Ein vertrauliches Papier des Außenministeriums empfiehlt, Vertreter Russlands und Weißrusslands beim Gedenken an die eigenen Gefallenen zu demütigen. Das ist eine besonders dreiste Form des Geschichtsrevisionismus. Man schämt sich, es ist angesichts der historischen Dimension erbärmlich und kleinlich: Um im aktuellen Meinungskampf ein paar Propagandapunkte zu sammeln, ist vor Teilen des grün-militaristischen Zeitgeistes nicht mal mehr die Geschichte der Befreiung vom Nazi-Terror sicher. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
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Bei den Gedenkveranstaltungen rund um den 80. Jahrestag der Befreiung von der Nazi-Herrschaft in diesem Mai sind offizielle Vertreter aus Russland und Belarus in Berlin und Brandenburg nicht willkommen. Das geht aus einer Handreichung des Auswärtigen Amtes (AA) hervor, über die die Berliner Zeitung berichtet. Das Papier sei streng vertraulich, die Empfänger würden ausdrücklich aufgefordert, dafür zu sorgen, dass es nicht in die Öffentlichkeit gelange, so der Artikel.
„… in eigenem Ermessen und mit Augenmaß von ihrem Hausrecht Gebrauch machen …“
In den kommenden Wochen wird an vielen Orten in Berlin und Brandenburg an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren gedacht. In der Erklärung des Außenministeriums werde Landkreisen und Kommunen empfohlen, in diesem Zusammenhang keine Einladungen an russische oder belarussische Diplomaten auszusprechen – und notfalls sogar ungebetene Gäste wieder wegzuschicken. In dem internen Papier, das über das Brandenburger Innenministerium an die Landräte und Kreise verschickt wurde, heiße es wörtlich:
„Im Inland grundsätzlich keine Teilnahme offizieller Stellen an Veranstaltungen auf Einladung von Russland/Belarus und keine Einladung an russische und belarussische Vertreter zu Gedenken von Bund, Ländern und Kommunen.“
Zu den offiziellen deutschen Veranstaltungen heißt es:
„Sollten Vertreter von Russland oder Belarus bei Veranstaltungen im Inland unangekündigt erscheinen, können Einrichtungen in eigenem Ermessen und mit Augenmaß von ihrem Hausrecht Gebrauch machen.“
Die Berliner Zeitung formuliert, was die Stelle mit dem Hausrecht bedeutet: Ein einfacher Sicherheitsdienst könnte dann ranghohe Diplomaten dieser Länder des Gedenkortes verweisen, an dem zum 80. Mal um deren gefallene Soldaten getrauert wird. Die Dreistigkeit dieser geschichtsrevisionistischen Unverschämtheit muss man erstmal wirken lassen.
Laut dem Bericht seien offizielle Einladungen zu kommunalen Gedenkveranstaltungen nach der AA-Leitlinie selbst dann tabu, wenn Landräte oder Bürgermeister persönliche Kontakte zu russischen oder belarussischen Diplomaten pflegen würden. Dies gelte ausdrücklich auch für lokale Feiern in Orten mit historisch engen Bindungen, wie etwa an den Schlachtfeldern der Oderregion. Auch der traditionelle Empfang nach der Kranzniederlegung solle in diesem Jahr ohne russische Teilnahme stattfinden.
„Es gibt keine Rechtfertigung für das zynische Vorgehen der deutschen Stiftung“
Begründet wird diese inakzeptable Linie vonseiten des Auswärtigen Amtes (AA) laut Medien mit einer „absehbaren“ Instrumentalisierung des Gedenkens durch offizielle Vertreter der russischen oder belarussischen Botschaft. Das Ministerium nutzt einmal mehr die Taktik „Haltet den Dieb!“, wenn es in seinem Schreiben vor „Propaganda, Desinformation und geschichtsrevisionistischer Verfälschung“ warnt. Das AA erklärt:
„Gleichzeitig ist zu erwarten, dass Russland (gemeinsam mit Belarus) das Weltkriegsgedenken instrumentalisieren und mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine missbräuchlich in Verbindung bringen wird.“
Moskau und Minsk, so das Außenministerium in Berlin, würden die anstehenden Gedenkfeiern in Seelow, Altlandsberg oder am Treptower Park für sich vereinnahmen. In dem internen Papier verweist das AA laut den Medienberichten lediglich in einem einzigen Satz auf die Notwendigkeit, die Opfer aus Russland und Belarus angemessen zu würdigen.
