Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Robert Misik: Angela Merkel – die gefährlichste Frau der Welt?
  2. SPD empört über “Dolchstoßlegende” aus der Koalition
  3. Eurokrise
  4. Fiskalpakt/EU-Gipfel
  5. “Nationalistisch angehauchte Demagogie” von Hans-Werner Sinn?
  6. Denn sie wissen (auch) nicht, was sie tun
  7. Gabriel räumt Fehler in Agenda 2010 ein
  8. Sperrzeiten für Arbeitslosengeldempfänger trotz rückläufiger Arbeitslosigkeit auf konstant hohem Niveau
  9. Mappus und ENBW – „Es hat uns erschreckt“
  10. György Dalos – Resignieren gehört zum Dasein eines Ungarn dazu
  11. Berufung ohne Beruf – Requiem auf einen Traum
  12. Enttäuschte Liebe
  13. Anmerkung zu „Freiheit und Terror“

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Robert Misik: Angela Merkel – die gefährlichste Frau der Welt?
    Wir sollten uns die Europäische Union nicht kaputt machen lassen
    “Europe’s Most Dangerous Leader” hat der New Statesman Angela Merkel unlängst genannt und im Blattinneren avancierte die deutsche Kanzlerin gleich zur „gefährlichsten Person der Welt”. Resumee des Textes: “Auf Grund ihres Realitätsverlustes und ihrer Versessenheit auf Austeritätspolitik zerstört Merkel das europäische Projekt, sie stürzt Deutschlands Nachbarn in Armut und die Welt in eine globale Depression. Man sollte sie stoppen.”Ein bisschen wortradikal vielleicht. Aber in der Sache kann es kaum einen Zweifel geben, dass die Autoren recht haben. Kein Wunder, dass die deutsche Kanzlerin beim vergangenen EU-Gipfel derart isoliert war. Aber wenn die Merkelpolitik falsch und gescheitert ist – was wäre dann die richtige Politik? Mehr Europa – aber das sagt sich leicht. Was muss also getan werden, um die Europäische Union zu retten? Und ist das überhaupt realistisch und möglich, angesichts nationaler Ressentiments und der wachsenden EU-Stimmung in einigen Ländern?
    Quelle: derStandard.at
  2. SPD empört über “Dolchstoßlegende” aus der Koalition
    Hat die harte Linie der SPD die Kanzlerin auf dem EU-Gipfel zu Kompromissen gezwungen? Das behaupten Politiker aus der Koalition – und sorgen damit für Entrüstung bei den Sozialdemokraten. Generalsekretärin Nahles nennt die Vorwürfe “ungeheuerlich”. […]
    Der Ton ist durchaus scharf. “Wir empfinden es als Ungeheuerlichkeit, dass aus dem Unionslager ‘Dolchstoßlegenden’ verbreitet werden”, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Montag in Berlin.
    Mehrere Unionspolitiker – darunter CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt – hatten argumentiert, Merkels Einlenken auf dem EU-Gipfel bei den Auflagen für Krisenländer und Bankenhilfen über den neuen Rettungsschirm ESM sei die Schuld der SPD. Weil diese für ihre Zustimmung im Bundestag zu ESM und Fiskalpakt auf einem Wachstumspakt bestanden habe, sei Merkel beim Gipfel erpressbar gewesen.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung JB: Das Gebaren der SPD ist grotesk, die Rhetorik von Nahles ist ganz einfach nur noch dumm und zeigt einmal mehr, dass aus den Reihen der SPD kein Jota an Vernunft zu erwarten ist. Eigentlich müsste die SPD sich ja damit rühmen, dass sie unter Umständen ihren Anteil am marginalen Einlenken Merkels hat. Aber was macht Frau Nahles? Sie benutzt den Begriff „Dolchstoßlegende“ und vergleicht damit Merkels Einlenken auf dem EU-Gipfel mit der Niederlage des deutschen Kaiserreichs an der Westfront im ersten Weltkrieg. Das ist nicht nur geschichtsvergessen, sondern auch ganz starker Tobak.

