Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (KR/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Bundesparteitag der Linkspartei
  2. Rententricks: Wie lange Arbeitnehmer tatsächlich arbeiten
  3. Interview mit Ex-Verfassungsrichter Broß – „Der Staat ist erpressbar“
  4. Tatsächliche Arbeitslosigkeit: Mindestens 3,7 Millionen Arbeitslose
  5. Was geschieht mit den Schlecker-Frauen?
  6. Erben lohnt sich mehr denn je
  7. Eurokrise
  8. Deutsche Industrie beklagt drastische Auftragseinbrüche
  9. Europäische Schuldenbremse – Disziplinierung der Haushalte oder Einschränkung der Finanzpolitik?
  10. Arbeit am Wochenende wird zum Normalfall
  11. CineStar-Beschäftigte in Dortmund: Statt Tarifbindung Kündigung
  12. Für jeden zweiten Beschäftigten gilt ein Branchentarifvertrag
  13. Klischee mangelnde Ausbildungsreife
  14. Staatsknete für Privatunis
  15. Die Radioretter: Ohne Rücksicht auf Verluste – Der Programmabbau bei WDR 3 wird fortgesetzt

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Bundesparteitag der Linkspartei
    1. Die Zeit der Überfiguren ist abgelaufen
      […] Die neue Doppelspitze ist grüner und sozial bewegter. Die Partei wird in Zukunft von zwei Vorsitzenden repräsentiert, die ihre Wurzeln weder in der SPD haben noch zu denen gehören, die sich aus der SED heraus auf den reformsozialistischen Weg machten. So wenig Riexinger aus der IG-Metall-Kultur stammt, so wenig verkörpert Kipping das typische PDS-Funktionärstum. […]
      Das allein macht natürlich noch keinen Neuanfang. Und völlig offen ist, ob die Neuen im Karl-Liebknecht-Haus sich von den machtpolitischen Voraussetzungen in der Partei emanzipieren können, ohne die sie auf den Chefsesseln der Linken nicht hätten Platz nehmen können. Wer von Strömungen gewählt wird, gerät schnell in ihren Strudel. […]
      Wenn es im kommenden Jahr in Niedersachsen und im Bund für die Linkspartei um alles geht, werden Kipping und Riexinger die Last auf viele Schultern verteilen müssen. Das schafft Raum zur Integration der verschiedenen Strömungen in der Partei, und es würde die Linke aus der Abhängigkeit von den großen Überfiguren befreien. Die Zeit der Gysis und Lafontaines ist in Göttingen abgelaufen.
      Quelle: taz
    2. Lafontaines Rache
      Katja Kipping und Bernd Riexinger heißen die neuen Linke-Parteichefs – und das ist ein Erfolg für Oskar Lafontaine. Er konnte verhindern, dass der Reformer Dietmar Bartsch an die Spitze rückt. Der Preis dafür ist hoch: Die Gräben zwischen den gegnerischen Lagern sind tiefer als zuvor.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung JB: Wie kaum anders zu erwarten, nutzt der SPIEGEL den Bundesparteitag einmal mehr, um seine Kampagne gegen Oskar Lafontaine und die Linkspartei fortzuführen. Glaubt man beim SPIEGEL denn tatsächlich, dass die „Gräben“ durch den polarisierenden Dietmar Bartsch hätten geschlossen werden können? Der SPIEGEL ist mit seiner eigenwilligen Deutung jedoch nicht alleine. Man schreibt munter von einander ab und fordert auf der einen Seite, dass die Linke ihre Flügelkämpfe beilegen und der neue Parteivorstand integrieren soll. Im gleichen Atemzug beklagt man sich dann aber, dass die Partei einen Vorstand gewählt hat, der nicht den divergierenden Flügeln zuzurechnen ist und integrieren will. Das ist schizophren. Die Delegierten haben sehr wohl erkannt, dass Kandidaten wie Dietmar Bartsch oder Halina Wawzyniak, die sich als Opfer von Flügelkämpfen sehen, hier munter eine Täter-Opfer-Umkehr betreiben, und diesen Kandidaten die Stimme versagt. Es ist unwahrscheinlich, dass nun die internen Streitereien beigelegt werden und es ist noch unwahrscheinlicher, dass die Medien nun anfangen, sich inhaltlich mit der Linkspartei auseinanderzusetzen. Dem neuen Parteivorstand, dem neben den Vorsitzenden Kipping und Riexinger auch die neuen stellvertretenden Vorsitzenden Jan van Aken, Caren Lay, Axel Troost und Sahra Wagenknecht angehören, stehen stürmische Zeiten bevor.

