Wohnen wird teurer und teurer: Im Koalitionsvertrag der künftigen Regierung findet sich nichts von einer ehrlichen Offensive dagegen

Wohnen wird teurer und teurer: Im Koalitionsvertrag der künftigen Regierung findet sich nichts von einer ehrlichen Offensive dagegen

Wohnen wird teurer und teurer: Im Koalitionsvertrag der künftigen Regierung findet sich nichts von einer ehrlichen Offensive dagegen

Ein Artikel von Frank Blenz

Die neue Bundesregierung wird keine wirklich sozialere, vielen Bürgern zugewandte Politik auf die Tagesordnung setzen. So auch beim Wohnen, Mieten, Bauen, beim kleinen Häuschen. Im Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ steht dazu zwar einiges, doch kann von einem beherzten Anpacken gegen die grassierende Krise nicht die Rede sein. Ein Zwischenruf von Frank Blenz.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Das wäre mal was, doch im wahren Leben …

Das wären schöne Neuigkeiten, stünden diese so im Koalitionsvertrag: Union und SPD haben vereinbart, die Enteignung (Verstaatlichung) großer Wohnungskonzerne, wie in einem erfolgreichen Volksentscheid gefordert (und nicht umgesetzt), endlich zügig durchzusetzen. Weiter sind umfangreiche Maßnahmen für faire Mieten statt Mieterhöhungen bis hin zu Wucher beschlossen. Eine konsequente Deckelung der Mieten ist vorgesehen, die Lebenssituation für Studenten gerade in Bezug auf das Wohnen wird deutlich verbessert. Der soziale Wohnungsbau sowie der private Bau von Eigenheimen wird mit erheblichen finanziellen Mittel angekurbelt, ganz ähnlich wie im Bereich der Rüstung. Beide sind schließlich wichtige Bestandteile unserer Gesellschaft!

Schön wär’s. Zurück im wahren Leben: Wohnen, Mieten, Bauen, Eigentum (das kleine Haus) – was die Parteien der künftigen Koalition dazu ankündigen und als Offensive feilbieten, ist wenig bis nichts außer Zeitspiel anstatt glaubwürdiges und konsequentes Handeln. Weiter so zum Vorteil weniger, lautet die Order. Die gewichtigen Akteure in und Profiteure der Krise werden dank der neuen Koalition auch künftig ungestört Kasse machen können – auf Kosten vieler Mieter, im normalen Leben Bürger genannt. Nebenbei: In Deutschland lebt die überwiegende Mehrheit der Menschen zur Miete. Die daraus folgende Verantwortung für entsprechend faire Bedingungen liegt neben den Vermietern (Eigentum verpflichtet) eben auch bei der Bundesregierung, die im Vertrag vollmundig schreibt:

Wohnen wollen wir für alle Menschen bezahlbar, verfügbar und umweltverträglich gestalten.

Was will man mehr? In anderen Ländern werde sogar noch mehr vom Einkommen für Miete bezahlt – in Deutschland „nur“ ein Viertel

Beim Scrollen durch die Internet-Welt der Neuigkeiten stieß ich vor einigen Tagen auf ein Filmchen, welches mit „Mietwahnsinn: Spanien geht auf die Straße“ betitelt war. Ich erfuhr, dass in über 40 spanischen Städten Zehntausende Menschen auf die Straße gingen, um gegen die explodierenden Mietpreise zu protestieren. Der Protest stand unter dem Motto „Machen wir dem Geschäft mit dem Wohnraum ein Ende!“ Viele Menschen in Spanien geraten an den Rand ihrer finanziellen Möglichkeiten, sie zahlen die Hälfte ihres Einkommens allein für die Miete, wurde informiert. Die Hälfte! Dann hörte ich den Satz: „Deutsche zahlen im Schnitt nur ein Viertel.“ Ich schüttelte den Kopf. Soll also das Fazit lauten?: Was will man mehr, uns geht’s doch gut. Fest steht vielmehr: Was in Spanien und anderen europäischen Ländern abgeht, ist skandalös, so wie auch in der Bundesrepublik die Realität eine düstere ist.

