Hinweise des Tages II
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Henryk M. Broder verschärft Kritik an Jakob Augstein
- Fiskalklippe
- An amazing mea culpa from the IMF’s chief economist on austerity
- Reallöhne im dritten Quartal gestiegen
- Investitionsstau von 100 Milliarden Euro – Kommunen sparen sich kaputt
- Spanien in der Krise: Pleite mit tödlichen Folgen
- Steuererhöhungen statt Sparpolitik
- Cambridge-Ökonom Chang – Der Marktungläubige
- “Ich habe in Abgründe hineingeguckt”
- Arm und Reich gemeinsam gegen Staat und Demokratie
- Billigmalocher im Spaßparadies
- Scheinwerfer – Themenschwerpunkt: Politische Korruption
- Übergewicht und Lebenserwartung – Nützliches Fett
- Die erschöpfte Demokratie
- Willkommen im Klub der Milliardäre!
- Wenn Deutsche Deutsche hassen
- Sahra Wagenknecht über Politikdarsteller, Korruption und die Deutsche Bank
- Simulierter Journalismus
- zu guter Letzt: Kellnerfrust
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Henryk M. Broder verschärft Kritik an Jakob Augstein
Die Debatte um die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den Verleger Jakob Augstein geht in voller Schärfe weiter. Während einige Prominente den Journalisten ausdrücklich in Schutz nehmen, legt Henryk M. Broder nach – und das sehr deutlich. […]
Seine Kritik an Augstein verschärft Broder weiter: „Augstein sieht sich als kritischer Journalist, so wie sich ein Pädophiler als Kinderfreund ansieht. Auf die Selbstwahrnehmung kommt es dabei nicht an.“ Auch angesichts der großen, öffentlichen Unterstützung für Augstein rückt Broder nicht von dieser Position ab.
Dafür ist er vom RBB abgerückt. Am Donnerstag hat Broder seine wöchentliche Kolumne bei Radio Eins gekündigt. Seiner Darstellung nach sollte er seinen Kommentar an diesem Freitag ausfallen lassen, dafür ein Antisemitismusexperte zu Wort kommen. Dieses Verhalten sei ihm gegenüber illoyal und sachlich durch nichts zu rechtfertigen, erklärte Broder auf welt.de seinen Abschied.
Quelle: TagesspiegelAnmerkung JB: Broder geht es nicht um Israel, nicht um Antisemitismus und auch nicht um Jakob Augstein. Broder geht es stets nur um eins – um Henryk M. Broder. Und Selbstvermarkter Broder weiß nur all zu genau, dass Krawall seinen Marktwert steigen lässt. Man muss Jakob Augstein übrigens ein Kompliment dafür aussprechen, dass er so ruhig und gelassen bleibt und Broder auflaufen lässt, indem er sich weigert, sich öffentlich zusammen mit Broder über die Affäre zu unterhalten. Dazu gibt es ein wunderbares Zitat von George Bernard Shaw: „I learned long ago, never to wrestle with a pig. You both get dirty, and besides, the pig likes it.“ Augstein scheint diese Lektion auch verstanden zu haben.
- Fiskalklippe
- Der Trick mit der Eine-Billion-Dollar-Münze
Bizarr, aber legal: Dass die USA zahlungsunfähig werden, wollen Obamas Anhänger mit einem obskuren Trick verhindern. Finanzminister Geithner soll die republikanische Blockade aushebeln, indem er einfach eine Super-Münze prägen lässt. Wie das gehen soll. […]
Was während der ersten Debatte über die Schuldengrenze im Sommer 2011 nur in abseitigen Geld-Blogs diskutiert wurde, erhält jetzt höchste Anerkennung. Der Ökonom Paul Krugman, so etwas wie Obamas oberster Wirtschaftsblogger, schrieb für die New York Times, außergewöhnliche Probleme erforderten ebensolche Lösungen: “Das ist zwar ein Trick – aber die Schuldengrenze ist selbst schon eine verrückte Sache.” Paradoxerweise lege schließlich der Kongress dem Präsidenten mit der Schuldengrenze Fesseln an, zwinge ihn aber zugleich mit immer neuen Gesetzen zu zusätzlichen Ausgaben. […]
Gegner warnen auch vor Inflation – Billionenbeträge auf Zahlungsmitteln erinnern an die Weimarer Republik.
