Das Thema der kurzfristig zurückgenommenen Nominierung der deutschen Spitzendiplomatin Helga Schmid als Präsidentin der UN-Generalversammlung zu Gunsten von Annalena Baerbock beschäftigte erneut die Bundespressekonferenz. Die NachDenkSeiten wollten vom Auswärtigen Amt (AA) wissen, ob dieses übereinstimmende Berichte aus Berlin und New York bestätigen könne, dass die nur noch geschäftsführend tätige Außenministerin nicht einmal die persönliche Größe besessen hatte, die Rücknahme der Nominierung im persönlichen Gespräch mit Schmid zu kommunizieren, sondern diese nur über Dritte telefonisch informieren ließ. Ebenso kam die Frage auf, ob das AA bestätigen kann, dass selbst für die deutsche UN-Mission in New York die Nominierung von Baerbock überraschend kam. In beiden Fällen gab es kein Dementi. Wie wenig geeignet Baerbock für den neuen Posten ist, zeigte sie einen Tag später auf der Fachkonferenz „Europa25“. Von Florian Warweg.
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Hintergrund
Am 18. März hatte die geschäftsführende Bundesregierung verkündet, dass sie die ebenso nur noch geschäftsführend tätige deutsche Außenministerin Annalena Baerbock kurzfristig für das Amt der Präsidentin der UN-Vollversammlung nominiert habe. Da im internen regionalen Rotationssystem der Vereinten Nationen die Besetzung dieses Postens dieses Jahr für Westeuropa vorgesehen ist und Deutschland innerhalb der EU seinen Anspruch auf diesen Posten durchgesetzt hat, gilt die Wahl als reine Formalie.
Eigentlich war für diesen Posten aber die deutsche Spitzendiplomatin Helga Schmid vorgesehen. Dieselbe Bundesregierung, die jetzt Baerbock nominiert hat, hatte zuvor im Juli 2024 bereits Schmid für diesen Posten nominiert und auch schon EU- und UN-intern diese Entscheidung entsprechend kommuniziert. Schmid hatte zu dem Zeitpunkt bereits Mitarbeiter sowie eine Wohnung in New York ausgesucht.
„Das Verstörende an der Personalie Baerbock ist …“
Michael Bröcker, Chefredakteur von TABLE.BRIEFINGS, bezeichnete es vor diesem Hintergrund als „verstörend“, dass die noch amtierende Außenministerin seinen Informationen nach nicht einmal die Größe zeigte, Helga Schmid persönlich deren „spontane Demission“ zu Baerbocks eigenen Gunsten mitzuteilen, sondern die Spitzendiplomatin per Telefonanruf informieren ließ:
Das Verstörende an der Personalie #Baerbock ist, dass die Ministerin nicht mal selbst Frau Helga Schmid deren spontane Demission erklärt hat, sondern sie anriefen ließ. Vielleicht übernimmt Frau Baerbock ja immerhin die Wohnung, die Schmid in NY schon hatte. @ABaerbock
— Michael Bröcker 💎 (@MichaelBroecker) March 20, 2025
Diese Darstellung deckt sich mit weiteren Berichten und Informationen der NachDenkSeiten. Da das AA auf Nachfrage dies auch nicht dementierte, ist davon auszugehen, dass diese Darstellung stimmt.
Dasselbe gilt für die Information, dass selbst die deutsche UN-Mission in New York bis ganz zum Schluss nicht darüber informiert wurde, dass auf Betreiben von Baerbock die bereits breit kommunizierte Nominierung der Topdiplomatin Schmid für den Posten des Vorsitzes der UN-Generalversammlung zurückgenommen worden war. Eine entsprechende Darstellung von gut vernetzten UN-Lobbyisten und Diplomaten, beispielhaft sei auf den UN-Direktor der Crisis Group, Richard Gorwan, verwiesen, dementierte das AA ebenfalls nicht:
„Eine ziemliche Überraschung. Helga Schmid hatte bereits mit den detaillierten Vorbereitungen für die UN_PGA begonnen, Teammitglieder benannt und war kürzlich zu Konsultationen in New York. Niemand, auch nicht @GermanyUN (die deutsche UN-Mission), hatte dies vor gestern erwartet. Politik ist ein seltsames Geschäft.“
Quite a lot of surprise. Helga Schmid had already started detailed @UN_PGA prep, identified team members, was in NYC for consultations recently.