  3. Eurokrise
    1. Paul Krugman – Europe’s Great Illusion
      Over the past few months I’ve read a number of optimistic assessments of the prospects for Europe. Oddly, however, none of these assessments argue that Europe’s German-dictated formula of redemption through suffering has any chance of working. Instead, the case for optimism is that failure — in particular, a breakup of the euro — would be a disaster for everyone, including the Germans, and that in the end this prospect will induce European leaders to do whatever it takes to save the situation.
      I hope this argument is right. But every time I read an article along these lines, I find myself thinking about Norman Angell.
      Who? Back in 1910 Angell published a famous book titled “The Great Illusion,” arguing that war had become obsolete. Trade and industry, he pointed out, not the exploitation of subject peoples, were the keys to national wealth, so there was nothing to be gained from the vast costs of military conquest.
      Quelle: New York Times
    2. Eurozone: Rekordarbeitslosigkeit im Mai 2012
      Heute veröffentlichte Eurostat die saisonbereinigten Arbeitslosenquoten für die EU17 und die EU27. In der Eurozone stieg die saisonbereinigte Arbeitslosenquote im Mai 2012 auf 11,1% bzw. auf 17,561 Millionen Arbeitslose an, was zugleich der höchsten Arbeitslosenquote seit Bestehen der Gemeinschaft entsprach und der höchsten Quote seit dem Beginn der Datenerhebung im Jahre 1995. In der EU27 stieg die Arbeitslosenquote auf 10,3%. Einen Beleg für die Krise in der Eurozone liefern vor allem die hohen Arbeitslosenquoten in den Südperipherie-Staaten. So lag die offizielle saisonbereinigte Arbeitslosenquote in Portugal im Mai unverändert bei 15,2%, in Italien sank sie leicht auf 10,1% und in Griechenland, die mit ihrer monatlichen Datenerhebung immer hinterherhinken, stieg die saisonbereinigte Quote für März auf 21,9%! Die höchste Quote in der gesamten EU erzielte Spanien mit einem Anstieg auf 24,6%.
      Quelle: Querschuesse
    3. Portugal: wie die “Reformpolitik” wirkt
      “Ein Lichtblick in Portugal” titelte vor wenigen Tagen die FAZ, bezugnehmend auf den Schuldenindex des Centrums für Europäische Politik (CEP). “Es gibt substantielle Beweise, dass die Reformpolitik in Portugal wirkt“, meint man beim CEP und auch die Bundeskanzlerin schwebte auf dieser Argumentationswelle in der Regierungserklärung zum beginnenden Euro-Gipfel: “Vieles ist schon auf den Weg gebracht worden, erste Erfolge sind in einer Reihe von Mitgliedstaaten zu verzeichnen. Dies gilt insbesondere für die Programmländer Irland und Portugal, die eindrucksvoll bestätigen, wie der Ansatz aus Konsolidierung und Strukturreformen flankiert durch solidarische europäische Unterstützung gelingen kann.“
      Die Not scheint groß. Mit aller Macht versucht man Beispiele zu präsentieren, die ein “Wirken” der bisherigen Strategie belegen. Aber gibt z.B. Portugal solche Einschätzungen überhaupt her? […]
      Nun der noch viel schockierendere Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung Portugals mittels einiger Daten aus der Verwendungsrechnung des BIPs. Nicht wirklich überraschend, sie gleicht der Entwicklung in Griechenland oder auch der in Spanien. Einkommen, Konsum, Investitionen und erzielte Wertschöpfung sinken Hand in Hand und legen die Lebenslügen der Troika-Agenda und ihrer ideologischen Vertreter gnadenlos offen:

      Quelle: Querschuesse

    4. Asmussen mahnt Sparkurs in Griechenland an
      Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Griechenland aufgefordert, den Sparpakt einzuhalten. Einen anderen Weg gibt es für EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen nicht. Und Erleichterungen soll es keine geben.
      Quelle: Handelsblatt

      Anmerkung WL: Wie lautete doch schon einmal der Refrain eines Landserliedes, das zu einem Symbol für das Feindbild gegenüber den Deutschen in nahezu der ganzen Welt wurde: „Wir werden weiter marschieren / Wenn alles in Scherben fällt, / Denn heute da hört uns Deutschland/ Und morgen die ganze Welt „ (oder wenigstens ganz Europa).