Quelle: Süddeutsche ZeitungAnmerkung JB: Natürlich darf bei der SZ der Hinweis auf eine mögliche Inflation nicht fehlen, obgleich diese Schlussfolgerung vollkommen absurd ist, wie übrigens auch exakt das Magazin schreibt, auf das die SZ explizit verlinkt. Die Idee als solche ist nichts weiter als ein simpler Bilanztrick. Und hier muss man Paul Krugman wohl recht geben – warum sollte man ein unsinniges Gesetz, das niemanden nützt und allen schadet nicht auf kreative Art aushebeln?
dazu: Paul Krugman – Debt in a Time of Zero
[…] We are living in weird economic times, where many of the usual rules don’t apply and there are big free lunches to be had. But not everything is a free lunch, even now. Sorry.
Quelle: New York Times - Kreislauf der Verelendung
Einmal mehr sind die USA daran gescheitert, einen Plan zur Schuldenreduzierung aufzustellen. Auch die Europäer finden keinen Ausweg aus ihrer Schuldenkrise. Am anderen Ende des Globus hat Japan Rekordschulden angehäuft. Etwas läuft schrecklich schief, und zwar in fast allen Industrieländern. Die New York Times hat in ihrer Analyse des faulen Neujahrskompromisses in den USA die wesentlichen Probleme benannt: viel zu großzügiger Umgang mit den Reichen, viel zu geringe Steuereinnahmen, um den Bedarf an öffentlichen Investitionen zu decken. Die Diagnose besitzt nicht nur für die USA Gültigkeit. Auch hierzulande verrottet die öffentliche Infrastruktur, an Bildung wird gespart, an sozialem Schutz ebenso, Kommunen stehen vor dem Kollaps. Dafür haben Großverdiener und Konzerne so niedrige Steuersätze wie noch nie seit dem letzten Weltkrieg.
Quelle: tazAnmerkung Orlando Pascheit: Die Sachlage ist einfach: Die USA geben mehr Geld aus, als sie an Steuern einnehmen. Die Antwort in den Mainstreammedien ist klar: Es muss ganz im Geist der merkelschen, schwäbischen Hausfrau gespart werden. So finden sich zu den US-Beschlüssen im Tagespiegel Sätze wie: “Sie nehmen das, was den Bürgern und der Wirtschaft wehtut, zum Großteil zurück, obwohl die Maßnahmen dringend nötig wären, damit die Schulden nicht unverantwortlich weitersteigen” oder noch deutlicher mit dem klaren Hinweis, wo gespart werden müsse: “Das Zähmen der galoppierenden Defizite und des wachsenden Schuldenbergs durch nachhaltige Sparmassnahmen, vor allem bei der staatlichen Krankenversicherung für Ältere (Medicare), wurde einmal mehr vertagt.” Meint die Schweizer Zeitung etwa, dass ausgerechnet das US-Sozialsystem zu weit getrieben worden sei. Mehr Geld ausgeben als einnehmen bedeutet für die schwäbische Hausfrau in der Tat sparen. Nur dürfte die schwäbische Hausfrau im Laufe der Zeit wohl kaum auf mögliche Einnahmen verzichtet haben, wie dies viele westliche Staaten exzessiv getan haben. Solange “Hochsteuersätze” wie jetzt in den USA erst ab einem Einkommen von 400.000 Dollar greifen, ist die Rede von Sparen am Sozialstaat nur der Gefolgschaft gegenüber den “happy few in the capitalist world-economy” geschuldet.
- Der Trick mit der Eine-Billion-Dollar-Münze
- An amazing mea culpa from the IMF’s chief economist on austerity
Consider it a mea culpa submerged in a deep pool of calculus and regression analysis: The International Monetary Fund’s top economist today acknowledged that the fund blew its forecasts for Greece and other European economies because it did not fully understand how government austerity efforts would undermine economic growth.
The new and highly technical paper looks again at the issue of fiscal multipliers – the impact that a rise or fall in government spending or tax collection has on a country’s economic output.
Quelle: Washington Postdazu: IMF admits more mistakes
Quelle: Macro BusinessAnmerkung JB: Blanchard hatte sich bereits im Oktober zu diesem Thema geäußert. Der Schweizer Tagesanzeiger hatte dazu einen schönen Blogbeitrag.