Nobody expected this, including I think @GermanyUN, before yesterday. Politics is a funny business. https://t.co/rxDbmYTN6d
— Richard Gowan (@RichardGowan1) March 19, 2025
Wer ist Helga Schmid?
Schmid, die in München und Paris romanische Sprachen, Geschichte und Politik studierte sowie im Anschluss Völker- und Europarecht an der Diplomatischen Akademie in Wien, begann 1988 mit ihrer Diplomatenausbildung im Auswärtigen Amt. In den letzten Jahren war sie unter anderem Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und zuvor Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD). Breite internationale Anerkennung verschaffte sie sich durch den maßgeblich von ihr herbeigeführten Verhandlungserfolg im Rahmen der ab 2010 laufenden Verhandlungen zum erfolgreich abgeschlossenen Atomdeal mit dem Iran im Jahr 2015.
Der ehemalige deutsche Vertreter vor den UN, Christoph Heusgen, kritisierte in diesem Zusammenhang die Nominierung Baerbocks für den UN-Posten in scharfen Worten. Laut ihm sei es „eine Unverschämtheit, die beste und international erfahrenste deutsche Diplomatin durch ein Auslaufmodell zu ersetzen“. Weiter führte er gegenüber dem Tagesspiegel aus, dass es sich bei dem Widerruf der Nominierung der Spitzendiplomatin Helga Schmid zugunsten von Baerbock um eine „Aktion Abendrot“ handle. Mit diesem Begriff werden allgemein die Postenvergaben kurz vor Ablauf der Amtszeit an „verdiente“ Minister und Staatssekretäre benannt. Ein Beispiel in der Ära Merkel war beispielsweise die Vergabe des Postens des deutschen Botschafters in Israel an den Merkel-Sprecher und ehemaligen ZDF-Moderator Steffen Seibert.
Baerbock blamiert sich auf Fachkonferenz „Europa25“ bis auf die Knochen
Nur wenige Tage nach ihrer Nominierung nahm Baerbock am 27. März bei der unter anderem von ZEIT, Handelsblatt und Tagesspiegel ausgerichteten Konferenz „Europa25“ teil. Dabei blamierte sie sich mit ihren Redebeiträgen bis auf die Knochen.
Vom Moderator der Konferenz nach ihrer Motivation für den Posten als Präsidentin der UN-Generalversammlung gefragt, verkündete sie (ab Minute 23:15 im verlinkten Livestream) mit selbstbewusstem Duktus:
„Es wird sehr viele Gespräche brauchen, gerade im Hintergrund zu erodieren (sic!) und da ist es aus meiner Sicht wichtig, genau zu eridieren (sic!) beim wem könnte ein Kandidat mehrheitsfähig sein…“
Mal wieder ein klassischer #BaerBock: "Unsere" noch-Außenministerin @ABaerbock enthüllt im Rahmen der "Europa2025"-Konferenz von @zeitonline, @wiwo & Co ihre destruktiven Pläne für die🇺🇳. Sie will dort mittels UN-Hintergrundgespräche "erodieren"…
🫣😱😂pic.twitter.com/3pHT8p0pHF…— Florian Warweg (@FWarweg) March 31, 2025
FakeNews und Verdrehungen in „Europa25“-Rede
Zuvor hatte die geschäftsführende Außenministerin sich aber noch viel stärker disqualifiziert. Sie behauptete gleich zu Beginn ihrer Rede, und ohne weiteren Kontext anzugeben, Putin hätte mit dem Satz, „Ob du es magst oder nicht – du wirst dich damit abfinden müssen, meine Hübsche“, eine „kaum verhohlene Anspielung auf eine Vergewaltigung“ in Bezug auf die Ukraine getätigt. Dies sei „ein Satz voller Machthunger, voller Zynismus und Menschenverachtung“.

