Altmaiers neuer Versuch
Aufgeschreckt durch die Höhe der EEG Umlage, gedrängt von den Verbraucherverbänden und möglicherweise aus wahltaktischen Motiven hat Umweltminister Altmaier einen neuen Vorschlag zur Neu-Verteilung der Ausgaben für die Strom-Einspeise Vergütung vorgelegt.
Der Vorschlag kommt ein wenig überraschend, da man nach der Senkung der Vergütungs- Sätze, seinen eher lauen Vorschlägen (siehe NDS „Alle reden von der sozialen Gestaltung der Energiewende, doch keiner tut was dafür“) zur sozialen Abfederung und seinem Papier zum Vorgehen für eine grundsätzliche Reform – alles im zweiten Halbjahr 2012 – jetzt nicht mehr mit einem neuen Vorschlag rechnete.
Was sind die Ziele dieser neuen Vorschläge? Welche direkten und welche Nebenwirkungen haben sie? Welche denkbaren Maßnahmen kommen nicht vor? Von [*]
Altmaier will sich mit seinen Vorschlägen nur auf die Stabilisierung des EEG-Zuschlags im Preis pro kWh für die Haushalte und gewerblichen Kleinverbraucher konzentrieren und die EEG-Umlage (Erneuerbare-Energie-Gesetz-Umlage) gesetzlich festschreiben (!) daher die Bezeichnung „ Strompreisbremse“. Zu diesem Zweck will er die Gesamtpopulation der Beitragenden verbreitern, insbesondere
- Industrielle Verbraucher wieder mehr beteiligen: die Ausnahme-Regelungen für energieintensive Unternehmen zu reduzieren und zu begrenzen,
- die Eigenerzeuger heranziehen: “Entsolidarisierung stoppen“,
- einen einmaligen EEG-Beitrag „Soli“ von Betreibern von Bestandsanlagen erheben,
- zeitliche Entlastung und Zinsgewinne erzielen durch Verschiebung des Zahlungsbeginns der Einspeisevergütung für Neuanlagen zu flexibilisieren.
Vorbemerkung:
Es ist ein politischer Text, in dem ein nicht-technischer Sprech benutzt und derzeit populäre Begriffe eingesetzt werden, wohl um mehr Zustimmung zu erhalten. Seit der „Schuldenbremse“ sind Bremsen wohl politisch gut verkäuflich, „Entsolidarisierung“ und „Soli“ haben einen sozialpolitischen Appeal.
Zum Ziel der Maßnahme:
- Es geht offenbar nur um die eine Umlage-Obergrenze (Stichwort Bezahlbarkeit) für die Haushalte und Kleinverbraucher, nicht aber um eine spezielle Senkung der Belastung der Niedrigeinkommenshaushalte. (Daher waren die ersten Reaktionen der Verbraucherverbände zustimmend, während die Sozialverbände etc. keinen Anlass zur Zustimmung sehen)
- Es ist nicht klar, in welchem Verhältnis dieser Vorschlag zu Altmaiers Verfahrensvorschlag vom Sommer 2012 für eine grundsätzliche Reform des EEG steht. (Daher kommt jetzt, nach anfänglichem lauem Beifall die Kritik aus Röslers Wirtschaftsministerium, vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Uni Köln (EWI), siehe Mark Oliver Bettzüge in der WirtschaftsWoche etc., die wohl vermuten bzw. befürchten, dass Altmaier eine grundsätzliche Reform nicht mehr verfolgt).
- Es ist keine Maßnahme zur Senkung der gesamtwirtschaftlichen Kosten der Förderung erneuerbarer Energien bzw. der Energiewende, allenfalls zu einer anderen Lastenverteilung. (Im Text ist von Kosten die Rede, es sind aber wohl betriebs- oder finanzwirtschaftliche Kosten gemeint; die politische Diktion verwischt die fachlichen Termini).
- Was bringt die Stabilisierung per Gesetz auf dem jetzigen Niveau? Modellrechnungen z.B. des EWI zeigen, dass die Umlage ohne Altmaiers Maßnahme auf ca. 7 Cent steigen aber – ebenso gut – auch wieder fallen können! Es ist also eine Absicherung gegen ein Risiko.