- Reallöhne im dritten Quartal gestiegen
Die Reallöhne in Deutschland stiegen vom dritten Quartal 2011 bis zum dritten Quartal 2012 um durchschnittlich 1,0 %. Die Nominallöhne erhöhten sich in diesem Zeitraum um 3,0 %, die Verbraucherpreise legten um 1,9 % zu, teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mit. Damit sind die Reallöhne seit dem ersten Quartal 2010 das elfte Quartal in Folge nicht gesunken – neun Quartale wiesen Reallohnsteigerungen auf, in zwei Quartalen blieben sie unverändert.
Quelle: Statistisches Bundesamt [PDF – 88.8 KB]Anmerkung Orlando Pascheit: Da hat uns das Statistische Bundesamt zum Fest seine frohe Botschaft verkündet – und wie man oben sieht, hat sich diese bis in das östliche Brandenburg verbreitet. Die Aussage, dass die Reallöhne seit dem ersten Quartal 2010 das elfte Quartal in Folge nicht gesunken sind, gilt allerdings, wenn man näher hinschaut nur für Arbeitnehmer in leitender Stellung. Alle anderen Leistungsgruppen gingen zwischenzeitlich in das Minus bzw. verblieben wie die angelernten Arbeitnehmer mit zwei gravierenden Abstürzen größtenteils unter dem Reallohn von 2007. Wie selbst dem Statistischen Bundesamt zu entnehmen ist, verzerrt die oberste Leistungsgruppe ganz schön den Durchschnitt. Das Statistische Bundesamt sollte, wie dies in seriösen Berichterstattungen zum Haushaltseinkommen geschieht, lieber auf den Median zurückgreifen. Ganz abgesehen davon, dass selbst ein Reallohnanstieg von 2,3 Prozent seit 2007 für „Fachkräfte“ erbärmlich ist, wird bei einer Erweiterung des Zeitraums deutlich, dass der Großteil der deutschen Arbeitnehmer z.B. seit 2000 sinkende Reallöhne hatte hinnehmen müssen.
- Investitionsstau von 100 Milliarden Euro – Kommunen sparen sich kaputt
Die deutschen Kommunen haben 2012 keine neuen Schulden gemacht. Doch der Sparkurs hat eine Kehrseite: Die Städte und Gemeinden stecken viel zu wenig Geld in Schulen und Straßen. Der Investitionsstau beläuft sich bereits auf 100 Milliarden Euro.
Quelle: SPIEGEL OnlineAnmerkung unseres Lesers U.D.: Dank sei der Schuldenbremse und den Durchwinkparteien im Bundestag.
- Spanien in der Krise: Pleite mit tödlichen Folgen
In Spanien hat sich ein Mann mit Benzin übergossen und angezündet – aus Verzweiflung über die Folgen der Krise. Es ist ein besonders aufsehenerregender Fall, aber nur einer von vielen Suiziden und Selbsttötungsversuchen, zu denen es derzeit in Spanien kommt. Laut spanischen Medien soll es sich um einen Obdachlosen gehandelt haben, der verheiratet sei und zwei Kinder habe. Vor zwei Wochen war ebenfalls in Málaga eine Frau aus dem Fenster gesprungen, weil sie ihre Schulden nicht mehr bezahlen konnte und von der Bank aus ihrer Wohnung geworfen werden sollte. Fast im Wochentakt berichtet die spanische Presse derzeit über solche Fälle. Dabei hat Spanien in seiner Geschichte zahlreiche tiefe Krisen durchgestanden, eine Zunahme an Suiziden war dabei jedoch nicht beobachtet worden. Zwar veröffentlicht das Nationale Statistikamt seit 2010 keine Zahlen über Selbstmorde mehr. Doch regionale Gesundheitsämter und forensische Institute melden seit zwei Jahren Rekordwerte. Grund seien Arbeitslosigkeit und Schuldenkrise, die immer mehr Menschen in komplett ausweglose Situationen bringe. Die Plattform der Hypothekengeschädigten in Madrid (PAH) meldet 500 Zwangsräumungen täglich.
