Haftstrafe für Chefredakteur des Deutschland-Kuriers wegen Satire-Bild zu Innenministerin Faeser

Haftstrafe für Chefredakteur des Deutschland-Kuriers wegen Satire-Bild zu Innenministerin Faeser

Haftstrafe für Chefredakteur des Deutschland-Kuriers wegen Satire-Bild zu Innenministerin Faeser

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Das Amtsgericht Bamberg hat den Chefredakteur des Deutschland-Kuriers am 7. April zu einer 7-monatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt, weil seine Publikation im Februar 2024 ein satirisches Meme über Innenministerin Nancy Faeser auf dem offiziellen X-Account der Publikation geteilt hatte. Die Fotomontage zeigte die Ministerin mit einem Blatt Papier in der Hand, auf dem stand, „Ich hasse die Meinungsfreiheit“. Die NachDenkSeiten hatten dazu einige „Verständnisfragen“ an die Sprecher von Kanzler Scholz und des Innenministeriums. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hintergrund

Innenministerin Nancy Faeser hatte am 13. Februar 2024 im Rahmen der Vorstellung des sogenannten „Demokratiefördergesetzes“ erklärt:

„Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen.“ 

In diesem Kontext hatte die Redaktion des als AfD-nah geltenden Deutschland-Kuriers am 28. Februar 2024 auf dem offiziellen X-Account der Publikation ein sogenanntes Meme veröffentlicht, auf dem die Innenministerin mit einem Blatt in der Hand und der Aufschrift: „Ich hasse die Meinungsfreiheit“ zu sehen war:

Als Vorlage für das Bild nutzte die Redaktion ein Bild der Innenministerin von einem Post des Bundesinnenministeriums (BMI) vom 26. Januar 2023, veröffentlicht angesichts des internationalen Holocaust-Gedenktages:

Daraufhin stellte Innenministerin Faeser höchstpersönlich, wie BMI-Sprecher Maximilian Kall auf der BPK gegenüber den NachDenkSeiten auch nochmals bestätigte, den Strafantrag gegen den Chefredakteur des Deutschland-Kuriers. Rund 13 Monate nach Veröffentlichung des Memes erging dann am 7. April 2025 das Urteil des Amtsgerichts Bamberg. Das Gericht verurteilte Bendels wegen „gegen Personen des politischen Lebens gerichteter Verleumdung (§ 188 Abs. 2 StGB)“ zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung (die NachDenkSeiten berichteten).

Kritik aus dem politischen Raum von Wagenknecht bis Kubicki

Das Urteil sorgte über Parteigrenzen hinweg für scharfe Kritik. Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht forderte in diesem Zusammenhang die Abschaffung des Tatbestands der „Politikerbeleidigung“:

„Sieben Monate Haft auf Bewährung für ein Meme? Der Fall Faeser sagt viel aus über den Zustand der Meinungsfreiheit in Deutschland. Eine liberale Gesellschaft muss Satire aushalten, insbesondere wenn sich diese gegen die Herrschenden richtet. Der Tatbestand der „Politikerbeleidigung“ nach § 188 StGB gehört abgeschafft!“

Der Anwalt und FDP-Politiker Wolfgang Kubicki nannte den Urteilsspruch in einer Erklärung „wahrlich schandhaft“:

„Die Entscheidung des Amtsgerichts Bamberg lässt sich weder mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Meinungs- und Kunstfreiheit noch mit der jüngsten Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 6. März zu § 188 StGB in Einklang bringen. Für einen freiheitlichen Rechtsstaat ist dies ein wahrlich schandhaftes Urteil.“

Verfassungsrechtler warnt vor „totalitären Staat“

Massive Kritik kam auch von Juristen und Verfassungsrechtlern. So warnte der an der Universität Augsburg lehrende Verfassungsrechtler Josef Lindner mit Blick auf das Urteil in deutlichen Worten vor einem Abdriften hin zu einem „totalitären Staat“:

Der Rechtswissenschaftler und Professor für Öffentliches Recht sowie Medien- und Telekommunikationsrecht an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Volker Boehme-Neßler, fand ähnlich scharfe Worte und verwies zudem noch auf die besonders geschützte Kunstfreiheit im Zusammenhang mit dem Meme:

„Wahnsinn! Dieses Meme ist nicht nur eine Meinungsäußerung, sondern auch Satire. Das macht verfassungsrechtlich einen Unterschied. Als Satire ist es auch von der Kunstfreiheit geschützt. Und Kunstfreiheit erlaubt noch viel mehr als die Meinungsfreiheit.“

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 9. April 2025

Frage Fechtner
Eine Frage zum Urteil gegen den Chef des „Deutschland-Kuriers“ an das BMI. Ist die Bundesinnenministerin mit dem Urteil zufrieden?