Offensive?

Hierzulande werden viele Menschen ebenfalls mit weiter steigenden Mieten konfrontiert, sind Wohnungen zu fairen Preisen kaum bis gar nicht mehr zu bekommen. Phrasen dreschend wird von einem angespannten Markt schwadroniert, als wäre dieser ein Naturwunder, ein Unwetter, welches ohne Zutun des Menschen unverschuldet über uns rauscht. Im neuen Koalitionsvertrag der künftig regierenden Parteien CDU/ CSU und SPD ist von einer „Offensive“ (gegen das Unwetter) die Rede. Endlich, könnte man meinen. Die „Investitions-, Steuerentlastungs- und Entbürokratisierungsoffensive” soll, so das Versprechen, unter anderem den sozialen Wohnungsbau ankurbeln, wobei das Ankurbeln schon jahrelang von der SPD in der gescheiterten rot-gelb-grün-farbenen Regierungskoalition agierend angekündigt worden war, um dann doch die Kurbel loszulassen und jedes gesteckte Ziel (Wohnungsbau, Mieten usw.) zu verfehlen. Ja und dann gab und gibt es noch ein weiteres „Instrument“, das zu dieser Kurbel passt: Die Bremse – also die Mietpreisbremse. Die sorgt dafür, wenn man sie richtig betätigen würde, dass die Mieten nicht unangemessen steigen. Doch war und ist zu beobachten: Gebremst wird nicht, die Koalition kündigt im Vertrag dennoch an, die lahme Bremse zu verlängern. Und auch sonst ist viel von Wollen die Rede:

Wohnen wollen wir für alle Menschen bezahlbar, verfügbar und umweltverträglich gestalten. Alle Wohnformen, ob Eigentum oder Mietwohnung, in der Stadt und im ländlichen Raum sind für uns gleichwertig. Wir kurbeln den Wohnungsbau und die Eigentumsbildung durch eine Investitions-, Steuerentlastungs- und Entbürokratisierungsoffensive an. Zur Stabilisierung des Wohnungsmarktes wird der soziale Wohnungsbau als wesentlicher Bestandteil der Wohnraumversorgung ausgebaut. Mieter müssen wirksam vor Überforderung durch immer höhere Mieten geschützt werden.
(Quelle: SPD)

Was noch? Auch sonst wird gebremst, hier aber richtig: Bis Ende 2026 soll eine Kommission eingesetzt werden, die sich dem sogenannten Mietwucher-Paragrafen annimmt und überlegen soll, was man bei einer Verletzung der Mietpreisbremse tun könnte. 2026, da sind dann schon zwei Jahre schwarz-rote Koalition Geschichte und zwei Jahre Mieterhöhungen, Mietwucher, Mietpreisbremse-Verletzungen ebenso Vergangenheit … vom Mietdeckel ganz zu schweigen.

Schlagzeilen des Grauens – Belege einer kaputten, asozialen Gesellschaft

Dem nicht genug. Schlagzeilen des Grauens sind die zahlreichen Überschriften der täglichen Veröffentlichungen, die über die einzige Katastrophe im essenziellen Lebensbereich Wohnen berichten. Ich nenne den Lebensbereich bewusst Bereich und nicht Markt. Zugegeben eher ein Wunsch als realistisch, wird doch beinah alles in unserer Gesellschaft dem Primat des Geldes unterworfen. So ist und bleibt auch eine Wohnung nur eine Ware in der sozialen Marktwirtschaft, die längst keine soziale mehr ist. Beispiele las ich wie: „Möbel rein, Miete rauf: So umgehen Vermieter die Mietpreisbremse in Berlin“, „Rezept gegen Mietwucher verstaubt in Minister-Schublade“, „Die Preisspirale bei Mieten dreht sich“, „265 Euro soll ein Zimmerchen (ca. 2,2 x 3,15 Meter) kosten“ und so weiter. Das Beispiel Zimmerchen verdeutlicht, wohin unsere Gesellschaft gedriftet ist: in einen asozialen Zustand. Rechnet man die Quadratmeter zusammen für die Miniherberge und setzt die Summe ins Verhältnis zur geforderten Miete, ergibt dies: 37 Euro Miete pro Quadratmeter!