  4. Fiskalpakt/EU-Gipfel
    1. Die Legende von der Niederlage Deutschlands
      Deutschland – auf dem Fußballplatz und im Verhandlungsraum vernichtend geschlagen: Das ist die Geschichte, die hierzulande alle erzählen. Jetzt gehe es also an “unser Geld”, jetzt beginne die “Schuldenunion” oder, meine Lieblingsformulierung, jetzt sei ein Weg gefunden worden, um das deutsche Vermögen zu verbrauchen. So wie Balotelli das Ding ins deutsche Tor gerammt hat, so hat auch Monti den Sack zugemacht.
      Quelle: ZEIT Herdentrieb
    2. Jakob Augsteien – Der Süden weiß, wie’s geht
      Die Deutschen haben vergessen, wie linke Politik geht. Bei der Bewältigung der Euro-Krise lernen sie es jetzt wieder: Mehr Sozialstaat, weniger Nationalstaat, das sind die Ziele linker Politik. Der Fiskalpakt ist eine Etappe dorthin – und ausgerechnet die gebeutelten Südländer weisen den Weg.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung unseres Lesers H.G.: Wem die Kritik an Augstein in der letzten Woche als unfair oder überzogen empfunden hat, dem muss dieser Artikel klar machen, dass sie vollkommen berechtigt war. Wer den Fiskalpakt als Etappe auf dem Weg zu einem sozialeren Europa preist, der hat offensichtlich jegliches Denken eingestellt. Zumindest jedes soziale Denken.

      Ergänzende Anmerkung JB: Ein typischer „Augstein“. Neben allerlei wohlfeiler Schwadronade kommt Augstein zum überraschenden Schluss, dass nun ausgerechnet der Fiskalpakt die Weichen zu einer „linken Politik“ stellen könnte. Vielleicht sollte sich Jakob Augstein einmal mit Stephan Schulmeister [PDF – 99.5 KB] zusammen setzen – der könnte ihm dann erklären, warum der Fiskalpakt ganz sicher keine „Etappe“ zu „mehr Sozialstaat“ sein kann, sondern den Sozialstaat stranguliert.

    3. Herta Däubler-Gmelin – “Dazu braucht es einen Volksentscheid”
      Ein Interview mit der ehemaligen Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, die jetzt beim Bundesverfassungsgericht gegen den ESM und den Fiskalpakt klagt
      Am 29. Juni haben Bundestag und Bundesrat mit dem ESM und dem Fiskalpakt einem Vertragswerk zugestimmt, das wegen der kurz zuvor von Italien und Spanien durchgesetzten Änderungen bei der Bankenhilfe am Tag der Abstimmung bereits überholt war. Nichtsdestotrotz befürchten Kritiker wegen der darin festgeschriebenen Abgabe der Budgethoheit der nationalen Parlamente, der automatischen finanziellen Sanktionierung und vorgeschriebenen Einsetzung eines “Expertendirektoriums” bei Überschreitung der Staatsverschuldung eine dramatische Verschiebung der Gestaltungshoheit von der demokratisch legitimierten Legislative hin zu einem Superexekutivorgan, welches Politik als “Sachzwang” durchsetzt und gegen dessen Entscheidungen sich die Bevölkerung sich weder politisch noch juristisch wehren kann.
      Quelle: Telepolis
    4. PHOENIX Runde: Die Eurokrise – Mit dem Rücken zur Wand?
      • Norbert Barthle (CDU, Haushaltspolitischer Sprecher Unionsfraktion)
      • Roman Huber (Geschäftsführender Bundesvorstand Mehr Demokratie e.V.)
      • Dorothea Siems (Jounalistin, Die Welt)
      • Stephan Schulmeister (Wirtschaftsforscher)

      Quelle 1: Phoenix
      Quelle 2: ZDF – Podcast

      Anmerkung Orlando Pascheit: Es war schon fast wieder rührend, wie Norbert Barthle, haushaltspolitischer Sprecher Unionsfraktion, versuchte, Demokratie und die Debattenkultur des Parlaments zu retten. Er betonte immer wieder wie intensiv die Fraktion bezüglich des Fiskalvertrages und des ESM informiert wurde, ja anscheinend sogar diskutiert hat. Leider hat keiner der Diskussionsteilnehmer gefragt, ob denn, wenn schon nicht das Parlament, die Fraktion in irgendeiner Frage die Vorlage der Regierungen korrigiert hat. Erfrischend war es, Stephan Schulmeister in Aktion zu sehen, auch wenn er manch Wichtiges nicht näher ausführen konnte. Auch in dieser Frage wies Schulmeister daraufhin, dass angesichts der Fähigkeit der Finanzmärkte, quasi über Nacht neue Situationen zu schaffen, die demokratischen Debatten immer zu spät kommen würden. Deshalb wäre es der entscheidende Schritt gewesen, den Finanzmärkten diese Macht zu nehmen. Und dazu hätte man wirklich Zeit genug gehabt.