    3. »Soziale Frage steht im Zentrum linker Politik«
      Die Linke muß sich stärker den außerparlamentarischen Kämpfen zuwenden. Ein Gespräch mit Bernd Riexinger
      Quelle: Junge Welt
  2. Rententricks: Wie lange Arbeitnehmer tatsächlich arbeiten
    Zwei Drittel der Bevölkerung wollen nicht erst mit 67 in Rente gehen. Sie haben Angst, die Arbeit dann nicht mehr zu schaffen, oder befürchten, gar keine Arbeit mehr zu haben und in diesem Alter auch keine mehr zu finden. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hingegen zeichnet ein ganz anderes Bild: “Die Gewinner am Arbeitsmarkt in den letzten zehn Jahren sind die Älteren gewesen”
    Die Älteren waren die Gewinner? Rentner wie Sieglinde G. sehen das anderes. Die ehemalige Sekretärin aus Zwickau hätte gerne noch länger gearbeitet, um weiter in die Rentenkasse einzahlen zu können und eine bessere Rente zu haben. Stattdessen musste sie nach 45 Arbeitsjahren mit Abschlägen vorzeitig in Rente gehen und bessert sich jetzt mit einem Minijob auf 400-Euro-Basis ihr Einkommen auf. Allerdings tut sie das nicht mehr als Sekretärin, sondern mit einer Arbeit, in der sich niemals gesehen hätte: Sieglinde G. wiegt jetzt LKW auf einem Abriss- und Bauschuttgelände.
    Quelle 1: ARD-PlusMinis (Text)
    Quelle 2: ARD-Plusminus (Video)
  3. Interview mit Ex-Verfassungsrichter Broß – „Der Staat ist erpressbar“
    Immer mehr Kliniken und Stromnetze gehören der Privatwirtschaft. Der Ex-Verfassungsrichter Siegfried Broß hält das für gefährlich. Im Tagesspiegel-Interview erklärt er, warum.
    Quelle: Tagesspiegel
  4. Tatsächliche Arbeitslosigkeit: Mindestens 3,7 Millionen Arbeitslose
    Über eine halbe Million nicht erwerbstätige Personen – die sog. stille Reserve1 – taucht in keiner Arbeitslosenstatistik auf, weil sie sich entmutigt vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben und sich nicht (mehr) als arbeitslos registrieren lassen.
    Quelle: Die Linke [PDF – 15 KB]

    dazu: Arbeitsmarkt Mai 2012
    Im Mai 2012 wurden von der Statistik der BA insgesamt 2,855 Millionen Arbeitslose registriert, 105.000 bzw. 3,5% weniger als im Mai 2011. Von diesen 2,855 Millionen Arbeitslosen waren 831.000 (29,1%) im Rechtskreis SGB III und 2,024 Millionen (70,9%) im Rechtskreis SGB II (Hartz IV) registriert.
    Als Arbeitsuchende waren im Mai 2012 insgesamt 4,921 Millionen Frauen und Männer registriert, 291.000 (5,6%) weniger als im Mai 2011. Die von der Statistik der BA ermittelte „Unterbeschäftigung ohne Kurzarbeit“ betrug im Mai 2012 3,863 Millionen, 303.000 (7,3%) weniger als im Mai 2011.
    Nach vorläufigen, hochgerechneten Daten hatten im Mai 2012 796.000 (arbeitslose und nicht arbeitslose) Frauen und Männer Anspruch auf das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld (SGB III) und 4,488 Millionen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Bereinigt um die Zahl der etwa 93.000 sog. Aufstocker (Bezug von Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II) hatten im Mai 2012 etwa 5.191 Millionen erwerbsfähige Frauen und Männer Anspruch auf Arbeitslosengeld (SGB III) bzw. Arbeitslosengeld II, 205.000 (3,8%) weniger ein Jahr zuvor.
    Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe e.V. (BIAJ) [PDF – 450 KB]