Wohnungskonzerne toben sich ungeniert und kreativ aus

Hohe Mieten zu kassieren ist großen, hungrigen, einzig renditeorientierten Unternehmern noch nicht genug. Nein. Da lässt sich doch bestimmt etwas an den Nebenkosten drehen, ist wohl deren Devise – exemplarisch zu beobachten beim Wohnungskonzern Vonovia. Hier eine weitere heftige Schlagzeile aus der Berliner Zeitung:

Flächendeckender Betrug“: Droht Vonovia ein Heizkostenskandal?

Die Geschichte liest sich wie ein Wirtschaftskrimi, allein die Protagonisten scheinen sich sicher zu fühlen, denn es fehlen gesetzliche Grenzen des Verbraucherschutzes. Hier ein paar Auszüge aus dem Beitrag der Berliner Zeitung:

Vierstellige Nachforderungen, unerklärlich hohe Verbräuche – und ein Unternehmen, das sich offenbar systematisch bereichert:

Eine Berliner Mieterin, die anonym bleiben möchte, berichtet, sie hätte über 1800 Euro nachzahlen sollen – obwohl sie in den Wintermonaten verreist war. Auch den Nachbarn seien Unregelmäßigkeiten aufgefallen. „Dann haben wir uns hingesetzt – und alles durchgerechnet“, berichtet sie. „Ich sagte: Leute, mit dem Preis stimmt doch was nicht. Zwischen den ausgewiesenen Verbrauchswerten und den abgerechneten Kosten bestand eine auffällige Diskrepanz.“

Für Niklas Schenker, wohnungspolitischer Sprecher der Linke-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, ist der Fall exemplarisch. „Die Mieter sind offenbar einem dreisten Geschäftsmodell zum Opfer gefallen“, sagt er. „Es drängt sich der Eindruck auf, dass Vonovia und andere Konzerne versuchen, über die Heizkostenabrechnung Kosten auf die Mieter umzulegen, die ihnen oft gar nicht entstanden sind.“ Viele Mieter schreckten aus Angst oder Unkenntnis davor zurück, sich zu wehren. „Es braucht mehr Transparenzvorgaben für Heizkostenabrechnungen. Preisanpassungsklauseln sorgen für massive Kostenbelastung. Hier ist eine gesetzliche Reform überfällig.“

Was die da machen, ist kriminell“, sagt die Mieterin. „Wir sind kein Einzelfall – das ist flächendeckender Betrug.“
(Quelle: Berliner Zeitung)

Was will die neue Regierung für die vielen Betroffenen unternehmen? Zu wenig

CDU/CSU und SPD legen einen Koalitionsvertrag vor, der wenig für einen gesellschaftlichen Zusammenhalt anbietet, ein stumpfes Werkzeug gegen steigende Mieten und andere steigende Preise ist. Das Dokument der Union und SPD offenbart allein schon im Bereich Wohnen, dass sie den Interessen der „Wohnungswirtschaft“ folgt, dass die Koalition kein engagierter Interessenvertreter der Mieter ist. Das Wort Deckel, genauer das Wort Mietendeckel fehlt ebenso. Mit einer Deckelung wäre es leichter, das Wollen in Erledigt zu transformieren. Nochmal Zitat Koalitionsvertrag:

Wohnen wollen wir für alle Menschen bezahlbar, verfügbar und umweltverträglich gestalten.

Nachtrag. Der wohl kommende Kanzler Friedrich Merz, der wie alle anderen seiner Koalitionspartner und Kollegen den Vertrag der Willensbekundungen mit erarbeitet hat, meinte bei einem TV-Auftritt ganz im Stile eines Realpolitikers: „Es wird zunächst einmal für alle teurer.“ (Benzin und Heizung). Na dann, auf die nächsten Jahre!

Titelbild: fizkes/shutterstock.com

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