Die Regierung von Mariano Rajoy reagierte mit dem Statement zu diesen Zahlen allerdings erst auf den enormen sozialen Druck von Bürgerbewegungen und sozialen Netzwerken. Empörung löste vor allem aus, dass jene Banken, die selbst mit Milliarden an Steuergeld vor der Pleite gerettet wurden, ohne jede Rücksicht auf jene losgehen, die ebenfalls pleite sind – die Ärmsten der Armen. Eine Gesetzesänderung, die Zwangsräumungen erschweren soll, wurde von der Regierung im Spätherbst auf den Weg gebracht. In ihren Genuss kommen jedoch nur extreme Härtefälle, wie sie die spanische Presse in den vergangenen Monaten zuhauf meldete. Andere, darunter Großfamilien, Behinderte und Rentner, die für Kinder und Enkel gebürgt hatten, wurden an die Luft gesetzt – so lange, bis selbst die Richter protestierten. Die Sozialisten fordern, das Gesetz auszuweiten. Sozialverbände verlangen zudem, dass leer stehende Wohnungen zu sozialen Mieten an Obdachlose vergeben werden.
Quelle: Süddeutsche ZeitungAnmerkung Orlando Pascheit: Sind wir Europäer und verpflichten Europa endlich auf seine letzte große Errungenschaft, die Prinzipien der Sozialstaatlichkeit, oder sind wir eben nur eine bessere Freihandelszone, deren Gesetze nur die unbegrenzten Freiheiten des europäischen, ja internationalen Großkapitals garantieren? Diese Errungenschaft wurzelt in der Einsicht, dass in dieser nach größtmöglichem Profit ausgerichteten Konkurrenzgesellschaft nicht einfach dem einzelnen Individuum das Scheitern des Systems anzulasten ist. Hier ist nicht der Ort, um diese Zusammenhänge auszubreiten, die NachDenkSeiten haben laufend auf die systemischen Aspekte der großen Krise hingewiesen. Es wird Zeit, dass die Nordeuropäer insbesondere Deutschland, das seinen Nachbarn nach dem großen Krieg so unendlich viel zu verdanken hat, begreifen und ihren Regierungen sagen: Dieser Markt ist nicht ohne die Sicherheitsleinen für die einzelnen Menschen, wie die Kanzlerin ihre Mitbürger zu nennen beliebt, zu haben. Es gibt nicht nur systemische Banken, sondern wir sind das System. Die SZ hebt einzelne Fälle von Solidarität in Spanien hervor. Nur, so bewundernswert gelebte individuelle Solidarität ist, sie ist ein Rückfall in die Vormoderne – in der eine möglichst große Kinderzahl eine gewisse Alterssicherung bot, in der die Großfamilie Krankheit, Tod und Arbeitslosigkeit aufzufangen versuchte, in der Nachbarschaftshilfe und die Religionsgemeinschaft in Notlagen manchmal Schutz bieten konnten. Es ist die gleiche Vormoderne, in der die Macht und der Reichtum eines Volkes in den Händen weniger ruhten. Brauchen wir schon wieder eine Revolution, um “liberté, égalité, fraternité” in Europa durchzusetzen?
- Steuererhöhungen statt Sparpolitik
Die meisten Staaten der EU ächzen unter einer hohen Schuldenlast. Doch anstatt die Steuern für Vermögende zu erhöhen, werden unsoziale Sparprogramme aufgelegt. Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ist die Staatsverschuldung in den meisten Ländern der EU kräftig angestiegen. Denn die Rettung strauchelnder Banken sowie umfangreiche Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur haben Milliardensummen verschlungen. Von diesen teuren staatlichen Programmen haben vor allem Kapitalbesitzer profitiert. So hat sich das Geldvermögen – ohne Sachwerte – in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2011 von 3.500 Mrd. Euro auf 4.700 Mrd. Euro erhöht – trotz der schweren Wirtschaftskrise. Deshalb stellt es einen Akt der Gerechtigkeit dar, wenn die Wirtschaftselite durch höhere Steuern an den Kosten der Krise in angemessener Weise beteiligt wird. (…) Die Erhöhung der Umsatzsteuer hat sozial Schwächere überproportional belastet und die Steigerung der Unternehmensgewinne ging auf Kosten der Belegschaft. Insofern stellen Steuererhöhungen für Großunternehmen und Vermögende die richtige Antwort dar.
