Mexiko tritt dem BRICSplus-Verteidigungsbündnis bei – ein Gedankenspiel

Mexiko tritt dem BRICSplus-Verteidigungsbündnis bei – ein Gedankenspiel

Mexiko tritt dem BRICSplus-Verteidigungsbündnis bei – ein Gedankenspiel

Volker Rekittke
Ein Artikel von Volker Rekittke

Noch steht bei den BRICS-Staaten die Wirtschaftskooperation ganz oben auf der Agenda, etwa pragmatische Ansätze, die Dominanz des US-Dollar wenn nicht zu brechen, dann durch direkten Handel in anderen Währungen wenigstens zu umgehen. Doch bei den mittlerweile elf Ländern, die für beinahe die Hälfte der Weltbevölkerung stehen, geht es – beschleunigt durch den Ukraine-Krieg – zunehmend auch um politische, zuletzt sogar um militärische Zusammenarbeit, siehe das Marinemanöver im Golf von Oman. Was wäre, wenn diese Militär-Kooperation eine institutionalisierte Form annimmt und als Gegengewicht zur NATO die USA direkt in ihrem „Hinterhof“ Mittelamerika herausfordert? Ein Gedankenspiel von Volker Rekittke.

BRICSplus – das ist ein bislang eher pragmatisch ausgerichtetes Wirtschaftsbündnis von derzeit elf Staaten*. Immerhin repräsentieren diese elf Länder inzwischen fast die Hälfte der Weltbevölkerung sowie einen wachsenden Anteil an der weltweiten Wirtschaftsleistung, der den globalen Anteil der G7-Staaten bereits 2022 überflügelte.[1]

Neben den fünf BRICS-Gründungsmitgliedern[2] Brasilien, der Russischen Föderation, Indien, China sowie Südafrika zählen seit 2024 Ägypten, Äthiopien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate, seit 2025 zudem mit Indonesien das viertbevölkerungsreichste Land der Welt[3] und inzwischen auch Saudi-Arabien zu den Mitgliedern. Rund 40 weitere Länder haben ihr Interesse an einer BRICS-Mitgliedschaft bekundet, darunter Thailand, Malaysia und Bangladesh, Algerien, die Demokratische Republik Kongo und Nigeria, Bolivien, Kuba, Venezuela und sogar das NATO-Land Türkei.[4]

Das BRICS-Kooperationsprojekt „New Development Bank“ (NDB) wurde als Alternative zu westlich dominierten Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds gegründet. Immer wieder wird von Überlegungen für eine gemeinsame Währung oder zumindest die schrittweise Umstellung auf den Handel in Landeswährungen der BRICS-Staaten berichtet, die perspektivisch die Abhängigkeit vom US-Dollar verringern soll.[5]

Doch die Kooperation scheint mittlerweile über ökonomische und gelegentlich auch politische Themen hinauszugehen. Im März 2025 veranstalteten der Iran, China und Russland erstmals ein gemeinsames Marinemanöver im Golf von Oman. An der Militärübung „Meeresgürtel-Sicherheit 2025“ nahmen auch der Oman, Aserbaidschan, Südafrika, Kasachstan, Pakistan, Katar, der Irak, die Vereinigten Arabischen Emirate und Sri Lanka als Beobachter teil.[6] Was es bislang noch nicht gibt, ist eine institutionalisierte militärische Zusammenarbeit der BRICS-Staaten – ein BRICS-Militärbündnis.

Ein kleines Gedankenspiel

Angenommen, in den nächsten Erweiterungsrunden werden noch viele weitere Staaten aufgenommen. Zudem legt sich das Wirtschaftsbündnis eine politisch-militärische Bündnisstruktur zu: Die nunmehr mehr als 30 BRICSplus-Staaten, darunter etliche Länder im Mittleren Osten, in Westafrika sowie in Süd- und Mittelamerika, unterzeichnen 2028 einen „Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“.[7] Das BRICSplus-Militärbündnis wird nach dem Ort der Vertragsunterzeichnung, der chinesischen Hauptstadt Peking, auch „Pakt von Peking“ oder „Peking-Vertrag“ genannt. In Lateinamerika wird zunächst Kuba Mitglied, kurz darauf Venezuela, dann Nicaragua. Die kubanische Regierung unterstreicht ihr souveränes Recht zur „freien Bündniswahl, nicht zuletzt angesichts der fortdauernden Provokationen und der völkerrechtswidrigen Wirtschaftsblockade durch die USA gegen die sozialistische Karibikinsel, die bis zur Revolution 1959 faktisch eine US-Kolonie gewesen sei.[8]