Kall (BMI)
Wir bewerten keine Urteile. Es gibt eine unabhängige Justiz, und das Amtsgericht Bamberg ist in jeglicher Hinsicht unabhängig in seinen Entscheidungen. Das BMI nimmt keinerlei Einfluss auf strafrechtliche Beurteilungen. Das gilt gegenüber den Strafverfolgungsbehörden, den Polizeien und Staatsanwaltschaften, aber natürlich besonders gegenüber Gerichten. Deswegen bewerten wir diese Entscheidung auch nicht.

Zusatzfrage Fechtner
Vielleicht sonst noch die Frage, auch an den Regierungssprecher: Halten Sie das Urteil für verhältnismäßig?

Vize-Regierungssprecher Büchner
Ich kann dazu das Gleiche nur wiederholen. Haben Sie bitte Verständnis, dass ich als Vertreter der Bundesregierung Entscheidungen der Justiz – wie hier des Amtsgerichts Bamberg – grundsätzlich nicht zu kommentieren habe.

Frage Warweg
Wir wollen noch einmal festhalten, dass das Amtsgericht hier einen Chefredakteur dafür verurteilt hat, dass er ein satirisches Meme über die Innenministerin auf dem offiziellen Account der Publikation geteilt hat. Kann das BMI in dem Zusammenhang bestätigen, dass die Ministerin persönlich den Strafantrag gegen diesen Satirebeitrag gestellt hat?

Kall (BMI)
Nochmals: Die Justiz ist unabhängig. Sie können sich an das Amtsgericht Bamberg wenden zu den Gründen für die Entscheidungen, die uns auch gar nicht vorliegen.

Es ist so, dass die Kriminalpolizeiinspektion Bamberg – das war sozusagen die Genese des Verfahrens – die Bundesinnenministerin, das BMI, darauf aufmerksam gemacht hat, dass sie in einer strafrechtlichen Beurteilung dazu gekommen sind, dass dieser Post strafbar sei. Das heißt, die strafrechtliche Beurteilung hatte schon durch die Kriminalpolizeiinspektion Bamberg stattgefunden. Daraufhin wurde gefragt, ob die Bundesinnenministerin einen Strafantrag stellt. Das hat sie nach der strafrechtlichen Beurteilung der Kriminalpolizei getan. Daraufhin hat offenbar die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, und das Gericht hat entschieden.

Aber nochmals: Das ist keinerlei eigene Beurteilung, keinerlei eigene Wertung, keinerlei Einflussnahme auf das Verfahren, sondern lediglich ein formaler Schritt. Die Beurteilung trifft allein ein unabhängiges Gericht nach den Bewertungen der Staatsanwaltschaft in der Anklage. Darauf gibt es keinerlei Einfluss. Deswegen kommentieren wir diese Entscheidung auch nicht.

Zusatzfrage Warweg
Herr Büchner, ich will es trotzdem noch einmal versuchen. Findet es die Zustimmung des Bundeskanzlers, dass Journalisten in Deutschland für das Teilen einer satirisch intendierten Fotomontage, die sich kritisch mit der Innenministerin auseinandersetzt, mittlerweile zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt werden? Das kann der Kanzler ja durchaus beurteilen, ohne in die Judikative einzugreifen.

Büchner
Ihre Frage enthält wie so häufig jede Menge Kommentare und Bewertungen, die ich mir nicht zu eigen mache, sondern im Gegenteil zurückweise. Die Meinungsfreiheit ist ein zentrales in unserer Verfassung verankertes Grundrecht und ein unverzichtbarer Pfeiler unserer demokratischen Grundordnung. Meinungsfreiheit bedeutet, dass jeder seine Ansichten frei äußern darf, ob in Gesprächen, in den Medien oder auf der Straße. Die Meinungsfreiheit schützt auch unbequeme und unpopuläre Meinungen.