    dazu: Monatsbericht der Bundesagentur für Arbeit
    Nach vorläufiger Hochrechnung bezogen im Mai 2012 5.191.000 erwerbsfähige Menschen Lohnersatz-leistungen nach dem SGB III (Arbeitslosengeld) oder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Arbeitsuchende nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II). Damit ist die Anzahl der Leistungsempfänger insgesamt im Vorjahresvergleich um 205.000 oder 4 Prozent zurückgegangen. Die Zahl der Arbeitslo-sengeldempfänger ist saisonbereinigt den vierten Monat in Folge gestiegen – die Zahl der Bezieher von Arbeitslosengeld II hat dagegen auch saisonbereinigt weiter merklich abgenommen. Im Mai erhielten 796.000 Personen Arbeitslosengeld nach dem SGB III, 45.000 weniger als im Vormonat. Bereinigt um saisonale Einflüsse entspricht dies allerdings einem Anstieg um 15.000, nach +21.000 im April und +3.000 im März. Gegenüber dem Vorjahresmonat stieg die Zahl der Arbeitslosengeldempfänger erstmals seit März 2010 wieder an – und zwar um 14.000 (+2 Prozent). Die hochgerechnete Zahl der Arbeitslo-sengeld II-Empfänger ist im Mai gegenüber April um 33.000 auf 4.488.000 gesunken. Saisonbereinigt entspricht dies einem Rückgang um 16.000, nach -7.000 im April und -19.000 im März. Im Vergleich zum Vorjahr hat die Zahl der Arbeitslosengeld II-Bezieher im Mai um 210.000 abgenommen (-4 Prozent), nach -215.000 (-5 Prozent) im April und -240.000 (-5 Prozent) im März.
    Quelle: Bundesagentur für Arbeit [PDF – 1.5 MB]

  5. Was geschieht mit den Schlecker-Frauen?
    Schlecker ist pleite, die Firma wird zerschlagen. 13.000 Mitarbeiter stehen vor der Kündigung. Auch die anderen Drogeriemärkte werden nur wenige Leute einstellen. Was soll geschehen? Politiker streiten um eine Transfergesellschaft. […]
    Nach dem Aus der insolventen Drogeriemarktkette Schlecker hat der Sozialflügel der CDU eine Transfergesellschaft gefordert, die die Mitarbeiter aufnehmen soll, die von der Entlassund bedroht sind. Handeln müsse Baden-Württembergs grün-rote Landesregierung, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende Christian Bäumler am Samstag.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung JB: Hätte die Politik bereits im März einer Transfergesellschaft zugestimmt, hätte es wahrscheinlich gar keine Zerschlagung von Schlecker gegeben. Wie zu erwarten, erwiesen sich die anhängigen Klagen der bereits entlassenen Mitarbeiter auf Abfindung als größtes Hindernis für eine Sanierung des Konzerns. Die FDP hat diese Entwicklung durch ihre Blockade zu verantworten, aber auch die rot-grüne Regierung Baden-Württembergs sollte sich besser bedeckt halten, hätte sie doch im März die nötigen Garantien i.H.v. 70 Millionen Euro auch aus eigener Tasche bereitstellen können. Siehe dazu: Die FDP und die Schlecker-Pleite – Polittaliban außer Kontrolle.

