Sparta ante portas

Sparta ante portas

Sparta ante portas

Ein Artikel von Klaus Kenke

Das neue Kriegsbild in der Bundesrepublik Deutschland soll so aussehen: Bis 2029 müssen wir schnell kriegstüchtig und einsatzbereit werden. „Allen Soldaten ist klar, dass wir kämpfen können und gewinnen wollen, weil wir gewinnen müssen.“ So zitiert die Berliner Zeitung den Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer. Auf der Sicherheitstagung des Verfassungsschutzes und der Wirtschaftsallianz in Berlin sind die Parolen diese: kämpfen, gewinnen, so schnell wie möglich. Von Klaus Kenke.

Dies allerdings ist nicht neu. Bereits bei seiner Antrittsrede auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2023 verkündete Generalinspekteur Breuer: „Alle müssen in die Arena kommen. Platz auf den Zuschauerrängen gibt es nicht. Popcorn ist alle.“ Dieser Mentalitätswechsel betrifft alle. Die ganze Gesellschaft muss in die Arena, wirklich alle.

Militärkolonnen auf den Autobahnen werden wir erleben und Tiefflieger über der Innenstadt. Wer sich fragt, was das mit uns macht, dem sei gesagt: Kriegstüchtig macht es uns und wehrhaft! So erklärt es der Generalinspekteur Breuer in einem Interview.

Professor Elmar Wiesendahl, ehemaliger Direktor der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, warnt in seinem 2023 erschienen Buch vor der Aushöhlung der Inneren Führung: “Sparta ante Portas“.

Seine These lautet: Der Ukrainekrieg ist willkommener Anlass, um endlich die Gesellschaft auf Krieg zu programmieren. Der Mentalitätswechsel muss die ganze Gesellschaft erfassen.

Die Institution Krieg wird wieder hoffähig gemacht. Sie ist das legitime Mittel der Wahl zwischen Staaten und völkerrechtswidrige Gewalt wird wieder relegitimiert.

Bislang war das Leitbild die Innere Führung und der Staatsbürger in Uniform. So hatte es der General des Heeres, Wolf Graf von Baudissin, formuliert. Nun aber wird diese Grundlage der Bundeswehr zurückgedrängt, und für die militärische und politische Führung scheint es nur noch ein Lippenbekenntnis zu sein.

Das Leitbild des Kämpfers muss auf die Bühne und in die Arena.

„Athen“ und „Sparta“, so Professor Wiesendahl, sind zwei konkurrierende Denkschulen innerhalb der Bundeswehr. Welches Leitbild soll der Soldat im Einsatz haben? „Athen“ fordert: Wir brauchen eine Strategie vernetzter Sicherheit. Gewalt muss verhindert werden. Wir müssen den Übergang von Gewalt zum Frieden absichern. Dazu brauchen wir soziale, diplomatische und helfende Kompetenz. Wir sind in die Gesellschaft integrierte Staatsbürger und Soldaten.

„Sparta“ setzt auf den Krieg und Kampf. Gewalt muss ausgerottet werden. Nur mit militärischer Gewalt kommt es zum Frieden. Der Krieg ist der Ernstfall. Wir müssen kriegstüchtig sein.

Das Leitbild der Inneren Führung und des Staatsbürgers in Uniform wird nicht erst seit heute radikal in Frage gestellt. Bereits in den 90er-Jahren, so Wiesendahl, war dieses Leitbild etlichen Militärs verdächtig. Das Staatsbürgerliche soll einem Kriegsbild geopfert werden, das nach 1945 nicht mehr vorstellbar war. Die Einsatzarmee Bundeswehr soll remilitarisiert und entzivilisiert werden.

„Wo staatsbürgerliche Qualität durch die Indoktrination zu undifferenziertem Freund-Feind-Denken deformiert wird, kann keine rationale Bewältigung der unausweichlichen inner- und zwischenstaatlichen Konflikte erwartet werden. Wo der fragwürdige Versuch gemacht wird, bereits im Frieden für den Kampf zu motivieren, geht dies zu Lasten der Wehrmotivation.“ (Baudissin)

Der Mythos des archaischen Kämpfers sollte nach 1945 obsolet sein. Der Frieden ist der Ernstfall. Kriegsverhütung war für Baudissin das primäre Ziel. Für ihn war klar: Wenn die atomare Abschreckung versagt, führt der drohende atomare Krieg zur Vernichtung von allem, was verteidigt werden soll.

„Nie wieder Sieg“ nannte Wolf Graf von Baudissin, General des Heeres, in den 80er-Jahren sein wegweisendes Buch. Er entwickelte das Leitbild vom „Staatsbürger in Uniform“. „Nicht der Soldat auf der anderen Seite, der Krieg ist der Feind beider Seiten. Der Frieden ist der Ernstfall.“

Was für eine Zeitenwende! Von „Nie wieder Sieg“ zu „Wir müssen gewinnen.“

Als unser Grundgesetz formuliert wurde, war „Nie wieder Krieg“ und „Nie wieder Sieg“ eine historische Erkenntnis. Dies sollte Deutschland in der internationalen Debatte vertreten, so wie es unser Grundgesetz uns zur Aufgabe macht: „Dem Frieden in der Welt zu dienen.“

So steht es auch im Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990, insbesondere die Verpflichtung, „die Sicherheitsinteressen eines jeden zu berücksichtigen“.

Das Grundgesetz und der Zwei-plus-Vier-Vertrag sollten uns mahnen, nicht nachzulassen, unsere Füße auf den Weg des Friedens zu richten.

Titelbild: Wirestock Creators/shutterstock.com