Zu den Maßnahmen-Ziel Wirkungen:
- Die Maßnahmen zielen auf eine Neuverteilung der Lasten. Nicht bei allen Maßnahmen nennt Altmaier den erwarteten Umfang. Aus den Zahlen lassen sich nur ungefähre Schätzungen machen, ob die Neuverteilung ausreicht.
- Es ist nicht klar, ob Altmaier diese in jedem Fall anstrebt, oder nur dann und sukzessive, wenn die Umlage zu steigen droht. Wenn sie in jedem Fall angewendet werden, handelt es sich für die derzeit Zahlenden um eine Senkung der Umlage (im Vergleich zum Kontrafaktischen, d.h. ohne diese Maßnahmen), nicht um eine Bremse an der Obergrenze.
Zu den Wirkungen der einzelnen Maßnahmen und Nebenwirkungen:
- „Die Ausnahme-Regelungen für energieintensive Unternehmen zu reduzieren und zu begrenzen“ scheint im Prinzip konsensfähig, nicht klar ist der Umfang. Hier dürfte der Wirtschaftsminister zuständig sein, der zu dem Punkt bisher schweigt. Man kann nach der bisherigen Politik davon ausgehen, dass er hinhaltenden Widerstand gegen die Verkleinerung des Kreises der Begünstigten leisten wird, mit dem Hinweis auf die „Wettbewerbsfähigkeit“ der deutschen Wirtschaft
- Auch „die Eigenerzeuger heranziehen“ dürfte ähnlich konsensfähig sein; allerdings ist hier zu klären, ob diese Eigenerzeugung mit fossilen oder erneuerbaren Energien geschieht, und in welchem Maße die niedrigemittierende Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) genutzt wird. Die Eigenerzeugung mit Erneuerbaren Energien und low carbon KWK sollte im Sinne der Energiewende nicht behindert werden.
- „Einen einmaligen EEG-Beitrag von Betreibern von Bestandsanlagen erheben“ findet vermutlich den Beifall der Nicht-Betreiber. Wenn es ein Zwangsbeitrag sein soll, ist es genaugenommen eine nachträgliche Regeländerung, die je nach Umfang schwerwiegend sein kann. (Vertrauensschutz!) Altmaier will sie nur einmalig erheben und so diesen Charakter und Eindruck vermeiden, der nachteilig für die Einschätzung des politischen Risikos von Investitionen in Deutschland wäre, und speziell für die Zuverlässigkeit der EEG-Regelung. Diese Maßnahme ist daher Gegenstand der Kritik sowohl von Vertretern der Betreiberinteressen (wozu auch die CSU gehören dürfte) aber auch der massiven Kritik der Grünen und der SPD und auch der CDU aus solchen Bundesländern, wo man sich um die Vertrauenswürdigkeit des EEG sorgt, und erwartungsgemäß der Interessenverbände der Erneuerbaren-Energie-Industrie.
- Die „Verschiebung des Zahlungsbeginn der Einspeisevergütung für Neuanlagen“ ist an sich eine Änderung des EEG bzw. der Durchführungsbestimmungen und hätte mit der Senkung der Förder-Sätze im Herbst 2012 gemeinsam erfolgen sollen. Wen sie jetzt kommt ist sie zwar keine nachträgliche Schlechterstellung, hat aber nicht nur eine Umverteilungswirkung sondern auch eine Allokationswirkung, d.h. weniger Anreize für Neuanlagen. Das bringt Altmaier die Kritik der gesamten Opposition ein, der und auch Verbänden der Erneuerbaren-Energie-Industrie, das sogar aus den Reihen der CDU aus solchen Bundesländern mit starker Erneuerbaren-Energie-Industrie. Dies ist hingegen die einzige Maßnahme, die den Beifall des Wirtschaftsministers und der FDP finden dürfte, aber von diesen als viel zu geringfügig eingeschätzt wird.
Welche Maßnahmen kommen nicht in Altmaiers Katalog vor?
