Versuch der Einflussnahme ausländischer Staaten auf Journalisten in Deutschland – Was sagt die Bundesregierung?

Versuch der Einflussnahme ausländischer Staaten auf Journalisten in Deutschland – Was sagt die Bundesregierung?

Versuch der Einflussnahme ausländischer Staaten auf Journalisten in Deutschland – Was sagt die Bundesregierung?

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Im aktuellen Bericht von Reporter ohne Grenzen (ROG) zur Lage der Pressefreiheit in Deutschland wird im Abschnitt „Pressefreiheit rund um Nahost-Berichterstattung unter Druck“ explizit auf „massive Interventionen der israelischen Botschaft“ bei deutschen Redaktionen verwiesen. Vor diesem Hintergrund wollten die NachDenkSeiten wissen, ab welchem Punkt der Einmischung ausländischer Botschaften die Bundesregierung sich gezwungen sehen würde, einzugreifen. Die NDS verwiesen in diesem Zusammenhang auf konkrete Beispiele der versuchten Einschüchterung und Diffamierung von deutschen Journalisten bei nicht genehmer Berichterstattung durch staatliche Vertreter Israels und der Ukraine. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der Bericht von Reporter ohne Grenzen

Unter dem Titel „Nahaufnahme Deutschland 2025: Pressefreiheit im Überblick“ berichtet die Nichtregierungsorganisation, die sich nach eigener Darstellung „für Pressefreiheit und gegen Zensur“ einsetzt, dass sich zahlreiche Journalisten in Deutschland an ROG gewandt haben und von „häufigen und massiven Interventionen“ durch die israelische Botschaft und andere israelische Lobbyorganisationen auf die journalistische Arbeit berichteten:

„Nicht wenige sehen sich auch durch häufige und massive Interventionen der israelischen Botschaft oder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft bei Chefredaktionen unter Druck. Vor allem Journalisten bekannter Medienhäuser berichteten, dass sich die israelische Botschaft seit Jahren immer wieder in Mails und Briefen über ihre Berichterstattung beschwere.“

In dem Zusammenhang werden auch die Schwierigkeiten thematisiert, denen sich Auslandskorrespondenten ausgesetzt sehen:

„Auslandskorrespondenten sprechen von äußerst langwierigen Kontroll- und Aushandlungsprozessen zu Begriffen, mit denen die israelische Kriegsführung kritisiert wird. Aussagen palästinensischer Quellen und unabhängiger Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch oder den Vereinten Nationen würden immer wieder grundsätzlich in Frage gestellt – anders als solche des israelischen Militärs. Das beschränke auch die Möglichkeit von Fernsehinterviews mit arabischen Protagonisten, da diese nicht auf restriktive Sprachregelungen verpflichtet werden könnten.“

Beispiele für Diffamierungsversuche von deutschen Journalisten durch israelische Armee-Pressesprecher

Arye Sharuz Shalicar gilt bis heute als deutsches Gesicht der israelischen Armee (IDF). In Berlin aufgewachsen fungiert dieser seit über zehn Jahren als offizieller IDF-Sprecher im Range eines Majors (der Reserve). Am 20. Februar 2025 brandmarkte Shalicar zahlreiche deutsche Journalisten in Form einer Art „Feindesliste“ als „Top-10 Verbreiter von Judenhass“.

Unter den aufgelisteten Journalisten fanden sich der Deutsche-Welle-Korrespondent Martin Gak, der u.a. für das ZDF arbeitende Fernsehjournalist Stephan Hallmann, der Videoblogger Tilo Jung, der für die junge Welt schreibende Autor Jakob Reimann sowie die freien Journalisten Fabian Goldmann und Hanno Hauenstein. Letzterer hatte kurz zuvor auf The Intercept aufgedeckt, wie der Axel-Springer-Konzern Geld verdient am Verkauf von Häusern in illegal errichteten Siedlungen im von Israel völkerrechtswidrig besetzten Westjordanland.

Während die zwei großen deutschen Mediengewerkschaften, die Deutsche Journalisten-Union (DJU) und der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) keine Stellung zur Veröffentlichung dieser Art von „Feindeslisten“ abgeben wollten, bezeichnete die deutsche Sektion von Reporter ohne Grenzen diese als „eine eklatante Grenzüberschreitung“:

„Journalisten auf eine Liste der ›Top-10 Verbreiter von Judenhass‹ zu setzen und so an den öffentlichen Pranger zu stellen, ist eine eklatante Grenzüberschreitung.“

Auch das Auswärtige Amt sah es nicht als nötig an, sich schützend vor die Journalisten zu stellen. Neben staatlichen israelischen Stellen fällt in Deutschland vor allem die ukrainische Botschaft mit Diffamierungs- und Einschüchterungsversuchen auf.