Faktencheck der Baerbock-Aussage
Erstens: Wladimir Putin hat diesen Satz tatsächlich so gesagt. Aber wie so oft im Leben, ist Kontext alles. Der Satz fiel auf einer Pressekonferenz mit seinem französischen Amtskollegen Emmanuel Macron am 7. Februar 2022 in Moskau. Die vollständige Version der Aussage von Putin lautet:
„Der amtierende Präsident [der Ukraine] sagte kürzlich, dass ihm kein einziger Punkt dieser Minsker Vereinbarungen gefällt. Ob es ihm gefällt oder nicht – ertragen Sie es, meine Schöne. Wir müssen sie erfüllen. Anders wird es nicht funktionieren.“
Putins Aussage bezog sich also eindeutig auf die Forderung nach der Einhaltung von Minsk II. Es ist mithin das Gegenteil von dem, was Baerbock durch ihre verkürzte Darstellung ihren Zuhörern auf der „Europa25“-Konferenz verkaufen wollte.
Zweitens: Der Verweis der geschäftsführenden Außenministerin, dass diese Zeile aus einem russischen Lied, welches sie als „Anspielung auf eine Vergewaltigung“ interpretiert, stamme, ist auch höchst fragwürdig, vor allem ihre implizite Folgerung, Vergewaltigungen seien Teil russischer Lied-Folklore. So eine Aussage einer Außenministerin über andere Nationen würde wohl unter Volksverhetzung fallen. Aber da es nur um „Russen“ geht…
Drittens: Die Zeile im Wortlaut gibt es so, im Gegensatz zur Baerbock’schen Darstellung, in gar keinem bekannten „russischen Lied“. Am ähnlichsten ist noch eine Zeile der sowjetisch/russischen Punk-Rock-Band „Roter Schimmel“, in dem Lied „Damit der Gast nicht geht“ (1994), die da lautet „Mag – mag nicht, schlaf/gedulde dich, meine Schöne“. Diese Band soll Putin aber, laut Darstellung seines Pressesprechers Peskow, überhaupt nicht kennen.
Halten wir fest: Die Frau, die sich selbst in das Amt der Präsidentin der UN-Generalversammlung mobben will, verwechselt auf einer Fachkonferenz von großen deutschen Leitmedien innerhalb weniger Sätze mehrmals „erodieren“ („eridieren“) mit „eruieren“ und verbreitet in ihrer dortigen Rede nachweislich falsche und bewusst aus dem Kontext gerissene Darstellungen zum Präsidenten eines der fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat. Was kann mit dieser Personalie auf UN-Ebene schon schiefgehen …
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 26. März 2025
Frage Warweg
Noch eine kurze Verständnisfrage an Herrn Wagner: Laut übereinstimmenden Medienberichten hat Frau Baerbock nicht einmal die Größe besessen, nach der Rücknahme der Nominierung der vorherigen Kandidatin für die Präsidentschaft der UN-Generalversammlung, direkt mit ihr ins Gespräch zu treten, sondern sie einfach nur hat anrufen lassen. Können Sie diese Berichte so bestätigen?
Wagner (AA)
Herr Warweg, ich kann bestätigen, dass es einen Kontakt zwischen Frau Baerbock und Frau Schmid gab. Das ist alles, was ich zu diesem Thema zu sagen habe.
Zusatzfrage Warweg
Noch einmal zur Causa der Nominierung von Frau Baerbock für den Vorsitz der UN-Generalversammlung: Laut dem Direktor der Crisis Group kam diese Nominierung selbst für die deutsche UN-Mission in New York überraschend. Können Sie diese Darstellung bestätigen?
Wagner (AA)
Herr Warweg, die noch amtierende Außenministerin Annalena Baerbock ist mittlerweile die Kandidatin der sogenannten WEO-Gruppe, also der Gruppe der westlichen Staaten und anderer. Diese Gruppe hat ihre Nominierung bestätigt, und damit ist sie die Kandidatin dieser Gruppe für den Vorsitz der Generalversammlung in New York.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 26.03.2025
Nominierung von Baerbock für zweithöchsten UN-Posten und Desinformationen des Auswärtigen Amts
Speck der Hoffnung für die UNO
„Der Russe war’s (doch nicht)!“ – Baerbock und Pistorius blamieren sich mit Aussagen zu Ostseekabeln