    5. Lativa No Austerity Success
      Why have so many left Latvia if it is such an economic success as the advocates claim? Latvia experienced the full effects of austerity and neoliberalism. Birth rates fell during the crisis – as is the case almost everywhere austerity programs are imposed. It continues having among Europe’s highest rates of suicide and of road deaths caused by drunk driving. Violent crime is high, arguably, because of prolonged unemployment and police budget cuts. Moreover, a soaring brain drain moves in tandem with blue-collar emigration.
      Quelle: Michael Hudson
  5. “Nationalistisch angehauchte Demagogie” von Hans-Werner Sinn?
    Es ist nicht das erste Mal, dass Ifo-Chef Hans-Werner Sinn mit seinen Thesen bei Kollegen aneckt.
    Doch selten ist die Reaktion so heftig ausgefallen wie die des IMK-Chefs Gustav Horn, der Sinn auf seiner Facebook-Seite der “nationalistisch angehauchten Demagogie” beschuldigt und schreibt: “Er (Sinn) will offenbar den Euro zerstören.”
    Anlass für Horns heftige Reaktion ist das Interview, dass meine Kollegin Dorit Heß mit dem Ifo-Chef geführt hat.
    Quelle: Handelsblog
  6. Denn sie wissen (auch) nicht, was sie tun
    Die einzigen, die wissen was sie tun, sind die sogenannten Märkte. Sie spielen die Staaten gegeneinander aus, wechseln blitzartig Interessen und Aktionen, immer dorthin, wo aus der Krise am meisten Kapital zu schlagen ist.
    Deshalb ist, nach der staatlichen Schuldenpolitik vergangener Jahrzehnte, das wirklich große Versagen der Politik, bis heute nicht die Märkte, Hedgefonds und Banken diszipliniert zu haben. Für sie sind Politiker nur noch Marionetten in ihrem großen Geldgier-Spiel.
    Die Wanderung am Abgrund wird weitergehen. Die widersprüchliche, tastende, suchende Krisenpolitik und die tägliche Angst vor dem Absturz werden noch viele Jahre unsere Begleiter sein. Unabhängig davon, wer regiert. Denn alle gehören zur ganz großen Koalition derjenigen, die (auch) nicht wissen, was sie tun oder tun könnten. Auch die Verfassungsrichter.
    Quelle: Sprengsatz
  7. Gabriel räumt Fehler in Agenda 2010 ein
    SPD-Chef Gabriel hat die Ausweitung des Niedriglohnsektors durch die Agenda 2010 als falsch bezeichnet. Nun müsse die Politik Altersarmut vermeiden.
    Gabriel forderte: “Niemand, der sein Leben lang rentenversichert war und über viele Jahrzehnte gearbeitet hat, darf im Rentenalter auf Sozialhilfeniveau kommen, nur weil er unverschuldet arbeitslos war oder in den Niedriglohnsektor gedrückt wurde.”
    Die Riester-Rente in der bestehenden Form reicht dem SPD-Vorsitzenden zufolge nicht aus: “Viele Riester-Verträge gehen von absurden Voraussetzungen aus und bringen eine zu geringe Rendite.” Außerdem würden Menschen mit geringem Einkommen häufig die Riester-Rente meiden. “Hier müssen wir uns etwas einfallen lassen”, sagte Gabriel. Es sei eine Herausforderung für die Politik, “Altersarmut zu verhindern, die durch lange Arbeitslosigkeit und Hungerlöhne entsteht”.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung WL: Vielleicht dämmert es allmählich oder ist es wieder einmal nur ein für Gabriel typischer Hakenschlag.
    Nochmals zur Erinnerung:

    • Im Jahr 2010 arbeiteten 23,1% der Beschäftigten für einen Niedriglohn von unter 9,15 €.
    • Bezieht man Schüler/innen, Studierende und Rentner/innen mit ein, waren gut 7,9 Millionen abhängig Beschäftigte von Niedriglöhnen betroffen.
    • Die Zunahme der Zahl der Niedriglohnbeschäftigten seit 1995 geht fast ausschließlich auf Westdeutschland zurück.
    • Die Durchschnittslöhne im Niedriglohnsektor lagen im Jahr 2010 mit 6,68 € in West- und 6,52 € pro Stunde in Ostdeutschland weit unter der Niedriglohnschwelle.
    • Gut 4,1 Millionen Beschäftigte (12%) verdienen weniger als 7 € brutto pro Stunde und davon 1,4 Millionen sogar weniger als 5 €. Ostdeutsche, Frauen und Minijobber/innen sind von solchen Niedrigstlöhnen überproportional betroffen.
    • Bei Einführung eines gesetzliches Mindestlohnes von 8,50 € hätte jede/r fünfte Beschäftigte Anspruch auf eine Lohnerhöhung (gut 25% der Frauen und knapp 15% der Männer).
  8. Sperrzeiten für Arbeitslosengeldempfänger trotz rückläufiger Arbeitslosigkeit auf konstant hohem Niveau
    Kurz gefasst:

    • Seit der Aufnahme neuer Sperrtatbestände beim Bezug von Arbeitslosengeld in den Jahren 2005 und 2006 hat sich die Zahl der verhängten Sperrzeiten fast verdoppelt: Während im Jahr 2004 insgesamt 368.578 Speerzeiten verhängt wurden, waren es im Jahr 2011 schon 728.223.
    • Die Gesamtzahl der Sperrzeiten ist zwar seit ihrem höchsten Niveau im Krisenjahr 2009 (mit 843.071 Sperrzeiten) rückläufig, seit Beginn des Jahres 2012 zeichnet sich allerdings eine erneute Zunahme ab, da die Zahl der von Januar bis Juni 2012 verhängten Sperrzeiten über dem Vorjahresniveau liegt.
    • Die Sperrzeitquote – der Anteil der verhängten Sperrzeiten am Zugang der EmpfängerInnen von Arbeitslosengeld – liegt seit den Neuregelungen auf einem konstant hohen Niveau und erreichte im Jahr 2011 mit 28,8 % ihren bislang höchsten Wert. Demnach wurden in 2011 je Fall Sperrzeiten noch häufiger verhängt als zuvor.
    • Innerhalb der Speerzeiten dominieren kurze Sperrzeiten wegen „verspäteter Arbeitsuchendmeldung“ und „Meldevergehen“ sowie sehr lange Sperrzeiten wegen „Arbeitsaufgabe ohne wichtigen Grund“: Im Juni 2012 beliefen sich rund 67 % der Sperrzeiten auf eine Dauer von einer Woche und rd. 23 % auf eine Dauer von 12 Wochen.
    • Zwar werden über Männer wesentlich häufiger Sperrzeiten verhängt (rd. 70 % aller Sperrzeiten), allerdings sind bei den Sperrzeiten der Frauen die langen Sperrzeiten von 12 Wochen mit einem der Anteil von 27 % häufiger, als bei Männern (rd. 22 %).

    Hintergrund:
    Wird von der Agentur für Arbeit über Arbeitslosengeldempfänger eine Sperrzeit verhängt, so wird für die Dauer der Sperrzeit kein Arbeitslosengeld gezahlt. Zudem mindert sich die Anspruchsdauer. Nach der Argumentation der Bundesagentur für Arbeit sollen mit der Feststellung von Sperrzeiten (gemäß § 144 SGB III) „die Interessen der Gemeinschaft der Beitragszahler gewahrt und missbräuchlicher Leistungsbezug vermieden werden“.
    Andererseits stellen passive Leistungen der Arbeitsmarktpolitik auch ein wichtiges Element der Regulierung von Arbeitsbedingungen dar: Je größer die Risiken, etwa durch möglichen Entzug der Leistungen, desto wichtiger wird der Erhalt des Arbeitsplatzes und desto eher sind Beschäftigte zu Zugeständnissen (Entgelt, Arbeitszeit, Leistungsanforderungen usw.) bereit. Insofern ist die Ausgestaltung der Lohnersatzleistungen in der Arbeitsmarktpolitik nicht nur für die Arbeitslosen von Bedeutung, sondern auch für die Erwerbstätigen. In den letzten Jahren wurden die Regelungen zu Sperrzeiten im Bereich des Drittens Buches Sozialgesetzbuch – neben den Sanktionen im Bereich des SGB II (vgl. Abbildung IV.81a) – deutlich verschärft: Seit 2003 liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Beurteilung eines wichtigen Grundes, der eine Sperrzeit abwenden kann, nicht mehr bei der Arbeitsagentur sondern beim Arbeitslosen, „wenn der Grund in seiner Sphäre oder in seinem Verantwortungsbereich“ liegt. Im Jahr 2005 wurden „Meldeversäumnisse“ sowie „unzureichende Eigenbemühungen“ und im Jahr 2006 „verspätete Arbeitsuchendmeldung“ als neue Sperrzeittatbestände eingeführt.
    Siehe auch die Grafik: Sperrzeiten von Arbeitslosengeldempfängern nach Anlass 2004 – 6/2012
    Quelle: Sozialpolitik aktuell in Deutschland [PDF – 247 KB]