  6. Erben lohnt sich mehr denn je
    Eine Studie prophezeit eine Erbschaftswelle von “historischem Ausmaß”: Jede fünfte Erbschaft hat demnach einen Wert von mehr als 100.000 Euro.
    Auf rund 11,5 Billionen Euro beziffert die Deutsche Bundesbank das gesamte Privatvermögen der Deutschen derzeit. Ein beträchtlicher Teil dieser ungeheuren Werte geht in den kommenden 20 Jahren auf jüngere Generationen über…
    Nach einer Studie der Postbank steigt der Anteil der Hinterlassenschaften mit einem Wert über 100.000 Euro binnen weniger Jahre derzeit 15 auf 22 Prozent an.
    Umgekehrt werden kleinere Vermögen bis 25.000 Euro, die bisher die Hälfte aller Erbschaften ausmachen, auf rund 14 Prozent zurückgehen.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung WL: Über die Verteilung der Erbschaften ist in der Allensbach Studie nichts Genaueres zu erfahren. Zum Glück hat Stefan Sauer recherchiert und verweist auf Ergebnisse anderer Studien. Das DIW hat an Hand von Daten des Sozioökonomischen Panels aus dem Jahre 2007 ermittelt, dass ein Prozent der volljährigen Personen in Deutschland 2590 Milliarden Euro oder 35,8 Prozent des damaligen Volksvermögens besaßen, während die ärmere Hälfte der Bevölkerung mit 103 Milliarden Euro nur über 1,4 Prozent des Gesamtvermögens besaßen. Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) rechne mit einer Verschärfung der Vermögensunterschiede, auch die Einkommensschere gehe auseinander.

  7. Eurokrise
    1. Euro-Krise erreicht Asien
      Die Aussichten für die globale Konjunktur werden immer schlechter. In Europa ist die Stimmung weiter gesunken. Auch Chinas Boom kühlt sich ab. In Brasilien und Indien verläuft das Wachstum enttäuschend. Und auch die USA fallen als Motor der Weltwirtschaft zunehmend aus.
      Quelle: Frankfurter Rundschau
    2. Die Krise wird schlimmer, doch Brüssel schaut weg
      Trotz deutlicher Beweise, dass ihre Sparpolitik die kämpfenden Mitgliedsstaaten immer weiter in die wirtschaftliche Agonie treibt, veröffentlichte die Europäische Kommission am 30. Mai ihren wirtschaftlichen Jahresbericht, in welchem sie eine bankrotte Strategie verteidigen will, so der Wirtschaftsredakteur des Guardian.
      Quelle: The Guardian via Presseurop
    3. Spanien: Rekordkapitalflucht
      Laut den monatlichen Daten der Banco de España (spanische Zentralbank) vom Donnerstag zur Zahlungsbilanz Spaniens (Leistungsbilanz+Kapitalbilanz) kam es im März 2012 in der Kapitalbilanz zu einem privaten Kapitalabfluss von -66,200 Mrd. Euro. Dies war der höchste private Kapitalabfluss aus Spanien seit Beginn der Datenreihe im Januar 1990. Kumuliert wurden im 1. Quartal 2012 von internationalen Investoren und von Spaniern -97,091 Mrd. Euro ins “sichere” Ausland verbracht. Bemerkenswert, im 1. Quartal 2012 war der Kapitalabfluss mit -97,091 Mrd. Euro höher, als im bisher miesesten Gesamtjahr 2011 mit einem privaten Kapitalabfluss von -75,307 Mrd. Euro. Damit erlebt Spanien eine Kapitalflucht von historischem Ausmaß und gerade auch die Daten zur Kapitalbilanz sind ein Zeichen der bereits erreichten Eskalationsstufe der Krise.
      Quelle: Querschuesse
    4. Monti hält Euro-Bonds für unausweichlich
      Egal wie sehr die Bundesregierung sich dagegen stemmt: Italiens Regierungschef Mario Monti ist überzeugt, dass die Euro-Bonds bald kommen – in der einen oder anderen Form.
      Quelle: WELT
    5. Troubled Greece: fears of ‘first domino’ to fall as austerity is counted a failure
      Greek’s leftist party Syriza says recovery depends on a renegotiated bail-out and access to European structural funds […]
      Greece is broke and close to being broken. It is a country where children are fainting in school because they are hungry, where 20,000 Athenians are scavenging through waste tips for food, and where the lifeblood of a modern economy – credit – is fast drying up.
      It is a country where the fascists and the anarchists battle for control of the streets, where immigrants fear to go out at night and where a woman whispers “it’s like the Weimar republic” as a motorcycle cavalcade from the Golden Dawn party, devotees of Adolf Hitler, cruises past the parliament building. Graffiti says: “Foreigners get out of Greece. Greece is for the Greeks. I will vote for Golden Dawn to remove the filth from the country.”
      Quelle: The Guardian
    6. D-Mark statt Drachmen: Deutschland soll ohne Euro Europa retten
      Nicht Griechenland soll raus aus dem Euro, sondern Deutschland. Der Nachbar ist zu wettbewerbsfähig, meinen zwei US-Ökonomen. […]
      Weil Deutschland so “hyperwettbewerbsfähig” und nicht gewillt sei, seine eigene Wirtschaft mit mehr Konsum anzukurbeln. Deswegen könnten auch die Eurozonen-Partner ihre Exporte nicht erhöhen. Außerdem sei unklar, wie lange die Eurozone den rigiden Sparkurs der vergangenen Jahre noch weiterfahren kann, bis eine Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit unter den Ländern erreicht sei.
      Quelle 1: derStandard.at
      Quelle 2: Originaltext