Beispiele für Einflussnahme von ausländischen Botschaften

Am 2. April 2024 veröffentlichte der ukrainische Botschafter auf seinem offiziellen X-Kanal einen acht Tweets umfassenden Thread, in welchem er sich zunächst unter dem Hashtag „amoralischer Kompass“ an zahlreichen Gastautoren und Interviewgästen der Berliner Zeitung (BLZ) wie dem BSW-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Fabio de Masi, dem Friedensforscher Leo Ensel („…kremlnah“), dem Politologen Johannes Varwick („Vertreter der politischen Schule des Narzissmus“), den sich für Verhandlungen einsetzende Ex-Militärs Harald Kujat und Erich Vad („Kapitulationsgeneräle“) sowie dem UN-Diplomaten a.D. Michael von der Schulenburg abarbeitete:

Anschließend wirft er der BLZ die Veröffentlichung von „Propagandatexten“ vor, die „Verschwörungstheorien und Falschbehauptungen“ verbreiten würden. Im nächsten Schritt widmete er sich dann dem Versuch der namentlichen Denunziation von mehreren Redakteurinnen der Berliner Zeitung, denen er vormalige Tätigkeiten für russische Video- und Nachrichtenagenturen wie Ruptly oder Ria Novosti vorwirft:

Abschließend rief der ukrainische Botschafter zum De-facto-Boykott der Berliner Zeitung („Berliner Volksrepublik Zeitung“) auf:

Die Berliner Zeitung reagierte umgehend und erklärte, dass man sich gegen die persönliche Diffamierung von Redakteuren und die damit verbundenen Einschüchterungsversuche verwahre, und forderte den Botschafter auf, die in Deutschland herrschende Pressefreiheit zu respektieren:

„Wir verwahren uns entschieden gegen die persönliche Diffamierung von einzelnen Redakteuren und Autoren der Berliner Zeitung durch den ukrainischen Botschafter Oleksii Makeiev. Wir sehen die völlig unbegründeten Attacken gegen namentlich genannte Redakteure und Autoren als versuchte Einschüchterung und mithin als Eingriff in die Pressefreiheit. (…) Wir erwarten, dass der ukrainische Botschafter die Pressefreiheit in einer europäischen Demokratie respektiert.“

Auf die damalige Nachfrage des Autors dieser Zeilen in der Bundespressekonferenz, wie die Bundesregierung es bewertet, dass die ukrainische Botschaft in Deutschland mehrere Journalisten, die für die Berliner Zeitung arbeiten, öffentlich diffamiert und zum Boykott der Zeitung aufruft, erklärte das Auswärtige Amt, dies sei nichts Ungewöhnliches, sondern Teil einer normalen Debatte, die „in einer Demokratie mit Presse- und auch Meinungsfreiheit“ geführt würde:

Zwei Monate zuvor, am 2. Februar 2024, hatte die Botschaft der Ukraine eine Stellungnahme veröffentlicht, in welcher sie erklärte, ohne Zustimmung Kiews dürfte das ZDF (und andere deutsche Medien) nicht aus unter Kontrolle Russlands stehenden Gebieten im Donbass berichten. Am selben Tag griff auch das Außenministerium in Kiew das ZDF an und erklärte, dieses würde keinen Journalismus betreiben, sondern die Realität verzerren. Hintergrund war eine erstmalig sachlich-neutrale Berichterstattung des ZDF von der anderen Seite der Front – aus Mariupol in der Oblast Donezk (die NachDenkSeiten berichteten).

Auch damals fragten die NachDenkSeiten auf der BPK nach und die Antwort des Auswärtigen Amtes fiel ähnlich indifferent aus wie im Falle der Berliner Zeitung:

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 9. April 2025

Frage Jessen (freier Journalist, kooperiert mit Jung & Naiv)
Herr Wagner, ist dem Auswärtigen Amt bekannt, ob und, wenn ja, in welcher Weise zum Beispiel die israelische Botschaft direkt auf Redaktionen und einzelne Journalisten im Hinblick auf die Berichterstattung einwirkt?