Quelle: Der FreitagAnmerkung unseres Lesers G.K.: In diesem Zusammenhang wird das Thema “Steuerflucht” von den Rechtskonservativen und Neoliberalen immer wieder als Rechtfertigung für eine angeblich “alternativlos” niedrige Steuerbelastung von wohlhabenden Privatpersonen sowie Unternehmen vorgeschoben. Entgegen dem von diesen politischen Kräften erweckten Eindruck läßt sich jedoch die Ablehnung nicht aller Arten von Steuererhöhungen zu Lasten von Spitzenverdienern und Unternehmen mit der “Steuerflucht”-These rechtfertigen. Bei jenen Steuererhöhungen zu Lasten von wohlhabenden Privatpersonen und Unternehmen, für die das “Steuerflucht”-Argument zumindest teilweise zutrifft, wäre eine von den im weitesten Sinne “sozialdemokratischen” Parteien innerhalb der EU (noch besser: der OECD) konzipierte gemeinsame Steuerpolitik mit dem Ziel “Bekämpfung der Steuerflucht” ein erfolgversprechendes gemeinsames Zukunftsprojekt. Von den konservativen und rechtsliberalen Parteien als den quasi “natürlichen” Verbündeten der OECD-“Eliten” darf diesbezüglich keine große Hilfestellung erwartet werden.
Den konservativen und rechtsliberalen Parteien dürfte es dann auch bei den länderinternen (Wahl-)Auseinandersetzungen deutlich schwerer fallen, mit dem vorgeschobenen Einwand “Steuerflucht” die Bevölkerungen der EU- und OECD-Staaten in Bezug auf eine ökonomisch sinnvolle und sozial gerechte Steuerpolitik politisch zu entmutigen. Die Bekämpfung der Steuerflucht durch ein koordiniertes Vorgehen der dem sozialdemokratischen Spektrum zugehörenden Parteien wäre ein geeigneter politischer Hebel, den neoliberalen Parteien des konservativen und rechtsliberalen Spektrums ein Stück weit die politische Meinungshoheit zu entreißen und damit für die Bevölkerungsmehrheiten innerhalb der EU- und OECD-Staaten ökonomische und soziale Verbesserungen durchzusetzen.
- Cambridge-Ökonom Chang – Der Marktungläubige
Ha-Joon Chang ist ein Ketzer unter den Ökonomen. Er hält freie Märkte für eine Illusion, fordert mehr Staatseingriffe und Protektionismus. An der Elite-Uni Cambridge war der Koreaner damit lange ein Außenseiter – dann kamen die Krise und sein Buch “23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen”.
Schon die Zugfahrt zu Ha-Joon Chang nach Cambridge schafft Sympathie für dessen Thesen. Sie wird nicht nur vom landestypischen Regen überschattet, sondern auch vom notorisch komplizierten Bahnsystem. Für jeden Abschnitt muss das Ticket eines anderen Anbieters gekauft werden, die Züge sind zu spät, das Abfahrtsgleis wird erst in letzter Minute angezeigt. Dabei sollte doch alles besser werden. Damals, Mitte der achtziger Jahre, als Margaret Thatcher die Privatisierung der Bahn und anderer Staatsbetriebe vorantrieb – und der Südkoreaner Ha-Joon Chang in einer fremden Welt landete.
“Ich kam auf dem Höhepunkt der Thatcher-Revolution nach England”, erinnert sich Chang an seine Ankunft als 23-jähriger Student. Die konservative Thatcher glaubte an die Weisheit des Marktes, den Staat sah sie als Bedrohung. Die Ökonomen, bei denen Chang sein Handwerk lernen sollte, teilen diese Meinung. “Ich konnte nicht glauben, wie feindselig die Menschen Staatseingriffen gegenüberstanden.”
Quelle: SPIEGEL Online - “Ich habe in Abgründe hineingeguckt”
Regisseur inszeniert Theaterstück über die Finanzwelt
Andres Veiel im Gespräch mit Liane von Billerbeck
Öffentlich wollten die Banker nicht über ihre riskanten Geschäftspraktiken mit Andres Veiel sprechen. Nur unter Wahrung der Anonymität gaben sie Informationen über ihre Geldgeschäfte preis. Dieses brisante Material kommt ab Januar in Stuttgart auf die Bühne.
