalt der Holzschutzmittelprozesse – erläutert immer in seinen Vorträgen, dass Gerichtsentscheidungen politische Entscheidungen sind. Und da schließt sich wieder der Kreis. Und da sind wir wieder bei der Mafia.
Außerdem – bitte denken Sie nur nicht, daß es so wenige Personen sind, die von Abluft von Gewerbe und Industrie betroffen sind – so etwas gibt es überall in wahrscheinlich jedem Ort, denn überall gibt es Ausgasungen. Und dann wundern sich alle, warum es so viele chronisch Kranke gibt.“