    Anmerkung WL: In Sozialpolitik aktuell finden Sie wieder ganze Reihe wichtiger Dokumente zur Sozial- und Gesellschaftspolitik, u.a.

    • Bundeshaushalt 2013 und Finanzplan des Bundes bis 2016 (Bundesregierung)
    • Arbeitsrechtsreformen in Krisenzeiten — eine Bestandsaufnahme in Europa (etui)
    • Rentenversicherung in Zahlen 2012 (DRV)
    • Arbeitsmärkte im Wandel 1991 – 2010 (Statistisches Bundesamt)
    • IAB-Forschungsbericht zur Arbeitskräftenachfrage
    • Pflege-Neuausrichtungsgesetz: Private Pflegezusatzversicherung, Stellungnahmen von Verbänden und Einzelsachverständigen
    • Hartz IV-Bedürftigkeit Erwerbstätiger nach Bundesländern und Regionen (DGB)
    • Kennzahlen der Gesetzlichen Krankenversicherung 2012 – GKV-Spitzenverband
    • Sondergutachten 2012 Sachverständigenrat Gesundheit: Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung
    • u.v.a. mehr.
  9. Mappus und ENBW – „Es hat uns erschreckt“
    Das Demokratieverständnis von Stefan Mappus teile er nicht, sagt Peter Hauk. Der Fraktionschef der CDU in Baden-Württemberg hofft nach dem ENBW-Skandal auf eine Revolution…
    Hinter dem Stil der E-Mails steht ein Demokratieverständnis, das ich nicht teile. Die Korrespondenz vermittelt einen Politikstil, der autokratisch war. Und sie erweckt den Eindruck, dass es vor allem um Macht ging. Im Tenor: Den Deal ziehen wir durch, ich muss als Sieger dastehen. Dies, verbunden mit den Ratschlägen von Notheis an Mappus, hat die Partei erschreckt.
    Kritikwürdig ist nicht allein der Verstoß gegen die Verfassung und die Haushaltsordnung. Ich halte auch die Umstände des Kaufs für schwierig. Die Verwaltung war nicht eingebunden, der Chef der Staatskanzlei erfuhr davon erst sehr kurzfristig, die CDU-Fraktion wurde unmittelbar nach der entscheidenden Kabinettssitzung informiert, ich auch erst eine halbe Stunde zuvor. Alles in diesem Verfahren war auf ganz wenige Personen zentriert.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers E.J.: Die Pointe an Mappus und seinem EnBW-Deal ist m.E. nicht so sehr rechtlicher oder stilistischer Art, sondern besteht darin, mit welch kindlicher Naivität sich der Parteivorsitzende der „Wirtschaftspartei CDU“ in Baden-Württemberg von einem Vertreter der Bankwirtschaft hat einseifen und abzocken lassen. Die in verschiedenen Presseorganen nachzulesende Reaktion der Regierungspartei CDU in Berlin, Herrn Notheis zur persona non grata zu erklären, verdeutlicht diese Naivität nochmals auf’s Schönste: Die CDU hat nicht verstanden, dass Herr Notheis auch als Parteifreund einfach nur das Geschäft seines Arbeitgebers betrieben hat und dass man als unbedarfter Goldfisch das Wasser nicht mit Haifischen teilen sollte. Die „Wirtschaft an sich“ ist „gut“, so die Überzeugung der CDU, Gewinnstreben eine vernachlässigbare Randerscheinung.
    Es reicht daher auch nicht, der Kanzlerin und der CDU vorzuwerfen, sie argumentiere in Bezug auf den Staat betriebswirtschaftlich. Denn auch und gerade betriebswirtschaftlich ist das Verbot schuldenfinanzierten Wachstums, wie es Frau Merkel bei jeder Gelegenheit verkündet, blanker Unsinn. Nahezu kein im Wettbewerb stehendes Unternehmen kommt zur eigenen Leistungssteigerung ohne Kredite aus und ein Verbot, Erhaltungs- oder Zukunftsinvestitionen aus Krediten zu finanzieren, käme einem Todesurteil für die Entwicklung der Unternehmen gleich. Dieses Todesurteil hat die CDU in der ihr eigenen „betriebswirtschaftlichen“ Logik für Deutschland schon ausgesprochen: Der Betrieb, wie wir ihn kennen, wird wegen Verschuldungsverbot (Steuererhöhungen und Währungshoheit sind eh’ passé) nach und nach eingestellt. Jeder Vorstandsvorsitzende eines Unternehmens in Deutschland würde für ein solches Konzept zum Teufel gejagt. Nur die CDU darf sich brüsten, das Land „marktwirtschaftlich“ zu führen.
    Dass hiergegen in den deutschen Parlamenten kein Widerspruch erkennbar ist, kommt m.E. einer Krise des Parlamentarismus sehr nahe.