- Die Senkung der Mehrwertsteuer auf die EEG-Umlage. Diese wird von den Stromversorgern an den Bund abgeführt und verschafft dem Bund erhöhte Steuereinnahmen. Wenn der Fiskus darauf verzichten würde, wären die Einnahmen niedriger. Wenn die Mehrwertsteuer auf die Umlage steuersystematisch nicht separier bar sein sollte (obwohl Frühstück und Übernachtung im Hotel es sind) könnte auch diese für einen Bundes-Zuschuss herhalten. In jedem Fall müsste der Finanzminister zustimmen, der aber die Einnahmen für die „Schuldenbremse” braucht.
- Wenn es tatsächlich so sollte, dass vor allem höhere Einkommensbezieher und Landwirte vom EEG profitieren, dürften auch deren Einkommensteuern aufgrund des EEG höher ausgefallen sein, die an den Bund fließen. Diese Zusatzeinkommen sind nicht als Besteuerungsgrundlage identifizierbar aber zur Begründung eines Bundeszuschusses in die Umlage-Kasse geeignet. Auch hier steht das Interesse des Finanzministers dagegen
- Eine weitere Möglichkeit ist das Kompensieren der erhöhten Umlage durch eine Senkung oder Abschaffung der Stromsteuer. Dagegen spricht bekanntlich, dass die Einnahmen aus der Stromsteuer in die Rentenkassen abgeführt erden. Sie war konzipiert als makroökonomisches Steuerungselement zur Verteuerung des Treibhausgase emittierenden Ressourceneinsatzes und zur Entlastung des Preises des Faktors Arbeit über die Senkung der Beitrags zur Rentenkasse.
- Trotz der grünen Urheberrechte an dieser Stromsteuer plädiert Trittin jetzt für eine Senkung deren Aufkommens, durch die Freistellung von bedürftigen Haushalten von der Stromsteuer. Dies soll zur Entlastung der niedrigeinkommenshaushalte dienen, die mehr und mehr Problem haben, die Stromrechnung zu bezahlen. Abrechnungstechnisch könnte man sich vorstellen, dass ein Freibetrag des Verbrauchs im Monat nicht mit der Stromsteuer belastet würde. Wie die DIE LINKE und die SPD verlangen, müsste dieser pro Kopf im Haushalt gesetzt werden. Damit würden aber viele Haushalte entlastet, nicht nur die bedürftigsten.
- Auch die Konzessionsabgabe könnte noch einmal auf den Prüfstand kommen. Diese ist allerdings sehr widerstandsfähig, wie vergebliche Versuche sie abzuschaffen gezeigt über 40 Jahre haben. Sie ist ja eine Art Gemeindesteuer und dürfte für eine kompensatorische Senkung gerade in Zeiten knapper Gemeinde Kassen nicht zur Verfügung zu stehen
In die Diskussion der großen Lösungen und grundlegende Reform des EEG und anderer Rahmenbedingungen will ich hier nicht eingehen.
Die neuesten Meldungen zum Thema:
- SPD plant steuerfreien Strom
Die SPD hat den Vorstoß von Bundesumweltminister Peter Altmaier zur Eindämmung steigender Strompreise mit einem eigenen Konzept gekontert. SPD-Chef Sigmar Gabriel will bei den Steuern ansetzen. Der Bund profitiere von den steigenden Strompreisen in Form der höheren Mehrwertsteuereinnahmen. “Es wäre fair, das den Bürgern zurückzugeben”, sagte Gabriel. “Das kann man dadurch machen, indem man die ersten 500 oder 1000 Kilowattstunden im Stromverbrauch steuerfrei stellt.”
Quelle: Tagesschau.de - CDU wertet SPD-Konzept als Scheinlösung
Bundesumweltminister Peter Altmaier kritisierte den SPD-Vorschlag. Das Konzept der Sozialdemokraten könne nur einen Teil des Anstiegs verhindern und reiße zudem neue Löcher in den Bundeshaushalt, sagte er der Tagesschau. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe wertete die SPD-Pläne als Scheinlösung, die allenfalls zeitweise etwas Druck aus dem Kessel nehmen könnte.
Quelle: Tagesschau.de
[«*] Der Autor ist ein der Redaktion bekannter Energieexperte.