      Anmerkung des NDS-Lesers C.H.: Wenn auch die Empfehlung eines deutsche Euro-Austritts provokativ und unrealistisch ist, ist es wieder mal erstaunlich zu beobachten, wie ausländische Medien über dieses Thema schreiben – im Gegensatz zur deutschen, immer noch sehr unkritischen, Kommentierung.

  8. Deutsche Industrie beklagt drastische Auftragseinbrüche
    Die Industrie in der Euro-Zone schlittert immer tiefer in die Krise. Auch in Deutschland hat sich die Talfahrt beschleunigt wie aus der Umfrage des Markit-Institut unter tausenden Unternehmen hervorgeht. Die Geschäfte deutscher Firmen gingen so stark zurück wie seit knapp drei Jahren nicht mehr. Der Einkaufsmanagerindex fiel um einen Zähler auf 45,2 Punkte, teilte das Markit-Institut heute mit. Damit entfernte sich das Barometer weiter von der 50-Punkte-Marke, ab der Wachstum signalisiert wird. Die Chancen für eine rasche Trendwende stehen eher schlecht. (…) Der Index für die Euro-Zone fiel ebenfalls stark, auf den schlechtesten Wert seit Mitte 2009. „Dies zeigt, dass sowohl die Finanzkrise als auch die politische Unsicherheit mittlerweile verheerende Auswirkungen auf die Realwirtschaft im gesamten Währungsgebiet haben“, sagte Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson. Die Wachstumseinbußen seien zwar bei weitem nicht so gravierend wie auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008/09. „Doch die Lage verschlechtert sich in alarmierendem Tempo.“
    Quelle: Handelsblatt
  9. Europäische Schuldenbremse – Disziplinierung der Haushalte oder Einschränkung der Finanzpolitik?
    Die Stabilisierung von Banken und Finanzintermediären im Zuge der internationalen Finanzkrise 2007/08 hat den Schuldenstand der öffentlichen Haushalte in zahlreichen Ländern in die Höhe schnellen lassen. 23 von 27 Mitgliedstaaten befinden sich in einem Defizitverfahren. Ende 2011 wurden durch eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes die finanzpolitischen Rahmenbedingungen in der EU verschärft. Mit dem Fiskalpakt soll durch die Einführung nationaler Schuldenbremsen das Defizitkriterium noch strenger ausgelegt werden. Die neuen Regelungen sind kein simpler Export der deutschen Schuldenbremse. Vielmehr sind angesichts des Schuldenstandes auch in Deutschland Anpassungsleistungen zu erbringen. Ein einfaches Herauswachsen aus den Schulden wird langfristig kaum möglich sein, auch da derzeit die guten Zinsbedingungen auf dem internationalen Finanzmarkt nur begrenzt zur Investitionsfinanzierung genutzt werden können. Die Europäische Schuldenbremse setzt nicht auf die Bekämpfung der Verschuldungsursachen.
    Dazu gehören der Steuersenkungswettbewerb, die Kosten der Finanzmarktkrise und die zunehmende Dichotomie von privatem Reichtum und öffentlicher Armut. Im internationalen Vergleich sinkt – gerade in Krisenzeiten – die finanzpolitische Schlagkraft Europas.
    Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung, Perspektive [PDF – 85 KB]
  10. Arbeit am Wochenende wird zum Normalfall
    Wochenendarbeit wird in Deutschland zusehends zur Regel. Nur noch ein Drittel der Beschäftigten hat frei an Samstagen und Sonntagen, so die DGB-Studie “Stressfaktor Wochenendarbeit”. Für Erholung, Kultur und Familie bleibt immer weniger Zeit. Der DGB fordert eine Anti-Stress-Verordnung. […]
    Der DGB-Index Gute Arbeit zeigt: Wochenendarbeit wird immer mehr zur Regel, gleichzeitig steigt der Arbeitsstress überdurchschnittlich an. Nur ein Drittel der ArbeitnehmerInnen hat tatsächlich an Samstagen und Sonntagen frei. Dagegen müssen 35 Prozent der Beschäftigten regelmäßig an einem oder beiden Wochenendtagen arbeiten. Zudem nimmt die ohnehin zunehmende Arbeitshetze am Wochenende noch einmal zu: 62 Prozent derer, die auch am Wochenende zur Arbeit gehen, leiden unter Stress. Besonders betroffen sind die Beschäftigten im Gastgewerbe, im Handel und im Bereich Erziehung und Unterricht.
    Quelle 1: DGB
    Quelle 2: Sonderauswertung Index Gute Arbeit: Stressfaktor Wochenendarbeit [PDF – 2 MB]
  11. CineStar-Beschäftigte in Dortmund: Statt Tarifbindung Kündigung
    Die deutschen Cinestar-Ableger gehören zum australischen Konzern AHL. Ihm überweisen sie 30 Millionen Euro. Die Beschäftigten müssen sich Aufstockung vom Jobcenter holen, um im Winter die Wohnung warm zu bekommen.
    Quelle: Readers Edition