Wagner (AA)
Herr Hessen, es ist inhärente Aufgabe einer diplomatischen Mission, auch „public diplomacy“ zu betreiben. Das tun auch deutsche Auslandsvertretungen im Ausland. Wir werben dort für unsere Anliegen, für deutsche Interessen und setzen uns für diese ein. Das hat auch eine öffentliche Komponente. Deshalb ist Öffentlichkeitsarbeit, zum Beispiel Kommunikation über Social Media, wichtiger Teil der Aufgabenbeschreibung einer Auslandsvertretung. Das gilt sicherlich auch für Auslandsvertretungen anderer Staaten hier in Deutschland.

Aber wie gesagt bilden deutsche Gesetze und deutsche Regeln den Rahmen, der dafür relevant und wichtig ist. Daran müssen sich auch ausländische Vertretungen halten. Das als ganz generelle Einordnung, nicht spezifisch auf eine gemünzt.

Zusatzfrage Jessen
Sie haben den Begriff „werben um“ als originäre diplomatische Tätigkeit genannt. Ist das Einwirken im Hinblick darauf, bestimmte Berichterstattung zu unterlassen, noch von „werben um“ gedeckt, oder ist das unzulässige Einflussnahme? Sie kennen, denke ich, so wie die meisten von uns belastbare Berichte darüber, dass dies stattfindet.

Wagner (AA)
Herr Jessen, wir haben hier länglich zu den Grundsätzen der Pressefreiheit und der Meinungsfreiheit sowie dem hohen rechtlichen Schutz, der in Deutschland dafür gilt, ausgeführt. Ich kann, wie gesagt, nur noch einmal wiederholen: Das sind die Parameter, nach denen auch ausländische Diplomatinnen und Diplomaten in Deutschland agieren.

Frage Warweg
Herr Wagner, können Sie aber noch einmal spezifizieren, ab welchem Punkt sich das Auswärtige Amt denn gezwungen sehen würde, entsprechend einzugreifen und den diplomatischen Vertretungen eine Rückmeldung zu geben? Wir hatten jetzt schon das Beispiel Israel. Wir hatten hier auch schon thematisiert, dass der ukrainische Botschafter zum Beispiel sehr massiv auf die „Berliner Zeitung“ eingewirkt hat, weil die entsprechende Berichterstattung ihm nicht gefällig war. Könnten Sie nur zum Verständnis sagen, ab welchem Punkt der Einmischung eines ausländischen Diplomaten auf Redaktionsbezüge in Deutschland das Auswärtige Amt aktiv werden würde, und was für Formate gäbe es da?

Wagner (AA)
Herr Wagner [das ist im Wortprotokoll falsch wiedergegeben, gesagt wurde Warweg; F.W.], sehen Sie es mir nach, wenn ich sage, dass es ein bisschen spekulativ wäre, mich hier jetzt sozusagen dazu einzulassen, wie da die Parameter sind. Ich glaube, allein der Fakt, dass diese Dinge ja öffentlich verhandelt werden und auch öffentlich diskutiert werden, zeigt ja, dass es einen Diskussionsraum in Deutschland gibt, in dem Meinungsfreiheit und Pressefreiheit gelten und in dem diese Dinge auch thematisiert werden. Insofern, glaube ich, ist ein Handlungsbedarf unsererseits da nicht gegeben.

Aber wir schauen uns so etwas natürlich an. Ich habe ja gesagt: Es gibt eine Grenze. Das sind die Regeln, die in Deutschland gelten. Wenn die überschritten werden sollten oder wenn sich ausländische Missionen außerhalb dessen bewegen, was das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen hergibt, dann würden wir uns das natürlich anschauen.

Zusatzfrage Warweg
Es gibt ja beispielsweise als konkretes Beispiel den Fall eines Deutsch sprechenden IDF-Sprechers, der sehr explizit, unter anderem auf X, eine Reihe von Journalisten genannt hat, sozusagen namentlich aufgeführt hat, und die de facto verbal bedroht hat. Nur zum Verständnis: Wäre das ein Fall, in dem das Auswärtige Amt normalerweise intervenieren würde, oder fällt das dann auch unter „Werbemaßnahmen eines ausländischen Staates“?

Wagner (AA)
Das ist ja jetzt niemand, der der Botschaft des Staates Israel zugehörig ist. Insofern ist es, glaube ich, auch erst einmal etwas für Justizbehörden, wenn sich Journalistinnen und Journalisten da bedroht fühlen sollten. Aber, noch einmal, es gilt in Deutschland deutsches Recht, und das muss zur Anwendung kommen.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 09.04.2025