Wie in jedem Rechtsstaat gibt es aber auch Grenzen. Meinungsfreiheit gilt nicht unbeschränkt. Ihre Grenzen liegen dort, wo Rechte Dritter verletzt werden. Das betrifft zum Beispiel das Persönlichkeitsrecht anderer Menschen. Die Grenzen sind gesetzlich festgelegt und dienen dem Schutz unserer Demokratie und der Würde jedes Einzelnen. Wie Herr Kall gesagt hat, entscheiden unabhängige Richter, ob diese Grenzen im Einzelfall verletzt sind. Das ist einem Rechtsstaat mit Gewaltenteilung so vorgesehen, und das ist auch gut so.

Kall (BMI)
Ich will noch ganz kurz ergänzen, dass die Polizei in Deutschland, gerade auch die Bundespolizei, für die die Bundesinnenministerin Verantwortung trägt, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Deutschland schützt und gewährleistet. Polizistinnen und Polizisten halten bei Demonstrationen regelrecht den Kopf hin, damit Meinungen auch bis hin zu extremen Meinungen in Deutschland vertreten werden können, ohne dass dafür irgendjemandem Gefahr droht. Genau dafür steht auch die Bundesinnenministerin ein.

Vielleicht noch ein Hinweis darauf, welches Posting verfälscht wurde: Es war ein Posting der Bundesinnenministerin, ein Zitat zum Holocaustgedenktag am 27. Januar 2023. Ausgerechnet eine Äußerung zum Holocaustgedenktag wurde für eine verleumdende Äußerung missbraucht. Diesen Hintergrund sollte man vielleicht nicht unterschlagen. Ich will den Originaltext des Postings vorlesen: „Wir gedenken der Opfer des Nationalsozialismus. Wir stehen für Demokratie und Pluralismus ein. Wir treten Hass und Hetze entschlossen entgegen. Wir bekämpfen Antisemitismus. #WeRemember“

Dieses Posting ist verfälscht worden. Das sollte man in dem Kontext sehen.

Frage Warweg
Sowohl Herr Büchner als auch Herr Kall haben die besondere Bedeutung der Meinungsfreiheit noch einmal hervorgehoben. Das Meme, das hier gerade thematisiert wird, zeigt lediglich Frau Faeser mit einem Schild. Den Hintergrund haben Sie erläutert, aber auf dem Schild steht lediglich: „Ich hasse die Meinungsfreiheit!“

Heißt das, dass Frau Faeser nicht dieses Meme an sich so beschäftigt hat, dass sie Strafanzeige gestellt hat, sondern nur der Hintergrund, was zuvor tatsächlich auf diesem Zettel gestanden hat?

Kall (BMI)
Was Sie als „nur der Hintergrund“ bezeichnen, ist der Holocaustgedenktag, das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, und, eine Äußerung dazu für eine verleumdende Äußerung außerhalb jedes Kontexts zu gebrauchen. Aber nochmals: Das ist nicht maßgeblich für das Strafverfahren, das geführt wurde, sondern das führt allein die Justiz. Dazu können Sie nur das Amtsgericht Bamberg fragen.

Zusatzfrage Warweg
Aber Frau Faeser hätte darauf verzichten können. Deswegen will ich noch einmal fragen: Die Motivation war nicht das Meme an sich mit der Aussage: „Ich hasse die Meinungsfreiheit!“, sondern der Hintergrund. Den meisten Zuschauern ist ja überhaupt nicht bewusst, was vorher auf dem Bild stand. Aber das hat den Ausschlag gegeben, dass das ganz ursprünglich im Kontext stand des Auschwitzgedenkens?

Kall (BMI)
Für die Entscheidung war sicherlich wichtig, dass dort ausgerechnet eine Äußerung zum Holocaustgedenktag für eine verleumdende, wahrheitswidrige andere Äußerung missbraucht wurde.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 09.04.2025