China und die Russische Föderation als militärisch stärkste Mitglieder des Bündnisses unterstützen die Verteidigungsbemühungen der anderen BRICSplus-Mitglieder, vor allem der kleineren Staaten. In Mittelamerika tauchen chinesische Militärberater, Pioniere und Ausbilder auf, die Russische Föderation liefert Kuba und Nicaragua moderne S-500-Luftabwehrsysteme. Die US-Regierung protestiert energisch gegen die Ausdehnung des Militärbündnisses, das immer näher an die südliche US-Grenze heranrückt. Der Generalsekretär des „Peking-Vertrags“, der ehemalige brasilianische Präsident Lula da Silva, erklärt daraufhin, die souveränen Staaten Süd- und Zentralamerikas sowie der Karibik könnten ihre Bündnismitgliedschaft frei wählen und die landgestützten Raketensysteme dienten ausschließlich „defensiven Zwecken“ sowie der Landesverteidigung. Die neue nicaraguanische Präsidentin sagt in einer Rede vor der UN-Vollversammlung, dass ihr Land in der Vergangenheit immer wieder unter verdeckten und offenen Operationen von US-Militär und -Geheimdiensten leiden musste – weswegen die USA sogar 1986 vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag (Niederlande) verurteilt worden seien, die USA hätten das Urteil jedoch nie anerkannt.[9]

Die mexikanische Regierung bleibt offiziell neutral, kooperiert aber in wirtschaftlichen wie sicherheitspolitischen Belangen weiterhin mit den USA. Daraufhin brechen in Mexico City Unruhen aus. Militante Demonstranten fordern zusammen mit NGOs und Oppositionspolitikern, die von Russland in den vergangenen Jahren mit rund 442,5 Milliarden Rubel (umgerechnet fünf Milliarden US-Dollar) unterstützt wurden[10], den Beitritt zum „Peking-Vertrag“. Die gewählte Präsidentin muss nach gewalttätigen Auseinandersetzungen in die USA fliehen. Die Putschistenregierung wird umgehend von China und Russland anerkannt, lässt sich einige Monate später durch landesweite Wahlen bestätigen – und erwägt die Mitgliedschaft beim BRICSplus-Militärbündnis. Auch der neue mexikanische Präsident erklärt nach Protesten aus den USA, Mexiko brauche diese Sicherheitsgarantien, das Land habe immer wieder US-Interventionen erleben[11] und in der Vergangenheit die Hälfte seines Staatsgebiets an die USA abtreten müssen.[12]

Hier endet das Gedankenspiel. Bleibt die Frage: Wie würde dieser Konflikt ausgehen?

Würden die USA chinesische und russische Militärausbilder, Abhöranlagen, Luftabwehrraketen sowie Iskander-M-Systeme aus russischer Produktion mit 500 Kilometern Reichweite[13] am Rio Grande akzeptieren? Stationiert im mexikanischen Tijuana, wären nicht zuletzt die US-Metropolen Los Angeles und Las Vegas in Reichweite von Raketen, von denen die USA nicht genau wissen, ob sie einen konventionellen oder einen nuklearen Sprengkopf tragen.

* Aktualisierung 31.03.2025 13 Uhr: Die im Artikel ursprünglich genannte Zahl von zehn Staaten hat sich durch den Beitritt Saudi-Arabiens auf elf erhöht.

Titelbild: Shutterstock / quiggyt4


[«1] Auf dem Gipfel 2023 in Johannesburg wurde Ägypten, Äthiopien, Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten die Einladung zum Beitritt zur BRICS-Gruppe ausgesprochen. Argentinien und Saudi-Arabien erhielten ebenfalls eine Einladung. Argentinien lehnte die Einladung unter seinem neuen Präsidenten Milei ab. Saudi-Arabien hat den Beitritt bisher nicht vollzogen, erwägt diesen aber weiterhin. destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/allgemeines-regionales/BRICS/_inhalt.html Saudi-Arabien hat den Beitritt laut mehreren Quellen mittlerweile ebenfalls offiziell besiegelt.