Quelle: Deutschlandradio Kultur - Arm und Reich gemeinsam gegen Staat und Demokratie
Walter Wüllenweber zur Erosion der Gesellschaft durch die Ober- und Unterschicht
Die Schere zwischen arm und reich geht in Deutschland immer weiter auseinander. Walter Wüllenweber, Autor des Buches Die Asozialen – Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren und wer davon profitiert erblickt einen wesentlichen Grund für diese Entwicklung darin, dass die Politik massiv dazu beigetragen hat, diese Verhältnisse zu schaffen und zu zementieren. Nach seinen Ausführungen sind damit am oberen wie am unteren Rand der Gesellschaft gewaltige Erosionskräfte entstanden, die ähnliche Mentalitätsmuster aufweisen und in einer Zangebewegung die Grundfeste der Gesellschaft –Mittelstand und Leistung – erschüttern.
Quelle: TelepolisAnmerkung unseres Lesers S.K.: Das Interview mit dem Buchautor Wüllenweber ist ein schönes Beispiel für gezielte Desinformation und auch die weitere Stigmatisierung der gesellschaftlich Abgehängten. Fassungslos steht man vor der Aussage, dass auch die Unterschicht unser Land ruiniere (bei der Oberschicht ist es ja offensichtlich, das kann auch keiner mehr leugnen). Wenn man sich die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse einmal anschaut, so erkennt man doch, dass die “Unterschicht” ein Spielball der herrschenden Kräfte ist, die aufgrund vielfätliger Unterdrückungs- und Ausgrenzungsmaßnahmen an den gesellchaftlichen Rand und existenziellen Abgrund gedrängt wurde. Mit welcher gesellschaftlichen Gestaltungsmacht dieses Heer der Ohnmächtigen überhaupt irgendwen schädigen soll, bleibt völlig unklar. Es kann ja auch gar nicht sein. So entwirft der Autor das Bild der ungesund lebenden Unterschicht, die dadurch die Gesellschaft schädigt. Wieder werden aus den Opfern der gesellschaftlichen Verdrängungs- und Ausbeutungsprozesse die Täter, die mit ihren begrenzten, aber laut Autor ja eigentlich ausreichenden Mitteln einfach kein vernünftiges Leben führen wollen, eine Perversion der tatsächlichen gesellschaftlichen Zustände. Und wenn der Autor dann noch anmerkt, dass das durchschnittliche Lohneinkommen zu nah am Hartz-IV-Satz sei, weswegen dieser ja eigentlich zu hoch sein müsse, dann ist es endgültig vorbei. Niemand käme ja auf die Idee, dass die Löhne zu niedrig seien. Paradoxerweise bemerkt der Autor ja, dass Kapitalerträge zu wenig besteuert werden im Vergleich zu “Arbeitserträgen”, aber das die Arbeitserträge auch insgesamt und insbesondere im mittleren und unteren Lohnbereich zu gering sind, dass entgeht ihm. Genauso wie die explizite Absicht der Politik, die Löhne niedrig zu halten und die gesellschaftliche Realität so zu schaffen, wie wir sie aktuell vorfinden. Da wurde nichts mit den besten Absichten für alle eingeführt, es ging um die Verarmung weiter Teile der Gesellschaft, nicht anders kann man z.B. Schröders Lob “eines der besten Niedriglohnsektoren” interpretieren.
- Billigmalocher im Spaßparadies
Ob Legoland oder Gruselkabinett – die Mitarbeiter von Deutschlands Freizeitattraktionen verdienen so mies wie in kaum einer anderen Branche. Und das trotz saftiger Eintrittspreise.
Quelle: SPIEGEL OnlineAnmerkung unseres Leseres J.A.: Und im nächsten Artikel berichtet SpOn gleich wieder über das “German job miracle” und kommentiert die segensreiche Wirkung der “Agenda 2010” mit Niedriglöhnen, befristeten Stellen, Minijobs und “Flexibilisierung des verkrusteten Arbeitsmarkts”…