    Anmerkung MB: Da muss eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter dort fast 1 1/2 Stunden arbeiten um eine Wochenendvorstellung im dortigen Kino bezahlen zu können. Die Preise betragen am Wochenende für Erwachsene € 8,00 in Dortmund bzw. € 8,90 bei uns in Frankfurt am Main. Fast die Hälfte der Karteneinnahmen fließt an die Filmverleiher – erfuhr ich mal in einem Gespräch mit einem Brancheninsider. Sehr wenig wird den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gezahlt und beim Betrieb der Gebäude offensichtlich auch gespart wo es nur geht. Zum Beispiel war das Frankfurter Cinestar-Metropolis im Februar und März mehrere Wochen geschlossen, da die Aufsichtsbehörden erhebliche Mängel bei Brandschutz und Hygiene festgestellt hatten und Kinogäste sogar vereinzelt von Mäusen in den Kinos berichteten. Schon letztes Jahr gingen während eines Filmfestivals an einem Samstag im August die Brandschutztüren herunter, ein Mitarbeiter am Einlass sagte “Nicht schon wieder”, 3000 Kinogäste wurden ins Freie gejagt und die Feuerwehr kam.

  12. Für jeden zweiten Beschäftigten gilt ein Branchentarifvertrag
    Im Jahr 2011 arbeiteten rund 50 Prozent der Beschäftigten in Betrieben, für die ein Branchentarifvertrag galt. Das zeigen die Daten des IAB-Betriebspanels, einer jährlichen Befragung von mehr als 15.000 Betrieben durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
    Seit 1996, als erstmals Daten zur Tarifbindung für Ost- und Westdeutschland vom IAB erhoben wurden, ist die Zahl der tarifgebundenen Betriebe stark zurückgegangen. 1996 arbeiteten in Westdeutschland 70 Prozent der Beschäftigten in Betrieben, in denen ein Branchentarifvertrag galt. Im Jahr 2011 waren es nur noch 54 Prozent. In Ostdeutschland sank der entsprechende Anteil der Beschäftigten von 56 auf 37 Prozent. Gegenüber 2010 bedeutet das im Westen einen Rückgang um zwei Prozentpunkte. Im Osten gab es zum Vorjahr keine Veränderung. „In der langen Sicht ist die rückläufige Tendenz eindeutig“, kommentieren die IAB-Arbeitsmarktforscher Susanne Kohaut und Peter Ellguth die Ergebnisse.
  13. Klischee mangelnde Ausbildungsreife
    Arbeitgeber klagen, immer mehr Jugendliche seien nicht ausbildungsfähig. Wissenschaftliche Belege dafür fehlen allerdings.
    Online-Befragungen des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) scheinen diesen Zusammenhang zu bestätigen. Laut der DIHK-Umfrage von 2011 haben 46 Prozent der Unternehmen mit „Ausbildungshemmnissen“ zu kämpfen. Als häufigsten Grund nennen sie einen Mangel an geeigneten Bewerbern. Wenn in der Öffentlichkeit von fehlender Ausbildungsreife die Rede ist, gelten die DIHKErgebnisse als wichtige Referenz…
    Tatsächlich falle ein Zusammenhang auf: Die Branchen mit den größten „Besetzungsproblemen“böten besonders unattraktive Arbeitsbedingungen und geringe Bezahlung.