In Belarus sorgt die Ausladung für Empörung. „Wir verurteilen die Weigerung der Leitung der deutschen Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, belarussischen Diplomaten die Teilnahme an den Gedenkveranstaltungen zum 80. Jahrestag der Befreiung dieser Konzentrationslager nicht zu gestatten, aufs Schärfste“, heißt es in einer Nachricht auf X des belarussischen Außenministeriums. Das Ministerium fährt fort:
„Es gibt keine Rechtfertigung für das zynische Vorgehen der deutschen Stiftung gegenüber einem Land, in dem jeder dritte Mensch im Krieg starb und in dem es keine einzige Familie gibt, die nicht vom Krieg betroffen war. Leider stehen solche Aktionen der Stiftung im Einklang mit der Politik bestimmter politischer Kräfte im Westen, die darauf abzielen, die Geschichte zu verändern und den deutschen Nationalsozialismus zu rechtfertigen.“
Kompromisslose Kleinlichkeit
Man ist bezüglich der Demontage der deutschen Diplomatie durch die Grünen ja schon einiges gewohnt. Die skandalöse Handreichung des Außenministeriums ist da nur ein vorläufiger Gipfel einer gefährlichen und geschichtsrevisionistischen Ideologie, die mit den Grünen vor einigen Jahren ins Außenministerium eingezogen ist. Bereits im Mai 2023 haben die NachDenkSeiten zum bereits damals unwürdigen Umgang mit dem Mai-Gedenken im Artikel „Empörender Umgang mit dem Tag der Befreiung: ‘Hier weht nur noch die Ukrainefahne’“ geschrieben:
„Das Verhalten zum 8./9. Mai sticht dennoch heraus – es ist schlicht unwürdig. Zur auftrumpfenden, heuchlerischen und moralisch lächerlichen Verantwortungslosigkeit der Bundesregierung in den Kriegs-, Energie- und Russlandfragen sowie zum Duckmäusertum gegenüber den USA und bei der Frage des Nord-Stream-Terrors wurde schon viel gesagt. Beim Tag der Befreiung gesellt sich da noch eine unangenehme Kompromisslosigkeit gegenüber den Menschen hinzu, die sich dem Kampf der Roten Armee gegen den Faschismus verbunden fühlen: Um im aktuellen Meinungskampf ein paar Propagandapunkte zu sammeln, ist vor Teilen des grün-militaristischen Zeitgeistes nicht mal mehr die Geschichte der deutschen Niederlage sicher.“
Das sei nicht nur ein Verrat an der historischen Verpflichtung Deutschlands, das macht auch einen extrem kleinlichen Eindruck: Manche Propagandisten vermögen es sogar angesichts der monumentalen Vorgänge des Zweiten Weltkriegs nicht, über den Schatten der täglichen Auseinandersetzungen zu springen, um die historischen Taten jener Befreier, die den größten Blutzoll entrichten mussten, angemessen zu würdigen. Dass die historischen Verdienste der Roten Armee nicht mutmaßliche Kriegsverbrechen der heutigen russischen Armee rechtfertigen können, ist selbstverständlich.
Wer auf ein würdiges Gedenken an die Befreier vom Nazi-Terror nicht verzichten möchte, für den gibt es eine Veranstaltung am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Tiergarten: Am 3. Mai werden hier von 14 bis 16:30 Uhr Reden und Kultur präsentiert, wie etwa die Rationalgalerie ankündigt.
Gehässigkeit auf den letzten Metern
Die von den abgewählten grünen Außenpolitikern auf den letzten Metern entfaltete Gehässigkeit macht einmal mehr deutlich: Man zählt die Tage, bis das Auswärtige Amt endlich aus dem destruktiven und für uns alle gefährlichen Griff der Grünen befreit wird.
Aktualisierung 7.4.2025, 11h: Im Vorspann wurde die Redewendung „Geschichte der deutschen Niederlage“ durch „Geschichte der Befreiung vom Nazi-Terror“ ersetzt.
Titelbild: Screenshot/ZDF