- Scheinwerfer – Themenschwerpunkt: Politische Korruption
28 Seiten zum Thema „Politische Korruption“ im Rundbrief von Transparency International.
Quelle: Transparency International [PDF – 736 KB] - Übergewicht und Lebenserwartung – Nützliches Fett
Viele Menschen stören sich an überschüssigen Pfunden. Doch Übergewicht und sogar geringe Fettleibigkeit erhöhen offenbar die Lebenserwartung. Das zeigt eine Übersichtsstudie mit fast drei Millionen Teilnehmern weltweit. […]
Es geht aber auch weniger schwarzmalend. Denn dieses Drittel der Bevölkerung kann hoffen, etwas länger zu leben als jene Hälfte der Deutschen, die laut gängiger Definition normalgewichtig sind. Wissenschaftlich untermauern lässt sich diese Hoffnung durch die bislang wohl umfangreichste Studie, die den Zusammenhang von Body-Mass-Index (BMI) und Sterblichkeit untersucht hat (Jama, Bd. 309, S. 71, 2013). […]
Den Forschern zufolge war die Sterblichkeit unter den Übergewichtigen am geringsten – sie lag sechs Prozent unter jener der sogenannten Normalgewichtigen. Nicht einmal in der ersten Stufe der Fettleibigkeit (BMI 30 bis 34,9) war die Sterblichkeit erhöht, sondern um fünf Prozent geringer. Von einem BMI von 35 an jedoch war das Sterberisiko deutlich gestiegen, es lag 29 Prozent über dem der Normalgewichtigen.
Quelle: Süddeutsche ZeitungAnmerkung JB: Die gesamte Diskussion ist ziemlich verquer, da der BMI das Alter der Menschen nicht berücksichtigt. Die statistische Grundlage für den BMI ist das Gewicht von Rekruten. Der Mensch nimmt aber, wie jedes Säugetier, im Laufe des Alters zu – es ist daher völlig normal, dass ein Großteil der Bevölkerung einen höheren BMI hat als Jünglinge, die noch nicht einmal ausgewachsen sind, dafür aber paradoxerweise nicht nur unser Schöhnheitsideal darstellen, sondern über den BMI auch als Ideal in Sachen Körpergewicht definiert werden. Sich nun darüber zu wundern, dass Normalgewichtige (also Menschen, die im Erwachsenenalter einen erhöhten BMI haben) länger leben als Untergewichtige (also Menschen, die im Erwachsenenalter die physische Konstitution eines Heranwachsenden haben) zeugt schon von ein merkwürdigen Weltbild.
- Die erschöpfte Demokratie
Die Politiker werden immer müder, die Bürger immer frustrierter, die Tempo- und Handlungsvorgaben der Finanzmärkte immer dominanter – Höchste Zeit für eine Strategie der Entschleunigung
Die Demokratie als Staatsform, deren Recht vom Volk ausgeht, hat nach dem Empfinden einer wachsenden Zahl von Europäern aufgehört zu existieren. Das Recht geht nicht mehr vom Volk aus. Es ist bloß noch aufgefordert, an Wahlen teilzunehmen. Unabhängig davon, ob dies bedeutet, tatsächlich eine Wahl zu haben.
Denn ein Gespenst geht um in Europa: das Gespenst der Fremdbestimmtheit. Die europäischen Bürger, allen voran Griechen, Irländer und Portugiesen, nehmen ihre Regierungen nicht mehr als ihre Regierung wahr, sondern als Interessenvertreter oder gar Sachwalter von internationalen Organisationen, wie etwa dem IWF, dessen Existenz nicht demokratisch legitimiert ist. Die Politik, auch in jenen europäischen Ländern, die ökonomisch durchaus passabel dastehen, verhält sich folgsam nach den Zurufen der “Finanzmärkte” aus Angst, internationale Ratingagenturen könnten die Bonitätsbewertung ihres Landes herabstufen oder gar empfehlen, den Zinssatz für die Staatsanleihen hinaufzusetzen.
Quelle: derStandard.at - Willkommen im Klub der Milliardäre!
Wer sind die 100 Reichsten der Welt? Auf dem Bloomberg-Barometer für Superreiche lässt sich das täglich nachlesen. Der Gewinner des vergangenen Jahres ist ausgerechnet ein Boss aus dem schuldengeplagten Südeuropa.