    Insgesamt, halten die Wissenschaftler fest, sei „unter Einbezug aller zur Verfügung stehenden Erhebungen keine empirische Evidenz für die These eines Leistungsverfalls und mangelnder ,Ausbildungsreife‘ der jüngeren Schülerkohorten gegeben“. Eher im Gegenteil: Daten der BA belegten, dass die allgemeine Intelligenz, das logisch-schlussfolgernde Denken und die Problemlösefähigkeit in den vergangenen 20 Jahren zugenommen hätten.
    Dass fehlende Ausbildungsreife trotzdem ein so prominentes Thema ist, halten die Autoren für problematisch: Gesellschaftliche Schuldzuweisungen könnten Lehrstellenbewerber von vornherein entmutigen.
    Quelle: Böckler Impuls [PDF – 140 KB]
  14. Staatsknete für Privatunis
    Der Wissenschaftsrat hat mit einer mehrseitigen Bestandsaufnahme entschieden, dass nichtstaatliche Hochschulen an öffentlichen Förderprogrammen teilnehmen sollen. Dadurch können sie auch auf staatliche Unterstützung hoffen. Damit vollzieht der Wissenschaftsrat eine Hundertachtziggradwende, denn bislang galten die privaten Unis lediglich als “Ergänzung” zu den staatlichen. Nun gelten sie als “fester Bestandteil” des deutschen Wissenschaftssystems und sollen deshalb künftig an öffentlich geförderten Programmen und Wettbewerben teilnehmen dürfen. Private Hochschulen, so das Ergebnis der Untersuchung, würden innovative Studienformate anbieten und gerade Berufstätigen und Menschen ohne Abitur zum weiteren Bildungserfolg verhelfen. Zudem liege die Abbrecherquote bei nur 7, 8 Prozent – an den staatlichen Unis seien das 21 Prozent der Studierenden. Das liege auch daran, dass das Betreuungsverhältnis an den privaten Hochschulen besser sei.
    Der Verband der Privaten Hochschulen begrüßt die Entscheidung. “Damit erkennt der Wissenschaftsrat endlich die bildungspolitischen Realitäten in Deutschland an”, sagte der Vorsitzende Klaus Hekking der Financial Times Deutschland. Aber es regt sich auch Protest. Einige Bundesländer, unter anderem Mecklenburg-Vorpommern, mussten in den vergangenen Jahren im Bildungssektor herbe Kürzungen vornehmen. Und jetzt sollen private Bildungseinrichtungen zusätzlich Geld bekommen? Mecklenburg-Vorpommerns Wissenschaftsminister Mathias Brodkorb (SPD) sagt der taz, nach derzeitiger Lage ginge das nur, “wenn man den staatlichen Hochschulen etwas wegnähme. Das kommt für mich nicht in Frage.”
    Quelle 1: taz
    Quelle 2: taz – Christian Füller, Last sie zeigen, was sie können

    Anmerkung WL: Christian Füller war schon als Leiter des Bildungsressorts bei der taz bis 2009 ein überzeugter Anhänger der privaten Schulen und Hochschulen, er entwickelte auch ein sog „taz Studiengebührenmodell“. Füller ist ein Verteidiger der Bertelsmann Stiftung „die über so ziemlich jede Form von Gemeinnützigkeit“ nachdenke.