  10. György Dalos – Resignieren gehört zum Dasein eines Ungarn dazu
    Historische Galionsfiguren des Faschismus erfahren in Ungarn eine Renaissance, die von der Regierungspartei Fidesz wohlwollend geduldet wird, auf die Herabwürdigung der “Heiligen ungarischen Krone” steht künftig ein Jahr Gefängnis. Ein Gespräch mit dem ungarischen Historiker und Schriftsteller György Dalos über nationalistische Phänomene, die anderswo in der EU nicht denkbar wären.
    Quelle: WELT
  11. Berufung ohne Beruf – Requiem auf einen Traum
    Weil Lehrstuhlinhaber an den Universitäten lieber forschen als lehren und feste Stellen rar sind, behilft man sich mit Honorarkräften. Ohne sie wäre die grundständige Lehre nicht gewährleistet, zumal immer mehr junge Leute an die Unis drängen. Diese Lehrbeauftragten und Privatdozenten sind hoch qualifiziert, werden allerdings beschämend wenig bis gar nicht bezahlt. Um das Existenzminimum zu sichern, führen sie oft ein Leben zwischen mehreren Lehraufträgen an verschiedenen Unis zur gleichen Zeit, sind größtenteils weder kranken- noch sozialversichert. Unaufhaltsam nähert sich eine ganze Akademiker-Generation der Altersarmut.
    Quelle: WDR Dok5

    Anmerkung WL: Ein hörenswertes Requium über das Innenleben der „Bildungsrepublik“ Deutschland. Kein Wunder, dass die besten Köpfe abwandern oder gar nicht erst an den Hochschulen bleiben.

  12. Enttäuschte Liebe
    Bei jedem Fußballturnier ist es das Gleiche. Solange die deutsche Mannschaft gewinnt, sieht es in “Bild” so aus: […]
    Sobald die deutsche Mannschaft aber rausfliegt, sieht es plötzlich so aus:
    Quelle: BILDblog
  13. Anmerkung zu „Freiheit und Terror“
    Von Wolfgang Bittner
    Meiner Aussage in dem Beitrag „Freiheit und Terror“ vom 2.7.2012, in den Vereinigten Arabischen Emiraten dürften Frauen „noch nicht einmal Auto fahren“, wurde widersprochen. In der Tat ist es so, dass Frauen in den VAE – im Gegensatz zu Saudi-Arabien – offiziell Auto fahren dürfen. Inoffiziell, also in den Familien, wird das zumeist nicht gern gesehen, und viele Männer verbieten es Ihren Frauen und Töchtern. Ihnen werden auch sonst wesentliche Rechte vorenthalten. Nach Untersuchungen von Amnesty International herrscht in den VAE eine starke Diskriminierung von Frauen; sie werden häufig Opfer häuslicher, insbesondere sexueller Gewalt.