Quelle: Süddeutsche ZeitungAnmerkung MB: Und liebe Süddeutsche, wo bleibt die Erklärung des Zusammenhangs? Wer sind diese Superreichen neben den ansatzweise portraitieren Fällen und in welchen Branchen erzielen sie womit ihre Gewinne? Welche Zusammenhänge gibt es zwischen den Gewinnen in bestimmten Geschäftsfeldern und den Finanzkrisen in Europa in Kombination mit einer für Superreiche vorteilhaften Steuer- und Finanzpolitik? Die mehr oder weniger bloße Aufzählung der Fälle ist so informativ wie die Aussage, dass es draußen nur Kännchen gibt.
- Wenn Deutsche Deutsche hassen
Das Hickhack zwischen Schwaben und Wolfgang Thierse in Berlin ist nur eines von vielen Beispielen für den täglichen Kleinkrieg: In der Gesellschaft beharken sich Kinderreiche und Kinderlose, Städter und Reihenhausbewohner, Auto- und Radfahrer. Wer hasst wen? Der Überblick. […]
Deutsche Gehässigkeiten – so kann man es wohl nennen, was sich hierzulande oft im Alltag niederschlägt. Manchmal genügt dafür ein Satz über Schrippen und Wecken oder eine andere Kleinigkeit. Es ist die deutsche Mentalität des Sich-Beäugens, des Besserwissens, des Abwertens von Andersdenkenden. Eine Übersicht über die größten Konflikte.
Quelle: SPIEGEL OnlineAnmerkung JB: Teile und herrsche? Wahrscheinlich lebe ich in einem anderen Deutschland als die SPON-Redakteure, aber mir sind die aufgeführten „Schlachtfelder des Kleinkriegs“ vollkommen neu und ich bin mir ziemlich sicher das es abseits des Mario-Barth-Humors den meisten Deutschen ähnlich geht. Da stellt sich natürlich die Frage nach dem cui bono. Warum versucht SPON Konflikte aufzubauschen, die allenfalls am Rande der Gesellschaft existieren? Oder geht es den, in letzter Zeit nicht gerade von Erfolg verwöhnten, SPIEGEL-Machern einmal mehr nur um die Quote? Wie dem auch sei, auf der nach unten offenen Niveauskala stellt SPON auch im neuen Jahr einen Minusrekord nach dem anderen auf.
- Sahra Wagenknecht über Politikdarsteller, Korruption und die Deutsche Bank
Am 17.12.2012 traf ich Sarah Wagenknecht zu einem spontanen Interview.
Nachdem sie meine Fragen zu den Ursachen menschlicher Gier, zu Regional- und Parallelwährungen und den grundlegenden Problemen des Finanzsystems beantwortet hatte, erläuterte die Spitzenpolitikerin der LINKEN die Ausgestaltung einer von ihr geforderten Vermögensabgabe und eines erneuten Lastenausgleichs.
Quelle: rasendeReporterin.de - Simulierter Journalismus
Der Anspruch der Medien, wichtige und verlässliche Informationen über die Politik zu vermitteln, wird oft nur durch rhetorische Tricks aufrechterhalten.
Da den meisten Bürgern der direkte Zugang zur Politik fehlt, brauchen sie die Medien, um etwas über Gesetzesvorhaben und die politischen Akteure zu erfahren. Die Medien rechtfertigen ihre Preise bzw. Gebührenzahlungen durch den von ihnen gebotenen Mehrwert. Sie beanspruchen für sich, ihrem Publikum wichtige und verlässliche Informationen über das politische Geschehen zu vermitteln. Diese Informationen sollen weder auf Gerüchten noch auf reinen Vermutungen beruhen. Ihr Wahrheitsgehalt soll abgesichert sein durch methodische Recherche. Nicht immer können die Medien diesen Anspruch auch einlösen. Mal fehlen Zeit und Geld für eine echte Recherche, mal gibt das Thema nichts her. In solchen Fällen nutzen manche Journalisten rhetorische Tricks, mit denen sie einen Qualitätsjournalismus lediglich simulieren. Im Folgenden möchte ich einige dieser Tricks am Beispiel des Artikels „Graf Zahl“ aus der Süddeutschen Zeitung vom 10./11. November 2012 aufzeigen. In diesem Seite-Drei-Artikel, der sich mit den Aussichten Steinbrücks als Kanzlerkandidat beschäftigt, kommen folgende rhetorische Mittel zum Einsatz.
Quelle: Spiegelfechter - zu guter Letzt: Kellnerfrust
Quelle: via SZ-Magazin