    Quelle 3: Wissenschaftsrat Pressemitteilungen und Downloads

    Anmerkung WL: Derzeit gibt es in Deutschland 108 private und 40 kirchliche Hochschulen. Von 2.217.294 Studierenden im WS 2010/2011 studieren 108.728 an privaten und 25.309 an kirchlichen Hochschulen. Davon an privaten Hochschulen 72.420 die (billigen „Buchfächer“) Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. An 50,0 % der Hochschulen sind maximal 500 Studierende, an 69,0 % maximal 1.000 und an 31,0 % mehr als 1.000 Studierende immatrikuliert. 48,3 % der Hochschulen verfügen über maximal 10 Professuren; 20,7 % der Hochschulen verfügen über 11 bis 20 Professuren (Quelle: wissenschaftsrat.de [PDF – 60 KB]).
    Allein diese Zahlen belegen, wie klein diese privaten Hochschulen sind und wie wenig sie zum Bildungsauftrag im tertiären Bereich beitragen. Lässt man einmal die althergebrachten kirchlichen Hochschulen außer Betracht studieren gerade einmal 3,3% aller Studierenden an privaten Hochschulen. Dass der Wissenschaftsrat ein 182 Seiten umfassendes Gutachten zur öffentlichen Förderung auch privater Hochschulen erstellt, ist schon Beleg genug, dass diese hochrangige Beratungsinstitution auf den Weg der Private Publik Partnership eingeschwenkt ist. Das zeigt sich unter anderem in dem Kapitel „Wirtschaftliche Rahmenbedingungen (S. 38 – 66). Statt sich um eine bessere Ausstattung der staatlichen Hochschulen zu kümmern, die den ganz überwiegenden Anteil der tertiären Bildung tragen, statt hier eine bessere Betreuungsrelation und die Sanierung von Gebäuden zu fordern, setzt sich dieses Gremium nun auch noch dafür ein, dass Mittel für die privaten Hochschulen abgezweigt werden. Angeblich um den Wettbewerb zu fördern. Das ist insofern schon absurd, als inzwischen selbst McKinsey & Company feststellt, dass durch die Hochschul-“Reformen“ der letzten Jahre „bisherige Alleinstellungsmerkmale, die den privaten Hochschulen vermeintliche Wettbewerbsvorteile ermöglichten, … nun mit staatlichen Hochschulen geteilt“ werden.

  15. Die Radioretter: Ohne Rücksicht auf Verluste – Der Programmabbau bei WDR 3 wird fortgesetzt
    Der Rundfunkrat des WDR hat gestern, am 30. Mai, beschlossen, dem weiteren Programmabbau im Kulturprogramm von WDR 3 in allen entscheidenden Punkten zuzustimmen. Er entschied sich damit gegen das Plädoyer der WDR3-Radiomacher und Autoren, gegen das Votum von annähernd 19.000 Hörern, gegen tausende Kulturschaffende, gegen die Stimmen von ver.di, der Redakteursvertretung, des Feuilletons.
    Haben die „Radioretter“, hat die öffentliche Opposition mit dieser Entscheidung des Rundfunkrats eine Niederlage erlitten? Zweifellos, wenn man sein Urteil von den Beschlüssen eines solchen Gremiums abhängig macht. Wie verlogen sie sind, stellen die Erklärungen unter Beweis, mit denen man sie jetzt öffentlich „verkaufen“ will. Kein Wort enthalten sie über tatsächliche Streichungen, Kürzungen und Einebnungen.
    Stattdessen brüsten sie sich mit „Neuerungen“, die entweder keine sind oder aber nicht annähernd ersetzen, was zuvor zerstört wurde. Dies kann jeder nachvollziehen, der sich den Tatsachen stellt. Rundfunkrat und Hörfunkleitung betreiben in ihren Erklärungen eine kalkulierte Desinformation, die an bewusste Lüge grenzt.
    Quelle 1: Radioretter Pressmitteilung [PDF – 85 KB]
    Quelle 2: Beschluss des WDR-Rundfunkrates [PDF – 75 KB]

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