[«2] infobrics.org/

[«3] tagesschau.de/ausland/asien/indonesien-brics-100.html

[«4] nzz.ch/meinung/die-brics-staaten-und-der-traum-von-einer-multipolaren-welt-ld.1851741

[«5] de.tradingview.com/news/invezz:26f01c84c600c:0/

[«6] Chinesisch-russisch-iranische Manöver im Golf von Oman

[«7] bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/18464/warschauer-pakt/

[«8] Das kubanische Parlament wurde 1901 zur Annahme des Platt-Amendment gezwungen, das den USA nach dem Abzug der Spanier die Kontrolle über die Insel sicherte (spektrum.de/news/us-expansionismus-der-griff-nach-kuba/1841728) – samt dem Recht auf militärische Intervention sowie die Inbesitznahme des Marinestützpunkts Guantánamo, der bis zum heutigen Tag in US-Besitz ist, nach Auffassung der kubanischen Regierung ein Verstoß gegen das Völkerrecht (sevimdagdelen.de/voelkerrechtliche-bewertung-der-pachtvertraege-fuer-guantanamo/). Am 17. April 1961 landeten von der CIA ausgebildete Söldner in der Schweinebucht, zuvor hatten B-26-Bomber Luftwaffenstützpunkte in Kuba angegriffen (amerika21.de/blog/2023/05/263729/kuba-usa-kennedy-schweinebucht).

[«9] Der Internationale Gerichtshof in Den Haag (Niederlande) befand am 27. Juni 1986 die Vereinigten Staaten von Amerika der militärischen Aggression gegen Nicaragua für schuldig (iilcc.uni-koeln.de/fileadmin/institute/iilcc/Dokumente/Voelkerrecht2/Nicaragua_vs._USA_Stand_100212.pdf). Die CIA hatte bereits 1981 mit der Ausrüstung und Finanzierung der gegen die sandinistische Regierung kämpfenden „Contras“ begonnen, die landwirtschaftliche Kooperativen, Schulen, Gesundheitsposten und Dörfer angriffen. Die CIA verminte 1983 und 1984 zudem die zwei wichtigsten Häfen des Landes und führte weitere Angriffe auf nicaraguanische Häfen, Ölförderanlagen und Marinestützpunkte durch (icj-cij.org/files/case-related/70/6505.pdf, hier vor allem die Punkte (3) und (4) auf S. 161). Der Internationale Gerichtshof sprach Nicaragua in seinem Urteil Entschädigungen in Milliardenhöhe für die verursachten Schäden zu. Die USA erkannten weder das Urteil noch die Zuständigkeit des Gerichtshofs an und verweigerten die Zahlung der von der nicaraguanischen Regierung eingeforderten Entschädigung (ila-web.de/ausgaben/156/die-usa-auf-der-anklagebank-schuldig).

[«10] „Auf der ‚International Business Conference at Ukraine‘ in Washington hatte sie [Viktoria Nuland] am 13. Dezember 2013 allerdings selbst gesagt: ‚Seit der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahr 1991 haben die Vereinigten Staaten die Ukrainer darin unterstützt, demokratische Fähigkeiten und Institutionen aufzubauen sowie Bürgerbeteiligung und eine gute Regierungsführung zu fördern – all das sind Voraussetzungen für die Ukraine, damit sie ihre europäischen Bestrebungen erreichen kann. Wir haben mehr als fünf Milliarden Dollar investiert, um die Ukraine in diesen und anderen Zielen zu unterstützen.‘“ (Hintergrund, 25.02.2014); siehe: imi-online.de/download/2014_02b_jwagner.pdf

[«11] Etwa 1914 bei der Invasion von Veracruz durch US-Marines oder 1916/17 bei der Strafexpedition („Punitive Expedition”) durch US-General John J. Pershing (veteranmuseum.net/research-united-states-interventions-in-mexico/ sowie: amerika21.de/2022/06/258629/mexikos-gegen-nato-politik-ukraine)

[«12] bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/33096/hinterhof-der-usa-eine-beziehungsgeschichte/

[«13] zeit.de/politik/ausland/2018-05/russland-militaer-stationierung-iskander-raketen-kaliningrad